Intervall und Oktaven

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Arne, 25.Januar.2013.

  1. Arne

    Arne Schaut öfter mal vorbei

    Moin.

    *Achtung, könnte schwierig zu verstehen sein*

    Nachdenkend über Harmonien stellt sich mir eine Frage zu den Oktaven, in denen man sich (z.B. beim Improvisieren) bewegt. Gelten die gleichen Töne für alle Oktaven (i.e.: wenn F = OK als Terz über Grundton, dann F = OK als Dezime und F = OK als Sexte unter Grundton?) oder ändert sich das zu verwendende Tonmaterial mit der Oktave? Dann müsste ja dummerweise auch die Oktave definiert sein, die den Grundton enthält. Dagegen sprechen für mich Akkorderweiterungen, die z.B. eine b9 beinhalten, aber keine b2 (gleicher Ton, richtig?).

    Andere Frage, gleich Zielrichtung: Zählen die Intervall (ja vom Grundton ausgehend) immer nur nach oben? Oder sind Intervalle, die aufwärts OK auch abwärts OK? (Ich weiß, welches Intervall OK ist, liegt im Ohr des Zuhörers)

    Wieder anders gefragt: wo hört der Akkord auf, ab wo wiederholt er sich und geht er immer nur in eine Richtung (nämlich nach oben)? Den Tonumfang einer Oktave verlasse ich ja bei Akkorderweiterungen.

    Noch anders gefragt: haben Intervalle nach oben und nach unten die gleiche Wirkung? Ich vermute mal nicht - wegen der sich unterscheidenden Frequenzverhältnisse.

    Warum frage ich: in der Bass- und Gitarrenwelt gibt es solche Darstellungen (z.B: http://de.wikipedia.org/wiki/Powerchord): da wird von der Quinte unterhalb und oberhalb vom Grundton gesprochen - aber es ist der gleiche (nur oktavierte) Ton.
    Beispiele für Powerchords mit Grundton C (die Hochindizes kennzeichnen die Oktave):

    c1 – g1
    c1 – g1 – c2

    oder auch Basskurs.de

    Aber, wenn ich nicht total daneben liege, ist das ja ein Komplementärintervall --> Quarte sein. Mich verwirrt die Bezeichnung "Quinte" dann.

    Ziel ist, zu verstehen, welches Tonmaterial zur Verfügung steht.

    Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine. Danke euch!

    Arne
     
  2. flar

    flar Guest

    Moin, moin Arne
    Die Bezeichnungen in den Akkorden. z.B. sus 4 oder 11, zeigen einem Pianisten oder Gitarristen an wo er innerhalb des Akkordes den zusätzlichen Ton zu „parken“ hat. Ist z.B. sus 4 notiert sollte der Akkord in C Dur so aufgebaut werden C- F-G-C. Das heißt die Terz wird ausgeschlossen weil sie sehr nahe an der 4, der Quarte liegt. Ist die 11 angegeben kann man die Terz leichter zulassen und der Akkordaufbau würde so aus sehen C- E-G-C-F. Das ganze kann aber natürlich auch in allen möglichen Umkehrungen statt finden und auch in welcher Höhe der Akkord angelegt wird ist nicht fest gelegt. Für die Improvisation ist die Akkordbezeichnung relativ uninteressant, da ist eher der Zusatzton als solcher interessant. Natürlich erzeugt es eine Reibung wenn Du neben der Terz vom Piano in der gleichen Oktavlage die 4 (Quarte) spielst, genau das selbe passiert wenn Du eine Terz in der gleichen Lage wie die 11 anbringst. Diese Reibungen sind aber das Salz in der Suppe!

    Viele Grüße Flar
     
  3. Gast

    Gast Guest

    Das ist ein unterschiedlicher Gebrauch der Intervallbezeichnungen in verschiedenen Genres: im Jazz ist eine Quinte nicht ein einmaliges Intervall, sondern eine feste Beziehung zu einem Grundton - egal wo diese Quinte liegt - selbstverständlich auch, wenn sie mit dem Grundton eine Quarte bildet.

    Wenn in der ernsten Musik die Tonfolge GCE Quartsextakkord genannt wird, so heißt dieselbe Tonfolge in der weniger ernsten Musik schlicht "C" - also C-Dur-Dreiklang mit Grundton C, Terz E und Quinte G. Die Quinte bleibt auch die Quinte, wenn sie im Quartabstand unter dem C gespielt wird. Die Quinte ist dann eben unten... :-D

    Herman
     
  4. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Es gibt einfach zwei verschiedene Betrachtungsarten:

    I) Grundtonbezüge, oder auch akkordisches Denken:
    Alle Töne werden in der Beziehung zu einem Grundton gewichtet.
    Die Folge zB. C, E, G, A ist dann die 1, die 3, die 5, die 6.
    Dies gilt auch dann, wenn die Töne unter dem gespielten Grundton liegen.
    Die Oktavlage ist dabei zweitrangig. Beim Grundton C ist G eine Quinte, egal, ob sie über oder unter dem Grundton liegt. (Die Grundtöne, sprich Akkorde selbst können ggf wechseln, zB in einem Jazzstück.)
    Diese Betrachtungsart der Töne nimmt keine Rücksicht auf die Bewegung von Ton zu Ton, und im Preinzip auch nicht auf die Bewegungsrichtung. Dies tut aber das

    II) Intervallische Denken:
    Die Folge C, E, G, A ist hier große 3 (C nach E), kleine 3 (E nach G), große 2 (G nach A).
    Von, sagen wir F eine große 3 nach oben ergibt ein A, während eine große 3 nach unten ein Db ergibt. Offensichtlich wird die Bewegungsrichtung beim intervallischen Denken mit wahrgenommen.

    Beide Denkarten sind wichtig. Die erste hilft beim akkordischen Denken, die zweite erfasst Melodien besser. Eine Melodie kann völlig unterschiedlich harmonisiert werden, mit neuen Akkorden unterlegt werden, ist dabei aber immer noch als die gleiche Melodie erkennbar.
    Die Intervalle zwischen den Tönen bleiben auch bei neuen Akkorden gleich, die Melodie ist nach wie vor erkennbar, folglich ist die Melodie in den Intervallen zu finden. Verändere ich aber die Intervalle bei gleichen Akorden, entsteht aber eine neue Melodie.

    Rudolf Steiner sagte mal "Ein Akkord ist der Leichnam der Melodie", das hat was. Zu dem Thema könnte man ganze Bücher schreiben, auch zu der oft vorkommenden Überbewertung des grundtonbezogenen Denkens.

    Soweit, ich hoffe, ich habe es verständlich hingekriegt.
    freundliche Grüße
    Werner

    http://swing-jazz-berlin.de



     
  5. flar

    flar Guest

    Moin, moin Arne
    Mit meinem Beitrag hatte ich wohl das Thema ein bißchen verfehlt, Werner trifft es viel besser und auf den Punkt gebracht hat es Hermann!

    Viele Grüße Flar
     
  6. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    "... auch zu der oft vorkommenden Überbewertung des grundtonbezogenen Denkens."

    im jazz, oder generell?
     
  7. Gast

    Gast Guest

    Das mag sein. Der hat viel gesagt. Aber er kannte Charlie Parker und Konsorten nicht, die das Akkordgerüst eines Schlagers (also seinen Leichnam) nahmen, um z.T. zahlreiche neue und geniale Stücke zu schaffen.

    Ich würde ganz unfilosofisch von einem manchmal verwirrenden Unterschied im Jargon zwischen verschiedenen musikalischen Genres sprechen, die nichts anderes machen, als vorhandene Ausdrucksweisen Ihren eigenen, meistens jeweils neuen Entwicklungen anzupassen.

    Unterquart, Oberquinte usw. mögen z.B. beim Erarbeiten und Beschreiben von Fugen präzise Begriffe sein - im Jazz z.B. ist das aber nicht mehr so.

    Herman
     
  8. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    In der Jazzpädagogik. Wobei nochmals, das Akkordische, also die Fähigkeit des Wahrnehmens eines Tones auf seinen Stellung zum Grundton, sei es vom Empfinden und/oder vom Intellekt, wichtig ist.


    http://swing-jazz-berlin.de/#band
     
  9. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Hi,

    dasselbe ist nicht das Gleiche...oder so :)

    Im Grunde geht es ausschließlich um Frequenzverhältnisse. Eine 2 ist eine 2 und eine 9 ist eine 9. Die Vereinfachung 2=9 hält einer Hörprobe nicht stand.

    Deshalb klingen Akkorde auch in jeder Umkehrung und auch Lage anders. Es wäre ganz traurig, wäre es nicht so.

    Man kann darüber seitenlange theoretische Abhandlungen verfassen...oder eben ausprobieren.
     
  10. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Genau. Sie haben Melodien geschrieben, deren Bewegungen und Bewegungsrichtungen eben lebendig sind, Eigenleben haben. Dies mal als Gegensatz zu einem Akkord, der diese Bewegungen nicht mehr oder auch noch nicht hat, dem der Lebenshauch sozusagen noch fehlt. Das Akkordmaterial kann man aber natürlich nutzen, und ihm das Leben einhauchen.

    Also in der praktischen Arbeit finde ich eine Unterscheidung zwischen zB Oberquinte oder Unterquinte schon hilfreich. Aber jedem das Seine :).



    http://swing-jazz-berlin.de/#band
     
  11. lee

    lee Ist fast schon zuhause hier

    "Unterquart, Oberquinte usw. mögen z.B. beim Erarbeiten und Beschreiben von Fugen präzise Begriffe sein - im Jazz z.B. ist das aber nicht mehr so.

    Herman


    Also in der praktischen Arbeit finde ich eine Unterscheidung zwischen zB Oberquinte oder Unterquinte schon hilfreich. Aber jedem das Seine"

    ihr missversteht euch - herrman schrieb von unterquart und oberquinte, zb. in cdur beides g.werner von unter und ober-quinte, also einmal f und einmal g.
     
