Die Panik vor der Vollendung - ich kann das Album nicht fertigmachen :(

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Juju, 16.Juni.2015.

  1. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Kennt das einer von Euch: Ihr habt eine CD produziert und könnt sie einfach nicht fertigmachen? So kurz vor dem Ziel, und ich kann das Album einfach nicht mehr anhören. Ich höre jede kleinste Unzulänglichkeit, sei es Time oder Intonation, denke, das kann man nicht veröffentlichen. Wir haben neu gemischt und gemastert, jetzt muss ich das Album nur noch einmal auf Herz und Niere prüfen, damit es in die Manufaktur kann, und ich kann einfach nicht mehr - habe eine totale Blockade.
    Ich finde es wesentlich einfacher, einfach nur irgendwo mitzuspielen - da gibt man halt sein bestes, und danach muß man mit dem Ergebnis leben.
    Bei meinem Album bin ich von vorne bis hinten für die Verzapfung verantwortlich und nun kann ich nicht mehr damit umgehen! Hilfe!
    LG Juju
     
  2. saxolina

    saxolina Strebt nach Höherem

    Juju, Du kannst das! Trau Dich! Wir freuen uns alle darauf!

    LG Saxolina
     
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  3. RomBl

    RomBl Guest

    Das Problem, das Du schilderst, gibt es nicht nur bei Musikern.
    Beruflich muss ich beispielsweise u.a. Berichte, Stellungnahmen, Gutachten etc. erstellen, die schon einen ordentlichen Umfang haben können (so bis 80 - 120 Seiten kommen schon vor). Ich habe mir immer vorgenommen, eine Nacht darüber zu schlafen und das Ganze dann noch einmal durchzugehen, bevor ich es rausschicke.
    Du glaubst gar nicht, wie viele Fehlerchen (i.d.R. nichts Elementares, aber z.B. falsche Nummerierungen, blöde Formatierungen, Rechtsschreibfehler etc. pp) ich da noch finde. Und wenn ich die Datei 6 Monate später öffne, finde ich wieder Fehlerchen, und weitere 6 Monate später wieder Fehlerchen, und so weiter und so weiter.

    Meine Erfahrung ist, dass man da nicht drüber nachdenken darf, sonst bekommt man das nie fertig. In der Zwickmühle steckst Du wohl gerade, und ich kann das gut verstehen. Aber Fehler sind halt menschlich.
    Mein erster Chef sagte einmal dazu: "Sie müssen sich von einem Stück Papier auch mal verabschieden können". Dieser Satz hat mein Verhalten diesbezüglich geprägt und wenn ich ein längeres Pamphlet erstellt habe, hilft er mir beim Versand immer weiter.
     
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  4. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich kenne das von jeder Aufnahme,
    egal ob für eine CD, Demo oder oder oder.
    Manchmal hilft es eine Pause einzulegen um wieder Luft zu bekommen und den Kopf klar zu kriegen. Sport, etwas was ablenkt, gute Freunde treffen (eventuell sogar denen was vorspielen).

    Lg Saxhornet
     
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  5. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Du bist jetzt übermotiviert und hypersensibilisiert...da besteht die Gefahr der "Verschlimmbesserung"....

    Am besten gar nix mehr dran machen, oder ein par Tage liegen lassen und dann nochmal anhören.

    Malern geht das auch so. "Wann ist ein Bild fertig?"

    Das wird schon gut!

    CzG

    Dreas
     
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  6. Dööpdöpp

    Dööpdöpp Kann einfach nicht wegbleiben

    Gegen das Streben nach Perfektion! Gut ist gut genug.
     
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  7. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Hallo Juju,

    daher haben viele professionelle Bands für ihre CD einen Produzenten.

    Ich kenne für deine CD da eventuell einen ganz in deiner Nähe... ;) Zumindest die Qualitätssicherung sollte er machen; denn du bis inzwischen zu tief drin.

    Pausieren ist eine gute Idee, macht aber nicht unbedingt glücklich.

    Du schaffst es!

    Perfekt ist langweilig!

    Lieben Gruß

    Michael
     
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  8. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Natürlich hört man bei jedem Anhören der eigenen Produktion noch irgendwo ne Kleinigkeit, die besser geht.....
    @RomBl hat es ja auch schön beschrieben. Ich finde auch bei jedem lesen eines Textes, einer Präsentation noch was, was "besser" formuliert werden könnte. Und wenn das Dokument veröffentlicht, die Präsentation gehalten wurde weiß ich hinterher auch noch mal 2 Dutzend Stellen, die ja eigentlich "so gar nicht" gingen und "unbedingt" hätten korrigiert werden müssen.

    Wir hatten hier doch vor geraumer Zeit die Diskussion über heutige CD-Produktion, wo overdubbed und elektronisch geradegezogen wird und dann ein glatt poliertes Werk ohne Ecken und Kanten da steht.

