Ich hab da mal eine Frage ...

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von KUS, 19.Januar.2016.

  1. KUS

    KUS Ist fast schon zuhause hier

    ... und hoffe, dass ich sie im richtigen Únterforum stelle.

    Außer spielen und hören, soll man sich ja auch mit Musiktheorie beschäftigen und dabei bin ich über folgenden Umstand gestolpert:

    Wenn ich die C-Dur-Tonleiter betrachte ist die zweite Stufe dieser Tonleiter D-Moll (dorisch) und besteht aus der Tonfolge D-E-F-G-A-B-C-D (amerikanische Notation und darum B statt H). Auf der anderen Seite ist D-Moll (natürlich) die parallele Tonart von F-Dur und besteht aus der Tonfolge D-E-F-G-A-Bb-C-D.

    Ich weiß, die Pentatoniken D-F-G-A-C und die Akkordtöne D-F-A-C (für Dm7) sind identisch, aber ich dachte - bislang - das ganze Tonmaterial im Sinne der Tonleiter wäre das gleiche. Aber wohl nicht! Ich weiß auch , dass es Veränderungen von natürlich zu melodisch und harmonisch Moll gibt. Aber dadurch wird es auch nicht deckungsgleich.

    Ist der von mir geschilderte Zusammenhang verallgemeinbar? Mache ich einen Gedankenfehler? Und das wichtigste zum Schluss: was bedeutet, dass praktisch? Kann ich, wenn ich über einen Dm7 Akkord improvisiere B und Bb alternativ verwenden oder kommt es darauf an, ob ich mich modal in C-Dur oder in F-Dur bewege?

    Ich hoffe, Ihr versteht mein Problem.

    LG Kai
     
    Rick gefällt das.
  2. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Schon ja. Ein Akkord zB C7 ist erstmal ein Vierklang, und kann mit verschiedenen Optionstönen erweitert werden.
    Welche, richtet sich nach Umgebung, Stilistik, Geschmack usw. Charlie Parker zB spielte gerne bei Dominanten die b9.

    Kannst du, wie es dir gefällt. Prozentual wirst du in C-Dur aber öfters das H finden ;). Erstmal gibt es weniger Spannung zur Tonalität, entsprechend umgekehrt in F.




    http://www.swing-jazz-berlin.de/
     
  3. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Hmmm, ich hab die Frage nicht ganz verstanden.

    Dorisch ist eben ein anderer Modus (Tonleiter) als natürlich Moll (=äolisch), mit genau diesem Unterschied.

    Aber D-Dorisch ist nicht C-Dur, und d-Moll ist nicht F-Dur.

    Deswegen finde ich die Erklärungen zu den Modi (Kirchentonarten) im Buch von Sikora so gut. Da wird eben nicht gesagt, dass Dorisch die 2. Stufe von Dur ist.
     
  4. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Moin!

    Um den ganzen die zusätzliche Komplikation von 'Moll' zu entziehen (Moll ist immer komplizierter!) *), nehmen wir mal an, da stände ein schlichtes 'F' als Akkordsymbol.

    Kontext F-Dur => 1. Stufe => Bb und E
    Kontext C-Dur => 4. Stufe => B und E
    Kontext Bb-Dur => 5. Stufe => Bb und Eb
    Kontext G-Dur => ja, kann man mixo #11 spielen (wie in 'how deep is your love') => B und Eb
    Kontext Free Jazz => reaktionäre Strukturen wie 'Stufen' sind verpönt => Hauptsache, es passt nicht. Gerade knapp vorbei hat eine bessere Wirkung als total daneben, weil wir dem System klar machen, dass wir die Regeln kennen, aber absichtlich brechen. Kampf der tonalen Bourgeoisie!

    In Moll hat man analoge Pro ... äh .. Herausforderungen. Augen auf (in welchem Kontext befinde ich mich?) und Ohren auf (reibt sich was oder nicht? Ist das gewollt?)

    Grüße
    Roland


    *)
    Dur = hart = männlich = einfach
    Moll = weich = weiblich = kompliziert
    Ja, das ist ein Scherz! :)
     
    bluefrog, saxolina und Rick gefällt das.
  5. Jazzica

    Jazzica Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Kai,

    wenn Du so willst, gibt es 4 verschiedene Arten von Moll-Tonleitern:

    - Dorisch (gebildet auf der 2. Stufe des ionischen Systems, große Sexte und kleine Septime)
    - Äolisch (= natürlich Moll, gebildet auf der 6. Stufe des ionischen Systems, kleine Sexte und kleine Septime)
    - Harmonisch Moll (wie Äolisch, aber mit Leitton, d.h. große statt kleine Septime - bei A-moll wäre das z.B. Gis statt G)
    - Melodisch Moll (wie Harmonisch Moll, zusätzlich zur 7. Stufe ist jedoch auch die 6. Stufe um einen Halbton erhöht - bei A-Moll kämen da z.B. Fis und Gis anstatt F und G vor).

    Wann welche Moll-Varietät in der Praxis vorkommt bzw. woran man erkennt, welche der 4 Arten man an einer bestimmten Stelle spielen soll, kann ich leider nicht erklären. Ich meine allerdings, dass man es hört bzw. den Eindruck von einem "nicht passenden Ton" hat, wenn jemand auf einer "dorischen Stelle" z.B. die kleine Sexte (aus der äolischen Leiter) spielt. Manchmal kann man aus den entsprechenden Melodie-Tönen Rückschlüsse ziehen - wenn die Stelle z.B. mit "Dm7" überschrieben ist und Du entdeckst in der Melodie ein H, dann sollte man an dieser Stelle wahrscheinlich dorisch spielen.

    Der Hinweis von @Florentin auf das Buch von Frank Sikora ist durchaus ein sehr guter Tipp, um sich mit den verschiedenen Moll-Varietäten zu beschäftigen.

    Dort erfährt man zudem folgendes:
    Um die Verwirrung perfekt zu machen, gibt es auch von der Harmonischen und der Melodischen Molltonleiter "Modi" auf den jeweils 7 Stufen. Dabei kommen dann wieder ganz andere Tonleitern heraus, die gar nicht zwingend "Moll"-Charakter haben (z.B. Mixo#11 auf der 4. Stufe von Melodisch Moll oder Alteriert auf der 7. Stufe von Melodisch Moll).

    Viele Grüße von

    Jazzica (die selbst noch oft mit den Moll-Varietäten und Modi kämpft .....)
     
  6. Rick

    Rick Experte

    Hallo Kai!

    Ja.

    Nein.

    Genau, die harmonische Umgebung beeinflusst grundsätzlich die Tonauswahl.

    Wobei die sechste Stufe von Moll nie richtig optimal klingt, sondern immer eine gewisse Reibung enthält:
    Die kleine (bei D-Moll Bb) dissoniert mit der Quinte (hier A) und "zieht" so den Charakter weg von Moll auf den Major-Akkord der Sexte (hier Bb maj7), die große Sexte (hier B) ist einen Tritonus von der Terz (hier F) entfernt.

    Deshalb wird die Sexte in Moll an der Tonika-Stelle in der Regel höchstens als Durchgangston eingesetzt.
    Ausnahme: Man beabsichtigt einen "schrägen" Klang, so war die große Sexte über Moll-Akkorden im Bebop sehr beliebt. :-D

    Allgemein gilt jedoch in der Musik, dass der Komponist bzw. Improvisierende (als "Spontan-Komponist") die Regeln bestimmt: Erlaubt ist, was Dir gefällt; mach doch, was Du willst! :cool:

    Allerdings sollte man sich zur Vermeidung von Buhrufen und Tomatenwürfen möglicher Dissonanzen und ihrer Wirkung auf das mehr oder weniger aufgeschlossene Publikum bewusst sein. ;)


    Schönen Gruß
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 19.Januar.2016
  7. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @KUS

    Mit anderen Worten:

    Spielst Du Dissonanzen versehentlich, unbewußt, ist es falsch.....spielst Du sie bewusst, gewollt, ist es richtig....:cool:

    Das ganze heißt dann JAZZ:D

    Eine Anekdote dazu von Angelika Niescier (Jazzsaxophonistin): "Als ich begann gezielt 'Outside' zu spielen, hörte ich wie sich in der Pause zwei ältere Damen unterhielten und die eine sagte: 'Das Saxophon beherrscht sie ja, nur schade, daß sie die Töne nicht trifft'."

    CzG

    Dreas
     
    kokisax und Gelöschte 11056 gefällt das.
  8. Mugger

    Mugger Guest

    Don't play late Coltrane licks at a wedding gig.

    Bob Mintzer (Aus dem Kapitel: Things they didn't teach me in music school)
     
  9. Rick

    Rick Experte

    Ja, und das finde ich erschreckend, denn so eine Ausbildung soll ja zu späterer erfolgreicher Berufsausübung führen und nicht lukrative Engagements verhindern... ;)
     
  10. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Im Jazz gibt es keine falschen Töne. Nur scheiß Übergänge. :)

    Grüße
    Roland
     
    Gelöschtes Mitglied 5328 und KUS gefällt das.
  11. Gelöschte 11056

    Gelöschte 11056 Guest

    Das will ich hoffen...............
     
  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Wären wir pedantisch könnte man noch mehr Tonleitern nennen, die gerne Moll zugeordnet werden, wie z.B. phrygisch oder dorisch b9 etc.

    LG Saxhornet
     
    Jazzica gefällt das.
  13. Rick

    Rick Experte

    Nun ja, diese Zuordnung der menschlichen und tonalen Geschlechter ist tatsächlich historisch.
    Und Frauen werden selbst von Frauen öfter als "kompliziert" empfunden, Männer gelten allgemein als "einfacher gestrickt", berechenbarer.
    Ob man das als Mann positiv finden soll, bleibt dahingestellt. ;)

    Schönen Gruß,
    Rick
     
    Gelöschte 11056 gefällt das.
  14. saxhornet

    saxhornet Experte

    Wenn es funktionale Harmonik ist entscheidet man entsprechend der Funktion des Akkords welche Skala passt oder welchen Sound man gerade darstellen oder melodisch nutzen will. Ausserhalb der funktionalen Harmonik wird es da schon schwieriger. Manchmal kann auch die Melodie Hinweise geben welche Skala eher passt oder sinnvoll ist.
    LG Saxhornet
     
    KUS gefällt das.
  15. KUS

    KUS Ist fast schon zuhause hier


    Danke, danke, für den Anfang reicht mir das erst einmal. Klar phrygisch kenn ich auch, hatte ich aber nicht im Blick. Ich glaube mit dem Wissen um 5 Molltonleitern kann ich schon genug Unheil anrichten. ;)

    Nochmals vielen Dank an alle.

    Mir wurde geholfen

    Kai
     
    Rick gefällt das.
  16. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Es gibt ja auch mehr 'Dur' als ionisch. Lydisch und Mixolydisch haben ja auch Dur-Character. Und wenn man zu C-Dur noch Db, Ab oder beides hinzugibt, hat man immer noch Dur-Character.

    Also .... II, IV, VI, VII lassen sich alterieren, gibt - wenn man mal übermäßige Sekunden oder verminderte Quarten beiseite lässt, 16 Dur und 16 Moll. Somit ist Dur inhärent genauso kompliziert, aber (sagt der A-Bär) bei Dur haben wir nicht 'Konstruktionsprobleme' wie bei Moll.

    'Konstruktionsprobleme' in Moll:
    Zum Beispiel soll in Moll die IV in Moll sein, kein Problem, nehmen wir die kleiner Sexte. Ach, aber ein Leitton wäre schon, OK. Allerdings haben wir dann einen Hiatus. Hm, ....usw. Vielleicht kann man ja aufwärts anders wegen Meolodie ... usw.

    In Dur:
    I, Dur, VI Dur , V, Dur, fettich. Mittagspause.


    Zur Komplexitätstheorie der Hominiden mit symmetrischem Chromosomensatz werde ich mich nicht äußern. *)

    Grüße
    Roland

    *)
    Eine Praeteritio. Ich hab doch in Latein was fürs Leben gelernt. :)
     
    Gelöschtes Mitglied 5328 und Rick gefällt das.
  17. Rick

    Rick Experte

    Im Jazz hat man es vorwiegend mit reiner oder harmonischer Moll als Tonika zu tun, die Subdominant-Parallele von Dur fällt in den "dominantischen Bereich".
    Interessant ist höchstens noch die zweite Stufe von harmonisch Moll, eine Abart des lokrischen Modus, aber das geht schon in Richtung "Feinheiten, um die Du Dich in ein paar Jahren kümmern kannst". ;)

    Die dorische Moll ist durch beliebte Nummern wie "So What" und "Impressions" quasi DIE Tonleiter im modalen Modern Jazz, findet aber außerhalb kaum Verwendung.

    Melodisch Moll setze ich gern bei ein paar langsameren Standards an der Stelle von Moll-Tonikas ein, etwa bei "Summertime", um ein wenig Chili reinzustreuen, aber das ist schon mehr so eine Eigenart als wirklich üblich.
    Ohne kann man auch prima überleben und schöne Musik machen. :)

    Und das war's auch schon, alles Weitere ginge für den Durchschnittshörer viel zu weit.
    Im Pop bleibt sowieso alles bei Pentatonik bzw. Blues-Tonleiter, da herrscht praktisch Moll-Sexten-Verbot (außer bei folkloristischen Klängen, etwa Richtung Irland und Skandinavien, da kann man üppig auf allen Stufen der äolischen Moll schwelgen).


    Gut Sax,
    Rick
     
    KUS gefällt das.
  18. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Komisch, bei dorisch blitzt bei mir im Hirn als erstes 'Oye como va' auf.

    Ja, stimmt. Den Horizont des Durchschnittshörers habe ich spätestens mit 9 verlassen. Aber es ist nie zu spät dafür.

    Grüße
    Roland
     
    Gelöschtes Mitglied 5328 und Rick gefällt das.
  19. Rick

    Rick Experte

    Dann spiel mal auf einem normalen Party-Gig über den Vamp die große Sexte und schau, was passiert! :-D

    Du hast harmonisch gesehen Recht, da liegt ein dorischer Modus zugrunde, allerdings wird dieser bei improvisierten Solos in der Pop-Musik üblicherweise nicht ausgespielt, sondern man bleibt bei der gängigen Pentatonik, eventuell mit einer Blue Note gewürzt (klingt dann aber für viele schon zu "abgefahren").
    Sobald ich die große Sexte sowie Sekunde anspiele, bin ich "der Jazzer" - wenn ich das beabsichtige, ist es ja gut, aber eine übliche Oldies-Cover-Band würde mich dann nicht unbedingt ein zweites Mal engagieren. ;)


    Schönen Gruß
    Rick
     
  20. saxhornet

    saxhornet Experte

    Aha und wie passt dann der übliche Moll6 Akkord als Tonika ins Bild bei den Skalen, die Du nennst, die eine b6 haben?

    Na dann erklär mal.


    Das stimmt einfach nicht, das war auch schon davor im Gebrauch und wird allgemein im Jazz viel verwendet nicht nur bei modalen Stücken. Da tritt sie oft lediglich nicht als Tonika auf aber auch das ist möglich.

    Melodisch Moll ist als Skala durchaus auch im normalen Jazz durchaus öfters benutzbar.

    [qoute]Und das war's auch schon, alles Weitere ginge für den Durchschnittshörer viel zu weit.
    Im Pop bleibt sowieso alles bei Pentatonik bzw. Blues-Tonleiter, da herrscht praktisch Moll-Sexten-Verbot (außer bei folkloristischen Klängen, etwa Richtung Irland und Skandinavien, da kann man üppig auf allen Stufen der äolischen Moll schwelgen).


    Gut Sax,
    Rick[/QUOTE]

    Sorry aber Du machst es Dir etwas zu leicht. Es gibt sogar eine Moll 6 Pentatonik. Ist das alles so dein ernst oder versteh ich Dich da irgendwo falsch?

    Lg Saxhornet
     
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden