Stan Getz und die seelischen Abgründe seiner Kunst

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von simplysax, 4.April.2010.

  1. simplysax

    simplysax Ist fast schon zuhause hier

    naja.... wir sind halt alle keine engel.. simply:


    http://www.hjs-jazz.de/?p=00108
     
  2. tbeck

    tbeck Strebt nach Höherem

    Hallo simply,
    danke für den interessanten Artikel. Da sieht man wieder, das Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen. Der Alkohol und die Drogen tun ein übriges.

    Ich möchte in diesem Zusammenhang die CD "Getz meets Mulligan in HiFi" empfehlen. Diese gehört zur Sonnenseite von Stan Getz :)
    Kuriosum: Auf vier Titeln haben die beiden Ihre Instrumente getauscht, also Mulligan spielt Tenor und Getz Bariton. Wer hörts raus?

    Schöne Restostern

    Thomas
     
  3. austriansaxman

    austriansaxman Kann einfach nicht wegbleiben

    das ist die Schattenseite von Stan Getz - ähnliches werden wir in ein paar Jahren über Whitney Housten, Mick Jagger u,a hören - nur durch Sublimierung ensteht Kultur (so Mitscherlich´s Theorie vom kulturspezifischen Triebverzicht)
    Die Sonnenseite ist sein Musik:
    Die Antwort auf die Bemerkung, dass wir alle keine Engel sind hat Stan Getz mit: "And the Angels Swing"
     
  4. Rick

    Rick Experte

    Exzessiver Alkoholmissbrauch, allgemeiner Drogenkonsum, unkontrollierte Wutausbrüche, unsympathisches Verhalten, Rücksichtslosigkeit gegenüber Kollegen, Unzuverlässigkeit, Verschleudern von Geld - klingt absolut normal nach durchschnittlichen Jazzmusikern, da kenne ich persönlich haufenweise Beispiele - sie leben direkt unter uns... :-D :-D :-D :-D :-D

    (Allerdings meines Wissens glücklicherweise nicht hier im Forum vertreten!) :)

    Grüße,
    Rick
     
  5. Gast

    Gast Guest

    ...beantwortet. ;-)

    und trotzdem ist sein saxsound für mich sowas von sub und (oster)geil.

    hurioserweise war er nie von sich überzeugt und meinte nur ich kann doch da draussen nur ein paar töne spielen - was ist das schon.

    heinz erhardt nahm auch einige geistige getränke zu sich bevor er auf die bühne ging und ich jetzt auch. :cool:
     
  6. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Naja, wenn man sich dann noch die Biographie von Charlie Parker betrachtet...

    Ich halte es aber trotzdem nicht für richtig, Drogenkonsum und fragwürdiges soziales Verhalten mit der Aura des Künstlers zu bagatellisieren.

    Neben der eigenen physischen und mentalen Selbstzerstörung haben auch Drittpersonen darunter gelitten, die in der Nachbetrachtung keine Erwähnung finden, weil dieser oder jene Künstler einen prägenden Musikstil kreiert hat.

    Charlie Parker hat z.B. sehr persönliche, d.h. nichtmusikalische, Gründe gehabt, die ihn zum Drogenkonsum gebracht hat (Finanzielle und familiäre Probleme, Rassendiskriminierung in dieser Zeit..).

    Ich behaupte mal, dass die beiden o.g. Musiker noch mehr geleitstet hätten, wenn sie sich nicht selbst im Weg gestanden hätte, da kann der geehrte Schreibtischphilosoph Mitscherlich schreiben, was er will.

    Wie sieht es heutzutage mit dem Drogenkonsum in der Jazzszene aus ? Wie viele Profis heutzutage äußern, eher eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Als Ursache vielleicht der gestiegene Anspruch der Zuhörer an Qualität
    (Nur der fitteste kann sich durchsetzen !) ? Geringere soziale Probleme ?
     
