Mal wieder Vibrato...

Dieses Thema im Forum "Anfänger Forum" wurde erstellt von Perla, 18.April.2010.

  1. Perla

    Perla Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Ihr Alle,

    nachdem ich schon länger keine Frage mehr gestellt habe, nun eine zum Vibrato, mit dem ich leider total auf Kriegsfuß stehe, es jedoch unbedingt beherrschen möchte.

    Mein Lehrer erklärte mir, man müsse die Unterlippe ganz fein bewegen.

    Krieg ich beim besten Willen nicht hin, denn dem Blättchen von unten Druck verleihen, PLUS die Lippe - das geht gaaar nicht...

    Gibt es nicht vielleicht eine andere Methode ?
    Auf diesem Video sieht man nämlich nicht die geringste Bewegung der Unterlippe: HIER

    Wie macht der das ?

    lg von
    Hörnchen
     
  2. viva-la-musica

    viva-la-musica Ist fast schon zuhause hier

    Zuerst mal, es gibt vier Arten von Vibrato:

    1. das Kiefervibrato, das üblicherweise auf dem Saxophon ausgeführt wird

    2. das Zwerchfellvibrato, das von klassisch ausgebildeten Instrumentalisten verwendet wird (Sänger, Flötisten...). Dieses Vibrato ist oft gleichzeitig ein Tremolo (Änderung der Lautstärke).

    3. Klappenvibrato, beim Sax eher den Effekten zuzuordnen,
    zB greife F und triller nicht mit der E-Taste, sondern Taste eine tiefer mit D. Das funktioniert nicht mit allen Tönen, zB ist es mit G nicht durchführbar. In historischer Literatur wird dies auch als Bebung bezeichnet. [size=xx-small]"Das Klopfen mit einem - bei Hervorbringung des grade zu spielenden Tons nicht beschäftigten - Finger auf ein - ebenfalls dabei nicht betheiligtes - Tonloch, wobei man den Finger mehrere Male hinter einander möglichst schnell und elastisch auf das Tonloch niederfallen lässt, so dass ein Vibrieren des Tons entsteht." (Fürstenau)[/size]

    4. Battement: wird unterschiedlich definiert, eine Bedeutung ist das schnelle Bewegen des gesamten Instrumentes, so dass mit der erzwungenen Ansatzänderung ein Vibrato entsteht. Wegen des Gewichtes mit dem Sax kaum zu realisieren. Heute eine eher ungebräuchliche Technik, wird aber zB noch in der Folklore verwendet.


    Bei dem gehörten Beispiel (bei 1:47 zB) wird ich sagen, es ist Kiefervibrato, wahrscheinlich gestützt mit einem Zerchfellvibrato, also eine Kombination aus 1+2. Das Video gibt es von der Qualität nicht her, aber bei 2:55 könnte man vielleicht eine kleine Kiefer- / Halsbewegung sehen.

    Das Vibrato ist aber auch so schnell, dass es schwierig wird, dieses mit dem Auge zu erkennen. Das Vibrato hat meist zwischen 4 und 8 Schwingungen pro Sekunde, schnellere und auch sehr langsame Frequenzen sind aber auch möglich. Außerdem muss der Frequenzhub (die Änderung der Stimmung in cent) nicht so hoch sein, dass man die Kieferbewegung sieht.


    Um das Vibrato zu lernen, solltest du erstmal einen "bend" üben, das ziehen eines Tones. Dies wird durch mehr oder weniger Kieferdruck ("Biss") erreicht, zusätzlich mit einem Verringern der Atemspannung. Wenn der Ton tiefer werden soll, kannst du dir auch ein Gähnen vorstellen, dabei fällt der Kiefer, der innere Mundraum wird größer und die Atemsäule im Körper wandert auch nach unten. Am besten klappen die ersten Versuche mit "kurzen" oktavierten Tönen, zB h''.

    Übe also erstmal ordentlich zu jaulen. Erhöhe allmählich die Häufigkeit (Frequenz) dieses Jaulens, dabei wird der Kieferhub immer kleiner, das Ziehen des Tones also geringer. Mach dann nur noch wenige Millimeter grosse Kieferbewegungen, das ist dann von aussen nicht mehr sichtbar. Wenn du das schnell genug machst, voilá, dein Vibrato.

    Für Jazz üblich ist ein triolisches Vibrato, wegen der ternären Rhythmik. Also drei Schwingungen pro Viertelnote. Das wäre dann in verschiedenen Tempi zu üben. In der Klassik gibt es auch ein langsam beginnendes Vibrato, das schneller wird, wenn der Ton andauert.
     
  3. Perla

    Perla Ist fast schon zuhause hier

    Hallo viva-la-musica !

    Erst einmal herzlichen Dank für deine sehr ausführliche Antwort !!!
    Laut deiner Erklärung, habe ich bisher mit dem Zwrchfell versucht zu 'vibrieren' , was aber recht ungleichmäßig ausfiel. Sicher, wie alles, Übungssache.

    Demnächst will ich das "Bending" mal üben, so wie du es beschreibst - bisher habe ich dieses "Jaulen" wohl ganz hörbar hinbekommen, aber eher mit dem Zungenhintergrund, so wie "uiuiui". Klappt auch, ist aber sicher nicht korrekt.

    Falls ich das irgendwann beherrsche, gehe ich ins Vibrato über. Ob ich allerdings jemals 8(!) Schwingungen pro Sekunde beherrsche, wage ich fast zu bezweifeln. :-D

    Spreche dir hiermit ein dickes Lob für deine Erklärungen aus !!!
    Sooo einen Lehrer müsste ich haben...
    Da gibt es, wie ich jetzt gesehen habe, Riiiesen-Unterschiede.
    Meiner hat mir das Vibrato kurz vorgemacht mit ebenso kurzer Erklärung der Kieferbewegung und dann "üb mal schön".

    Noch einmal vielen Dank !

    Hörnchen grüßt !
     
  4. viva-la-musica

    viva-la-musica Ist fast schon zuhause hier

    Du kannst auch das "klassische" Vibrato üben. Fang an bei einem lange gehaltenem Ton einzelne Betonungen hinzuzufügen, kleine Laustärkeimpulse aus dem Bauch heraus. (Ein durchgehender Ton ohne Zungenartikulation.) Wenn du das immer schneller werden lässt, ensteht ein Art gepulstes Vibrato/Tremolo. Versuch dabei, die Halsröhre offen zu halten. Der zweite Schritt wäre ein Mini crescendo/decresc, dieses auch immer schneller werden lassen. Es entsteht dadurch ein weicheres Schweben des Tones.

    Das "echte" Vibrato ist dann allerdings eine unwillkürliche Schwingung des Zerchfells, wo der gesamte Atem/Ansatzkomplex beteiligt ist. Das Zwerchfell schwingt sozusagen selbständig, allerdings kann ich immer noch die Frequenz beinflussen.

    Bei der oben genannten Methode das Vibrato über den Kiefer zu lernen, ist bei den Bending Übungen auch die Atemsäule beteiligt, so dass dadurch eventuell auch der Zwerchfellbereich zum Schweben angeregt wird. Ein solches kombiniertes Vibrato klingt noch eine Nuance natürlicher, das Saxophon fängt an zu Singen.


    PS: 5.) elektonisches Vibrato: Bei den ersten E-Orgeln gab es einen Tremolo Effekt, meist fälschlicherweise als Vibrato benannt. Gibt's heute immer noch als Bodeneffektgerät (Tretmine). Interessanter äre allerdings ein Autopanner, der das Signal von links nach rechts kreisen lässt. Oder gleich der Leslie-Effekt, noch dramatischer.
    Eine Art von Vibrato erzeugt dann der Chorus-Effekt, der Schwebungen durch Frequenzverschiebung erzeugt.
    - Normalerweise brauchen wir dieses elektonische Firlefanz nicht, ein echtes Vibrato ist immer überlegen.

    6.) zur Abschreckung: das Gaumenvibrato, auch Ziegenvibrato genannt, zittern des Tones. So ähnlich wie ein Gemecker, ä ä ääääää..
    4.b ) Wenn man sehr stark das Metrum mit dem Fuß/Körper mitmacht, überträgt sich der Impuls eventuell auf den Ansatz.
     
  5. Perla

    Perla Ist fast schon zuhause hier

    Wow, das ist ja eine halbe Doktorarbeit.

    Werde es mit den Bauchimpulsen probieren.
    So wie ich es verstehe, muss ich versuchen, den Luftstrom durch viele kleine Bauchspannungsveränderungen sanft zu zerteilen
    = Vibrato.

    Allerdings: Bending PLUS Kiefer ist schon "höhere Mathematik" (sozusagen...).

    4b.) wäre ebenfalls einen Versuch wert... ;-)

    Dankeschön, du hast mir wirklich weiter geholfen !
    Im Kopf ist bei mir einiges klarer geworden, jetzt ist die Praxis dran.

    Hörnchen grüßt herzlich !
     
  6. viva-la-musica

    viva-la-musica Ist fast schon zuhause hier

    "den Luftstrom durch viele kleine Bauchspannungsveränderungen sanft zu zerteilen..."

    Ja, so ungefähr. Pass auf das der Bauch nicht auch zerteilt wird *gg*.

    Probier das mal mit der Rhythmuspyramide: Vibrato Übung. Tempo 60 - 120 MM. Wenn du bei 8teln angelangt bist, fängt das Vibrato an, vielleicht merkst du auch schon sanfte Wellen im Bauch. Lass dir Zeit mit den Übungen,

    Viel Spass!
     
