Gänsehaut Feeling

Dieses Thema im Forum "Musiker / Bands" wurde erstellt von Dudelsax, 31.Juli.2009.

  1. billy

    billy Ist fast schon zuhause hier

    http://www.youtube.com/watch?v=q_R0hZsUrW0&fmt=18
     
  2. Rick

    Rick Experte

    Dem schließe ich mich an - stimme sowohl mit Chris als auch mit xcielo überein.

    Ich kann - außer kurz gegen Anfang - keine Intonationsschwierigkeiten hören.
    Es ist natürlich technisch kein fürchterlich anspruchsvolles Lied, aber auch so eine einfache Melodie will schön gespielt sein, und das macht er meiner Ansicht nach.
    (Dennoch würde ich mir keine CD davon kaufen.) ;-)

    Liebe Grüße,
    Rick
     
  3. Gast

    Gast Guest

    @ Xcielo

    Das gefällt mir auch sehr. Schön, dich mal emotional erleben zu dürfen.
    Macht dich noch sympathischer1 Gruß Ww.
     
  4. ChristophBM

    ChristophBM Kann einfach nicht wegbleiben


    Dieses Selbstzeugnis - und dergleichen gibt es in diesem thread einige - beschreibt, wie ich finde sehr schön ein wesentliches Dilemma; nämlich die Vorstellung, daß Musik "kopflastig" sein könne, oder "bauchlastig", daß es eine Kategorie "intellektuelle" Musik gäbe, die dann natürlich vom Bildungsbürgertum gespielt, gehört und für hochwertig befunden wird. Das demgegenüber eine andere Kategorie Musik existiere, die womöglich "erdigere" Qualität habe, Musik mit "Gänsehautpotenzial" eben, wofür aber natürlich wiederum eine bestimmte "Sorte" Hörer, Musiker, etc. zuständig, fähig wäre . . . .

    Dabei ist doch ebensogut Realität - und genau das stört mich z.B. an dem Wettbewerbsauftritt des Ausgangsposting - daß jemand mit äußerstem, gedanklich klar strukturiertem Kalkül, also intellektuell, all´jene musikalischen, mimischen, gestischen, soundmäßigen Klischees auf einer Bühne bedient, von denen er ganz genau weiß, daß sie Gänsehaut verursachen werden bei einem Publikum, daß doch genau diese dazu passende Hysterie schon mitbringt, die dann nur noch angetriggert werden muß, um sie auszulösen.

    Andererseits gibt es genügend Musik, die im Höchstmaß durchdrungen ist von intellektueller Planung und gedanklicher Ideenkraft, die in ihren Strukturen einem Brillianten gleich die ganze Strahlkraft der musikalischen Entwicklung vergangener Jahrhunderte entwickelt, und die gleichzeitig von einer solch vereinnahmenden emotionalen Kraft beseelt ist, daß sie jeden Menschen tief berührt, obwohl ihr Schöpfer womöglich ein Intellektueller ist.

    Und natürlich ist das gesamte Euvre eines John Coltrane, und hier im besonderen seine ganze "Free"-Periode oder eines Peter Brötzmann, oder eines Han Bennink, etc. pp. in allerhöchstem Grade tief emotional gemachte Musik, die aber von so starker persönlicher Farbe getönt ist, und mit so enormer Energiedichte gespielt wird, daß sie vielen Menschen schon wieder vielzusehr emotional erscheint, so sehr, daß sie sie oftmals mit der Chiffre "intellektuell" verbrämt abkanzeln.

    Musik ist immer emotional, niemals intellektuell.

    Menschen können intellektuell sein, und emotional.

    Und ob man nun auf die musikalische Sprache eines Kenny G. oder Peter Brötzmann steht - oder mal so, mal so, das spielt doch überhaupt keine Rolle für die Möglichkeit sich von Musik berühren zu lassen.

    Und auch wenn man sich nicht mit moderner Musiksoziologie etwa eines Adorno beschäftigt hat, oder beschäftigen möchte, so sollte man aber doch akzeptieren, daß auch der intellektuelle Blickwinkel auf die Musik einiges zum Verständnis ihrer Funktion beiträgt.