  7. Rick

    Rick Experte

    Hallo Nimo,

    ich liebe Getz' Spiel und seinen Sound ebenfalls. Doch meiner Ansicht gehören Drogenkonsum und musikalische Genialität nicht ursächlich zusammen. :roll:

    Ein Kollege hat mal sehr schön gesagt: "Nüchtern spiele ich besser, aber ich glaube es nicht. Besoffen spiele ich mies, glaube aber das Gegenteil." :-D

    Notorische Selbstzweifel sind schon eher ein typisches Künstlermerkmal.
    Aber auch dieses Stadium kann man überwinden - und immer besser ohne Drogen, stattdessen mit mehr objektiver Selbstreflektion. :cool:

    Einen schönen Schluck zu trinken muss ja nicht schlimm sein - wie sagte Paracelsus: "Die Dosis macht das Gift." ;-)

    Ich glaube auch keineswegs, dass lustfeindliche Asketen die besseren Menschen sind. :pint:


    Lieben Gruß,
    Rick
     
  8. Gast

    Gast Guest

    yeaaah Rick ;-)

    das ganze leben ist gift in dosen, ob sie deswegen erfunden wurden?
    okay, joke go beiseite.
     
  9. Rick

    Rick Experte

    Hallo Altblase,

    frag lieber nicht. Allerdings geschieht das meistens äußerst unauffällig und heimlich, nicht so plakativ wie in der Rockszene.

    Ein sehr guter Pianist, unheimlich netter Mensch, starb vor zwei Jahren an Leberzirrhose aufgrund von exzessivstem Alkoholmissbrauch (Mitte 40). Das wollte ich zuerst überhaupt nicht glauben - ich hatte ihn nie auch nur einen winzigen Schluck trinken gesehen. Doch wenn er dann zu Hause war... :roll:

    Klar - so etwas gibt man ja auch im Interview offen zu. ;-)

    Genau das Gegenteil ist der Fall: Je höher Druck und Erwartungshaltung, desto Drogen.

    Vor dem Auftritt gegen Lampenfieber, zur Konzentration, zum Aufputschen, um alles geben zu können. Anschließend dann zum Runterkommen, zum Chillen, um wieder normal zu werden.
    Nicht selten sogar ärztlich verordnet (siehe Michael Jackson).

    Das Funktionieren-Müssen ist das Schlimmste am Musikerberuf.
    Wenn Du heute schlecht spielst, interessiert es keine Sau im Publikum, wie Du gestern oder vor einer Woche brilliert hast, nur das "Jetzt" zählt... :-(


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  10. tbeck

    tbeck Strebt nach Höherem

    Vor einigen Jahren besuchte ich ein Konzert eines sehr bekannten Saxophonisten aus Kamerun. Von Zeit zu Zeit verschwand er von der Bühne hinter einen Vorhang. Der Vorhang war aber nicht ganz zugezogen und man konnte beobachten wie er sich immer mal wieder ein Glas Whisky gönnte, leider nicht mal einen Guten :-(
     
  11. simplysax

    simplysax Ist fast schon zuhause hier

    ... ich finde es gut, dass der artikel auf euer interesse stößt...

    auszugsweise war das natürlich schn bekannt...
    ich kann überhaupt keinen alk trinken, wenn ich noch sax spielen soll, habe noch nie gekifft, geschweige was anderes probiert (das soll jetzt keine rechtfertigung werden)

    ..die tatsache, dass ich heute an keinem bandprojekt beteiligt bin ist wohl eher eine parallele, denn mich hat immer angekotzt, wenn die anderen blau waren....


    interessant finde ich auch die nähe von shizophränie und genialität - jedoch wenn man seine kindheit analysiet ist es hier andersgelagert, denn ich denke das wunschdenken seiner mutter und die zerrütteten häuslichen verhältnisse führten zu einem ungeheuren druckaufbau. diesen druck hat er nur dann nicht gespührt, wenn er berauscht war.
    ich hätte mir gewünscht, dass er all seine recourcen für die musik hätte nutzen können!! wäre echt toll gewesen.

    ich freue michauf weitere diskusionen!!!
     
  12. simplysax

    simplysax Ist fast schon zuhause hier

    @T_beck...

    naja - das ist für dich sicher besonders bitter!
     
  13. cwv

    cwv Schaut öfter mal vorbei

    Ein sehr guter Artikel über Getz findet sich auch in der Reihe von Jazz-Portraits von Jörg Alisch (neben einer ganzen Reihe weiterer lesenswerter Portraits von Jazz-Grössen).

    Gruss,

    cwv
     
  14. Rick

    Rick Experte

    Hallo Simply,


    das geht mir ähnlich.

    Manchmal werde ich gefragt, warum ich seit einigen Jahren nicht mehr international unterwegs bin, sondern praktisch nur noch mit relativ unbedeutenden Bands vorwiegend lokal spiele.