    Ich mein' mich zu erinnern, dass da die meisten Aussagen waren, dass man lieber ein "echte" CD mit kleinen "Macken" eben fast wie live hört, als ein "steriles" 110%-Produkt.
     
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  9. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Tonproduktionen sind Standortbestimmungen. Und sehr oft ist es halt so, dass wenn es dann endlich mal veröffentlicht wird, für das Zielpublikum zwar brandneu, für die Produzierenden jedoch Schnee von gestern ist. Bei meiner ersten *richtigen* Produktion hätte ich bereits beim Einspielen den grössten Teil der Bläsersetze anders geschrieben. Aber es war dann halt so, wie's war und nicht mehr zu ändern. Auch gut... :)
     
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  10. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Hallo Juju,

    du hast doch bereits ein Buch veröffentlicht. Eigentlich ein analoger Vorgang...
     
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  11. Aerophon

    Aerophon Ist fast schon zuhause hier

    Das Problem werde ich Gott sei Dank nie haben, CD nicht fertig machen können...

    Ich kenne das aber von den Projektberichten, die ich gelegentlich schreiben darf. Das fing schon bei der Dissertation an und hat sich im Berufsleben nicht verändert. Ich finde garantiert immer einen Fehler oder würde es anders formulieren, wenn ich das nochmals lese. Andererseits muss es einfach irgendwann mal gut sein, weil man sich sonst total verrückt macht. An dem Punkt bist du wohl gerade. Ablenkung ist da schon eine Hilfe. Vielleicht hilft es aber auch ein paar Aufnahmen deiner Idole bewußt zu hören. Die spielen sicher auch nicht völlig fehlerfrei oder optimal. Die Frage ist ja auch, wird dein Publikum / Käufer das hören was dein überkritisch Gehör jetzt entdeckt? Vielleicht sagen die einfach: "Super gespielt, tolle Musik". Mach jetzt einfach mal was Anderes und gehe die CD in ein paar Tagen noch mal neu an.

    Viele Erfolg

    Aerophon
     
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  12. Brille

    Brille Strebt nach Höherem

    Hallo Juju, vieles wurde schon gesagt. Und es ist alles irgendwie richtig und zutreffend, denke ich.
    Ganz kurz sage ich nur: Du bist echt gut. Und das Ergebnis wird Vielen gefallen. Trau dich!
    Brille
     
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  13. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Wenn man sich intensiv mit etwas beschäftigt, längere Zeit, baut sich eine große Sensibilität auf für das Thema, und insbesondere zu Verbesserndes, sprich Fehler. (Gibt aber auch das Gegenteil, das sich berauschen am großartigen Ergebnis, und taub sein für Fehler.)
    Diese Sensibilität kann sich dann selbstständig machen, und sich immer tiefer reinbohren. Die "Fehler" mögen tatsächlich da sein, ins Gesamtbild aber viel organischer reinpassen, es lebendiger machen usw, als es mit der zwangsläufig etwas überzüchteten Sensibilität in dem Moment aussieht.

    Da hilft nur Pause, etwas anders machen, das kann auch wieder Musik sein, aber andere. Nach ein paar Tagen stutzt sich die Sensinbilität wieder aufs Normalmaß zurück. Arbeitet man aber weiter, mag es sein, das man Dinge verändert, die man später gar nicht mehr versteht und ev bedauert.

    Ruhe bzw Ruhen lassen ist eben die erste Bürgerpflicht :).



    http://swing-jazz-berlin.de/
     
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  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Hab' dazu noch eine passende Anekdote...

    Mitte der Neunziger hatte ich einen Vortrag auf einer Konferenz in Denver zu halten, vor ca. 600 Teilnehmern.

    Zu der Zeit fing grad an "PowerPoint" bei Präsentationen en Vogue zu werden.

    Wir haben da aber noch die Präsentationen mit Dias gemacht. Also Diamagazin und Diaprojrktor.

    Ich hatte logischerweise am Tag vor dem Flug nach Denver alles fertig und konnte, selbst wenn ich gewollt hätte, nichts mehr an der Präsi ändern.

    Ein Vortragskollege nutzte Powerpoint und war ständig dabei seine Präsi zu "optimieren", bis fünf Minuten vor seinem Auftritt.

    Er war inzwischen so nervös, dass er gnadenlos "abgekackt" ist.

    Bei mir lief's super. Ich war morgens nochmal alles durchgegangen, habe die Sachen weggelegt...und konnte den Vortrag locker und entspannt halten.

    Meine Lehre daraus: Selbst als wir PowerPoint nutzten habe ich mir immer eine Deadline für die Fertigstellung gesetzt und danach nicht mehr an den Charts gearbeitet.

