Frage an die Techniker/Instrumentenbauer zum Saxophonbau

Dieses Thema im Forum "Reparatur und Instandhaltung" wurde erstellt von derhagi, 19.Februar.2019.

  1. derhagi

    derhagi Kann einfach nicht wegbleiben

    Guten Morgen,

    mal eine Frage an die Techniker:

    Bei den Saxophon Bauarten wird unter anderem zwischen einer sog. ripped construction (wo die Säulchen in Gruppen auf Blechstreifen gelötet werden und anschließend komplett auf den Korpus) und einer sog. post to body construction (hier werden die Säulchen direkt auf`s Rohr gelötet) unterschieden.

    Mir scheint, als vermarkten manche Hersteller dies als besonderes Qualitätsmerkmal, bzw. besonderes Merkmal für ein „professionelles“ Instrument.

    Beispiele hierfür wären z. B. Yamaha, hier unterscheidet sich die 475/480er Serie von der 62er Serie durch diese unterschiedliche Konstruktion. Aber auch Yanagisawa spendiert nur seinen hochpreisigen Saxen diese ripped construction.

    Wenn dies tatsächlich ein besonderes Merkmal für besonders tolle Saxe ist, frage ich mich warum zum Beispiel

    Buffet Crampon S1

    Buffet Crampon SDA

    Conn 10M / 6M

    King Super 20

    King Zephyr

    sämtl. Keilwerth Saxe

    lässt sich mit den tollsten Saxophonen weiterführen ...

    genau dieses Attribut nicht aufweisen. Bei allen diesen Spitzeninstrumenten werden die Säulchen direkt auf den Korpus gelötet.

    Auf der anderen Seite werden schon die billigsten Chinatröten mit einer ripped construction ausgestattet.

    Ich weiß, dass Selmer die Blechstreifengeschichte „erfunden“ hat und eigentlich alle ihre Instrumente bis heute so bauen (das Serie 3 geht hier durchaus eigene Wege) und nahezu alle Selmer-Clone auch so gebaut werden (klar, sonst wär`s ja kein Selmer-Clone ;)), aber ist dies tatsächlich ein Merkmal für ein besonders professionelles Instrument, oder hat dies in Wirklichkeit eher produktionstechnische Gründe?

    Ich z. B. stelle es mir durchaus anspruchsvoller vor, wenn die Säulchen einzeln auf`s Schallrohr gelötet werden, als vorher in Gruppen auf Blechschienen.

    Mich würden hier insbesondere sehr die Meinung und Aussagen der Fachleute/Instrumentenbauer unter euch interessieren.

    LG

    Hagi
     
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  2. Addie

    Addie Ist fast schon zuhause hier

    Das würde mich auch interessieren.

    Ist das dann auch der Unterschied zwischen einem Yanagisawa T-WO1 und WO10 bzw. WO2 und WO20? Irgendwo habe ich gelesen, dass die Mechanik bei dem 10er bzw. 20er halt besser sein soll, irgendwie stabiler? Das war in einer Rezension (Thomann glaube ich), der mehrere Tenöre gegeneinander getestet hat. Aber ich habe bis jetzt noch nicht recht herausfinden können, was das genau heißt, bessere Mechanik. Gebe allerdings zu, dass ich auch noch nicht die Zeit gefunden habe, mich damit intensiver zu beschäftigen...
     
  3. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Ich glaube, da stecken 90 % PR dahinter, man stellt halt das, was man verkaufen will in ein positives Licht.

    Generell kann man wohl sagen, dass die ripped construction den Herstellungsprozess vereinfacht. Das war die Neuerung von Selmer.

    Nun sagt man, bzw. hört man gelegentlich, dass dadurch die Instrumente nicht so leicht ansprechen, aber satter klingen. Ähnliches sagt man ja auch von anderen Verstrebungen an Saxophonen, oder besonders dicken Wänden.

    Andererseits ist das Buffet S1 bspw. nicht gerade das Instrument, von dem ich sagen würde, dass es besonders leicht anspricht. Dafür klingt es aber eher satt.

