So funktioniert die geheimnisvolle „Stütze“

Dieses Thema im Forum "Anfänger Forum" wurde erstellt von Batam, 17.Dezember.2014.

  1. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    So funktioniert die geheimnisvolle „Stütze“

    Bevor ich diesen anspruchsvollen Titel rechtfertigen kann, muss ich ungerne meinen Beruf verraten.
    Ich bin ein Arzt und zwar ein Anästhesist und Intensivmediziner, also derjenige, der sich mit der Atmung und künstlicher Beatmung sich täglich beschäftigt. Und das setzt voraus ein umfassendes Wissen über Atemphysiologie, Pathophysiologie, Lungenfunktion, Atemmechanik etc.
    Als ich mit dem Saxophonspiel vor kurzem angefangen habe, habe ich, trotz meinem Wissen nicht sofort verstanden, was unter dieser „Stütze“ gemein ist. Zu diffus waren die Erklärungen und Tipps.
    Das ist aber leicht erklärlich, weil das Erlernen vom Spiel über Generationen von Musiker und Musikpädagogen aus praktischen Erfahrungen entstanden ist, und nicht durch Studieren der Anatomie, Atemmechanik und Physiologie. Und das funktioniert noch immer sehr gut.
    Trotzdem, denke ich, es wäre nicht verkehrt, etwas über Tellerrand zu schauen um die gewisse Dinge besser zu verstehen, und vielleicht auch in der Praxis umzusetzen.
    Ich denke, dass die sog. „Stütze“ kann man sich viel einfacher vorstellen, wenn man mit ganz elementaren Informationen aus der Atemphysiologie und Atemmechanik auseinandersetzt. Ich versuche jetzt auf die einfachste Weise die für das Saxophonspiel relevante Informationen zu Atmung zusammen zu fassen.

    1.Normale physiologische Atmung.

    A. Einatmen (Inspiration): Mit der Anspannung von Zwerchfell und der inspiratorische Atemmuskulatur entsteht im Thorax ein negativer Druck (ca. -5-7 H2O (Wassersäule), es strömt die Luft durch die Atemwege in die Lunge ein, der Thorax dehnt sich. Das normale Atemzugvolumen (Luftmenge beim Einatmen) beträgt ca. 500-600 ml. Ich verzichte hier auf die Beschreibung von inspiratorischen Muskeln. Im Google gibt es dazu reichlich Bilder und Bezeichnungen. Wichtig zu wissen, dass ca. 80% von Atemzugvolumen wird vom Zwerchfell erzeugt. Das sieht man an der Bewegung des Bauches. Die Nerven, die Zwerchfell versorgen, stammen aus dem Rückenmark im Bereich der Halswirbelsäule, deswegen können die Patienten mit hohen Querschnittlähmung (Verletzungen in oberen Brustwirbelbereich) immer noch ausreichend atmen (diaphragmale Atmung) trotz gelähmter Brustmuskulatur.

    B. Ausatmen (Expiration): Merke! Die normale Expiration ist immer passiv! Durch die Entspannung von Zwerchfell und inspiratorische Muskulatur (Atemzyklus wird vom Atemzentrum gesteuert, welches im Hirnstamm liegt). wird durch die natürliche Elastizität der Thorax "zusammenfallen". Der Druck in der Atemwegen wird dem atmosphärischen gleich. In normalen Zustand braucht die Expiration keine expiratorische Muskeln! Die normale Expiration ist nichts anderes wie eine Luftströmung beim offenen Reifenventil. Es bleibt immer im entspannten Zustand eine Luftmenge in der Lunge (ca. 2000 ml) sog. Funktionales Restvolumen.

    Da die Ausatmung für uns relevant ist, einige Details dazu. Ein Parameter für die Luftströmung heißt "Flow“ , das ist die Luftmenge die pro Zeiteinheit rausströmt und wird in Liter/ml pro Minute oder pro Sekunde gemessen. Die Werte sind für uns nicht wichtig, aber was man noch erwähnen kann, dass die Luftströmung sehr schnell abfällt (wie beim offenen Reifenventil) und zwar exponentiell. Das heißt,
    das z.B. wenn in 1 Sekunde 1000 ml Luft ausgeatmet wird, so ist das in der 1. Drittelsekunde 70% von Volumen ausgeatmet in der 2. Drittelsekunde noch 70% vom Restvolumen usw. (Zeitkonstante).

