Freie Improvisation

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von GelöschtesMitglied14341, 28.Oktober.2020.

  1. GelöschtesMitglied14341

    GelöschtesMitglied14341 Guest

    Moin Leute,

    ich war vor einigen Wochen bei einem recht intensiven, 2-tägigen Workshop bei Gebhard Ullmann zum Thema "Freie Improvisation" und davon extremst angefixt worden. Die klanglichen und rhythmischen Gebilde, die dabei entstehen, faszinieren mich total. Weiterhin kann ich mich vollkommen der Musik und meinen Mitspielern hingeben, ohne dass ich auf Einschränkungen wie z.B. durch festgelegte Changes achten muss. Hier geht es uns Hören und Interagieren, nicht um das Abarbeiten von Akkordfolgen.
    Auch in der freien Improvisation gibt es Stilrichtungen wie z.B. lower-case oder Mikrotonale Musik, die ich hörtechnisch extrem spannend finde. Ein Oktavbereich ist in unserem Kulturbereich mit 12 Tönen besetzt, es gibt aber Leute wie z.B. Phillip Gerschlauer, der diese in 128 Töne unterteilt. In anderen Kulturbereichen, wie z.B. Indien, sind solche mikrotonalen Dinge in der Musik implementiert.

    Gibt es denn hier Leute im Forum, die sich auch mit diesem Thema auseinandersetzen? Wäre mal spannend zu erfahren :cool:.
    Ich mache ein bisschen was mit einem Gitarristen zusammen, der schon seit vielen Jahren ausschließlich freie Improvisation macht. Wirklich spannend, was da zusammenkommt.
    Und: ich glaube ich brauche dringend noch eine Bass-Klarinette :cool:. Weihnachten steht ja vor der Tür :D.
     
  2. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @zappalein

    Gibt auch Hörbeispiele von ihm.

    CzG

    Dreas
     
  3. Zappalein R.I.P.

    Zappalein R.I.P. Guest

    @RomBl den workshop hätte ich sehr gerne mitgemacht. da seid ihr berliner klar im vorteil gegenüber dem platten niederrhein.
     
  4. GelöschtesMitglied14341

    GelöschtesMitglied14341 Guest

    Den Helmut (@zappalein) habe ich diesbezüglich schon auf der Agenda :cool: (vielleicht noch Michael @Bereckis) - aber vielleicht interessieren sich ja noch weitere.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 28.Oktober.2020
    Zappalein R.I.P. gefällt das.
  5. Zappalein R.I.P.

    Zappalein R.I.P. Guest

    @Dreas @RomBl meine impros, bzw unsere duo/trio musik hat aber nicht so wirklich etwas mit der mikrotonalen musik zu tun. obwohl mir diese musik gefällt, ist mir diese manchmal "zu" feinfühlig. oder anders vllt, "zu insichgekehrt". wißt ihr was ich damit meine?
     
  6. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    @RomBl
    Mich interessiert das schon länger, so richtig befasst damit, habe ich mich aber bisher nicht. Ich spiele/experimentiere aber viel einfach so vor mich hin. Mit meinem Pianokollegen haben wir auch schon mehrfach solche Ausflüge versucht.
    Mir ist nicht so klar, wie man das angehen soll/kann, gerade wenn man mit einem andern Instrument zusammenspielen will. Minimale Absprachen braucht es doch oder? Tonart, Akkordfolge? Oder gar nichts nur über das Hören? Mit dem Piano zusammen klappt das schon, aber sobald man sich etwas voneinander entfernt, wird es schnell unübersichtlich und dann auch - hm, leicht kaophonisch :)

    Wie seid ihr da vorgegangen? Würde mich interessieren...

    Grüsse
    antonio
     
  7. Livia

    Livia Ist fast schon zuhause hier

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  8. GelöschtesMitglied14341

    GelöschtesMitglied14341 Guest

    Kakophonie (oder Kollektivimprovisation, das klingt vornehmer :D) ist ja durchaus ein Stilelement und freie Improvisation wird häufig damit gleichgesetzt.
    Absprachen könnten z.B. sein bzgl.:
    laut - leise
    dicht - mit Pausen
    hoch - tief
    rhythmisch - frantic
    melodiös - abstrakt
    lange Töne - kurze Töne
    ggfs. auch Tonart

    Oft wird aber einfach auch ohne Absprachen begonnen und geschaut, was hinten raus kommt :cool:.

    Danke für den Tipp. Der Gitarrist, mit dem ich zusammenspiele, ist dort recht aktiv. Leider ist das Programm wegen Corona dort reduziert.
     
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  9. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    War jetzt zweimal bei Veranstaltungen zu dem Thema. Ich hatte den Eindruck, dass es da primär darum ging, möglichst atonal und schräg Töne zu produzieren. War nicht meins.
     
  10. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Danke dir. Ja, ohne Absprache war meist unser Vorgehen.

