Die Problematik mit verzogenen/gestauchten S-Bögen

Dieses Thema im Forum "Reparatur und Instandhaltung" wurde erstellt von saxhornet, 1.März.2014.

  1. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich habe gerade bei zwei Kollegen aus verschiedenen Orten in Deutschland ein interessantes Phänomen erlebt. Die beiden hatten bei ihren Tenören leicht verzogene/gestauchte S-Bögen und haben das aber selber gar nicht wahrgenommen. Spieltechnisch war es auch nicht zu merken, da die Hörner gut intonierten und sehr gut geklungen haben (ich konnte beide Hörner mehrfach schon anspielen).
    Bei der letzten Generallüberholung wurde bei beiden Hörnern der S-Bogen gerichtet. Danach spielten sich die Saxe anders, Intonation war nicht mehr für die Spieler so wie gewohnt und nur schwierig kontrollierbar, Ansprache und Klang hatte sich auch leicht und bei dem einen Horn sogar stärker verändert und einige Töne brachen klanglich plötzlich richtig aus.
    Das Interessante ist: werden solche Stauchungen behoben wird meist die Stimmung eher leicht tiefer und der Ton gerne auch etwas voller, in diesen Fällen wurde die Intonation bei dem einen Horn aber deutlich zu hoch in einigen Tonbereichen, was eher ungewöhnlich ist. Während das eine Horn nach etwas Umstellung und viel Arbeit beim Voicen sich wieder vom einen Kollegen gut spielen liess, ist beim anderen Fall, der frischer ist, noch keine Lösung in Sicht.
    Mit dem gewohnten Mundstück kann der Spieler das Horn nicht mehr gut intoniert spielen. Wird das Mundstück weit genug rausgezogen, brechen einige Töne bei höherer Lautstärke weg, wird es weit genug raufgeschoben, daß das nicht mehr passiert ist die Intonation schwierig. Mit einem Mundstück wo das Gesamtvolumen aber kleiner ist, als bei dem gewöhnten, wird es besser, nur leider ist der Klang dann bei ihm etwas extrem (damit kann er Farbe von der Wand blasen).

    Das Dumme ist nur, soweit ich es mal gehört habe ist es heikel so eine Stauchung wieder künstlich zu schaffen und fällt eher unter den Bereich experimentelles Basteln, da unklar ist, war es die innere gestauchte Geometrie oder wirklich das Volumen und das künstlich nicht wieder genauso herzustellen ist. Auch kann der S-Bogen das eventuell nicht so gut vertragen.

    Mit einem anderen S-Bogen ist die Intonation teilweise besser aber der Klang nicht der gewünschte. Werden die KLappenaufgänge verringert klingt das Horn nicht mehr voll und eher muffig laut seiner Aussage.

    Das ist das erste Mal, daß ich von so einem Fall höre, wo das kleinere Volumen die korrekte Intonation liefert und wie das möglich ist, ist mir noch nicht ganz klar. Ich konnte das Horn vorher und nachher mal anspielen, vorher ein super Horn, guter Klang, schnelle Ansprache und auch für mich gute Intonation, danach fehlte dem Horn was, Ansprache war schlechter und die Intonation war auch für mich nicht dolle.
    Wir haben dann mal meinen S-Bogen probiert aber der passte nicht wirklich, mit einem Mauriat S-Bogen der mit den Tenören ausgeliefert wird (nicht der Magnum) war sein Problem etwas kleiner aber dafür gab es andere Probleme.

    Für mich komme ich zu der Erkenntnis, wenn die Intonation und der Rest stimmt, dann sollte man auch bei einem verzogenen/gestauchten S-Bogen vielleicht daran lieber nicht rumdoktorn. Sehr kurioser Fall und mir tut der Kollege sehr leid, der natürlich nicht sehr glücklich ist.

    Lg Saxhornet

     
  2. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Wie heisst es so schön:

    "If it ain't broke, don't fix it!"

    Da ist viel Wahres dran...
     
  3. saxhornet

    saxhornet Experte

    Dumm nur, wenn der Instrumentenbauer dazu rät, wie im Fall meines Kollegen. Wobei dieser nur getan hat, was die meisten Instrumentenbauer in so einem Fall machen und empfehlen und soweit ich weiss auch gute Erfahrung mit gemacht haben.

    Lg Saxhornet
     
  4. Gast

    Gast Guest

    @Saxhornet

    Ich habe mir solche Gedanken auch schon gemacht - weniger im Bezug auf die S-Bögen, sondern eher allgemein. Man beobachtet garnicht selten, dass ein Sax eine fette Delle bekommt ( gerne unten am Knie z.B.) aber genauso klingt und spielt, wie davor.
    Wird es jedoch ausgebeult - also eigentlich in den originalen Zustand zurückversetzt, kann es plötzlich anders klingen/spielen.

