Komponieren und Frustration - sinnvoll?

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 13399, 29.August.2020.

  1. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Vielleicht kennt es der ein oder andere: Einem fällt eine Melodie ein, man will sie nur kurz aufschreiben und plötzlich sind X Stunden vergangen, der Kopf raucht und herausgekommen ist eine melodische Phrase. Später will man weiter am Stück schreiben und die einst verworfenen Ideen neu aufnehmen, vielleicht umändern und in einem neuen Zusammenhang erklingen lassen.

    Doch plötzlich: Alles, was das steht, sogar die besten Ideen, die einem gekommen sind, klingen unlogisch, hässlich. Man hat die Intention der Melodie aus den Augen verloren und weiß nicht mehr wo man hin will.

    Die Frage, die sich mir dabei stellt: Ist ein solcher Prozess dennoch sinnvoll und hilfreichen in Sachen Gehörbildung und Kreativität, oder nur Zeitverschwendung, weil das, was herauskommt nicht gut klingt?
    Wenn es sinnvoll ist: Was nimmt man alles daraus mit?

    Ich denke darüber lässt sich gut diskutieren.
     
  2. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Bei mir kommen musikalische Ideen immer zuerst zu den Sprach-Memos auf dem Smartphone. So kann ich immer auf die ursprüngliche Phrase zurückgreifen. Wichtig ist auch, dass man mehrere Varianten, die man daraus ableitet, ablegt. Komposition ist sehr oft nicht einfach eingleisig, sondern ein verschachtelter Weg.
     
  3. Zappalein R.I.P.

    Zappalein R.I.P. Guest

    obwohl ich nicht komponieren kann, möchte ich hier ein kuzes gespräch wiedergeben, dass ich einmal mit willem breuker hatte. ich frug ihn, wie er all die verschiedenen musikrichtungen "zusammenhält", ob er voher schon alles komponiert und auf papier hatte.
    er sagte mir, in den meisten fällen wäre es bei ihm so, dass er, wenn er eine idee hat, diese meist sofort aus - und weiterverarbeitet. manchmal gepfiffen, gesaxt oder am klavier. wenn sachen erst nach tagen und wochen nochmals aufgegriffen werden und sie nicht mehr "klingen", sofort wegschmeissen.
     
  4. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Ich habe früher einige Jazzthemen geschrieben und die im Duett mit einem Gitarristen auch vor Publikum gespielt.
    Mal ging’s mit einer Akkordfolge los, mal mit einem Melodiefragment. Irgendwann im Verlauf der Liedentwicklung lief es dann aber meist Hand in Hand, die Melodie hat die Akkordfolge beeinflusst und umgedreht genauso.
     
  5. Dsharlz

    Dsharlz Ist fast schon zuhause hier

    Tach Paul,

    Konmponieren is ein ähnlicher Vorgang wie improvisieren - nur langsamer :)
    du hast mehr Zeit, Ideen zu entwickeln - und wenn dir ein Motiv 2 Tage später unlogisch erscheint,
    wandels einfach geringfügig ab: rhythmisch, melodisch,..

    manchmal entstehn bei mir aus ursprüngl. "Fehlern" oder nicht beabsichtigten Verläufen ganz neue Wendungen, die die Sache voranbringen

    ich arbeite zur Zeit an einem Werk für Saxophon-Orchester, Big-Band und Streicher, da ist ein Skizzenblock mit Motiven, Phrasen, Akkordfolgen, Basslinien,... sehr hilfreich
    die lassen sich dann mit diversen "handwerklichen Regeln" - oder auch nicht - weiterentwickeln

    manchmal ist auch eine aussermusikalische Idee im Vodergrund, die es dann umzusetzen gilt...

    learning by ausprobiering- viel Vergnügen
    geschriebene Grüße
    Dsharlz
     
    altoSaxo, kukko, Rick und 2 anderen gefällt das.
  6. Rick

    Rick Experte

    Auf jeden Fall, das Probieren und Verwerfen gehört zum kreativen Prozess, nicht umsonst sieht man in jeder Filmszene, in der es um Kreativität geht, immer überquellende Papierkörbe mit zusammengeknüllten Zetteln. ;)

    Wenn mich jemand fragt, wie lange ich für eine Komposition (oder einen Text, eine Abhandlung, einen Programmentwurf, was auch immer) benötige, kann ich nur müde lächeln und antworten: Mal sehen, weiß ich noch nicht. Manchmal fließt die Inspiration nur so, manchmal will sie sich einfach nicht einstellen. manchmal ist es eine zähe Mischung aus "Try and error".