    Auch steht das Selmer SIII, bei dem man wieder auf die einzeln aufgelöteten Säulchen zurück gegangen ist (auf Anregung der Klassiker), dass es eben deswegen besonders leicht anspreche. Das SIII Alto, welches ich mal anspielte war ok in der Hinsicht, aber sicher kein Überflieger, und auch nicht leichter in der Ansprache als ein sehr schönes Mark VII, welches ich fast zeitgleich auch ausprobieren durfte.

    Gleiches gilt übrigens auch für den verschraubten Becher unten, was ja auch eine Neuerung von Selmer ist. Das erleichtert ganz sicher die Wartbarkeit und Reparaturfreundlichkeit, und heutzutage werden eigentlich alle Instrumente so gebaut. Das Buffet S1 wiederum hat den Becher verlötet, und manche Mark VI Besitzer gehen tatsächlich hin und verlöten ihren Becher. Auch hier soll damit die Ansprache und der Klang verbessert werden.

    Ich persönlich glaube, dass das sicherlich einen Einfluss hat, aber ordne diesen eher im homöopathischen Bereich an, genau so wie Lackierung vs Nicht Lackierung oder Messing vs Kupfer vs Neusilber. Da sind andere, auch bauliche Faktoren sehr viel bedeutender.

    Gruß,
    Otfried
     
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  4. anderl

    anderl Schaut nur mal vorbei

    Wir bei Buffet Crampon/Julius Keilwerth vertreten nach wie vor die Philosophie, daß die Säulchen einzeln aufgelötet auf die
    Schwingungseigenschaften und das Ansprechverhalten positiv beeinflussen. In unserer Firmengruppe stellen wir ja auch Blechblasinstrumente
    wie z.B. Tuben, Euphonien, Tenorhörner und Baritone her. Da kommt es immer wieder vorher, daß Musiker speziell die Tragriemen-
    Halterungen und Notenhalterkästchen abbestellen, um einfach auch weniger gelötete Metallteile am Korpus zu haben.D.h. weniger Teile und weniger
    gelötete "Fläche" am Korpus.
     
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  5. derhagi

    derhagi Kann einfach nicht wegbleiben

    Genau vor diesem Hintergrund frage ich mich warum die höherpreisigen Saxe innerhalb einer "Familie" so konstruiert werden (Yamaha 62er, Yani 99x etc.) Würde es für ein Premiuminstrument nicht passender erscheinen, wenn hier die "aufwändigere" Einzelsäulchengeschichte ohne Blechstreifen Anwendung finden würde?

    Die unterschiedlichen Konstruktionen mögen den Sound beeinflussen. Dass dies allerdings in Richtung "Premiumsound" subsumiert werden kann, wage ich zu bezweifeln, denn sonst würde z. B. Keilwerth nicht auf dieses Attribut verzichten und ihre Saxe auch mit Blechstreifen ausstatten. Und ich behaupte mal, dass Buffet Crampon, Conn, King usw. das auch getan hätten.

    Plump gefragt, warum ist ausgerechnet das z.B. YTS-475 mit direkten Säulchen ausgestattet und das vermeindlich professionellere YTS-62 mit der herstellungsgünstigeren Blechstreifenkonstruktion ausgestattet?

    Ich finde die Fragestellung interessant, ob es tatsächlich ein professionelles Merkmal für ein "besseres" Sax ist, oder ob sich hier die PR so manifestiert hat, dass alle glauben es wäre "besser".
     
  6. derhagi

    derhagi Kann einfach nicht wegbleiben

    Das ist sehr interessant und würde zumindest ein 475er gegenüber einem 62er, oder einem Yani WO1 gegenüber einem WO10 nicht desshalb weniger Professionalität attestieren, nur weil die Blechstreifen fehlen. Da liegen die Unterschiede wohl woanders ...

    Die Philosophie, dass sich Einzelsäulchen ohne Blechstreifen auf das Schwingungsverhalten irgendwie anders auswirken klingt durchaus einleutend. Und im Falle meines großartigen Toneking Specials trifft dies vollumfänglich positiv zu ;)
     
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  7. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Ribbed, oder nicht?
     