    Und andererseits wird man natürlich der Musik nicht 100%ig gerecht, wenn man ausschließlich intellektuelle Modelle an sie heranträgt.

    Ich muß da immer an Charlie Parker denken, der von sich selbst gesagt hat - und es mit einigen Aufnahmen auch bewiesen hat - daß er ohne Heroineinfluß besser gespielt hat. Und trotzdem haben seine selbsternannten Eleven vor allem den Heroinkonsum nachgemacht, wohl weil sie nicht glauben konnten, daß jemand eine solch hochemotionale Musik wie Bebop mit klarem Kopf besser spielen konnte als mit Drogen vollgepumpt.

    Und jetzt steht schon jemand auf und wird sagen: "Bebop", das ist doch auch so ´ne Kopfmusik. Nein mein Herr, Bebop ist Musik, die Kopf, Bauch und Herz auf das allerfeinste anspricht in ihrer menschlichen Sehnsucht nach Gemeinsamkeit von Verstand, Gefühl und Körper.

    Und was für Bebop gilt, das gilt für jede Musik, die mit Kopf, Herz und Seele gemacht wird.

    Gruß, Christoph
     
  5. ChristophBM

    ChristophBM Kann einfach nicht wegbleiben

    Den allerletzten Ton setzt er zu tief an, und zwar nicht gewollt, meiner Meinung nach.

    Gruß, Christoph
     
  6. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Für mich hört er sich durchweg schief an. Vllt. hatte ich einen absoluten tag, aber eben beim nochmal hören, war es wieder so.
     
  7. ChristophBM

    ChristophBM Kann einfach nicht wegbleiben


    Nun,

    insofern als der junge Mann in Auswahl und Präsentation des songs sowohl das Publikum im Saal als auch die Jury "voll auf die 12 getroffen" hat, ist seine Handwerkskunst "professionell".

    "Professionell" hat verschiedene Ebenen - mal abgesehen von der buchstäblichen Bedeutung, daß es eben nur heißt ich erhalte Geld für meine Leistung - wird "professionell" doch viel zu sehr mit qualitativen Erwartungen konnotiert, die m.E. meistens viel zu undifferenziert sind.

    Ein professioneller Studiomusiker etwa muß jederzeit und schnell in der Lage sein sich in vielen Stilistiken so ausdrücken zu können, daß sein muikalischer Beitrag genau den Anforderungen seines Auftraggebers entspricht - er muß sehr genau spüren, wieviel von ihm persönlich gefärbter Anteil und wieviel "fremdbestimmter" musikalischer Anteil in seinem Spiel zu hören sein soll.

    Da könnte ich jetzt eine ganze Latte unterschiedlichster Profile beschreiben - letzten Endes gilt für den gezeigten Auftritt aus meiner Sicht: der Mann hat seinen Job mit maximaler Wirkung erledigt, und das ist handwerklich professionell. Dazu gehört auch die bewußte Beschränkung auf ein wenig virtuoses Stück, dazu kann auch gehören, daß er womöglich bestimmte Unsicherheiten gewollt durchschimmern läßt, nur um vorzutäuschen er wäre ein Amateur ;)

    Gruß, Christoph
     
  8. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Hallo Christoph,

    ich habe hoffentlich ausreichend deutlich gemacht, dass das meine subjektiven Empfindungen sind. Wie auch immer jemand anders empfindet, dem sei das unbenommen. Ich genieße Musik eben sehr "bauchlastig" oder besser gesagt "körperbetont". Das war früher mal anders, ich bin aber nicht gerade unglücklich über diese Entwicklung.

    Nun, der Auftritt des jungen Mannes ist schlicht "unehrlich", und das ist es, was nicht stimmt. Wäre es ehrlich, und nicht durch kalkuliert, könnte man es ja noch akzeptieren.

