Hartz IV und (kein) Saxophon

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von kingconn, 24.September.2006.

  1. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    Zum Glück hab ich ja einen sicheren Job. Aber heute mußte ich mal wieder daran denken, daß es doch eine Vielzahl von Leuten gibt, die sich unser Hobby nicht leisten könnten.

    Mal eben ein neues Jupiter oder Yamaha kaufen ist da nicht drin, geschweige denn, den Musikunterricht für die Kinder zu bezahlen.

    Schöne nachdenkliche Grüße

    kingconn
     
  2. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Soweit ich weiss wären laut Gesetz Harz IV-Empfänger gezwungen, Musikinstrumente zu verkaufen. Ob dieses Gesetz Anwendung findet weiss ich nicht, aber das Gesetz alleine ist schon menschenverachtend.
     
  3. Wilson

    Wilson Gehört zum Inventar

    Hallo Kingconn, über das Thema denke ich sehr häufig nach, habe in der Stadt schon häufig Musiker gesehen, die bettelarm aussahen, aber spielen konnten dass es eine wahre Pracht war.

    Ich habe mich mal mit einem unterhalten den es finanziell auch sehr hart getroffen hatte, er sagte dass er sich keine Blätter leisten kann und deshalb alte Eisstiele verwendet, die er im Sommer aus den Mülleimern fischt, zwei zusammemklebt und dann dann mit einer Metallfeile passend zurechtfeilt.

    Mir zeigen solche Situationen immer wieder dass man eigentlich kein Mark 6, Otto Link und teure Blätter braucht, um ein glücklich praktizierender Saxer zu sein.
     
  4. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Torsten,

    das ist richtig. Allerdings sind die wenigsten in der Lage, ein Instrument mit Gummibändern oder Eisstielen zum Spielen zu bringen. Ich hab auch schon einige Klarinetten an Straßenmusiker in Hannover verschenkt. Aber das meine ich nicht.

    Auf der Strecke bleiben die Armen und insbesondere viele Kinder werden keine Gelegenheit haben, ein Instrument zu lernen, insbesondere kein so teures und wartungsbedürftiges wie ein Saxophon.

    Ich halte Musikunterricht an Instrumenten prinzipiell für genauso wichtig wie Deutsch, Mathe oder Geschichte.

    Was wäre das für eine kulturelle Bereicherung für unser Land, wenn flächendeckend in Ganztagsschulen nachmittags Instrumentalunterricht für alle Kinder stattfinden würde.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  5. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Ich find es sowieso widersinnig. Was sollen die Harz IV Empfänger machen, als den ganzen Tag fernsehen? Kulturelle Angebote sollten Pflicht sein, genau so wie der Besuch derselben.
     
  6. the_Martin

    the_Martin Ist fast schon zuhause hier

    Ja und noch widersinniger finde ich, daß sie das Sax (oder anderes Musikinstrument) verkaufen sollen, einen Fernseher aber auf Antrag bezahlt bekommen können. :-?
     
  7. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Jungs, darf ich mal fragen, woher Ihr das habt?

    Sozialrecht ist zwar nicht mein täglich Brot, aber das würde mich doch sehr wundern, wenn es stimmt.

    Also, bevor die allgemeine Empörung über menschenverachtende Gesetze zu verbrannten Kanzlerinnenpuppen führt ;-) , sucht doch mal bei Google mit den Suchbegriffen "Musikinstrumente" und "Schonvermögen".
     
  8. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Ich bezog mein Halbwissen aus Fernsehsendungen. Bestimmt kennst du dich mit dem Gesetz besser aus. Hast du alles drauf, was mit Hartz IV zusammenängt?

    Sollen wir dich jetzt Pappi nennen, oder wie?
     
  9. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Nennt mich ruhig Pappi, wenn das hilft... :)
     
  10. LamaGeli

    LamaGeli Ist fast schon zuhause hier

    Also in den Merkblättern, die ich als HartzIV Empfänger erhalten habe sind Musikinstrumente nicht expliziet aufgeführt, wohl aber Wertsachen.
    Ich betrachte Musikinstrumente deshalb erstmal nicht als Wertsachen, mochte aber auch nicht genauer nachfragen, um niemanden auf dumme Gedanken zu bringen.