    Die Unlogik dahinter geht analog zu Deiner S-Bogenerfahrung.

    Meine Vermutung ist, dass durch das Ausbeulen ( hämmern) das Material an besagten Stellen verdichtet wird und evtl daher andere Schwingungserscheinungen an gewissen Knotenpunkten des Instrumentes entstehen.
    Selbst für mich klingt diese Vermutung etwas zu weit hergeholt ... ganz glücklich bin ich mit dieser Theorie nicht --- aber es GIBT nunmal das von Dir beschriebene Phänomen und eine andere Erklärung fällt mir dazu nicht ein.

    Wenn es jedoch so gravierend negative Auswirkungen hat, wie von Dir beschrieben, dann ist das schon echt ärgerlich. Da will man nur das Beste und kriegt die Gesässkarte dafür....

    ;-(

    CBP
     
  5. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    @CBP:

    Das würde ja bedeuten, dass das Material doch einen Einfluss auf den Klang hat .... :duck:

    Zum Thema: Ich hatte an einem Keilwerth SX 90R Vintage Tenor auch einen gestauchten S-Bogen. Keilwerth sandte mir einen neuen Bogen zu, den ich 14 Tage lang testen durfte.

    Tja. Ich war mir nicht wirklich sicher, ob der neue wirklich besser war. Auch mein Sax-Lehrer meinte, ich solle den alten Bogen behalten und darauf achten, diesen nicht weiter zu beschädigen (z.B. durch "falsches" Aufstecken des Mundstücks.)

    Sowohl Klang wie auch Intonation waren mit dem gestauchten Teil besser.

    Gruß aus dem Schwarzwald
    Bernd
     
  6. Gast

    Gast Guest

    @Bernd

    LACH !!

    Ja - in einem kleinen Umfang ist das ja auch so.

    In dem beschriebenen Fall, denke ich jedoch weniger an das Material als solches sondern eher an evtl entstehende Unregelmässigkeiten / Dichten darin.
    Wenn das Metall in sich nicht mehr so homogen ist wie vorher, KÖNNTE das ja was ausmachen.

    Ist nur ne Theorie....vielleicht weiss jemand eine bessere !

    ;-)

    CBP
     
  7. macpom

    macpom Ist fast schon zuhause hier

    Wie sind den die Stauchungen entstanden? Wie haben sie vorher gespielt. Vieleicht sind die Bögen schon so angepasst ausgeliefert worden. Hat ein Doc. mal von Selmer Bögen behauptet. Da sollen die Wellen in der Verbindungsbuchse kein Fehler sondern Anpassungen sein.

    Andreas
     
  8. Gast

    Gast Guest

    Mein Mark VI ist vor vielen Jahren kopfüber von der Bühne gestürzt. Kanne fast unversehrt, Bogen da wo das S ist, komplett platt. Totalschaden. Neuen Bogen bestellt mit Mark VII drauf (das muss die Zeit gewesen sein). Der spielte gefühlt genauso gut.

    Bei einer GÜ vor 10 Jahren (meine Saxundjazzrückeroberungszeit) bat ich den Meister, den Originalbogen wiederherzustellen. Er hat geflucht, aber es ging. Die entscheidende Stelle ist nun ein Oval und die Haltung damit ein wenig anders. Und siehe da, das ovale Original intoniert sauberer als der M7-Bogen. Dabei sagt man gerade solchen Verformungen negativen Einfluss auf die Intonation nach.

    Herman
     
  9. PeterS

    PeterS Ist fast schon zuhause hier

    Als ich vor 2 Jahren ca., mein Grassi Tenor Schnäppchen bekam von nem Ladbergener Saxschrauber, der auf das Ding wohl keine Lust hatte, war ein nahezu komplett zusammengequetschter S-Bogen dabei. Hab ihn in 3 Tagen Arbeit zurückgeklöppelt in Runde bis ovale Partien, allesamt Zellulite-ähnlich aussehend.

    Fazit: ich dachte ich fall vom Hocker. Geiler Sound und Intonation Top, und mir gefiels und gefällts immer noch, viel besser als mit dem Originalen unversehrten S-Bogen meines Bekannten.

     
  10. ArminWeis

    ArminWeis Experte

    Hallo zusammen,

    gerne möchte ich noch einen weiteren Aspekt anführen.

    Die Grundregel lautet: je näher am Punkt der Tonerzeugung etwas verändert wird, um so größer ist die Auswirkung.