    CzG

    Dreas
     
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  15. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Nach diesem Prinzip arbeite ich auch. Da ich hauptsächlich in Projekte arbeite, lernte ich es sehr schnell, diese auch abschließen zu können.

    Genau!

    Liebe Juju, wann kommt die nächste CD, diese ist doch schon wieder "out".
     
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  16. Mugger

    Mugger Guest

    Hey,

    horch mal auf die Intonation der Flöte bei 1:17...



    Und dann stelle ich Dir die Fragen:

    Würde man das Solo anders spielen wollen?
    Wurde das Stück ein Hit?
    Und das ist noch Popmusik, hehe

    Ich hoffe, ich konnte Dich ein wenig aufheitern.

    Cheers, Guenne
     
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  17. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Hallo Juju,

    wenn Du das Album SO herausbringst, ist alles aus......;)

    Ich kann Dich gut verstehen....mach mal Pause....und nimm Dir schon mal die nächste CD vor.....:)



    Liebe Grüße

    Chris
     
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  18. Gerd_mit_Sax

    Gerd_mit_Sax Ist fast schon zuhause hier

    als Perfektionist wird man wohl nie fertig - irgendwann muss man den Mut haben loszulassen. Und kleine Fehler machen sympathisch.

    Wünsche Dir Mut!

    Gerd
     
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  19. Rubax

    Rubax Strebt nach Höherem

    Juju,

    es wurde ja schon alles gesagt, nur noch nicht von mir. Notfalls gibts Du es einfach so ab!

    Mitfühlende grüße,

    Rüdiger
     
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  20. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    ich kenne das Problem. Die Sache ist die, dass man nach x-fachem Hören nicht mehr die MUSIK hört, sondern nur noch ihre Teile, sei es nun Arrangement, Spielweise, Aufnahme, etc. Man vergisst mitunter regelrecht, dass es um die MUSIK geht, nicht um ihre Peripherie. Bis sich schließlich die Stücke nur noch auf ihre Unzulänglichkeiten reduzieren. Ich habe das bei sehr, sehr vielen Produktionen erlebt (entspannt als Sideman - etwas weniger entspannt als Hauptperson) und IMMER war es so, dass nach einer Zeit wieder die MUSIK in den Vordergrund getreten ist.

    Wenn man sich die alten Platten anhört, dann wird man feststellen, dass aufgrund der Aufnahmetechnik (alle spielen gleichzeitig) niemals wirklich fehlerfreie Aufnahmen zustande gekommen sind. Fehlerfrei ist eine Illusion, die die Kunst zerstört, die Atmosphäre, den persönlichen Charakter. Es gibt die Anekdote von Max Roach und Coleman Hawkins, als Hawkins bei den Aufnahmen zu "Driva Man" mitten im Solo einen massiven Quietscher produzierte. Roach schlug vor, die Aufnahme zu wiederholen. Hawkins lehnte ab: "Nein, das gehört dazu". Und dann noch Miles Davis: "Es gibt keine Fehler". Doch, gibt es natürlich schon, aber sie sind oft nur egal.

    Denn: Der Musikliebhaber wird sie nicht hören. Und wenn man Musik macht, die die Kollegen beeindrucken soll, dann ist das eine Produktion, die ich nicht hören wollen würde. Je glatter und perfekter, desto langweiliger oft. Auf welcher Aufnahme pfeift Hank Mobley nicht? Auf "My Favorite Things" hat McCoy Tyner einen epischen Verspieler. Es gibt Aufnahmen von Rollins, da springt der Ton so oft nicht an oder anderswo hin, dass das schon wieder System hat. Auf "Valse Hot" hat Clifford Brown so viele Kiekser, dass man das Stück fast nicht erkennt. Der späte Arthur Rubinstein hat sich gerne und oft verspielt. Und wenn schon! Und so weiter und so fort. Wer nichts riskiert, produziert keine Fehler.

    Und trotzdem sind diese Musiker und Aufnahmen großartig. Und oft und gerne großartiger als völlig ausgefuchste Produktionen, ausgetüftelt bis zur vollkommenen Blutleere. Musik ist auch ihre Entstehung, ist auch der Mensch, der sie spielt. Ich empfinde das gleichzeitige Einspielen im Studio als viel besser, aufregender und musikalischer als das trackweise Aufnehmen. "Höre nicht auf die Noten, hören auf den Klang" soll der Vater von Charles Ives zu seinem jugendlichen Sprössling gesagt haben. Genau so ist es. Man muss die Musik hören, nicht die Fehler, wenn es denn überhaupt welche gibt. Mit den Fehlern eliminiert man gerne auch das ganze Leben in der Musik.
     
    Mummer, flar, Aerophon und 12 anderen gefällt das.
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