Skalenverwirrung: bVII7, VII7....

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 13399, 3.März.2020.

  1. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    (Es geht mir hier erstmal nur um einen Kontext mit Ionisch als Grundmodalität der Komposition/Akkordfolge!)



    Ich würde über die Funktion bVII7 eigentlich immer Lydisch-b7 (Mixo#11) als Skala verwenden, weil ich sie eher als Variante von -IV7 sehe, der man ja durchaus auch melodisch Moll zuordnen kann. Anfangs schien sich dies in der Neuen Jazz-Harmonielehre zu bestätigen (Ich sah dort bVII7 als SubV/VI, entsprechende Skala: Lydisch-b7 bzw. Mixo#11). Allerdings klingt für mich der Trugschluss V7/VI -> Imaj7 nicht sehr überzeugen. Selbst den Klang von bVII7 -> Imaj7 mag ich nur, wenn die #11 des bVII7 explizit im Voicing vorkommt. Insofern habe ich ein Problem, mir die Skala theoretisch herzuleiten. Zudem wird bVII7 später auch als MI-Funktion aus Äolisch vorgestellt, ich finde aber den Klang von Mixolydisch bei bVII7 sehr störend (Wobei ich McCoy Tyners Komposition Three Flowers und seine Piano-Solo-Aufnahme sehr schätze). Was denn nun? Welche Skala, und warum?




    Und dann: Das Klischee einer II-V/III, die sich dann nach Imaj7 auflöst! Ich mag den Klang einfach nicht. Vor allem beim Improvisieren. Alteriert scheint mir bei V7/III eine gute Wahl, wenn V7/III sich nach Imaj7 auflöst, weil es ein Skalenklischee ist, das nur einen von Imaj7-Ionisch abweichenden Ton hat. Allerdings verstehe ich die Herleitung nicht. In Phrygisch wäre V7 keine Dominante bzw. nicht existent. In Äolisch wäre der Trugschluss nach (hier) Imaj7 bzw. (eigentlich in Äolisch) bVImaj7 sehr gängig, dann wäre aber Imaj7 nicht Ionisch sondern Lydisch, was aber keine gute Skalenwahl zu sein scheint, da Lydisch recht instabil ist.


    Wie kann man sich also VII7 herleiten? Und wie kann man sich an den Klang gewöhnen, damit man ihn nicht als störend empfindet?
     
  2. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    (Ich denke weniger über Skalen, mehr über Akkordbezüge, Tensions etc.)
    VII7, also Bb7 in C-Dur ist auch als doppelte Subdominante (SD) bekannt, also SD von der SD.
    Ich finde das passt. Die SD weitet den Klang von der Tonika aus, ohne schon direkt Spannung zu erzeugen, die sich möglichst auflösen will. (SD quasi als erweiterte Tonika (T), jazz- und bluestypisch oft mit der kl. Septime erweitert.)
    Und das macht die doppelte SD auch mehr oder weniger. Die Spannung ist natürlich schon grösser als bei der normalen SD.
    Und dIe Rückführung zur I finde ich auch leidlich hübsch.
     
    Rick gefällt das.
  3. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Von der Stufe I unterschieden sind nur 1 und 7 (in C gedacht Bb und Ab von Bb7). Wenn dir die #11 wichtig ist, spiel die Ganztonleiter da ist alles drin und der Wechsel von und zu Stufe I problemlos.
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Imaj7 und bVII7 wirken durch die parallele Verschiebung des Dur-Akkords um eine große Sekunde. Das ist die Logik, die das Ohr hört. Der bVII7 wirkt wie eine verschobene Kopie der ersten Stufe und drängt wieder zurück in die Ausgangssituation zur Imaj7. Die kleine Septime wirkt hier als Leitton zurück zur Quinte der ersten Stufe.

    Machen wir es mal praktisch:

    Cmaj7 Bb7 im Wechsel

    C E G H
    Bb D F Ab

    as Ab will zum G und die anderen drei wollen den Sekundschritt zurüch nach oben machen. Daraus ergeben sich die Melodien, die diese Tendenz der Töne berücksichtigen. Ich würde das Ab vom Gefühl her nicht in einer Aufwärtsbewegung hin zur ersten Stufe benutzen, z.B.:

    G Ab Bb C

    sondern eher so:

    Bb Bb Ab G.

    Ich habe es auch nicht mit dem Ausbaldovern von Skalen. Mache das eher nach Gehör.
     
  5. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Hast du schonmal den Begriff „Backdoor Dominante“ in die Suchmaschine eingegeben? Vielleicht bekommst du so noch weitere Infos zu passendem Skalenmaterial.
     
    GelöschtesMitglied11578 gefällt das.
  6. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest


    Ich verstehe nur nicht, wie eine Backdoor-Dominante funktioniert. Kennen tue ich bVImaj7,bIImaj7,bVII7,VIIo7 und IV-6 bzw IV-maj7
     
  7. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    . . . die doppelte SD mit Auflösung in die 1.Stufe lässt sich im Übrigen wie etliche andere Harmonieklisches auf die mehr oder wenige uralte Folge
    I - IV - IVm - I,
    in C-Dur also C - F- Fm - C zurückführen. Beim letzten C geht dann wieder die Sonne auf.

    Das Fmoll erscheint dann in allerlei Verkleidungen zB. D halbvermindert (= Fm6), zB. in
    There will never be another you (gedacht in C-Dur)
    Takt 9 Fmaj / Dm7b5 G7b9 / C maj

    Oder das Fm7 als vorgeschaltete 2. Stufe vor dem Bb7 etc etc
     
  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich würde den bVII7 nicht stufenharmonisch deuten, weil er in dem Stück nicht so angewendet wird. Wichtig ist doch, was man hört. Eine doppelte Subdominante hört kein Mensch. Sie besagt höchstens theoretisch etwas zu der Entfernung zur ersten Stufe aus.

    Wechseln sich aber Cmaj und Bb7 ab, so registriert man nur die parallele Verschiebung. Es geht einmal runter und wieder rauf. Das sollte die Theorie berücksichtigen und nicht der (Stufen-)Theorie wegen doppelt subdominant deuten. Das bringt in der Praxis nichts.

    Will sagen, die Deutung über zwei Quartfälle ist weniger schick als die einer Verschiebung.

    Das hat, richtig, mit dem Ab als Leitton zum (A Ab) G, natürlich Parallelen zum Bb7. Das sind dann eher melodische Elemente.
     
  9. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    In welchem Stück? Habe ich was übersehn? Die Ausgangsfrage war "Wie kann man sich also VII7 herleiten? Und wie kann man sich an den Klang gewöhnen, damit man ihn nicht als störend empfindet?"

    Das ist möglicherweise Gewöhnungssache. Ich finde den Klang wie die Doppeldominante erkennbar (was ja nicht die Frage ist). Sicher ist der Klang spannungsreicher als die IV, ist er schon dominantisch im Sinne der nachfolgenden Bestätigung des Ruheklangs 1. Stufe (wo dann Ruhe im Karton ist)? Anders gefragt, könnte ein Stück aus 4 Takten I - IV - bVII - I schon schlüssig - stimmig mit der I enden, empfindet man das als harmonisch befriedigend, und es braucht nichts weiteres? Ich habe es jetzt öfters hin und her gespielt, mir fehlt dann was. Da ist noch nicht wirklich was passiert. Insofern passt imho die Definition der SD als Ausweitung der Tonika, eben hier auch mit dann der doppelten SD, so spannungsreich sie auch ist.
    Kommt aber noch die Dominante G7 vor der I ins Spiel, also zB
    I - IV - bVII - I
    I - IV - V7 - I,
    finde ich den Abschluss gelungen, da fehlt mir nichts mehr.

    Das Klischee jedenfalls I - IV - bVII - I kommt schon oft vor, s.zB die ersten Takte von Misty.

    C - F- Fm - C

    Das hat, richtig, mit dem Ab als Leitton zum (A Ab) G, natürlich Parallelen zum Bb7. Das sind dann eher melodische Elemente.[/QUOTE]

    Abgesehen davon, das mir die Quartfälle, auch die Stimmführungen ab zu g erstmal zweitrangig sind, denke ich, das sind zwei verschiedene Rangehensweisen, die beide ihre Berechtigung haben :)
     
  10. ppue

    ppue Mod Experte

    @Werner: Ich bin sicher, du findest nun zu anderen Theorien.
     
  11. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Mir ist gerade aufgefallen, dass ich ein wenig Mist gebaut habe. Three Flowers hatund gar nichts mit bVII7 zu tun :D
     
  12. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    ?
     
  13. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Die bVII7 ist für mich Teil des schon erwähnten IV - IVm - Komplexes.
    Da gibts dann:

    IV Maj - IVmin6 (oder 7) - I Maj
    IV Maj - bVII7 - I Maj
    IV Maj - IVmin7 VIIb7 - I Maj

    Je nach Melodie, Gusto und Kontext kann man über IVm dorisch oder melodisch moll spielen und über bVII mixolydisch oder mixolydisch#4. Beides OK.

    Den zweiten Teil deiner Frage versteh ich nicht ganz. Meinst du (in C-Dur) ein H7 der sich nach CMaj auflöst?
     
  14. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    ja
     
  15. RomBl

    RomBl Guest

    @Paul2002
    Ich frage mal so ketzerisch: Kannst Du denn die ganze Theorie so flüssig in Deinen Soli anwenden?

    Ich hatte auch das Problem, dass ich jahrelang einen riesen Theorieberg vor mir hergeschoben habe, dies aber nicht in der Praxis umsetzen konnte. Würde ich das Ganze nochmals angehen, dann meine ich dass es sinnvoll ist, die Theorie und die Praxis ebenbürtig nebeneinander zu erlernen und nicht die Theorie in einem Zug vorneweg. An dem Berg habe ich auch immernoch zu knabbern.
    Damals hat sich das bei mir so ergeben, da ich knapp 2 Wochen im Krankenhaus gelegen habe und die Zeit für den Sikora genutzt habe, ohne das praktisch mit dem Horn in der Hand aufzuarbeiten.
     
    Atkins gefällt das.
  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Geht es nicht darum?

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  17. ppue

    ppue Mod Experte

    Es ist eine irrige Vorstellung, dass man theoretisches Wissen in der Improvisation anwendet.

    Wenn du aber Theorie in Verbindung mit dem Hören lernst, lernst du, Töne, Intervalle, Harmonieabfolgen als wiederkehrende Module zu erkennen. Und wenn du sie erkennen kannst, kannst du sie auch erinnern und in deinem inneren Ohr hören. Dann hörst du plötzlich, wo deine improvisierte Melodie landen muss.

    Kein Mensch rechnet beim Spielen.
     
  18. RomBl

    RomBl Guest

    Ich schon - und das ist mein Problem.
     
  19. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, das kann sein, denn dann ist es meist zu spät.
     
  20. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest


    Das ist ein sehr intelligenter Kommentar, und damit habe ich auch Probleme. Wenn ich eine 16-25 erkenne, fühle ich mich viel sicherer als anderswo, wo ich auch die Zusammenhänge verstehe, aber keine Standardassoziation habe, wie es klingt bzw. abläuft. Ich kann halt am Wochenende nur entweder Klavier für Gehörbildung oder Saxophonüben praktizieren, weil ich an Ort A unbegrenzt üben darf, an Ort B aber nur das Klavier habe, dafür aber nur wenig Zeit zum Üben. Ich habe stark das Gefühl, dass ich mal mein Gehör und die Verbindung von Theorie und Hören trainieren sollte, aber weiß einfach nicht wie.
     
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