    2. Forcierte (maximale) Atmung

    A.Inspiration. Wenn wir versuchen die maximal mögliche Luftmenge einatmen, so wird das Zwerchfell wieder zum Hauptatemmuskel, danach kommen die andere inspiratorische Muskel zum Einsatz, und
    zwar nacheinander von unteren Rippenmuskel nach oberen, Brustmuskeln usw. bis zum Halsmuskel bei maximale Anstrengung. Diese Muskeln kann man auch mehr oder weniger kontrollieren.
    Die maximal eingeatmete Luftmenge (Vitalkapazität) beträgt ca. 4500 ml.
    Es wird überall davon gewarnt, die Schulter beim Einatmen hochzuziehen. Dahinter steckt nur das Prinzip- Die Bauchatmung maximal ausschöpfen, ohne die obere inspiratorische Muskulatur einzuschalten. Ist auch korrekt. Wenn ich aber die Bauchatmung (Inspiration) schon korrekt beherrsche , spricht nichts dagegen, noch 300-500 ml Luft in die oberen Lungenlappen zu tanken. Ich mache das jedenfalls ab und zu im Sitzen, wenn die Bauchbewegungen etwas eingeschränkt sind (kurz nach dem Essen ;-))

    B. Expiration. Entspannt man sich nach der maximalen Expiration, folgt zuerst die passive Expiration wie oben beschrieben, allerdings logischerweise mit mehr Flow, was schnell (exponentiell) abfällt.
    Darüber hinaus kann man kontrolliert mit dem Einsatz von expiratorischen Muskeln ein Teil vom Restvolumen (2000 ml) noch ausatmen (ca. 1000 ml). Ab diesem Moment wird die Expiration
    aktiv und hier werden genau die Muskeln aktiv, die diese geheimnisvolle „Stütze“ bilden. Ein gesunder Mensch kann mit maximaler Anstrengung 85% vom maximal eingeatmeten Luftvolumen in 1 Sekunde ausatmen.
    Bei dem Spielen von Blasinstrumenten haben wir immer ein Widerstand von dem Instrument und deswegen ist die Expiration in diesem Fall verständlicherweise immer forciert.

    3. Wo finde ich meine „Stütze“?

    Ganz einfach. Imitiere einige Male das Husten und fasse dich dabei dann nach und nach am Bauch, an Bauchflanken, an unteren Rippen vorne, hinten.. die Brust…das Rücken. Merkst Du wie und welche Muskeln sich anstrengen? Das sind die expiratorischen Muskeln. Das ist deine „Stütze“. Merke diese Bereiche – die musst du irgendwann unter Kontrolle haben.

    a) Brauche ich extra Atemübungen?

    Ich bin überzeugt, dass die Übungen mit dem Buch auf dem Bauch usw. nicht viel bringen, die Inspiration
    mit dem Bauch ist ja schnell gelernt. Wir müssen nicht die Atmung üben. Das können wir von der Natur. Jedes Kind weißt, wie man tief Luft holt bevor man ins Wasser taucht oder wie man auf die Kerze pustet. Auch die empfohlenen Yoga-Übungen machen keinen Sinn, weil die nur auf die normale Atmung ausgelegt sind. Einziges, was geübt werden muss – die Atmung wahrnehmen, beobachten und lernen die zu kontollieren, besonders die Expiration. Von der Natur funktioniert die Atempumpe automatisch und wir sind nicht gewohnt unsere Atmung überhaupt wahrzunehmen. Dazu aber etwas später.


    4. Wie funktioniert die Stütze?

    Also, Du atmest tief (mit dem Bauch) ein, hältst die Luft an, die Zungenspitze liegt am Mundstückspitze.
    Im Mund herrscht jetzt ein gewisser Druck, der zuerst nur von elastischen Kräften von Thorax und Diaphragma erzeugt wird. Wir setzen noch keine expiratorische Muskultur ein! Wir lassen die
    Zunge los, die Luft strömt ins Instrument und wir blasen einen langen Ton. Dabei entsteht die Expiration
    immer aus zwei Phasen:

    a) Passive Phase. In dieser Phase hat der Thorax (maximal ausgedehnt) genug Spannung
    (wie ein Feder) um die erforderliche Druck und Flow eventuell zu erzeugen. Aber:

    - Wenn man sehr leisen Tor erzeugen will, kann sein, dass die Spannung vom Thorax doch
    zu hoch ist und Du musst jetzt die normale passive Expiration drosseln. Also Du muss
    In diesem Fall die inspiratorische Muskulatur kontrollieren! „Einfrieren“ und langsam loslassen.
    - Wenn man aber von Anfang an die maximale Lautstärke erreichen will oder der
    Ton sehr hoch ist, reicht die natürlichere Spannung vom Thorax nicht und du muss von Anfang an die „Stütze“ einsetzen. Bei Trompetern ist das wahrscheinlich immer der Fall.

    b) Aktive Phase. Der „natürlicher“ Druck und entsprechende Flow reicht nicht mehr und jetzt kommt die Stütze zum Einsatz um die erforderliche Flow aufrechtzuerhalten. Ob jetzt nach der kompletten normalen Expiration noch ein Teil von Restvolumen rausquetschen soll, weiß
    ich nicht. Sollen die erfahrene Saxophonisten wissen. Aber etwas antiphysiologisch ist das schon.