    Sollten Musikinstrumente allerdings zu den Dingen gehören, die ich nicht besitzen darf, würde ich das wirkllich als Frechheit empfinden.
    Schließlich besitze ich weder einen Fernseher noch ein Auto oder andere Wohlstandsgüter wie Geschirrspülmaschine, Gefrierschrank und ähnlichen Unsinn.
    Das habe ich auch nicht gebraucht, als ich noch gearbeitet habe, sondern mir lieber Musikinstrumente zugelegt.

    Da aber das eigentlich Grundgesetzlich verbriefte Recht auf freie Wahl des Wohnorts und des Berufs für HartzIV Empfänger auch nicht mehr gilt, würde es mich nicht wundern, wenn Musikinstrumente verkauft werden müssten.
     
  11. the_Martin

    the_Martin Ist fast schon zuhause hier

    Sicherlich gibt es Eltern die sich das schlicht und einfach nicht leisten können.

    Es gibt aber auch Familien wo Vati und /oder Mutti täglich 20,- Euro für Bier und Zigaretten verblasen, sich 12,- Euro/Woche für Musikunterricht (inkl. Leihinstrument) nicht leisten "können".

    Da krieg ich dann sooo nen Hals... :-x
     
  12. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    Von 345 Euro Hartz IV kannst Du sicherlich nicht 600 Euro im Monat für Zigaretten verblasen.
     
  13. LamaGeli

    LamaGeli Ist fast schon zuhause hier

    Zudem man von diesen 345,-- Euro auch noch seine Strom- und Telefonrechnung bezahlen muss.
    Außerdem ist man verpflichtet davon auch noch etwas zurückzulegen um nötige Reparaturen oder Neuanschaffungen von z.B. Kühlschrank, Waschmaschine u.s.w. zu bezahlen.
     
  14. the_Martin

    the_Martin Ist fast schon zuhause hier

    Ich wollte damit auch nicht ein mathematisch korrektes Beispiel abliefern sondern darstellen wie bei manchen die Werte "verschoben" sind. Und das hat nichts mit HarzIV Empfängern zu tun.

    Bitte versteht mich nicht falsch, ich will hier nicht politisch für oder gegen HarzIV sprechen oder bewerten wie dieser (unser) Staat mit seinen Bürgern umgeht.

    Vielmehr wundere ich mich darüber wofür das oft sehr knappe Geld in einigen (auch mir bekannten) Familien ausgegeben wird.
    Und da ist der Vergleich Alkohol statt Musik nicht so weit hergeholt.

    Natürlich gibt es auch noch andere absurde Beispiele, es gibt ja genügend Möglichkeiten Geld auszugeben für Dinge die wirklich niemand (oder: niemand wirklich) braucht.
     
  15. LamaGeli

    LamaGeli Ist fast schon zuhause hier

    @the_Martin
    [color=0000FF]Zitat
    Ich wollte damit auch nicht ein mathematisch korrektes Beispiel abliefern[/color]

    Tja , so ein unkorrektes mathematisches Leben können sich Hartz IV Empfänger nicht leisten.
    Ihnen stehen laut Regelsatz genau 3,30 Euro/Monat für größere Gebrauchsgüter Freizeit, Musikinstrumente, Fahrräder u.s.w. zu.
    Kindern unter 14 Jahren stehen für Schreibwaren, Bücher und Musikinstrumente 1,43 Euro/Monat zu..

    [color=0000FF]Zitat
    darstellen wie bei manchen die Werte "verschoben" sind.[/color]
    Mir scheint zu diesen "manchen" gehörst auch Du, wenn ich Dein "nicht korrektes mathematische Beispiel" lese.

    [color=0000FF]Zitat
    Und das hat nichts mit HarzIV Empfängern zu tun.[/color]
    Warum postest Du das dann unter der Überschrift "Harrtz IV"??
    Dadurch hast Du den Eindruck vermittelt, als würdest Du genau diese Hartz IV Empfänger damit meinen.

    Leider ist es so, dass genau diese Meinung unter der noch arbeitenden Bevölkerung besteht.

    Schön, dass Du das relativiert hast.
     
  16. rbur

    rbur Gehört zum Inventar

    Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber wenn, dann wird es ja auch nur ab einem bestimmten Wert angewandt. Genauso wie bei der eigenen Wohnung, die man evtl. auch verkaufen muss.
    Keiner wird dir ein 600 Euro Sax wegnehmen, aber wenn du ein en 20.000 Euro Steinway zu Hause rumstehen hast, wird das Sozialamt schon genau hinschauen, ob du den wirklich brauchst.
     
  17. kryz

    kryz Ist fast schon zuhause hier

    Hi Geli,
    ich kann verstehen, dass du dich von the_Martins Beispiel etwas angegriffen fühlst. Dennoch sind seine Argumente teils nicht ohne Hintergedanken!

    Außerdem kann ich deinen Unmut als Hartz IV Empfänger verstehen, dennoch möchte ich dir auch ein Gegenbeispiel geben:

    Im entfernten Bekanntenkreis gibt es eine Familie ( Mutter + Sohn ) etwa so alt wie meine Mum und ich.

    Beide haben noch nie gearbeitet bekommen aber vom Sozialamt Wohnung ( viel größer als unsere ) + Krankenversicherung + Geld zum Leben.
    Um Arbeit haben sich beide nicht bemüht.

    Meine Mum dagegen hat zwei Jobs gleichzeitig auf selbstständiger Basis. Eine Festanstellung hat sich bisher nicht gefunden ( 52 Jahre, zu alt ). Bei mehreren Bewerbungsgesprächen wurde sie abgelehnt, weil sie überqualifiziert ( !!! ) ist ( >20Jahre selbstständig ) und auch für ihre jetztigen Jobs ist sie es eigentlich.

    O.g. Familie hat im Monat ohne Arbeit auf Jahr gerechnet etwa 1,5 - 2 x Geld zur Verfügung.

    Wie ich in dieser Situation reagiere würde, weiß ich nicht...

    Mir ist klar, dass kein Gesetz vor Missbrauch sicher ist, ich möchte nur nicht, dass du hier den Eindruck erweckst "die böse böse arbeitende Bevölkerung mag die Arbeitlosen nicht".

    Viele Grüße

    Chris
     
  18. the_Martin

    the_Martin Ist fast schon zuhause hier

    Das bezog sich auf den Beitrag, wer sich was (noch ) leisten kann oder leistet. Und das hat eben nicht unbedingt mit HarzIV zu tun. Es gibt auch Leute und Familien die (noch) Arbeit haben und jeden Cent umdrehen müssen. Ich kenne aber auch Familien, da haben die Kinder enorme Handyrechnungen, die von den Eltern bezahlt werden oder die Kleinen werden mit absurden Computerspielen "ruhig" gestellt. Mit einem Musikinstrument würden sie ihre Zeit besser und sinnvoller verbringen aber dafür ist dann kein Geld da...das finde ich absurd. Bevor ich meinen Kindern den Musikunterricht verwehren würde, gäbe es da noch einige andere Dinge auf die man vorher verzichten könnte.

    Ich gehöre nicht zu den Leuten die über Empfänger von sozialen Leistungen schimpfen und finde es eher traurig wie der (angebliche Sozial-) Staat mit seinen Bürgern umgeht. Wenn ich darüber nachdenke, daß Wertsachen verkauft werden müssen bevor man soziale Leistungen beanspruchen kann dann hört sich das für mich eher nach Bananenrepublik an. Schließlich wurde für diese "Wertsachen" schon gearbeitet und auch Steuern und Sozialabgaben bezahlt. Die Konsequenz wäre, dass man sein Geld nur noch für wertlose Dinge ausgibt so lange man Arbeit hat, damit man sofort Sozialleistungen bekommt??? Oder man sorgt eben selbst vor, dann dürfte und könnte man aber nichts mehr in diesen Staat investieren.

    Ich verstehe die Logik dahinter schon lange nicht mehr aber vielleicht kann sie mir ja mal jemand erklären?
     
  19. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Zitat:

    the_Martin schrieb:

    .... und finde es eher traurig wie der (angebliche Sozial-) Staat mit seinen Bürgern umgeht. Wenn ich darüber nachdenke, daß Wertsachen verkauft werden müssen bevor man soziale Leistungen beanspruchen kann dann hört sich das für mich eher nach Bananenrepublik an. .....

    .....Ich verstehe die Logik dahinter schon lange nicht mehr aber vielleicht kann sie mir ja mal jemand erklären?


    Hallo Martin,

    Die Logik dahinter verstehe ich manchmal auch nicht. Für mich ist ganz zentraler Punkt in meinem Leben, dass ich die Verantwortung für meine Lebensumstände in dem Maße übernehme, wie ich dazu in der Lage bin. Leider ist das nicht bei allen Menschen so.

    Ich würde wirklich einen ziemlich dicken Hals kriegen, wenn ich beobachten würde, dass jemand in einer tollen Villa mit schönen Pool im Garten und Pferden auf der Koppel lebt und vom Staat einfordert, dass dieser gefälligst den Unterhalt für den Ferrari zahlen soll, damit er damit mehrmals im Jahr zu seiner Luxusyacht nach Monaco fahren kann.

    Und dass die Frau sich von ihren 35 1-Karätern und der Südsee-Perlkette trennen soll, ist auch völlig unzumutbar.

    Also: Wo ist die Grenze zu ziehen? Was ist zumutbar und was nicht?

    Ich war auch schon in der Situation, dass ich meine Lebensversicherungen auflösen musste, mein Haus und mein Motorrad verkauft habe und mich von allen denkbaren Wertsachen getrennt habe. Für mich war das vollkommen normal.

    Aber wie gesagt: Das ist meine persönliche Einstellung. Verantwortung übernehmen. Ich bedaure, dass so viele Menschen in diesem Land eine für mich unverständliche Vollkasko-Mentalität entwickelt haben.

    In Deutschland muss - im Gegensatz zu vielen anderen Regionen dieser Erde - niemand verhungern. Wir klagen immer noch auf sehr hohem Niveau.

    Meine Frau sucht in ihrer Firma verzweifelt Aushilfskräfte fürs Wochenende bei m.E. wirklich angemessener Bezahlung. Pustekuchen. Am Samstag und Sonntag ist niemand bereit, für € 18,00 pro Stunde zu arbeiten. Die Menschen, die vom Arbeitsamt geschickt werden, kommen besoffen und stinkend an, um sich die Bescheinigung abzuholen, dass sie da waren. Eine Arbeit hat von diesen Menschen noch niemand angenommen.

    So lange ich das noch täglich beobachten kann, geht es m.E. vielen "Bedürftigen" noch sehr sehr gut.

    Ich sehe auf der anderen Seite auch Familien, bei denen Vater und Mutter ihren Jobs nachgehen, (also Verantwortung für ihre Lebensumstände übernehmen) die sich ein paar neue Schuhe oder eine Jeans fürs Kind im wahrsten Sinn des Wortes vom Mund absparen müssen.
    Alkohol und Zigaretten habe ich bei denen noch nie gesehen.

    Eine Logik, wer wann was warum kriegt und andere nicht...?

    Hab ich auch noch nicht erkennen können.

    Gruß aus dem Schwarzwald

    Bernd
     
  20. the_Martin

    the_Martin Ist fast schon zuhause hier

    Dann sind wir ja sozusagen "Artgenossen"... ;-)
    (Ich habe bewusst nicht "Leidensgenossen" geschrieben)

    Die Grenze ist für mich überschritten wenn, wie es gerade vielen HarzIV Empfängern ergeht, der Staat mehr Selbstverantwortung fordert (priv. Renten-Sozialabsicherung) und diese dann im Falle der (unverschuldeten) Langzeitarbeitslosigkeit wieder kassiert, bzw. staatliche Sozialleistungen (für die man auch Jahre oder Jahrzehnte einbezahlt hat) verweigert.

    Sicher ist es nicht leicht die "goldene Mitte" zu treffen allerdings habe ich das Gefühl, dass die "Armutsgrenze" dabei immer weiter nach unten rutscht. Frei nach dem Motto: so lange in der Tasche irgend etwas zu finden ist, greifen wir noch mal rein.

    Sicherlich, das Schmarotzertum findet auf hohem wie auch auf niedrigem Level statt, nur haben die "Grossen" meißt die besseren Möglichkeiten...

    Im Fall von Geli wollen wir hoffen, daß ihr Sax nicht doch noch irgendwann zur "Wertsache" wird und ihr das Instrument in der unfreiwillig gewonnenen "Freizeit" weiterhin viel Freude bereiten kann.

    nachdenklich...martin
     
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