    Und gibt es ein Vielfaches Mehr an Musik, die im Höchstmaß durchdrungen ist von intellektueller Planung und gedanklicher Ideenkraft, die in ihren Strukturen einem Brillianten gleich die ganze Strahlkraft der musikalischen Entwicklung vergangener Jahrhunderte entwickelt, und die von solch unterirdischer quälender Langeweile und nur so strotzt.

    Ich war früher begeistert von der emotionalen Eruption der Musik eines Eric Dolphy. Irgendwann bin ich auf den Trichter gekommen, dass dies seine innersten Emotionen sind, die ich gar nicht teilen kann, und gar nicht teilen will. Und dem späten Coltrane oder Brötzmann kann ich schon gar nicht in ihre tiefe Zerrissenheit folgen.

    Die Musik, die ich heute spiele und liebe ist eher eine soziale Spaßmusik, soll heißen, sie macht einer Gruppe von Menschen gleichzeitig Freude.

    Das soll natürlich nicht heißen, dass man nicht auch bei Brötzmann & Co Freude empfinden kann, ich kann es nicht (mehr).

    Einspruch, denn Musik, die auf einer Form basierend komponiert wird, ist immer erst mal intellektuell. Ob sie dann auch emotional ist, hängt von vielen Dingen ab, auch davon, wer sie hört.

    Das ist natürlich völlig richtig.

    Soll sich intellektuell damit beschäftigen wer will, ich setze da für mich sehr enge Grenzen. Allerdings erinnere ich mich noch an meine Zeit an einer roten Kaderschmiede (Universität Bremen). Schon damals, ich traute mich nur nicht immer, das auch so zu sagen, ging mir das intellektuelle Geschwafel über politisch richtige und politisch falsche Kunst und Musik ganz gehörig auf die Nerven.

    Die Frage ist für mich als Zuhörer nur, ob es nicht auch ausreicht, mich ihr emotional zu nähern. Will ich selbst Musik kreieren, werd ich wohl ein bisschen mehr Hirnmasse investieren müssen.

    Ich hab mal David Murray gesehen, der war so sternhagel voll, dass er fast von der Bühne gekippt wäre, und, er hat immer noch so unglaublich geil Tenorsaxophon gespielt, dass ich mit offenem Mund da stand. Natürlich weiß ich nicht, was für Erdrutsche passiert wären, wäre er nüchtern gewesen.

    Von mir selbst habe ich mal eine Aufnahme gehört, als ich etwas zu viel getrunken hatte, und seitdem trinke ich niemals, wenn ich Auftritt habe.

    Nee, die Musik, die die Jungs gemacht haben war schon ehrlich, manchmal auf erdrückende Weise emotional ehrlich.

    Gruß,
    xcielo
     
  9. Upfmusic

    Upfmusic Kann einfach nicht wegbleiben

    Du lieber Herr Gesangsverein, hier geht aber ne Diskussion ab..!?
    Bei manchen Diskussionsbeiträgen hat man den Eindruck es sei verboten mit einem Saxophon "seicht" zu spielen.
    Ich finde jeder kann und soll die Richtung spielen die er will.
    Ich persönlich bin eingefleischter "Klassiker" und zähle ebensowenig den Eröffnungsthread wie Coltrane zu meinen Favorites.
    Zu dem jungen Mann kann ich nur sagen: Mit dem Sound würde er in jedem Examen einer Musikschule viele Punkte verlieren. Der technische Anspruch ist auch nicht hoch, dazu kommen trotz des Stimmgerätes einige Intonationsprobleme.
    Von daher mein Fazit: Die im Video gezeigte Leistung ist nicht besonders hoch. (Ob er technisch/musikalisch mehr kann, ist aufgrund dieser einen Nummer nicht zu beurteilen)
    Was er sehr gut macht ist, dass er das Publikum erreicht. Dies gelingt vorallem durch die Anwendung des sog. "Andre Rieu"-Prinzips: Man nehme einen Titel, der von sich schon in der Lage ist das Publikum zu begeistern, verpacke ihn ganz nett und schon tobt das Publikum.
    Verwerflich? Ich finde nicht. Sex sells. Die Kunst im Leben ist es doch an das Geld der anderen Leute zu kommen und er schafft es durch den Verkauf einer seichten Nummer.
    Sowas haben schon viele andere hochkarätige Musiker gemacht, zB. wer kennt nicht die "Sehnsuchtsmelodie" von Walter Scholz. Seichter geht es kaum. Ich vermute der Mann hat mit diesem Tietel mehr Geld verdient als in seinem Hauptjob als 1.Trompeter im Sinfonieorchester des Südwestrundfunks.
    Dieses "Andre-Rieu"-System wende ich selber auch gerne an den Vorspielen unserer Musikschule an und lasse meine Schüler irgendetwas Bekanntes vornehmlich aus dem Pop-Bereich spielen. Hat zwei Effekte: die Schüler spielen es gerne und üben demnach auch (was ich mit originaler klassischer Saxophonliteratur nicht so einfach erreichen kann) der weitaus wichtigere Effekt für mich ist, dass ich dadurch wieder viele Schüler gewinne, weils den potentiellen neuen Schülern und Ihren Eltern eben besser gefällt, als wenn die Blockflötenklasse ihre Rennaissance-Nummern mit endlos-Wiederholungen spielt.
    Verwerflich? Ich finde nicht.
    So, dass waren meine Gedanken zu dem ganzen.

    Schöner Gruß Upfmusic
    (nach langer Abstinenz wieder im Forum)
     
  10. markus176

    markus176 Schaut öfter mal vorbei

    Hallo, Christoph und xcielo!

    Danke für diese Art von öffentlichem Austausch zwischen euch.

    Gruß
    Markus
     
  11. ChristophBM

    ChristophBM Kann einfach nicht wegbleiben


    Hallo xcielo,

    und ich habe hoffentlich deutlich genug machen können, daß ich deine Sichtweise nur zum Einstieg genommen habe meine persönliche - und also selbstverständlich ebenfalls subjektive - Sichtweise darzulegen, mir stünde es garnicht zu eine andere Sichtweise als meine eigene in Frage zu stellen.


    Ich denke, daß sich in der Bedeutung der Gänsefüßchen ein bißchen auch des Pudels Kern zeigt: ob wir es nun "körperbetont", "bauchlastig", "intellektuell", oder sonstwie nennen, nicht erst die Neurologen unserer Zeit wissen, daß unsere Glücksgefühle immer im Kopf entstehen ;)

    Und ebenso wie Reinhard Mey sich irgendwann entschuldigt hat für seine oberflächliche, gleichwohl vom Massenpublikum goutierte Verunglimpfung alles Intellektuellen - "Annabelle, ach Annabelle, Du bist so herrlich intellektuell", genauso weit lag natürlich jemand wie Adorno außerhalb der Spur, als er Popmusik insgesamt als vollkommen regressiv abwertete.

    xcielo, mit dem Adjektiv "ehrlich" hast Du einen auch für mich besonders wichtigen Aspekt eingebracht, ich verwende da immer den Begriff "authentisch", aber wir meinen wohl ziemlich das gleiche.

    Mir ist an erster Stelle immer wichtig, daß ein Musiker, ein Künstler, ein Mensch in seiner Rolle ein Höchstmaß an Authentizität widerspiegelt, dann wird er mich auch mit seinem Tun berühren können.

    Bester Gruß, Christoph
     
  12. ChristophBM

    ChristophBM Kann einfach nicht wegbleiben


    :)

    Die "Pornofizierung" unserer Gesellschaft, auch der Musikkultur, ist weder aufzuhalten, noch ist sie modern ;) - und selbstverständlich profitiere ich z.B. persönlich auch von der Tatsache, daß besonders "Sax sells" anhaltend für steten Nachwuchs auf dem Gebiet der Musikpädagogik sorgt; und da ist es doch sehr schön, daß der Weg auf dem eigenen Instrument und die Bekanntschaft mit der eigenen Musikalität dann eine wunderbare Reise zu ganz unterschiedlichen musikalischen "El Dorados" werden kann.

    Gruß, Christoph
     
  13. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Hallo Christoph,

    ja, da meinen wir das Gleiche, und dieser deiner Aussage stimme ich dir völlig zu.

    Gruß,
    xcielo
     
  14. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    für mich gibt es auch nur zwei kategorien von musik:
    ehrlich und unehrlich; wobei die zweite möglicherweise
    formal alles hat was musik ausmacht aber, für mich, keine ist. und der andere aspekt-ist eigentlich kein anderer aspekt, nur eine auswirkung des ehrlich oder unehrlich:
    musik, die den spieler nicht berührt, kann auch den hörer nicht berühren.
     
  15. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    ach und noch was: wir nehmen immer hin, was uns durch konvention selbstverständlich ist (ein kluger mann, ich glaube der mathematiker euler sagte mal, selbstverständlich ist nur, worüber ich noch nicht nachgedacht habe) jedenfalls akzeptieren wir diese beiden begriffe intellektuell und emotional, als ob es sonst nichts gäbe; hat man sich halt drauf geeinigt.
    vielleicht gibts ja noch was?
     
  16. ChristophBM

    ChristophBM Kann einfach nicht wegbleiben


    Ich habe schon versucht zu erläutern , daß ich diese Begriffe zwar auch akzeptiere und benutze, aber nicht bereit bin die Eindimensiomalität zu teilen, mit der viele Wertungen im Gebrauch dieser Begriffe vorgenommen werden.

    Intellekt ist kein Verhüterli gegen Emotion, sondern eher eine Sorte besonders nachhaltig wirkenden Viagras ohne schädliche Nebenwirkungen, außerdem ohne Rezeptpflicht ;)

    Gruß, Christoph
     
  17. twiggybop

    twiggybop Kann einfach nicht wegbleiben

    hallo,
    egal ob gut od.schlecht,hier bekomm ich "gänsehaut feeling"

    http://www.youtube.com/watch?v=SahwU68npp0
     
  18. Rick

    Rick Experte

    Komisch. :-?

    Das liegt vielleicht an seinem ausgeprägten Vibrato mit recht großer Amplitude, aber der richtige Ton ist meiner Ansicht nach praktisch immer dabei.

    Kann aber auch an den Lautsprechern liegen - ich habe beispielsweise Wohnzimmerboxen mit weniger ausgeprägten Höhen, da klingen aufgrund fehlender Obertöne manche Sachen schief, die sich sonst überall (Auto, PC, Studio) korrekt anhören... :roll:

    Zuguterletzt gebe ich vielleicht mehr Toleranz, weil ich nicht vom klassisch "richtigen" Ton ausgehe, sondern durch meine Blues-Praxis da etwas liberaler bin.
    Er spielt zwar ein eher "klassisches" Lied, doch sein Sound ist für mich recht poppig (mit typischerweise leicht "angeschmierten" Tönen) - möglicherweise ist das die Ursache für unsere unterschiedliche Wahrnehmung.


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  19. Rick

    Rick Experte

    Hallo Christoph,

    meine Frau hat an der Musikhochschule Klassik-Piano auf "KA" studiert - und dabei genau das trainiert, was Du ansprichst, nämlich mit welchen Mitteln man beim Publikum am besten "rüberkommt" (wohl gemerkt beim klassischen). :-D

    Die so genannten "Meisterkurse" beinhalten ebenfalls eigentlich nichts anderes, als dass ein bekannter Virtuose den Studenten Tricks verrät, wie man seine Zuhörer fesselt und mitreißt.

    Wenn also jemand "mit äußerstem, gedanklich klar strukturiertem Kalkül soundmäßige Klischees auf einer Bühne bedient", dann nach meiner Beobachtung vorwiegend klassische Interpreten - und nicht unbedingt die Pop-Musiker (außer, sie waren auf der Mannheimer Pop-Akademie). ;-)

    Tatsächlich?
    Meines Wissens stammen einige seiner schrecklichsten, peinlichsten, Mitleid erregendsten Aufnahmen aus der Zeit, als er kein Heroin auftreiben konnte und praktisch auf "kaltem Entzug" war...