  12. Gast

    Gast Guest

    Du meinst wahrscheinlich Unterquart und Recht hast du mit der Unterscheidung in der Praxis, z.B. beim Arrangieren. Noch praktischer ist es m.E. aber im Jargon, den alle verstehen, von unten liegender Quinte zu reden. Im Jazz ist es doch auch schreibtechnisch deutlich hilfreicher, z.B. C/G zu schreiben als "Quartsextakkord auf G".

    Herman
     
  13. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Ich meine auch zweimal g, also akkordisch gedacht. Ich verstehe jetzt aber erst, dass ich damit wohl das Gleiche meine wie Herrman, der das ja wohl als Negativbeispiel meint, mit Oberquinte und Unterquarte.
    (Ich habe an Bassunterricht gedacht, den ich früher mal gegeben habe, wenn ich eine Grundbegleitung mit Grundton und Quinte eines Akkords erkläre, und in dem Zusammenhang eben akkordisch denke.)

    Man braucht, denke ich, in der Praxis wirklich beide Rangehensweisen. Musik ist eben eine komplexe Ganzheit, und wenn man die untersuchen will, zeigen isolierende Wahrnehmungsarten, also hier eben nur Intervalle oder nur Grundtonbezüge, eben immer nur Teilaspekte.
    Was aber zwangsläufig bedeutet, das die alleinige Ausrichtung beim Üben von Improvisation (!, bei auskomponierter Musik ist das relativ unwichtig) auf eine Wahrnehmungsart etwas verpasst, und nicht vollständig befriedigend ist.

    Das Rhytmische und Metrische bleibt ja im Moment sowieso völlig aussen vor, obwohl eine melodische/ musikalische Wirkung davon überhaupt nicht trennbar ist. Die gleiche Melodie, bzw genauer, die gleichen Tonhöhen mit anderem Rhythmus wirken wieder ganz anders.
    Aber das führt natürlich ganz woanders hin und ist auch nicht die Frage hier.




    http://swing-jazz-berlin.de/#jazzband
     
  14. Arne

    Arne Schaut öfter mal vorbei

    Moin.

    Ja, das Gefühl hatte ich auch. Aber weiß, was ich alles noch nicht weiß und welche Zusammenhänge ich noch nicht entdecken kann? :-o Trotzdem danke für die Antwort.

    Arne
     
  15. Arne

    Arne Schaut öfter mal vorbei

    Äh...also so selbstverständlich war mir das bis eben nicht, dass eine Quinte auch im Quart-Abstand zum Grundton liegt. Daher ja meine Frage :-?

    Ab nu wird's ja langsam helle. Danke dir!

    Arne
     
  16. Arne

    Arne Schaut öfter mal vorbei

    OK, also hier offenbar bei den Bassern/Gitarreros der Fall.

    Ja, besten Dank...allerdings habe ich das mit den Leichen noch nicht gerafft...aber das kommt vielleicht noch
    ;-)

    Ahoi.

    Arne
     
  17. Arne

    Arne Schaut öfter mal vorbei

    Moin.


    chrisdos schrieb:
    Man soll ja nicht alles bei Wikipedia glaube, aber hier steht sogar was dazu, was deine Aussage stützt:

    "Bei der None kommt ein psychoakustischer Effekt zum Tragen. So wird ein Zusammenklang von großer oder kleiner None mit dem Grundton als wesentlich weniger unangenehm empfunden als der Zusammenklang von großer oder kleiner Sekunde mit dem Grundton."

    Nee, wollte ich nicht... aber etwas Verstehen ist schon nicht so schlecht, woanders wurde das ja schon bemerkt, dass ich so ziemlich alles verkopft angehe. :lol: Beim Ausprobieren stimme ich dir zu - nur traue ich meinen Ohren noch nicht so recht über den Weg.

    Egal: Ein guter Tag - wieder was gelernt. Merci.

    Arne
     
  18. Gast

    Gast Guest

    Wenn du einen Akkord als Stapel von Terzen begreifst und als Arpeggio auch so übst, kriegst du ein gutes Gefühl für das Verhältnis von Septimen und Nonen zum Grundton.

    Herman
     
  19. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Das versuche ich auch gerade. Immer klingen die Töne bei meiner Improvisation falsch. Wirklich zu wissen, welches Tonmaterial zur Verfügung steht und wie ich es anwende, ist doch schwieriger, als ich dachte. :-?

    Das finde ich jetzt ausgesprochen hilfreich. Danke!
     
  20. saxhornet

    saxhornet Experte

    So schwer ist es nicht. Wenn einem da noch die Erfahrung fehlt wirkt es nur schnell unnübersichtlich. Sag mir einfach wo das Problem liegt an welcher Stelle oder so und ich helfe gern. Kannst Du auch gerne als PN machen.

    Lg Saxhornet
     
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