Kann man Improvisation ganz einfach erklären?

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von nachbarschreck, 13.August.2013.

  1. nachbarschreck

    nachbarschreck Schaut öfter mal vorbei

    Moin an alle,

    ich wollte mal eine frage hier ins forum ableichen, die ich schon
    länger mit mir rumtrage. Ich hatte schon sehr viele saxlehrer, bei
    denen ich improvisation lernen wollte. Noch immer bin ich der meinung, dass man improvisation über akkorde auf einen ganz einfachen nenner, einen ganz einfachen satz, bringen kann:

    Finde die Tonart und spiele die passenden Töne dazu.

    Wenn ich das aber hervorbringe, machen es die lehrer viel viel komplizierter. Man muss erst mal dies, man muss erstmal das usw.

    Nun meine frage. Stimmt mein satz in der einfachheit oder muss er erweitert oder umformuliert werden. Ist improvisation nicht eigentlich wirklich so einfach?

    Schöne Grüsse

    nachbarschreck
     
  2. saxhornet

    saxhornet Experte

    Die Idee funktioniert nicht. Das geht nur wenn die Harmonien funktional aus einer Tonart kommen und selbst dann wäre das zu einseitig. Häufig ist das aber nicht der Fall, im Jazz wird dann auch gerne halbtaktig das Skalenmaterial gewechselt, ohne daß dieses sich überschneiden muss. Es hängt auch davon ab was für Musik Du spielst. In manchen Stilen wird eine Tonart einen ganzen Song über nie verlassen, in anderen wechselt es dauernd. Auch ist nicht jede Stilistik von den Harmonien funktional aufgebaut und lässt sich dann viel schwieriger erklären und verstehen (z.B. contemporary jazz). Die Tonarten mit ihren diatonischen Akkorden und den zugehörigen funktionalen Akkordbeziehungen zu kennen reicht leider nicht. Es ist aber ein Anfang. Improvisation und Harmonik lässt sich nicht einfach in einen einzelnen Satz pressen oder mit einem einzelnen Satz erklären.

    Lg Saxhornet
     
  3. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Hmm, nun ja, ich weiß nicht...

    Also:
    Im Prinzip ist es "so einfach".

    Aber was macht es weniger einfach?

    1) Finde die Tonart.
    OK. Jedes Musikstück ist in einer Tonart geschrieben, Man erkennt die an den Vorzeichen und meisten am letzten Akkord.
    Nun sind Komponisten aber gemein. Die schreiben da schon mal Akkorde mit verminderter Quinte oder großen Sexte oder so Ferkeleien in die Begleitung. Was sind denn dann
    2) die richtigen Töne?
    Neben tonleitereigenen Tönen (welche Tonleiter ist denn die "richtige"?)gibt es ja nen Haufen andere "passender" Töne, je nachdem, auf welche Skalen ich mich kapriziere.
    3) Und so "einfach" nach Gefühl und Wellenschlag jetzt Töne aneinanderreihen führt nicht zwingend zum gewünschten Erfolg. (Es gibt Leute, die da so können, dass es sich göttlich anhört. Die haben dann eben diesen ganz gewissen "Gefühl und Wellenschlag" :)
    Von daher sollte man sich schon ein wenig über die Wirkung von Akkordbrechungen, -umkehrungen und bestimmter Intervalle bewusst sein.
    4) Letztendlich gehört denn dann auch ein wenig "musikalischer Kreativität" dazu.

    Tja, eigentlich ist "Improvisieren" ganz einfach, - eigentlich :)

    Nun aber zu Dir:

    Wielange spielst Du schon? Was ist Dein Ziel? Hast Du musiktheoretische Kenntnisse?

    Cheerio
    tmb


    Nachtrag
    hornet war schneller :pint:
     
  4. nachbarschreck

    nachbarschreck Schaut öfter mal vorbei

    Ich spiele seit 19 jahren. Mein ziel ist auch ganz einfach, ich habe
    ca 60 playalongs, darin ca 100 Jazz und Latin Stücke und genau über die, nur die, möchte ich improvisieren. Mir ist es bisher nicht gelungen, einen lehrer dazu zu bekommen sich mit mir genau darauf zu konzentrieren.
     
  5. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Nachtrag:


    http://www.saxophonforum.de/forum/viewtopic.php?post_id=250768


     
  6. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    OK, Dann sollte Dein Lehrer mit einem harmonisch einfachen Titel anfangen und da mit Dir gemeinsam ein Improkonzept erarbeiten(!) und Variationsmöglichkeiten dastellen und mit Dir ausprobieren - und so nach und nach zu den komplexeren vordringen.

    Wäre so meine Idee - (und mein Anspruch an den Lehrer :) )

    Solong
    tmb
     
  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Generell gilt beim Festhalten und Vereinfachen an/mit Tonarten Vorsicht, das Verfahren funktioniert durchaus bei einigen Songs, stimmt aber dann trotzdem so nicht immer und führt einen schnell aufs Glatteis (mal abgesehen davon daß es auch das Spiel einschränken kann). Das kann bei ein paar Songs wirklich super hinhauen aber lässt sich bei weitem nicht allgemein anwenden und führt gerne zu Irrtümern. Besonders moderner Jazztitel lassen sich so nicht erfassen, eher alte Titel mit sehr funktionaler Harmonik und selbst da funktioniert das Prinzip nicht immer, denn meist wird sehr viel moduliert. Da nützt es einem nicht, zu wissen in welcher Tonart ein Stück ist, da noch zig andere Tonarten im Stück und eventuell auch noch Sekundärdominanten, Substitute, Modalinterchange etc. etc. vorkommen. Ein breit aufgestelltes Wissen über Harmonielehre, daß man sich nach und nach mit der Weiterentwicklung seines Repertoires aneignet und erweitert ist notwendig wenn man nicht für den Rest seines Lebens Autumn Leaves, Blues mit der Bluesskala und modale Musik spielen will.

    Lg Saxhornet
     
  8. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin nachbarschreck

    wenn du eine phänomenale Naturbegabung hast, und dazu eine fantastische Musikalität ist es tatsächlich so einfach ;-)

    Ist ein ganz annern Schnack als deine zunächst aufgeworfene Frage. Improvisation kann man anhand jeden beliebigen Stückes lernen, also auch mit deinen 100 Jazz- und Latinstücken.

    Ich habe eher den Verdacht, dass die Lehrer weniger die Stücke nicht so mögen, als deine Art mit ihnen umzugehen. Und da frage ich mich, wenn du es so einfach siehst, wie anfangs geschrieben, dann tu es doch schlicht genau so.

    Nimm dir eines der playalongs vor, und spiele es immer und immer wieder, höre zudem möglichst viele Vorbilder, und versuche, etwas von deren Spiel nachzuspielen. Kontrolliere dein Gespiele immer wieder durch Aufnahmen. Mit der Zeit wirst du ein Gefühl für die Linien bekommen, und die Art des Spiels, die zu dem Stück und deiner Art passen.

    Schließlich, wenn du mit dem Ergebnis schon so ein bisschen zufrieden bist, wobei Ehrlichkeit zu dir selbst hier die wichtigste Randbedingung ist, analysiere, was du selbst wann in dem Stück spielst, und auf diese Weise hast du auch einiges der harmonischen Zusammenhänge gelernt, die du meinst, jetzt nicht zu benötigen.

    Aber glaube nicht, dass dieser Weg in irgendeiner Weise weniger mühsam wäre, als der Andere ;-)

    Gruß,
    Otfried
     
  9. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    nachbarschreck schrieb:

    Nun sooo falsch ist der Satz m.E. nicht, wenn man ihn damit ergänzt, dass eben die "Tonart" im Stück mehrmals ändern kann und oft auch mehrere (viele?) Töne passen (können). Die Frage ist dann nur, was diese Erkenntnis in der Praxis bringt und ob man eben nicht doch vertieftere Zusammenhänge lernen muss.

    Irgendwie so...

    antonio
     
  10. saxhornet

    saxhornet Experte

    Doch,
    wenn man z.B. bedenkt daß bei der II V I in Moll jeder Akkord gerne von einer anderen Tonart geborgt wird, die Akkordverbindung aber als eine Molltonart verstanden wird. So Simpelsätz bringen es nie auf den Punkt und sind wieder nur Wunsch etwas zu vereinfachen, was man zumindest auf diesem Wege nicht vereinfachen kann.

    Lg Saxhornet
     
  11. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Ich halte "Vereinfachen" für den Anfang als durchaus hilfreich und zielführend.

    Man nuss sich dessn halt nur bewusst sein :)


    Ist mal wieder wie bei der Sprache.
    Erinnerst Du dich noch an Lesson one - Lesson ten im Englischbuch?