  7. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin,

    es gibt noch eine weitere Art, ein Vibrato zu erzeugen, nämlich durch Veränderung des Resonanzraumes im Mund-/Rachenraum.

    Ähnlich der Tonhöhenveränderung bei der Mundstückübung verändert man beim ganzen Sax auf diese Weise vornehmlich die Klangcharakteristik und ein klein wenig die Tonhöhe.

    Periodisch ausgeführt entsteht ein Vibrato, das für mein Empfinden nicht so aufdringlich ist wie das Kiefervibrato, allerdings erheblich schwieriger in das rhythmische Gefüge der Musik einzubetten ist.

    Gruß,
    xcielo
     
  8. viva-la-musica

    viva-la-musica Ist fast schon zuhause hier

    thx für die Ergänzung. Ist die Ausführung ähnlich wie ein kräftiges Vibrato beim Pfeifen mit den Lippen?
     
  9. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Hallo Hörnchen,

    Viva hats ja schon sehr auführlich beschrieben. Was man aber unbedingt anfügen muss: ein schönes Vibrato lernt man nicht von heute auf morgen ! Jeden Tag ein bisschen üben (das Kiefervibrato, die anderen sind am Sax schwieriger !), dann wirst Du feststellen, dass das Ganze mit der Zeit gefälliger wird (zartere Amplituden möglich, höheres Tempo bzw. Tempo dem Stück besser anpassbar) ...

    Abschreckendes Beispiel des Meckervibratos: Sidney Bechet auf dem Sopran ... Dafür haben sie ihm in Frankreich Denkmäler gesetzt ...
     
  10. Rick

    Rick Experte

    Hallo Florentin,

    es gab beim Vibrato verschiedene Moden, und zwar quer durch alle Musikstile und Instrumente.

    In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde allgemein häufiger und extremer vibriert (hör mal Sigurd Rascher an), in der modernen Musik hat sich dann nach und nach ein eher vibratoarmes Klangideal durchgesetzt.
    Ich würde mal wagen diese Formel aufzustellen: Je intellektueller der musikalische Anspruch, desto weniger oder dezenter das Vibrato. :roll:

    Bestimmend sind nach meiner Beobachtung die Sänger.
    Das klassische Vibrato entspricht weitgehend dem der Kammersänger, das des traditionellen Jazz dem der "Crooner", im Soul ahmt man die Gospel-Vokalisten nach und der Saxofonist Lester Young, der die Sparsamkeit des Vibratos im Modern Jazz geprägt hat, wurde dazu offenbar nicht unwesentlich von der Sängerin Billie Holiday beeinflusst.

    Grundsätzlich klingt ein Instrument durch ein Vibrato immer etwas "gesanglicher", ausdrucksstärker, weshalb auch die meisten "intellektuellen Modernisten" nur selten komplett darauf verzichtet haben - aber sie machen's halt etwas dezenter, mit geringerer Amplitude (Schwingungsweite).
    Das wirkt dann "kultivierter", während ein extremes Vibrato (Bechet) manchmal als "ordinär" aufgefasst wird. ;-)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  11. yts62

    yts62 Ist fast schon zuhause hier

    Hi Rick,
    interessanter geschichtlicher Ausflug - der Ansatz, dass die Saxophonisten von den jeweiligen Sängern ihrer Epoche beeinflusst wurden, ist sehr einleuchtend.

    Ich persönlich bin ein Freund des moderaten Vibratos - kleine Amplitude und nich nicht zu hohe Schwinungsfrequenz. Auch sollte man dieses Stilmittel eher sparsam einsetzen - gerade hier ist weniger oft mehr (ist aber auch wiederum abhängig vom jeweiligen Stil, der zu spielen ist).
     
  12. Perla

    Perla Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Ihr !

    Dankeschön für eure weiteren Antworten !


    Also doch den hinteren Teil der Zunge bewegen, wie "uiuiui oder aiaiai oder oioioi" ?


    Ach was... :-D

    an Viva-la Musica :
    Klasse, dein "Trainings-Programm" !!!
    Nun blase ich nicht mehr so ins Leere - das hat System.
    Danke, gleich abgespeichert.


    Ich bleibe dran...

    lg an alle helfenden Helfer, die mir heholfen haben,
    von Hörnchen
     
  13. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Das sind ja sehr hilfreiche Erklärungen hier. :) Seit ich den Ton bei meinem letzten Auftritt gehört habe (gut, man kann immer sagen, das Mikro der Videokamera war nicht so toll ...), möchte ich verstärkt Vibrato einsetzen, denn mein Ton klang schon sehr gerade. Und das, obwohl ich beim Spielen einen ganz anderen Eindruck hatte. Aber den hat man natürlich immer, besonders auf einer Bühne.
     
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