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  8. TycOoN

    TycOoN Ist fast schon zuhause hier

    ich habe zwischen t-01 und t-010 keinen unterschied gemerkt. Im Laden meinten alle, dass das t010 besser "schwingt". Vllt bin ich auch nicht sensibel genug, hatte aber eher das Gefühl dass es rein PR ist.
    Ist aber reine Gefühlssache...
     
  9. derhagi

    derhagi Kann einfach nicht wegbleiben

    Ich denke, @xcielo will sagen, dass es wohl den Herstellungsprozess vereinfacht, wenn zunächst eine Säulchengruppe auf ein Blechstreifen gelötet wird. So könnte ein Arbeiter z.B. den ganzen Tag nichts anderes tun, als dieses Bauteil zu erstellen. Der nächste Arbeiter lötet halt die nächste Einheit usw. Zum Schluss werden die fertigen Streifen auf`s Tonrohr gelötet. So schaffe ich deutlich mehr Saxe am Tag, als wenn nur ein Arbeiter das Tonrohr in Händen hält und nun Säulchen für Säulchen auflötet.

    Allein vor diesem Hintergrund kann ich den "Premiumeffekt" nicht erkennen.
     
  10. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    ämmh, vielleicht, ja, ich weiß es grad nicht
     
  11. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Natürlich muss es ribbed construction heißen, sorry

    Vermutlich, weil das 475 nicht in Japan, und damit in einer anderen Produktionsstraße gebaut wird
     
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  12. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    womit wir wieder bei der Geschichte wären, ob und wie der Korpus mitschwingt. Ich halte viele Aussagen der Hersteller hierzu für reine Verkaufslyrik. Was mich angeht: Ein mitschwingender Korpus ist beim Saxophon so ziemlich das Letzte, was ich will und für erforderlich halte. Ribbed construction ist m. E. eine Sache, die lediglich den Fertigungsprozess betrifft.
     
  13. ArminWeis

    ArminWeis Experte

    Hallo zusammen, ich versuche mal eine Schnellerklärung: Die beiden Konstruktionsarten unterscheiden sich in Stabilität und Masse.

    Stabiler und somit unempfindlicher bei kleinen Stößen ist im Grunde die Variante mit den Säulchenschienen. Wobei es schon darauf ankommt, wie verwindungssteif das Material als solches ist (wie hoch es vor dem Verlöten verdichtet wurde – und zwar beides, Schiene und Korpus). Bei den weicheren Korpussen, die wir vor allem aus der günstigeren Fertigung kennen, ist die Einzelauflötung der Säulchen ein Schwachpunkt, weshalb gerne die Schienenvariante gewählt wird, damit die Dinger zumindest den Transport überstehen. Wenn allerdings das Korpusmaterial durch die Art der Fertigung und auch teilweise durch die Wandungsstärke stabil ist und die Säulchen gedreht und nicht gegossen sind, hält auch die Einzelauflötung sehr gut, wie wir anhand der von @derhagi aufgezählten Beispiele wissen.

    Die mechanisch solidere Variante (Säulchenschienen) setzt natürlich mehr Masse auf den Korpus. Masse führt zu mehr Gewicht und in der Regel zu etwas höherem Anblaswiderstand, gepaart mit „fetterem“ Klang. Dabei spielt es eine Rolle, wo am Korpus welche zusätzliche Masse aufgebracht wird. Um sog. Schwache Töne zu vermeiden, haben die Schienen Aussparungen an verschiedenen Stellen, was das ganze im Entwicklungsprozess recht aufwändig gestaltet. Auch hier spielt natürlich die Beschaffenheit des Korpus (Wandungsstärke und Materialverdichtung) eine Rolle, jede Änderung eines der Parameter bewirkt eine Änderung im Spielverhalten wie auch im Klang.

    Grundsätzlich ist das Saxophon als Ganzes zu betrachten, die Art der Säulchenmontage muss für gute Gesamtergebnisse mit der Korpuskonstruktion korrespondieren / harmonieren. Deshalb ist es schwierig, pauschal zu sagen, diese oder jene Variante wäre die bessere.