    Was mir jeweils aufgefallen ist: Bei Ende des Zyklus haben wir beide ziemlich gegrinst- was beim Spielen üblicher Standards eigentlich nur noch selten vorkommt. Meist wenn nur noch, wenn wir gerade engagiert Blues spielten...
    Was heisst das wohl...? :)

    antonio
     
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  11. kukko

    kukko Ist fast schon zuhause hier

    antonios Verschreiber "k.o.-phonisch" gefällt mir ;) Das beschreibt für mich das Gegenteil der üblichen Improvisationen, die sich streng an Regeln halten - kreuzigt mich - und bei denen so häufig der Eindruck entsteht, daß die Musiker eigentlich nichts miteinander zu tun haben, als die Takte zu zählen bis der Nächste dran ist.
    Versuche in der Richtung, die RomBl beschreibt, habe wir vor sehr langer Zeit (Ende der 60er) viel gemacht und natürlich klingt das (nicht nur) für Zuhörer oft chaotisch. Das führt aber dazu, daß wirklich jeder jederzeit auf ALLE anderen Mitspieler hört, sich einbringt, wenn er was zu sagen hält und still ist, wenn er gerade nichts zu sagen hat. Das ist ziemlich anstrengend, aber dafür gibt es auch immer wieder tolle Erlebnisse!
    Gelegentlich haben wir auch Absprachen, wie RomBl sie aufführt, versucht. Ich erinnere mich an einem Abend, da hieß es, wir spielen klingend F solange wir es aushalten und wer nicht mehr mag, geht einen vierten Ton, wenn er kann weniger, wenn er nicht kann einen Halbton höher oder niedriger und wir schauen mal, wie lange wir mit den Dissonanzen zurecht kommen. Und wenn dann einer ganz aufgibt und wild loshupt, ist das auch o.k. und kann dann zu einer Befreiung für alle führen.
    übrigens, unsere Kerngruppe bestand aus Schlagzeug, Saxophon, Piano, Trompete, Baß und Geige
     
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  12. bhimpel

    bhimpel Ist fast schon zuhause hier

    Freie Improvisation kann sehr schön sein, aber auch schrecklich. Ich erinnere mich an ein Free Jazz Konzert in Berlin, wo ich als Teenager war. Es war einfach nur extrem lauter Lärm. Bei Gebhard Ullmann hatte ich damals übrigens auch Unterricht, da habe ich viel gelernt, aber jetzt nicht unbedingt zu freier Improvisation.

    Freie Improvisationen können Konzerte und Aufnahmen etwas auflockern. Ich versuche, bei Freien Improvisationen trotz aller Spontanität etwas Interessantes, Wohlklingendes zu erzeugen, was sich von vorne bis hinten irgendwie sinnvoll anhört, und das obwohl man sich vorher nicht abspricht. Das klappt manchmal, und manchmal auch nicht. Das muss dem Spieler und dem Zuhörer bewusst sein.

    Mit meiner Gruppe (aus Bloomington, IN, USA, eine kleine Ewigkeit her) bestehend aus 6 Holzbläsern hatten wir einige schöne Momente, die wir auch auf unserer CD festgehalten hatten. Die freien Kollektivimprovisationen, zu denen wir uns anschließend Titel überlegt hatten, sind Minstrels, Ring Shout, Newton's Nightmare und Creation:





    Mit einer Gruppe bestehend aus 3 Holzbläsern, Posaune und Trompete gab's auch ein paar schöne Momente bei Studio-Aufnahmen und auch immer bei Konzerten:



    In Frederic Rabold's Gruppen sind auch immer viele freie Improvisationen dabei, was das Ganze sehr spannend machte. Es gab allerdings immer eine Struktur, in die die freie Improvisation eingebettet war. Harmonisch war bei den freien Improvisationsteilen meist nichts vorgegeben, aber man war so gut eingespielt, dass es so klang, als wäre etwas vorgegeben. Bei der letzten CD Northern Lights habe ich mitgespielt, wirklich sehr schön. Das erste Stück „BLÅ GRODA“ der CD kann man auf der Webseite anhören:
    https://frederic-rabold.com/bands/
    Und die alten CDs der Frederic Rabold Crew aus den 70ern sind wirklich phantastisch:


    Mit dem dänischen Pianisten Simon Eskildsen habe ich bei Konzerten und auf der CD auch immer freie Improvisationen dabei gehabt. Im Internet kann man da reinhören:
    https://www.amazon.com/1st-Room/dp/B077VP8KX1
    https://www.amazon.com/2nd-Room/dp/B077VP8TBQ
    https://www.amazon.de/3rd-Room/dp/B077VXWRLR

    Viele Grüße,
    Benjamin
     
    Zuletzt bearbeitet: 28.Oktober.2020
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  13. GelöschtesMitglied14341

    GelöschtesMitglied14341 Guest

    @bhimpel
    Danke Dir für die tollen Anregungen. Ich habe reingehört, werde sie mir heute Abend in Ruhe anhören.
     
  14. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Ha, ist mir gar nicht aufgefallen- aber ja, vielleicht manchmal auch so.... :)
     
  15. ppue

    ppue Mod Experte

    Wenn man freie Improvisation mag, sollte es nicht bedeuten, herkömmliche Musik schlecht zu machen. Wenn der Eindruck entsteht, der Musiker zählt nur Takte, dann hat man mit aller Wahrscheinlichkeit keinen Musiker vor sich.

    Freie Musik als solche ist natürlich Unfug, denn es müsste definiert sein, wovon sie frei ist. Freie Musik ist die europäische Antwort auf den Amerikanischen Free Jazz der 60er Jahre. Der Begriff Freie Musik wurde von den Musikern früher gerne gewählt, weil sie sich nicht nur in der Tradition des Jazz sahen, sondern allgemein Konzepte verfolgten, die auf freier Improvisation beruhten. Schnell waren Parallelen mit der sogenannten Neuen Musik zu finden, auch mit "interdisziplinären" Fusionen (z.B. Vinko Globukar) und schnell war die Instrumentation nicht mehr zwingend die einer Jazzcombo oder -bigband sondern umfasste alle möglichen Klangerzeuger.

    Freie Musik in Deutschland wurde von den Musikern anfänglich sehr dogmatisch betrieben, Melodien, Akkorde und feste rhythmische Strukturen waren verpönt. Erst die zweite Generation und allen voran Musiker aus den Niederlanden waren so frei, dieses Dogma einzustürzen.
    Die Musiker um den Instant Composers Pool mit Misha Mengelberg, Han Bennink oder auch Willem Breuker verbanden das freie Spiel wieder mit Kompositionen, festgelegten Rhythmen, Melodien. Man war so frei, auch wieder unfrei zu sein, könnte man sagen.

    Für mich die schönste Zeit der Freien Musik in Europa.
     
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  16. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Ich wäre nicht hier ohne Willem Breuker, der einzige Musiker bislang, für den ich quer durch Deutschland gereist bin, um einem Konzert beizuwohnen. Seine "Menschenmusik" war einfach grandios.

    Gruß,
    Otfried
     
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  17. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Ich erinnere mich auch sehr gerne an die herrlichen Konzerte mit seinem Kollektief.
    Die waren immer richtig klasse! :thumbsup:

    LG
    Mike
     
  18. Kristina Bossanova

    Kristina Bossanova Ist fast schon zuhause hier

    Hey!

    Freie Improvisation ist unfassbar schwierig, man braucht auf jeden Fall viel Energie und einen starken Willen. Ich habe früher öfter mal alleine frei improvisiert und das Zoom laufen lassen. Das ist cool, manche Teile habe ich transkribiert und als Basis für neue Stücke genommen. Ich habe auch mal mit 5 Saxophonisten folgendes gemacht:

    A: Alle spielen lange Töne und einer spielt reihum Solo
    B: Jeder spielt eine Idee und spielt sie für eine Weile im Kreis. Nach einer Weile wechselt man.

    Ornette Coleman redet über Musik:


    Mit Stephan Pfalzgraf hatte ich mal ein Duo wo wir versucht haben Stücke zu improvisieren:



    Ich finds cool dass wir über das Thema reden! Hab mich direkt gefreut als ich es in dem Feed gesehen habe!

    Liebe Grüße,
    Kristina
     
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  19. GelöschtesMitglied14341

    GelöschtesMitglied14341 Guest

    Es sind ein paar Leute im Forum, die mit dem Thema befasst sind - das freut mich. Danke für die konstruktiven Beiträge.

    Ich selber empfinde die freie Improvisation gar nicht als soooo schwierig, weil ich mich zu 100% auf die Mitspieler und mein Spiel konzentrieren kann. Außerdem fühle ich mich nicht durch irgendwelche Akkordzwänge eingeengt und kann das spielen, was ich gerade empfinde. Augen zu, hören und rein ins Vergnügen :rolleyes::D
     
  20. reiko

    reiko Strebt nach Höherem

    Ich habe bis Corona bei einem Kreis für intutive Musik mitgemacht und hier mal einen Ausschnitt aus einem Konzert im Februar eingestellt. Das sind Spieler unterschiedlicher Stärken und Erfahrungen, die z.T. keine oder nur geringe Improvisationserfahrungen oder Jazzbackground haben. Es kommen trotzdem interessante Passagen dabei raus. Das Ganze ist vom Rahmen her dirigiert, d.h. der Anleiter, der hier das Klavier bedient, gibt mit abgesprochenen Gesten vor, ob jemand Solo spielt, wer hinzukommt, ob alle einsteigen oder wieder welche aussteigen, ob laut oder leise, langsamer oder schneller gespielt wird. Harmonisch oder melodisch gibt es wenig Vorgaben, das entsteht dann einfach.
    Interessant war für mich auch zu beobachten, dass sich alle Mitspieler in Richtung improvisatorischer Fähigkeiten z.T. deutlich weiterentwickelt haben, und wenn es nur das Selbstbewusstsein oder die Erkenntnis war, dass es im freien Spiel keine falschen Töne gibt.
    Sopran bin ich!
    Wenn sich die Zehennägel hochwölben, bitte Mute Taste drücken.
    Gruß Reiner

     
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