Harmonische Bedeutung der b6

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Raggae, 2.August.2011.

  1. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Die verschiedenen Stufen der Tonleiter haben harmonisch gesehen ja auch Bedeutungen, z.B. ist die 1 Root, b3 die Mollterz, 3 die Durterz, usw.

    Wie würdet Ihr die Bedeutung der b6 beschreiben?

    Liebe Grüße,

    Raggae
     
  2. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Vielleicht hat die b6 eher als eine klangfarbliche als eine funktionsharmonische Bedeutung.
     
  3. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Und wie würdest Du die klangfarbliche Bedeutung dann beschreiben?
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Eine b6 wäre die kleine Sexte. Als Zusatz zu einem Dur- oder Mollakkord riebe sich diese stark mit der Quinte. Ungebräuchlich, sage ich mal, weil man dann die Quinte weg ließe. Dann erhält man aber (in Dur) einen übermäßigen Akkord und würde ihn z.B. C+ nennen.

    Ein Moll-b6-Akkord ohne Quinte entspricht dann wiederum einem Durdreiklang in der zweiten Umkehrung.

    Lässt man die Quinte bestehen, so kann die b6 als b13 auftauchen, z.B. in einem G 7/b9/b13-Akkord.
     
  5. Gast

    Gast Guest

    Ich würde sie #5 nennen. Die #5 hat im Dominantseptakkord die Funktion eines zusätzlichen Leittons zur Terz der Subdominante, verstärkt also die Auflösung in die Tonika.

    Gruß, Herman
     
  6. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Vielleicht ist es ja auch ganz anders, als ich mir das vorstelle, und die Frage macht gar keinen Sinn.

    Wenn ich z.B. mein Standard-Stück für die Moll-Skala "Ha Tikwah" (Chords) nehme, dann wechselt die Begleitung ja gerade an der Stelle, an der die b6 kommt, auf die iv (Dm), und damit liegt die Bedeutung der b6 (der i) an der Stelle darin, die b3 der iv zu sein.

    Macht das so Sinn? :roll:
     
  7. ppue

    ppue Mod Experte

  8. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Also die b6 (die #5 nicht, das ist was anderes) hat für mich immer den Auflösungsdrang, runter zur Quinte zu wollen.
    Bei Mollskalen über dem entsprechenden Akkord, also zB. Ab über C-moll empfinde ich das Ab meist als Vorhalt zur Quinte, was ich als leichte melodische Einschränkung empfinde. Das wirkt für mich meist etwas melancholisch.
    Das Ab ist sozusagen etwas weniger selbstständig.

    Die große Sexte hat diese Eigenart nicht. Vielleicht ist deshalb dorisch (hat eine große 6) die meistgenutzte Mollskala im Jazz.
    Es scheint mir auch bei Rock- und Popmusikern im Vergleich mit Jazzern ein bischen unterschiedlich zu sein. Die erstgenannten nehmen in Mollskalen eher die b6, die Jazzer eher die große 6.

    Bei den häufig vorkommenden Wechseln zwischen einer Molltonika (I.Stufe) und Mollsubdominante (IV. Stufe)
    hat die große 6 den Vorteil, den Wechsel zur IV deutlicher zeigen zu können.
    zB. in C-Moll als I Stufe
    F-Moll IV Stufe
    Nimmt man für CMoll das A, hat das Ab dann für das F-Moll "Neuigkeitswert", und der Harmoniewechsel wird auch von der Melodie deutlicher.
    Nachteil, man muß etwas mehr rechnen :) .

    fG


    [size=xx-small] Berlin Swingband Berlin[/size]
     
  9. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Ohne jetzt auf jeden Post einzugehen, gebe ich noch meine Meinung zur Ausgangsfrage, ob die b6 eine Bedeutung hat und wie man sie beschreiben soll.

    Eigentlich hat jeder Ton eine harmonische Bedeutung ;-) Die b6 nenne ich die äolische Sexte, weil es der einzige sich unterscheidende Ton zwischen äolisch und dorisch (mit diatonischer oder grosser Sexte) ist. Weil die Sexte kein eigentlicher funktionaler Akkordton, sondern eine Färbung ist, wird sie als Oberton b13 bezeichnet.

    Auf keinen Fall darf sie enharmonisch mit #5 verwechselt werden, weil dadurch die funktionale Bedeutung des Dreiklanges verändert. Gemäss der Regel "erhöhte Intervalle haben den Drang zu noch mehr Erhöhung, erniedrigte Intervall haben den Dran zu noch mehr Erniedrigung" ist ein Dreiklang mit #5 statt r5 ein instabiler Dreiklang:

    Ausgang: C - E - G (Dur-Dreiklang)
    Alterierung: C - E - G# (übermässiger Dreiklang)
    mögliche Folge: C - F - A (Dur-Dreiklang 2. Umkehrung)

    Das G will über G# die Spannung klar zu A auflösen. Und umgekehrt verhält es sich ähnlich:

    Ausgang: F - A - C (Dur-Dreiklang)
    Alterierung: F - Ab - C (Moll-Dreiklang)
    mögliche Folge: E - G - C (Dur-Dreiklang 1. Umkehrung)

    ...wobei A - Ab - G die harmonische Hauptlinie bildet.

    Ergo kann man davon ableiten, dass bei vor allem bei Dominanten der alterierte Oberton b13 den Drang hat, noch weiter nach unten zu leiten. Es ist jedoch lediglich eine zusätzliche zur Auflösung drängende Färbung, denn der Tritonus zwischen Dur-Terz und k7 ist hauptverantwortlich für das dominantische Spannungsverhältnis.
    Es wurde bereits erwähnt, dass bei der Verwendung von b13 auf die Quinte wegen Reibung verzichtet wird. Das sehe ich auch so, jedoch anhand der Tatsache, wohin der die Linie führt, ist's klar entweder #5 oder b13. Bei RealBooks, gekauften Noten etc. ist Vorsicht geboten, denn nicht selten steht in solchen Fällen eine falsche Bezeichnung. Daher mein Tipp: Niemals die Harmonien isoliert für sich betrachten, sondern immer die Melodie in die Analyse einbeziehen. Dann wird's in den meisten Fällen sofort klar, was Sache ist.

    Anders verhält es sich bei modalem Spiel: Da hat ein Ton nicht eine Funktion, sondern gilt als Färbung. Die äolische Sexte verursacht eine dunklere Klangfarbe als die dorische Sexte. Ich hab in einem anderen Thread schon mal darauf hingewiesen, dass Aebersold als phantasieloser Pädagoge bei Moll seit etwa 2 Millionen Jahren nur dorisch als Variante gibt. Vielleicht möchte er, dass dieser Ton als "Aebersold'sche Sexte" in die Musik-Annalen eingehen soll. Dabei verhindert er schlicht andere cool tönende Moll-Modi wie eben äolisch, harmonisch Moll, Blues etc.
     
  10. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Da hab ich mich auch schon drüber gewundert. Diese Betonung auf dorisch gibt es ja nicht nur bei Aebersold. Ich hab immer gedacht, die gehen alle davon aus, dass man äolisch usw. eh schon kann und für die ii in ii-V-I unbedingt dorisch lernen muss.

    Wo ich ja aber eh noch damit kämpfe, endlich mal nen Blues aus dem Horn zu kriegen, den dann auch wirklich jemand hören will, ...

    ... wird mich das bei nur zwei Stunden Übungszeit am Tag wohl noch ein paar Jährchen beschäftigen ... :-D
     
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