    Natürlich entwickelt man im Lauf der Zeit eine gewisse Routine und lernt, wie man persönlich mit Ideen und deren Verarbeitung am besten verfährt, doch ein aufwendiges, mühsames Unterfangen ist es eigentlich immer.
    Auch ich habe ein umfangreiches Archiv an Skizzen und Melodien, die ich in einem extra Karton aufbewahre und bei Bedarf neu sichte. Einige Sachen liegen da noch ungenutzt seit Jahrzehnten, aber ich habe auch schon Vieles aufgenommen, was ich lange vergessen hatte, und war froh über diesen geistigen "Gruß aus der Vergangenheit". :)

    Deshalb mein Rat: Nicht wegwerfen, sondern weiter aufbewahren, vielleicht wird ja diese verworfene Phrase irgendwann mal nützlich. :)

    Ein Beispiel:
    Ich hatte mal eine nette Melodie für einen Dreivierteltakt, acht Takte, konnte sie aber irgendwie nicht weiter entwickeln. Genauso mit acht Takten im Viervierteltakt, die an einem anderen Tag entstanden waren.
    Schließlich kam ich auf die Idee, beide zusammenzufügen, und zwar im Rahmen einer damals sehr kreativen Band, die gerne mit Taktwechseln und ähnlichen rhythmischen Spielereien experimentierte. Gesagt, getan, aus den beiden unabhängigen Fragmenten wurde ein völlig neues Thema, das wir mit der Band dann lange sehr erfolgreich spielten, kam prima bei Publikum und uns Musikern gleichermaßen an.
    Gut, dass ich die Skizzen nicht weggeworfen hatte! :cool:
     
  7. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    Ja, das unglaubliche kaleidoskop von gestern abend erweist sich am nächsten morgen als ein haufen spiegelscherben. Kenn ich. Ich meine das liegt vielleicht auch am verhältnis von dopamin zu serotonin. Egal.
    Manchmal sind sachen musikalisch auch einfach durch, wenn man sich zulange damit beschäftigt hat.

    Mir hat es insgesamt oft sehr geholfen, neue ideen zügig zu kommunizieren mit anderen musikern oder schreibern, oft war es letztlich auch der zusätzliche input von meinen mitstreitern, der nötig war um themen weiterzuentwickeln, interessanter zu machen, abzurunden.

    Ps
    Viele sachen von früher sind bedauerlicherweise aufgrund einer phasenweise etwas liderlichen lebensführung nicht mehr auffindbar.
    Ich habe unter anderem deshalb meine neueren ideen inzwischen nicht mehr im karton, sondern nutze die ideenverwaltung von sibelius ultimate. Krass das.
     
  8. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest


    Wie ist denn das Verhältnis der beiden Hormone? Würde mich sehr interessieren.
     
  9. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    Der serotoninspiegel steigt gen abend. Morgens ist er am niedrigsten. Dafür ist dann der der Dopaminspiegel hoch.
    Serotonin - romantisch verklärende filter
    Dopamin - nüchtern rationale filter

    Alles ohne gewähr aus der erinnerung
     
  10. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Wobei doch beide Hormone (wenn auch nicht allein) ''glücklich'' machen, oder?
     
  11. Rick

    Rick Experte

    Aber man hat nur selten nach dem Aufwachen noch dieselben Glücksgefühle wie am Abend vorher.
    Nach manchen Abenden bereut man sogar manches - etwa, wenn da plötzlich im Bett noch jemand liegt, oder wenn man sich erst einmal fragen muss, wo man gerade aufgewacht ist und wie man überhaupt dahin kam (alles leider schon erlebt). :-D

    Genau so mit Ideen: Wer bist du und was machst du auf meinem Notizzettel? ;)
     
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