    Wie simpel, im Vergleich, wir du (eventuell, ich weiß es nicht) heute liest und sprichst. (ist ja auch nur ein vergleichendes Beispiel :) )


    Cheerio
    tmb
     
  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Da hast Du schon recht, ich sehe das auch so und mache das auch so mit meinen Schülern, allerdings sollte man dem Schüler dann auch klar machen daß man vereinfacht um den Einstieg zu erleichtern und dies in dieser Form nicht unbedingt das ist, was die Leute auf den Aufnahmen machen oder was ein fortgeschrittener Spieler spielen würde und daß es dadurch halt anders klingt. Aber als Einstieg ist das schon ein richtiger Weg. Es aber allgemein so in einen Satz zu pressen entspricht halt nicht der Realität. Vielleicht sollte man die Frage anders stellen:
    "Wie steige ich am besten in Improvisation ein und mache da über Akkorde die ersten Schritte?" Da ist dann der Einstieg mit Tonarten, II V I in Dur und das Vereinfachen ein guter Einstieg, den man nach und nach ausbaut. Generell aber ist Improvisation aber halt mehr als nur die passende Tonart finden.
    Lg Saxhornet
     
  13. Gast

    Gast Guest

    Ich finde es auch "einfach", in die Improvisation einzusteigen. Aber nicht mit 100 mehr oder weniger ansprucksvollen Playalongs, sondern mit der Beschränkung auf wenige einfach gestrickte Nummern, die es auch vertragen, dass man einfache diatonische Linien dazu spielt.

    Mein Weg in die Improvisation mit den interessierten Leuten aus meiner Big Band ist unsere Version von Stompin at the Savoy, und zwar nur der A-Teil - F F F F C7 C7 F F bei ca. 160 Beats. Da muss man erstmal nix über 251 und Molltonarten wissen, da muss man nur die Tonleiter, auch in Ausschnitten und Intervallen, und die passenden Arpeggios üben - und sich dann trauen - und die Orientierung behalten.

    Herman
     
  14. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Also ich finde es auch sinnvoll sich zunächst über die Melodie der Improvisation zu nähern.

    Ein harmonisch einfaches Stück (keine Tonartwechsel) ist auch wichtig.

    Dann erstmal die Melodie variieren. Rhythmisch, umspielen, etc.

    Phrasen aus der Melodie verwenden, (dann erkennt man immer das Stück...auch nicht so schlecht) diese dann verändern, gegenläufig spielen, etc.

    Da hat man dann immer ein Geländer, an dem man sich "festhalten" kann.

    CzG

    Dreas
     
  15. Shorty

    Shorty Ist fast schon zuhause hier

    ich finde bill evans in seinem workshop: the language of improvisation (vorgeschmack auf youtube) / bringts auf den nenner.......
     
  16. Gast

    Gast Guest

    Also....


    Um es mal weniger aus dem Lexikon sondern eher aus dem Bauch herraus zu definieren :
    Eine Improvisation ist doch im Grunde jede willkürlich ( am besten noch spontan ) vorgenommene Veränderung eines gegebenen Songs oder Themas.

    WENN man das üben will, kann , soll .....dann sehe ich absolut GARnichts, was dagegenspricht > ganz im Gegenteil !
    Und zwar auch OHNE den ganzen theorethischen Rattenschwanz dazu. Es übt ungemein und kann enorm Spass machen.

    Die Theorie - da hat Saxhornet Recht, wird man jedoch brauchen, wenn man in komplexere Strukturen einsteigt. Das muss man halt selber wissen, ob man solche Musik spielen will .... improvisiert wird in vielen Musikstilen...und nicht jeder Saxer muss ein Jazzer sein.

    LG

    CBP
     
  17. macpom

    macpom Ist fast schon zuhause hier

    Um es einfach zu machen, vergiss alles was du weist und spiel drauf los was das Zeug hält. Ob dir das Ergebniss gefällt, ist eine andere Sache. Aber das ist wohl der einfachste Ansatz. Ich mach das oft, und habe i.d.R. einen riesen Spass dabei und komme auch öfter dabei in einen flow.

    Andreas
     
  18. Marko1974

    Marko1974 Kann einfach nicht wegbleiben


    Improvisation ist in erster Linie was Individuelles.
    Sowas kann dir kein Lehrer vermitteln.
    Ist für meine Begriffe auch nicht deren Aufgabe.

    Lehrer sind wichtig um dir das Basiswissen beizubringen.
    Nicht mehr und nicht weniger.
    Ganz gleich ob es sich um das Saxophonspielen handelt, der Musik an sich oder sonst irgendwas.
     
  19. Mugger

    Mugger Guest

    Hallo,

    das sehe ich nicht ganz so.
    Ein Lehrer kann Dir zwar nicht Improvisation beibringen, aber ein guter Lehrer kann Dir sagen, was Du üben kannst, damit Du es lernst.

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  20. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Oh, das sehe ich aber auch anders!

    Ohne meinen Lehrer hätte ich nicht den Weg in die Impro gefunden und auch nicht die Übungen mitgenommen, die ich dafür benötige.

    CzG

    Dreas
     
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