    Es geht eigentlich bei diesen Dingen immer darum, seine Hemmungen fahren zu lassen und ganz dem Moment sowie der Inspiration zu dienen.
    Manche Künstler erreichen diesen Zustand leichter mit Drogen, andere spielen besser ohne.
    (Was gesünder ist, brauchen wir nicht zu diskutieren - Bill Evans ist ein tolles Beispiel: genialer Pianist, aber "polymorph toxicophil", mit anderen Worten ständig breit und daher viel zu früh gestorben...) :-(

    Einig sind wir uns bestimmt darüber, dass Musik selbst eine Art Droge sein kann, aber wenigstens eine im Vergleich wesentlich unschädlichere. :cool:


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  20. ChristophBM

    ChristophBM Kann einfach nicht wegbleiben


    Hallo Rick,

    genau so ist es - und dasselbe Muster verfolgen im Grunde sämtliche Formate im Original und als Derivate von Wettbewerben, die vor allen Dingen an der Oberfläche der Emotionalität des Massenpublikums arbeiten.

    Mir ging es darum darzustellen, daß "Mr. Gänsehautsoprano" nicht per se emotional an die Sache herangeht, sondern seine Kontrolle eben ausgesprochen intellektuell ausübt. Und hier liegt für mich der Grund weswegen ich ihn als nicht authentisch erlebe, ich meine zu hören, daß er seinen sinnlich-emotionalen Ausdruck versucht mittels intellektueller Kontrolle zu formen, und das läßt mich kalt, ja, ich finde es zu sehr kalkuliert.

    Eine wichtige Unterscheidung finde ich sollten wir machen bei der Frage nach der Reihenfolge und den Prioritäten der erlernten Fähigkeiten; wer auf der Musikhochschule studiert, der muß sich zunächst mal in hohem Maß musikalische, instrumentale und/oder stimmliche Inhalte "draufschaffen" - die Fähigkeit dann auch in der Präsentation mit außermusikalischen "Tricks" zu überzeugen ist dann der Klacks obendrauf - kein Makel wie ich finde, im Gegenteil, freuen wir uns nicht alle über einen "Jazzer", der auch mal ein paar freundliche, informative und verbindliche Worte sagt bevor er sich wieder in aberwitzige Changes-Achterbahnfahrten begibt . . . . ?! ;)




    Zweifelsohne hat Parker auch - sowohl "turkey" als auch "zugedröhnt" -schlechte Aufnahmen gemacht - und wir kennen ja nur einen winzigen Teil seines tatsächlichen Schaffens - seine Aufnahmen jedenfalls nach seinem Aufenthalt im Sanatorium - da war er wohl quasi clean, aber nicht auf Entzug - zählen zum besten was er eingespielt hat, ist aber zum Teil sicher auch eine Geschmacksfrage. Ich denke wir dürfen nicht "clean" und "auf Entzug" verwechseln.


    Ich glaube ich verstehe was Du meinst - bin aber nicht 100%ig sicher.

    Ich sehe es so: wer Hemmungen auf der Bühne hat, der hat ein Problem, falls diese Hemmungen ihn hindern 100% seiner Fähigkeiten auszuspielen - diese Hemmungen abzubauen geht auf ganz vielfältigen Wegen, jeder muß den Weg wählen, der ihm am geeignetsten erscheint.

    Das zu lehren halte ich auch für eine wichtige pädagogische Aufgabe, hier geht es mir aber nicht um die Vermittlung von "Tricks", sondern es geht mir immer darum nahe zu bringen, daß man auf der Bühne weder Angst zu haben braucht vor der Präsentation seiner ungeschützt erlebten Emotionen, noch vor der Darbietung seiner intellektuell kontrollierten Fähigkeiten.

    Und daß Musik die perfekte Droge ist, ja, da sind wir uns allerdings einig :)

    Bester Gruß, Christoph
     
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden