Erfahrungsbericht: Das Wichtigste am Üben sind die Pausen

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Saxoryx, 14.Dezember.2025 um 14:01 Uhr.

  1. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Das ist das, was ich in den letzten beiden Wochen gelernt habe. Ich sah mich vor die Herausforderung gestellt, möglichst schnell das zu lernen, was ich für unser Weihnachtsvideo lernen musste. Die traditionelle Übemethode, so viel und so lang wie möglich zu spielen, damit man die Sachen reinbekommt, stand nicht zur Verfügung, weil ich dafür nicht mehr jung genug und auch nicht mehr gesund genug bin, viel Zeit durch Krankheit versäumt hatte, die ich auch nicht mehr aufholen konnte, egal mit welcher Methode.

    Glücklicherweise bin ich dann über die Methode des effizienten Übens gestolpert, und so habe ich es tatsächlich geschafft, das Projekt abzuschließen. Gestern haben wir die Audioaufnahme gemacht und heute die Videoaufnahme, das Video muss jetzt nur noch mit dem Audio zusammengefügt und geschnitten und mit Effekten versehen werden, wie wir es auch in den vergangenen Jahren gemacht haben.

    Ich bin sehr erschöpft, aber auch sehr erleichtert, und muss mich jetzt erst einmal ein bisschen ausruhen, um meine Energie wieder aufzufüllen.

    Ich wollte das eigentlich in den ursprünglichen Thread zum effizienten Üben hineinschreiben, aber der ist ja mittlerweile – völlig zu Recht – geschlossen. Leider eskalieren manche Themen hier im Forum immer sehr schnell, das kennen wir ja alle schon seit Jahren. Ich verstehe das bei diesem Thema zwar nicht so richtig, aber es passiert eben, auch wenn man nur über seine Erfahrungen mit einer bestimmten Methode – welche auch immer – berichten will, damit andere, die in einer ähnlichen Situation sind, das nachlesen können und vielleicht nicht so lange nach der Methode suchen müssen, wie ich es tun musste.

    Aber es ist nun einmal, wie es ist. Wir sind alle Menschen, und verschiedene Menschen haben verschiedene Vorstellungen davon, wie man bestimmte Dinge tun sollte. Das ist eigentlich kein Grund, sich zu streiten oder jemand anderem Vorwürfe zu machen, denn jeder kann es ja machen, wie er will, aber na ja … Manche Leute streiten sich vielleicht einfach gern.

    Ich habe mich da rausgehalten, weil ich das nicht wollte. Was ich aber gern möchte, ist, einen Abschluss zu haben, und deshalb schreibe ich das hier. Was hoffentlich nicht wieder Anlass zum Streiten ist, denn es geht nur um meine Erfahrungen, die ich gern teilen möchte. Dafür ist ein Forum meines Erachtens da: sich auszutauschen.

    Was ich tatsächlich in diesen vergangenen beiden Wochen gelernt habe, ist, dass es mit dem Üben wie mit dem Muskeltraining im Fitness-Studio ist: Die Muskeln wachsen nicht dadurch, dass man zehn Stunden am Stück trainiert, sondern die Muskeln wachsen in den Pausen. Macht man keine Pausen, gibt man den Muskeln nicht die Zeit, die sie zum Wachsen brauchen, kann man sich noch so sehr anstrengen, man wird weniger Erfolg erzielen als der, der strukturierte Pausen macht.

    Beim Üben sind diese Pausen genauso wichtig. Es gibt Studien, die das untersucht haben, und das Erstaunlichste für mich war dabei, dass das Gehirn mit dem Üben weitermacht, wenn wir Pausen machen (was wir schon vermutet haben, deshalb das Buch bei Nacht unters Kopfkissen, wenn man als Kind am nächsten Tag eine Arbeit schreiben musste).

    Unser Gehirn macht aber nicht nur weiter, es wiederholt das, was wir vorher geübt haben, 20 Mal schneller und sogar rückwärts! Das hat mich wirklich vom Hocker gehauen.

    Durch diese Wiederholungen, an denen wir nicht aktiv beteiligt sind, prägt das Gehirn sich mehr ein, als wenn wir – in normalem Tempo – weitere Wiederholungen am Instrument vornehmen würden. Und nur so kann das Gehirn das, was wir geübt haben, für längere Zeit abspeichern. Wenn man keine Pausen macht oder zu wenige oder zu kurze, prägt es sich die Sache nicht für längere Zeit ein. Man kann es dann in dem Moment, aber es bleibt nicht.

    Nach Tausenden von Wiederholungen wird sich vieles trotzdem einprägen, aber der Aufwand ist enorm. Übt man weniger und macht viele und lange Pausen, verringert das den Aufwand bei gleichem oder sogar besserem Ergebnis.

    Sagt die Gehirnforschung und man kann das in dem Buch von Molly Gebrian nachlesen, wenn man möchte. Dort ist es gut speziell für Musiker zusammengefasst.

    Molly Gebrian hat die längste Zeit ihres Lebens auf traditionelle Art geübt, mit sehr viel zeitlichem Aufwand, und ist damit auch gut geworden, eine professionelle Musikerin auf hohem Niveau. Aber gerade professionelle Musiker müssen eben immer wieder viel neue Musik lernen, und so hat sie sich irgendwann gefragt, wie sie sich mehr Zeit für das Erlernen dieser Musik erarbeiten kann. Jetzt, sagt sie, hat sie erheblich mehr Zeit, neue Musik zu lernen, kann viel mehr Musik gleichzeitig spielen und auch behalten, um sie im Konzert auswendig spielen zu können, wie es von professionellen Musikern nun einmal erwartet wird. Ganze Konzerte.

    Seit sie ihrem Gehirn durch viele Pausen und einen langen und erholsamen Schlaf die Möglichkeit gibt, für sie im Kopf weiterzuüben, selbst wenn sie schläft, und sich die Musik besser einzuprägen, ist sie erheblich zufriedener mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen, hat viel mehr davon, ist sicherer auch bei komplizierten und sehr schnellen Passagen.

    Ich bin keine professionelle Musikerin, aber ich habe in den letzten beiden Wochen gemerkt, wie mächtig diese Methode ist. Ich hatte lange nicht mehr gespielt, wenig bis gar nicht geübt, weil ich so oft krank war, und doch habe ich es mit dieser Methode geschafft, innerhalb von zwei Wochen einen Auftritt abzuliefern und in einer Geschwindigkeit zu spielen, die ich mir vor zwei Wochen noch nicht hätte träumen lassen.

    Ich rede hier nicht von 400 bpm oder so etwas, sondern von einem für viele sicherlich normal schnellen Tempo von 120 bpm, aber für mich erschien das vor zwei Wochen unerreichbar. Ich schaffte noch nicht einmal 80 bpm. Jetzt traue ich mir zu, ein Stück wieder hervorzuholen, an dem ich schon vor Jahren immer wieder gescheitert bin. Zieltempo 140 bpm. Ich sehe kein Problem mehr darin, das spielen zu können. Es wird das nächste Stück sein, das ich übe. Und zwar effizient.

    Diese Methode jetzt hat mir die Sicherheit verliehen, die ich immer vermisst habe. Wenn ich diese Methode anwende, kann ich das erreichen, was mir bisher unerreichbar erschien. Und ich freue mich wahnsinnig darauf, ab jetzt viele, viele Stücke üben und spielen zu können, vor denen ich mich bisher absolut gescheut habe.

    Ich bin richtig glücklich nach dieser Erfahrung jetzt. Endlich sehe ich eine Zukunft vor mir, in der ich wenigstens noch ein paar Jahre so Musik machen kann, wie ich es mir immer gewünscht habe. Mit vielleicht zweimal am Tag 20 Minuten Üben das zu erreichen, was ich vorher mit stundenlangem Üben nicht erreichen konnte. Und was mich dann enorm frustriert hat, weil ich ja so viel Zeit und Aufwand ins Üben investiert hatte, ohne ein entsprechendes, mich befriedigendes Ergebnis erreichen zu können.

    Nun weiß ich endlich, wie es geht, und das wird ein tolles Saxophon-Jahr 2026! Ich freue mich wahnsinnig und kann nur all den Hirnforschern danken, die all diese kleinen Dinge entdeckt haben, die das unterstützen.

    Jeder sollte seinen Traum verfolgen können. Aber jeder auch auf seine eigene Art. Es gibt nicht den einen Traum für alle und auch nicht die eine Methode für alle. Jeder muss seine eigene Methode finden, die ihn dann glücklich macht.

    Und glücklich zu sein, darauf hat jeder ein Recht. Das ihm niemand anderer streitig machen kann.
     
  2. khayman

    khayman Ist fast schon zuhause hier

    Ich kann das nicht alles Lesen (die Küche ruft).... Aber Du redest immer von eurem Weihnachtsvideo, bekommen wir es denn auch mal zu sehen?
    Oder hast Du es bereits verlinkt und ich habe es überlesen?
     
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  3. Nemo

    Nemo Ist fast schon zuhause hier

  4. Katzenmusiker

    Katzenmusiker Admin Mod

    Eigentlich wollten wir den vorübergehend geschlossenen "Effizient Üben"-Thread wieder aufmachen, da sich das Tröllchen aus Montevideo eine andere Spielwiese gesucht zu haben scheint. Nun geht es also hier weiter mit der Wissenschaft vom Üben, auch gut. Daher: Ring - sorry - Übungsraum frei!
     
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  5. Bb7

    Bb7 Ist fast schon zuhause hier

    Ja richtig......ich habe es ein bisschen übertrieben und 30 Jahre Pause gemacht. Manno, da war ich dann aber fit am Sax!!!!
     
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  6. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Sei lieb! ;)
     
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  7. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Ah, schön! Ich dachte du weisst nicht mehr, wo du das Sax hingelegt hattest :lol:
     
  8. Woliko

    Woliko Strebt nach Höherem

    Auch hier mein Credo: Großmut, Geduld und Gelassenheit!
     
    Livia gefällt das.
  9. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Das schleift sich alles noch ein.
     
  10. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Das beste am ganzen Tag, das sind die Pausen!

    (Roy Black)

     
    Bereckis und Viper gefällt das.
  11. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Ich habe das jetzt nicht gelesen oder angeschaut, mich würde aber schon interessieren, wie so ein effizienter Übeplan aussieht bzw. sich implementieren lässt.

    Ich schaffe es derzeit, einmal die Woche 30-60 Minuten am Stück zu üben, gelegentlich schaffe ich ein zweites Mal. Dazwischen unter der Woche nehme ich 3- 4x für 15 min das Travelsax und mache gezielt Fingerübungen. So schaffe ich es, nicht komplett einzurosten.
    Wie könnte ich die knappe Zeit effektiver gestalten? Ich glaube kaum, dass ein paar Pausen die Lösung sind, aber wer weiß… :)
     
  12. Woliko

    Woliko Strebt nach Höherem

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