    Die Antwort: Mir ist der Stress zu groß, ich will auch nicht mehr in diese verhängnisvolle "Mühle" geraten.
    Ab einem bestimmten "Status" gerät man in eine Dynamik, einen Strudel, wo scheinbar nichts mehr ohne harte Drogen (Kokain, Heroin, Schnaps), Rücksichtslosigkeit und Egozentrik geht.
    Familie, Freundschaften, menschliche Werte bleiben auf der Strecke.
    Das ist jedenfalls meine Erfahrung in meiner bisherigen Karriere und mit etlichen Kollegen. Es würde mich sehr freuen, wenn mir hier jemand kompetent widersprechen könnte!


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  15. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Rick schrieb:
    WAs ich hiermit tue!

    In 2008 habe ich in Dänemark Alex Riel kennengelernt. Alex ist Jazz Drummer und hat ab 1960 in Kobenhagen im Jazz Club Montmartre mit vielen internationalen Stars gespielt, z. B. mit Webster, Dexter Gordon, Roland Kirk, ect. pp.

    Alex wird dieses JAhr 70 und ist immer noch als Musiker unterwegs, auch international.

    Alex tinkt zwar gerne mal zu Hause ein gutes Glas Wein, aber auf der Bühne oder danach nie. Er musste früher zwar ab und an mal Dexter helfen, sich nen Schuss zu setzen, damit es auf der Bühne weiter ging, hat aber - vielleicht gerade deshalb - nie irgendwelche Drogen angefasst.

    Also es geht auch anders!
     
  16. Gast

    Gast Guest

    zum ostermontag würde ich gerne mal was allgemeines sagen!

    wenn wir hier rezitieren aus irgendwelchen bio's ist das okay. wenn der einzelne auf persönliche erfahrungen oder beobachtungen zurückgreift und hier berichtet, ist das ein statement.

    es liegt mir fern das jetzt noch tiefer auszuschmücken aus sicht der herren die mit schwarzer robe durchs leben gehen, aber als zeitzeuge sollte man bedächtig mit seinen formulierugen umgehen, bzw. sich die frage stellen, ob man sich damit gut tut.

    ende beitrag.
    :)
     
  17. Thomas

    Thomas Strebt nach Höherem

    echt.. Jazzer? welches Geld sollen die denn verschleudern? :sorry:
     
  18. Rick

    Rick Experte

    Ja, ich muss zugeben, das letzte Nacht vielleicht etwas zu schwarz gemalt zu haben. Man sollte manche Beobachtungen nicht unbedingt verallgemeinern.

    Das Grundproblem liegt sicher in den verführerischen Möglichkeiten.
    Schon beim Kneipenauftritt kommt als erstes die Frage: "Jungs, was wollt Ihr trinken? Geht aufs Haus!"

    Die heutigen strengen Promille-Grenzen helfen wenigstens den autofahrenden Musikern, aber wehe, man ist gemeinsam im Bus unterwegs...

    Hehe, gemäß dem alten Witz:
    Wie kommt ein Jazzer auf eine Million Euro? - Er fängt mit zwei Millionen an. :lol:

    Im Ernst, es gibt da einige, die zu Beginn ihrer Karriere beste Möglichkeiten hatten, exzellente Connections, gut bezahlte Engagements.
    Dann kamen die teuren Drogen, Selbstüberschätzung, Unzuverlässigkeit, eine gehörige Portion Arroganz - und heute kann man sich anscheinend noch nicht mal mehr ein brauchbares Sax leisten, muss praktisch betteln gehen. :roll:

    In Nimos Sinn führe ich das jetzt nicht weiter aus.


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  19. Reedirect

    Reedirect Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Leute,

    ich habe Stan Getz in den Siebzigern in meiner Heimatstand im Konzert erlebt. Er wirkte völlig normal, so typisch "amerikanisch" freundlich, glatt (was damals so meine Vorstellung war). Also nichts zu sehen von Abgründen, obwohl sie ja durchaus da gewesen sein mögen.

    ....und gespielt hat er .....gespielt!!!!!!

    Ein Gigant!!!!

    Gruß
    Jo
     
  20. simplysax

    simplysax Ist fast schon zuhause hier

    ... ja, keine Frage, musikalisch gigantisch, für mich ist es aber nicht unwichtig, was hinter der glemmernden fassade steckt.
    ;-)
     
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