    Am nächsten ist der Spieler, dann das Mundstücksetup (Blatt, Blattschraube, Mundstück), dann der Bogen, dann der Konus, dann das Schallstück.

    Die größten Veränderungen nimmt demnach der Spieler vor, danach kommt das Material (Materialauswahl, Beschaffenheit, Verlauf etc.) - oben viel, unten weniger.

    Der S-Bogen sitzt relativ weit oben, spielt also eine sehr bedeutende Rolle auf der Materialseite. Wenn er nur leicht abgeknickt ist, wird die Volumenveränderung minimal sein. Was sich ändert, ist der Verlauf des Luftstroms und (ganz wesentlich!) der Anblaswinkel. (Vielleicht interessant in diesem Zusammenhang: Dieser Tage war ein Schüler der Rascher Akademie bei mir, wir sprachen über ein aktuelles Tragesystem für Saxophone und er sagte, sein Lehrer hätte es ihm verboten, weil sich sein Ton dadurch verschlechtert hätte - anderer Anblaswinkel eben).

    Der veränderte Anblaswinkel kann die Ursache oder Teil der Ursache sein, muss aber nicht. Zumindest würde ich es überprüfen.

    Beste Grüße,
    Armin

    P.S. S-Bogenreparaturen im genannten Sinne mache ich z.B. grundsätzlich nicht, genauso wie ich die Finger von Mundstücken lasse. Das sind Spezialabteilungen, bei denen man am besten die einschlägigen Spezialisten kontaktet.

     
  11. elgitano

    elgitano Ist fast schon zuhause hier

    Generalüberholung und S-Bogen gerichtet. Zwei Schritte/Veränderungen ohne Kontrolle zwischen den beiden Arbeiten? Sollte man generell nicht machen. Wie im Leben, Schritt für Schritt mit den jeweiligen Kontrollen.
    Claus
     
  12. Gast

    Gast Guest

    Hä? DER S-Bogen des Horns war seit Jahrzehnten der Mark VII-Bogen und es war nicht die erste GÜ seit dem Unfall.

    Zusätzlich ließ ich den Originalbogen, der 30 Jahre lang zerquetscht in der Schublade lag, wieder richten. Wo fehlt da die Kontrolle über irgendwas?

    Herman

    PS: Ich weiß noch heute wie es passierte: wir waren die Begleitband von "Marianne und Michael" und mussten programmhalber schnell abbauen. Dabei kippte mein Tenorständer nach vorne und das Sax kopfüber ca. einen Meter von der Bühne genau auf den Bogen.
     
  13. Rubax

    Rubax Strebt nach Höherem

    In einem anderen Thread hier wurde ein Youtube-Video verlinkt. In de Video wurde gezeigt wie durch Volumenverminderung im S-Bogen die Intonationen in den oberen Oktaven verändert/verbessert wurde, das scheint also offenbar eine bekannte Technik zu sein. Im Video wurde das sehr drastisch gemacht: das zuvermindernde Volumen wurde zuerst durch Einlegen eines Bandes bestimmt, danach wurde der Bogen aufgeschnitten und um das vorher bestimmte Volumen verkleinert und wieder zusammengelötet. Fand ich sehr interessant.
     
  14. Topshit

    Topshit Ist fast schon zuhause hier

    Bei mir sind die tiefen Töne intonationstechnisch eher bescheiden, vielleicht klopp ich ma auf`n S-Bogen:roll:
     
  15. PeterS

    PeterS Ist fast schon zuhause hier


    Wenn da mal, von wegen M&M, nicht die alten Jazzgeister die kritischen Hände im Spiel hatten.
     
  16. Gast

    Gast Guest

    Schlimmer! Sudetentreffen. Sowas war in den 70ern noch richtig heftig. Die eigene Käuflichkeit wurde einem sehr bewusst.

    Herman
     
  17. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Nach allen bisherigen Kommentaren gelangt man ja fast zu der Vermutung, dass sich am S-Bogen von Jimmy Giuffre ein Physik-Nobelpreisträger zu schaffen gemacht hat.

    http://www.saxophonforum.de/forum/viewtopic.php?topic_id=13675&forum=7&post_id=169423#forumpost169423

    Leider bin ich heute zu blöd, ein Bild hochzuladen. Da könnte man es sehr schön sehen.

    Hey, da ist es ja! Wieso konnte ich es nicht in der "Vorschau" sehen?
     
  18. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    Sieht schon fast so aus wie der "gerade" Tenor S - Bogen (sah aus wie ein riesiger Alto - Bogen) den mir Gerhard Julius Keilwerth mal gezeigt hat.......


    ....und der Ansatz ..... ziemlich extrem, nicht.....



    SlowJoe
     
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