    Ich habe hier in Forum ein Satz gelesen, der von einem Lehrer kam: „Du muss ins Rücken atmen!“
    Man kann nicht ins Rücken atmen, die Luft geht immer nach oben, aber der Satz kam daher,dass man der Luftdruck und Flow schwer wahrzunehmen ist, und das einzige, was damit gemeint ist – der Bauch geht beim Expiration Richtung Wirbelsäule und das optisch nachvollziehbar.


    Der Übergang zwischen diesen Phasen ist sehr fliesend, und die Muskelkoordination, Muskelspannung müssen immer wieder an wechselnde Widerstand vom Instrument angepasst werden, was nicht einfach ist und muss geübt (trainiert) werden. Zusammenfassend gilt folgende These:

    Atemtechnisch gesehen entseht die Tonproduktion auf dem Saxophon unter kontrollierter forcierter Expiration (Flow-Druck Kontrolle)

    Um das gesagte noch mal klar darzustellen, konnte man noch mit der Gasphysik und Strömungslehre
    auseinandersetzen. Wird aber dann irgendwann langweilig und bringt uns, praktisch gesehen, nicht weiter. Stattdessen nehme ich als Model ein sehr bekanntes Beispiel aus der Schulphysik. Und zwar
    ein Omsches Gesetz aus Elektrophysik. Nehmen wir an, dass der voll ausgedehnter Thorax mit unserer Stütze ein Akku ist und hat eine Spannung, Druck (U). Es wird dann ein Widerstand (R) angeschlossen, d.h. unser Sax. Bei der Tonproduktion entsteht ein Flow, analog zu (I), Stromstärke (Elekronenfluss).Also U=Spannung=Druck, I=Flow, R=R (Widerstand von Instrument).

    Ein Omsches Gesetz lautet: I=U/R, U=I*R, R=U/I.

    Bei uns: Flow = Druck/R, R=Druck/Flow, Druck = Flow*R.

    Natürlich werden hier die gasspezifische Flow-Druck Eigenschaften bewusst ignoriert

    Alle Parameter stehen in Wechselwirkung. Bei einem bestimmten Ton
    Ist der Widerstand konstant und von Mundstück und Luftsäule des Instruments bestimmt.Lauter Ton = mehr Druck und mehr Flow. Ist der Widerstand sehr niedrig (tiefe Töne), erhöht
    sich drastisch Flow, Ladung wird schnell verbraucht, der Druck fallt ab, und wir müssen den Druck nachbauen (mit Stütze) um die Resonanz und Lautstärke zu erhalten. Ist der Widerstand ganz weg (ohne Mundstück) das ist ein Kurzschluss – die ganze Ladung ist sofort weg.

    5.Wie trainiere ich meine Stütze?

    Die Atemmuskulatur ist von der Natur nur als eine einfache und überlebenswichtige Pumpe konzipiert.
    Wir können zwar die Atemmuskulatur kontrollieren, aber sehr grobmotorisch, auch wie eine Pumpe. Alle bewußte motorische Aktivitäten werden von dem oberen Schicht des Gehirns (Kortex) gesteuert. In diesem Bereich sind für alle Muskelgruppen verschiedene Bezirke zuständig. Je feiner und differenzierter Muskelbewegungen sind, desto mehr Nervenzellen werden für diese Muskelgruppe eingeteilt. Die größte Präsenz im Kortex haben unsere Hände. Ursprünglich sind für unsere Atemmuskulatur nur relativ kleine Hirnbezirke zuständig, weil die bewusste motorische Aktivitäten für Thorax relativ „primitiv“ sind (Ein – und Ausatmen). Das recht nicht für die feine, differenzierte
    Kontrolle der Expiration.

    Was passiert beim Üben von langen Tönen? Wenn man oft genug und sehr konzentriert übt, den Ton (Flow) gleichmäßig zu halten, entstehen ganz neue Verbindungen zwischen Muskeln und Nervenzellen. Es werden immer mehr von Nervenzellen für diese Steuerung eingeteilt. Die Präsenz von diesen Zellen wird im Kortex auch grösser. Die Kontrolle wird immer bewusster, differenzierter, feiner, und irgendwann sind diese Verbindungen auch gespeichert. Nachdem diese Verbindungen gespeichert sind, müssen wir nicht mehr auf die Muskulatur konzentrieren. Die für eine bestimmte Spielsituation erforderliche Muskelstärke und Koordination werden automatisch abgerufen. Das Gehirn weiß jetzt, wie es geht und wartet nur auf deinen Befehl.

    6.Welche Atemübungen ohne Instrument sind sinnvoll?

    Na und, fragst Du…Ist vielleicht nett zu wissen, aber was soll mir das konkret bringen? Werde ich besser und vor allem schneller die Stütze unter Kontrolle haben? Jetzt überlegen wir, was aus diesem Wissen
    praktisch rausholen kann. Es wird jetzt offensichtlich, das ohne Instrument nur die Atemübungen Sinn machen, die auch einen entsprechenden Widerstand beinhalten und simulieren. Ich schlage vor (und praktiziere) folgende Übungen (es geht nur um Expiration, über Inspiration ist schon viel bekannt):

    a)Du brauchst Plastikröhrchen oder Schläuchen mit dem Durchmesser ca. 4 bis 8 mm, Länge 20-30 cm (empirische Werte, bin ich noch am Testen) d.h.unterschiedlichen Widerständen.
    Oder Cocktail-Stroh geschnitten in verschiedenen Längen. Es wäre sinnvoll ein Rohr-Schlauch Satz zu haben, der z.B. drei Register (tief, mittel, hoch) simulieren kann.

    b)Ein Blatt Papier und (oder leichte Folie)

    c)Nur machst ganz normale Übung mit Langtönen, das Röhrchen aufs Blatt oder Folie gerichtet. Finde ein Flow, was das Blatt in einem bestimmten Winkel hält und versuche, diese Winkel konstant zu halten. Wechsle die Widerstände. Laut und leise usw.

    d)Das Wichtigste dabei! Konzentriere Dich so stark, wie möglich auf deine expiratorische Muskeln, verfolge innerlich jede Bewegung im Bauch, jede Druckänderung, merke Dir,wie der Bauch sich zur Wirbelsäule bewegt. Merke den Moment, wenn die normale Expiration zur Ende ist. Merke den Moment, wo du anfängst die expiratorische Muskel
    (Stütze) einzusetzen. Wie die Spannung im Bauch langsam steigt oder fällt. Merke den Moment, wenn Du aufhörst zu blasen. Speichere diese körperliche Erfahrungen. Denke an nichts anderes. Lass Dich nicht ablenken. Bleib konzentriert. Lässt die Konzentration nach,
    kehre so schnell, wie möglich zurück bis deine Stütze wider in Zentrum deine Aufmerksamkeit ist.

    Da merkst Du wahrscheinlich, dass hier etwas in der Richtung Meditation geht. Stimmt auch. Wenn Du nicht genug konzentriert bist, kommt von deiner Muskeln kein Signal an grauen Hirnzellen im Kortex.
    Die oben beschriebene Lernprozesse im Gehirn bleiben komplett aus. Die Steuerung der Atmung geht automatisch an unterliegende Hirnstrukturen, die wir nicht bewusst kontrollieren können. Alles umsonst..
    Versuche zuerst nur 5-10 Minuten voll konzentriert zu blasen.

    Auch unterwegs kann man diese Übungen machen indem man die Lippen in die „Pfeifen-Position“ bringst und mit der dosierter Öffnung dann die Widerstände imitierst. Ist zwar Flow nicht so gut zu spüren, aber auf die Bauchmuskulatur kann man sich gut konzentrieren.

    Wenn wir schon dabei sind, ohne Instrument zu üben, kann man zusätzlich auch den Pharynx
    trainieren wie das empfohlen wird, d.h. mit der Aussprache von A-Ä-i-hohes i (wie von tiefen zu hohen Noten).

    Oh, da habe ich viel mehr geschrieben, als zuerst vorgesehen war…Wenn jemand diese Informationen interessant findet, werde ich mich freuen…Wenn nicht, dann habe ich zumindest beim Schreiben meine
    Gedanken noch mal gut sortiert…Und ich habe ein angenehmes Gefühl, eine kleine Berührung zwischen meinem Beruf und Hobby zu erleben…Für mich hat sich das Schreiben gelohnt….

    Liebe Grüße
    Johannes











     
  2. Nordstern

    Nordstern Ist fast schon zuhause hier

    Vielen Dank
    Johannes,
    für diese ausführliche Beschreibung.
    Ich hab sie aufgesogen! :)

    Liebe Grüße,
    Nordstern
     
  3. ppue

    ppue Mod Experte

    Wau, eine kleine Doktorarbeit. Vielen Dank.

    Ich bin allerdings mit dieser Stelle nicht zufrieden:

    Der Luftstrom wird immer kontrolliert. Mag sein, dass bei dünnen Blättern die natürliche Spannung für einen kümmerlichen Ton ausreicht, werde ich morgen mal ausprobieren.

    Es gibt keinen guten Ton ohne Stütze und die schaltet man nicht aus und ein.
     
  4. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Hallo Johannes,

    ich habe mir deine Abhandlung mal für mich kopiert, weil ich sie sehr interessant finde. Danke.
    Gruß
    Michael
     
  5. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Vielen Dank! Das könnte man nach etwas Überarbeitung auch gut in den Saxinfos unterbringen.

    Allerdings sehe ich es wie Pue, dass die Stützmuskulatur immer aktiv ist, da man ja einen Ton ja nicht anbläst indem man einfach die Zunge zurückzieht und in das Instrument atmet. Ich zumindest muss schon einen Druck aufbauen, um den Ton gut kontrollieren zu können.
     
  6. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    Danke Johannes, das musste ich gleich zweimal lesen und habe was fürs Wochenende zu Ausprobieren. :)

    Gruß
    Saxfax
     
  7. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Danke sehr Johannes!

    Das bringt einiges Licht in diese "dunkle Materie". Besonders interessant finde ich
    ppues Anmerkung halte ich für überlegenswert. Das muss man ausprobieren, aber halt nicht kurz vor Mitternacht. ;-)

    Noch was zu Yoga etc. Ich glaube, viele Leute verlernen die natürliche Atmung teilweise, weil sie meinen, immer den Bauch einziehen zu müssen, weil sie habituell die Schultern hochziehen usw. Wer aber von Haus aus eingeschränkt atmet, oder wer gar nicht spürt, was wo beim Atmen passiert, hat Schwierigkeiten, die "Stütze" zu begreifen. Ich glaube, dass da Yoga oder andere Techniken, die das Körperbewusstsein stärken, hilfreich sein können.

    Mich würde sehr interessieren, wie Du das aus Deiner beruflichen Perspektive/Erfahrung siehst.

    LG Helmut
     
  8. bernd_rossini

    bernd_rossini Ist fast schon zuhause hier

    bei leisen Tönen und vor allem bei Subtones in den Tiefen, brauch ich zumindest immer eine gute Stütze und nicht erst wenn die Lautstärke steigt oder im hohen Register.

    Ansonsten vielen Dank für deine Mühen und die tolle Beschreibung.

    Ah, eins hab ich noch. In deinem Bereicht gehst du von physiologischer Atmung an einen gesunden Menschen aus.
    In meiner Arbeit hab ich es täglich mit mehreren Patienten mit Zwerchfelldysfunktionen zu tun, aus unterschiedlichsten Gründen. Darunter waren auch schon Sänger und Saxophonisten. Der natürlich-physiologische Atemvorgang, der vom Hirnstamm gesteuert wird, verändert sich aber auch bei vielen Menschen, Stress- Krankheitsbedingt etc. Dann kann es m.E. durchaus sinnvoll sein, Atemübungen durchzuführen. Kaum bis wenig Erfolg werden Atemübungen m.E. erzielen, wenn man versucht, gegen die individuelle Körperphysiologie zu arbeiten.

    Bernd
     
  9. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    ppue schrieb:

    Ich bin allerdings mit dieser Stelle nicht zufrieden:

    Zitat:

    a) Passive Phase. In dieser Phase hat der Thorax (maximal ausgedehnt) genug Spannung (wie ein Feder) um die erforderliche Druck und Flow eventuell zu erzeugen. Aber:



    Der Luftstrom wird immer kontrolliert. Mag sein, dass bei dünnen Blättern die natürliche Spannung für einen kümmerlichen Ton ausreicht, werde ich morgen mal ausprobieren.

    Es gibt keinen guten Ton ohne Stütze und die schaltet man nicht aus und ein.


    Du hast grundsätlich Recht.Im nachhinein finde ich dieses Satz auch unglücklich formuliert. Allerdings habe ich "eventuell" geschrieben.
    Als ich die passive Expiration testen wollte, habe ich auch fast
    maximal eingeatmet und dann kam auch ein Ton. In der Praxis wird das wahrscheinlich nicht vorkommen. Was mich aber zu diesem Satz bewegt hat
    ist das Zitat von Larry Teal "The Art of Saxophone Playing"

    "...keep the lungs as well inflated as possible, so that the natural
    elasticity of the chest muscles will work for you. Once the point of
    equilibrium is reached, it is necessery to start pushing in and up with
    the abdominal muscles in order to maintain air pressure"

    Dem habe ich auch geglaubt und deswegen die Expiration gedanklich in
    zwei Phasen geteilt. Natürlich wird der Luftstrom immer kontolliert,
    nur der Anteil vom elastischen Kräften (die kann man nicht weg diskutieren) wird überhaupt nicht wahrgenommen, weil die Stütze immer
    unter Spannung (in Trab) ist. Leztendlich habe ich genau das als
    "Forcierte Expiration" formuliert. Kein Widerspruch an sich, aber die
    Teilung der Expiration in zwei Phasen ist tatsächlich für die Praxis
    irrelevant.

    Vielen Dank für eure Kommentare

    Johannes
     
  10. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    Ich vermute langsam, das nicht alle an die elastischen
    Kräften von Thorax so richtig glauben...

    Mach doch ganz einfaches Experiment. Nimm das Mundstück
    normal in den Mund und atme so tief ein, wie es nur geht
    (auch mit Schulterbeteiligung). Jetzt halte die Luft so
    lange an, bis Du nicht mehr kannst (versuch 1 Min. oder mehr).
    Du wirst merken, wie der Druck im Mund steigt, die Wangen
    blasen sich auf, Du bist kurz vom Platzen. Das ist der
    Zwang des Körpers zur Expiration, weil der Sauerstoff aus
    der Lunge schon verbraucht ist, von Atemzentrum kommen immer
    stärkere Signale (Befehle) zur Expiration, um so schnell wie
    die nächste überlebenswichtige Inspriation einzuleiten.
    Jetzt kannst Du nicht mehr...Nimm das tiefes C und gib
    die Luft frei...Und? Der Ton war gar nicht so schlecht, oder?
    Schade, das der so kurz war...
    Dabei ist nur Thorax zusammen gefallen, ohne jegliche Beteligung
    der Stütze. An der Stütze kannst Du ja gar nicht mehr in
    diesem Moment denken..Du muss schnell wieder Luft holen,
    und zwar nicht zum Spielen, sondern nur endlich mal wieder
    weiter atmen zu können...

    Das ist natürlich extrem und kommt in der Spielpraxis nicht vor,
    aber diese Kräfte werden immer mehr oder weniger (je nach Tiefe
    der Inspiration) am Anfang von esten Tönen beteiligt sein.
    Nur das nimmt man nicht wahr, muss man auch nicht...

    Gruß
    Johannes


     
  11. GelöschtesMitglied3606

    GelöschtesMitglied3606 Guest

    Code:
    Jedes Kind weißt, wie man tief Luft holt bevor man ins Wasser taucht oder wie man auf die Kerze pustet. 

    Dem ist nicht so. Sagt man Kindern, sie sollten tief einatmen wie vorm Tauchen oder zum Kerze auspusten, geht das zu 90% nur in den Brustkorb.

    Und noch was zum in den Rücken atmen. Natürlich geht das nicht, wenn mans genau nimmt atmen wir ja nur in die Lunge. Aber es geht ja auch darum die Resonanzräume im Körper zu aktivieren und das kann man im Rücken ubd in den Flanken spüren.
     
  12. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin Batam,

    das ist ja mal eine umfassende Darstellung, vielen Dank !

    Einzige Anmerkung:
    Statt mit irgendwelchen Blasrohren trainiert sich die Stütze gut auch mit dem Silencer, was den Vorteil hat, dass man auch gleichzeitig den Ansatz mit trainiert.

    Gruß,
    Otfried
     
  13. KUS

    KUS Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Johannes,

    vielen, vielen Dank für Deine tollen Erläuterungen.

    Ich spiele noch nicht so sehr lange. Hatte bislang nur eine Idee, wie und wo die Stütze sein könnte. Nun habe ich es aber verstanden und auch den Grund dafür, dass mein Sax-Lehrer mir immer sagt, ich solle mir nicht so viel Gedanken darüber machen, ob ich mit genügend "Stütze" spiele, da das mit der Atmung schon mehr als 50 Jahre ganz gut geklappt hätte ;-)

    LG Kai
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Das ist ja die Crux bei der Beschreibung der Stütze in einem Forum. Der eine atmet schon immer entspannt in den Bauch, der andere aber in die Brust.

    Das ist eben genau das Problem. Der, der es kann, versteht den Satz. Der, der seit Jahren in die Brust atmet, weiß gar nicht, welche Muskeln er da bedienen soll.

    Selbst bei fachmännischer Anleitung (z.B. in meinem Chor) sehe ich immer Leute, die alles mögliche anstellen, um den Anweisungen zu folgen, aber die entsprechenden Muskeln nicht finden.

    Wir hatten neulich eine gute Stimmtrainerin, die hat kein Wort über die Atmung verloren, also gar nicht in den natürlichen unbewussten Prozess der Atmung eingegriffen.

    Z.B. war eine Übung, vier Schritte vorwärts zu gehen und mit einem hörbaren "fffffff" auszuatmen und danach zu entspannen. Das gleiche dann sechs Schritte lang. Dabei geht man über den von dir "passive Expiration" genannten Punkt hinaus, drückt also aktiv das Zwerchfell noch weiter nach oben. In der Pause entspannt es sich und die Luft will von alleine wieder in die Lunge. Allein auf diesen Effekt baute das Training auf.

    Alle Übungen waren in dieser Weise gestrickt und ich fand es sehr aufschlussreich, dass die Trainerin nur über Entspannung zum Luftholen motivierte.

    Johannes, du beschreibst den Punkt, "wo der Druck in der Atemwegen .. dem atmosphärischen gleich (wird)". Das beschrieb ich in einem anderen Fred als den 'Ruhepunkt'. Als Sänger oder Bläser arbeite ich in der Regel immer um diesen Punkt herum.

    Ich brauche mitunter alle Luft, die ich zur Verfügung habe und im Grunde gehen mich die Vorgänge "passive" und "aktive" Expiration nichts an, da ich durchgehend stützend den Luftstrom kontrollieren muss.

    Btw: Bei meinem Sopran passiert gar nichts, wenn ich keinen Druck aufbaue. Das mag mit leichtem Blatt beim Tenor gehen.
     
  15. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    Hallo noch mal…

    Mir ist erst jetzt aufgefallen, dass ich bei der Diskussion über forcierte Expiration etwas
    ganz wichtiges nicht erwähnt habe. Da war ich ein wenig von Kommentaren verunsichert
    und das offensichtliche Denkfehler machte…Ist schon ein bisschen peinlich…Stand auf
    dem Schlauch…Also noch mal ein Atemzyklus:

    1. Inspiration. Die Zwerchfellmuskulatur zieht sich zusammen (wie jeder andere Muskel)
    Das ist die aktive Muskelarbeit, die auch Energie verbraucht. Das Zwerchfell wird flacher,
    macht Minus-Druck im Thorax , die Lungen füllen sich mit der Luft usw. Dann kommt
    die inspiratorische Muskulatur dazu…Schon bekannt.

    2. Expiration (forcierte Expiration). Also die Expiration hat doch zwei Phasen, die
    funktional komplett unterschiedlich ablaufen.

    A. Die Expiration beginnt immer mit der Entspannung der inspiratorischen Muskulatur!
    Vor allem das Zwerchfell nimmt bei der Entspannung seine ursprüngliche Kuppelform,
    und die elastische Kräften von Thorax (Thoraxwand + Lunge) drücken die Luft raus.
    Die Entspannung von Zwerchfell ist ein komplett passiver Prozess, die Muskelfasern
    verbrauchen beim Entspannen keine Energie. Ist das Zwerchfell entspannt, kann das
    nicht mehr zur Expiration beitragen. (Wenn Bizeps entspannt ist, kann er den Arm
    nicht strecken, das muss schon Trizeps machen). Also in der erste Phase ist von uns
    keine aktive Arbeit nötig. Wir pressen zuerst nicht, wir lassen das Zwerchfell los!

    Wir empfinden wir die erste Phase? Auf jeden Fall nicht als Entspannung, und das
    aus ganz einfachem Grund. Halten wir die Luft an, merken wir den Druck im Bauch
    (Zwerchfell druckt die Innereien zur Bauchdecke) und nehmen an, dass wir diesen
    Druck aktiv erzeugt haben. Das ist aber die Energie einer Feder, die wir angespannt haben. Ist der Bauch gespannt, kann der Mensch die Ursachen dafür nicht auseinander halten. Bei Krankheiten genau so.

    B. Expiration geht weiter mit aktiver Beteiligung der expiratorschen Muskel (Stütze)

    In der Praxis hat das keine Relevanz, weil diese Abläufe unbemerkt ineinander übergehen.

    Haben diese Informationen überhaupt praktische Relevanz? Bestimmt nicht viel…warum macht
    man sich überhaupt Gedanken darüber? Ich spiele lange Gitarre, weiß relativ viel über Tonhölzer,
    Akustik, Saitenmaterial, Gitarrenbauer usw..Das hat meine Gitarrentechnik überhaupt nicht
    verbessert...Einfach Neugier und gewisse Faszination von der Materie…Vielleicht wird hier
    auch der Fall sein…?

    Gruß
    Johannes
     
  16. Batam

    Batam Kann einfach nicht wegbleiben

    schon wieder was vergessen...natürlich, kann man
    auch diese Phasen bewusst überlappen, dass heisst von
    vorne an pressen. Wichtig ist, das die Entspannung
    von Zwerchfell bei der Expiration immmer stattfindet.
    Man kann das Zwerchfell nach oben mit der Bauchmuskulatur
    drücken, aber das Zwerchfell kann man nicht mehr kontrahieren..
     
  17. Mugger

    Mugger Guest

    Eben da setzen Hilfen wie z.B. die Alexander-Technik an.
    Mit "Anweisungen", welche Muskeln zu kontrahieren sind, ist da oftmals nix, wenn ein Haufen von Reizen (z.B. hoch, laut, pp) auf den Musizierenden einwirkt.

    Bessere Selbstwahrnehmung, Arbeiten an verlässlicherer räumlicher Empfindung, "Inhibition" (nicht im Freud'schen Sinn) helfen da beträchtlich.

    Und nicht zu vergessen:
    Danke für die Mühe, Johannes!

    Liebe Grüße,
    Guenne



     
  18. Mugger

    Mugger Guest

    Eben da setzen Hilfen wie z.B. die Alexander-Technik an.
    Mit "Anweisungen", welche Muskeln zu kontrahieren sind, ist da oftmals nix, wenn ein Haufen von Reizen (z.B. hoch, laut, pp) auf den Musizierenden einwirkt.

    Bessere Selbstwahrnehmung, Arbeiten an verlässlicherer räumlicher Empfindung, "Inhibition" (nicht im Freud'schen Sinn) helfen da beträchtlich.

    Und nicht zu vergessen:
    Danke für die Mühe, Johannes!

    Liebe Grüße,
    Guenne
     
  19. Dr-Dolbee

    Dr-Dolbee Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Batam,

    ich finde deinen Beitrag sehr interessant und würde mich freuen, wenn du den Gesamtbeitrag nochmal mit deinen späteren Äusserungen zusammenführen könntest.

    Gruß
    dr.dolbee
     
  20. saxhornet

    saxhornet Experte

    Anatomisch kann man da viel erklären, das Gefühl dafür zu bekommen ist ein anderes Problem, selbst wenn man weiss was anatomisch abläuft. Das dann zu vermitteln wieder ein anderes. Wie lange spielst Du schon?
    Ist aber ein schöner Überblick.
    Im Sitzen ist die Bauchatmung immer eingeschränkter als beim Stehen. Das mit den Schultern ist aber gerade bei Anfängern ein grosses Problem, weil eben nicht tief genug eingeatmet wird und somit nur sehr wenig Luft zum Arbeiten zur Verfügung steht. Ich kenne keinen Profi, der bei guter "Bauchatmung" noch die Schultern benutzt, weil es meist schneller zu Verspannungen führt.

    Ja und das ab dem ersten Ton und unabhängig von der Lautstärke. Die Stütze dient aber nicht nur dem Druckaufbau, sondern halt auch dem Vermeiden eines zu schnell werdenden Luftverlusts bzw. Druckabfall.

    Und diese Bereiche nimmt am Anfang nicht jeder gleich gut war. Hängt sehr stark vom Körpergefühl ab.

    Dem muss ich als Lehrer widersprechen. Meine Erfahrung und ich muss dieses Thema andauernd Leuten beibringen ist, daß das Thema für viele schwierig ist. Viele atmen sehr flach und oberflächlich und wissen gar nicht mehr wie eine tiefe Atumung funktioniert und worauf sie achten müssen. Entsprechende Übungen können helfen dafür wieder ein Gefühl zu bekommen und die Koordination zu erlernen. Ob es die Kraft verbessert ist eine andere Frage aber Stütze besteht ja nicht nur aus Kraft sondern halt auch aus einer Fähigkeit diese koordiniert zu verwenden.


    Schon bei sehr leisen Tönen ist eine gute Stütze notwendig, sogar eine bessere und optimaler kontrolliert als bei lauten Tönen. Passiv läuft bei einem Blasinstrument fast nichts beim Ausatmen ab, sonst stimmt Luftverbrauch und der Druck nicht. Wenn wir also von einer passiven Phase sprechen würden, wäre diese im Bereich unter einer Sekunde.

    Bei Profis, zumindest bei denen mit denen ich über solche Themen geredet habe, gibt es nur eine aktive Phase, die sich lediglich in der Intensität während des Ausatmens unterscheidet.

    Eigentlich ist damit meist was anderes gemeint, nämlich, daß beim Einatmen sich nicht nur der Bauch, sondern auch die Flanken und auch leicht der Rückenbereich ausdehnt. Der Satz dient um eine Vorstellung zu vermitteln, wie sich etwas anfühlt.


    Welchen wechselnden Widerstand? Der wird durch Blatt, Mundstück, Instrument und die Lautstärke definiert und ist eigentlich meist gleich und wechselt nicht. Er wird aber durch unterschiedliche Spieler mit unterschiedlichen Fähigkeiten oder Vorlieben anders wahrgenommen.

     
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