    Den Kostenunterschied kann man fast vernachlässigen. Auch bei der Schienenkonstruktion müssen ja die einzelnen Säulchen zunächst aufgelötet werden (mit Hartlot, höherer Schmelzpunkt), bevor die Schiene mit Weichlot auf den Korpus gelötet wird. Im Übrigen geht das Säulchen Auflöten recht schnell vonstatten, in beiden Varianten.

    Was die Werbetexte betrifft, mit allem Respekt vor den Erstellern und ohne jemand zu nahe treten zu wollen, die sollte man nicht in jedem Fall überbewerten.

    Beste Grüße aus der Werkstatt

    Armin
     
  14. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Klang-oder Anspracheverhalten kann ich mit besser oder schlechter nicht beurteilen.

    Sicherlich Vorteile beim Fertigungsprozess.

    Aber auch meiner Erfahrung auch bezügl. Stabilität.

    Die Säulchen / Böckchen sind nämlich auf die Messingstreifen hart aufgelötet und besonders die End-Säulchen (gerade die höheren) verbiegen sich kaum noch nach aussen oder aus der Fluchtlinie, was bei der Einzelverlötung mit Weichlot direkt auf den Korpus leider immer wieder der Fall ist.

    Ebenso wird der Korpus durch die längeren Sockelstreifen einigermassen besser gegen Verwindungskräfte stabilisiert,

    Gr Wuffy
     
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  15. ToMu

    ToMu Strebt nach Höherem

    danke Armin, somit habe ich "Zeit-schreib-arbeit gespart"

    das verständnis zu beiden vorgehensweisen wird wahrscheinlich erst transparent wenn man die herstellung als solche sieht und das wärme-löt-montage system erkennt. (hart-weichlot)

    die festigkeit kann durch die wahl des materials festgelegt werden.

    so nebenbei, die löcher für die federn müssen auch gebohrt werden.


    salute
     
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  16. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    das mit den weichen Korpussen kann ich so nicht ganz unterschreiben. Mit das Weichste, was mir untergekommen ist - vom Klappenwerk und Korpus - waren einzelne Buffet. Sicher nicht billig und wunderbare Instrumente. Und ich habe schon sehr widerstandsfähige (leider) aus Taiwan und China hier gehabt. Die Festigkeit ist das Resultat von Legierung und Wandstärke. Wenn der Cu-Anteil (wie oft beworben) sehr hoch ist, dann ist das Material weicher.
    Zur Masse des Korpus und Schwingverhalten: Man kann wahlfrei und temporär zusätzliche Massen auf den Korpus aufbringen. Ich habe das ab und zu versucht. Resultat = 0. Und ich denke, ich bin als Spieler versiert genug, da auch kleine Veränderungen wahrzunehmen.
    Mein Beitrag zum Glaubenskrieg.
     
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  17. derhagi

    derhagi Kann einfach nicht wegbleiben


    das leuchtet ein ... vielen Dank für die Information!
     
  18. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Aber natürlich schwingt der Korpus mit! Das hat auch nichts mit Verkaufslyrik zu tun, sondern mit Physik.

    Ribbed construction (rib = Rippe, Spant) soll auch Vorteile bei Reparaturen haben.
     
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  19. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    In der Frequenz des jeweils gespielten Tones? Oder in irgendeiner Eigenfrequenz? Ich sehe den Effekt bei Violinen, Gitarren, etc. Bei Saxophonen eher weniger. Zum Thema Verkaufslyrik bezüglich Materialien, etc. empfehle ich: http://www.shwoodwind.co.uk/misc/myths_and_materials.htm
     
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  20. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    Wenn man ein Teil als Ganzes austauschen möchte, eventuell. Kommt aber seltener vor. Lieber löte ich ein Böckchen ab, um eine Delle darunter zu beseitigen als die ganze Platte, wenn da was verbogen ist. Was allerdings und zugegebenermaßen bei ribbed construction aufgrund der höheren Steifigkeit seltener ist.
     
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