Swing, historisch, theoretisch, praktisch

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von ppue, 26.Juni.2016.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Liebes Forum,

    mir scheint, hier ist schon die Sommerpause eingekehrt oder man beschäftigt sich lieber mit dem runden Leder.
    Ich will die Flaute nutzen und ein Thema ansprechen, was sicherlich viele interessiert und das für uns Abendländer gar nicht so einfach zu verstehen und zu erfühlen ist.

    Hier eine Lektion aus meinem Harmonielehrekurs (-:bei dem man sich schon jetzt für den Herbst anmelden kann). Heute ein historisch-theoretischer Teil und später dann ein praktischer.



    Die Geschichte des Swing liegt weitgehend im Verborgenen, was sich in den verschiedenen und meiner Meinung nach nicht gerade überzeugenden Meinungen der Wissenschaftler ausdrückt. Man lese nur hier ein mal quer:

    http://www.jazzseite.at/Groove/SwingTheorien.html

    So bleibt mir nichts erspart, als es selber zu erklären [​IMG]

    Der Swing ist eine Besonderheit des Jazz und taucht in dieser Form in keinem anderen Musikgenre auf.

    Wie entsteht dieses eigenartige 'Schwingen', dass den Groove so einzig macht? Vom Marsch kann es nicht kommen, ist dieser doch eher streng und in seiner Betonung der 1 und 3 fest und geerdet. Die Auffassung, die afroamerikanische Musiker Anfang des 20. Jahrhunderts von solch einem Marsch hatten, zeigt von Anfang an die Tendenz zum 'Swingen'. Der Backbeat der Snare auf 2 und 4 hob schon im New Orleans Jazz die feste Hierarchie der Marschbetonung auf.

    Um das Rhythmusgefühl der Afroamerikaner zu verstehen, muss man ins frühe Afrika schauen. Hier bestand eine grundsätzlich andere Vorstellung von rhythmischem Spiel. Denken wir in Europa den Takt als Einheit, den wir nach Belieben zerteilen, so ist für den Afrikaner die kleinste Einheit Grundlage für Rhythmus. Stellen wir uns eine Trommel vor, die mit beiden Händen abwechselnd geschlagen wird:

    dududududududududu

    Das ist noch kein Rhythmus, eher ein Metrum. Ein Rhythmus entsteht in der afrikanischen Trommelmusik, indem der Musiker einen Schlag auslässt, also zum Beispiel so:

    dudu__dudu__dududu

    Rhythmus entsteht hier durch das Weglassen von Tönen. Die beiden Pausen wirken wie eine Verlängerung auf die vorangehenden Schläge. In unserem Notationssystem würden wir die Phrase so aufschreiben:


    [​IMG]

    oder so:
    [​IMG]



    Ein abendländischer Komponist hätte das Pattern auch komponieren können, er hätte aber etwas ganz anderes getan. Er hätte nämlich den Takt zerteilt, um den Rhythmus zu erhalten. Wie man an den Taktstrichen sieht, stehen die Noten zudem in einem Sinnzusammenhang zum ganzen Takt mit seinen betonten und unbetonten Zählzeiten. Diese a priori festgelegten Betonungen gibt es im Afrikanischen in dieser Art nicht.

    Ich versuche es mal anders. Bitte nicht böse sein, wenn ich die Sache hier etwas vereinfache.

    Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen afrikanischer und europäische Kultur zeigen sich nicht nur in der Musik.

    Die europäische Kultur ist zielgerichtet, als Hochkultur stark hierarchisch gegliedert. Architektur, Kunstwerke und Kompositionen waren früher die Werke einzelner Künstler, meist geschaffen, um Macht und Herrlichkeit Gottes oder weltlicher Herrscher darzustellen und zu preisen. Diese hierarchische Gliederung findet sich in den Werken wieder. Es gibt Haupt- und Nebenformen, das Tryptichon, das die Dreifaltigkeit darstellt oder Formen, die sich dem zentralistischen Ganzen unterordnen.

    Wir sind meines Erachtens und leider immer noch nicht von diesen Strukturen los gekommen. Ansonsten hätten wir nicht Präsident und Kanzlerin; würden uns als Volk oben fühlen und die Politiker als die uns unterstellten Angestellten. Pardon für den kleinen politischen Ausflug.

    [​IMG]

    Hier eine Sonatenhauptsatzform aus Budapest.


    Ganz anders nun die 'primitivere' Kultur Afrikas: Musik und Kunst waren nicht vom Alltagsleben zu trennen, erhoben sich nicht über die Natur. Die Musik war die Musik des Momentes, es gab keine höhere Einheit, der sie sich unterordnete, sie war in der Zeit. Es gab kein Vorspiel, dass den Höhepunkt vorbereitete, keine Reprise oder Wiederholung. Dafür aber das Laufen, Gehen, Tanzen, Naturdarstellung, direktes Lebensgefühl in Zeit und Raum. In diesem Tanzen verband sich das Individuum mit der Gruppe und dem Geist der Welt. Nicht der individuelle Künstler, Baumeister oder Architekt stehen hier im Vordergrund, sondern das Kollektiv.


    [​IMG]


    Afrikanische Hüttchen, ganz entsprechend dem dudududu__dudu_du_du der Trommeln.

    Beide Kulturen, die abendländische und die afrikanische, treffen nun in Amerika aufeinander. Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wütet dort der Amerikanische Bürgerkrieg und wenn man sich nun vorstellt, wie die Afroamerikaner die marschierenden Truppen des Bürgerkrieges sahen, in Reih und Glied, in gänzlicher Unterordnung: 'links zwo drei vier links zwo drei vier...', dann kann man sich vorstellen, wie sie diese Märsche ausprobieren und nachbildeten, aber nicht umhin kamen, sie ausgelassener zu tanzen, zu umspielen, zu konterkarieren, ihre 'dirty tones' (haben sie selbst wohl nicht so benannt, oder?) zu spielen, zu Growlen und zu swingen.

    Ich stelle mir gerade vor, wie schön es für die Instrumente gewesen sein muss, aus der Militärkapelle direkt in die Hände der 'schwarzen Wilden' zu fallen. Und das in den Südstaaten, deren weiße Gesellschaft doch der Meinung war, dass Sklaverei ganz legitim sei. Es waren tatsächlich oft solche Militärinstrumente, die die schwarzen Bewohner Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in New Orleans gebrauchten.

    Zurück zum Swing. Selbst die Achtelnoten im abendländischen System sind hierarchisch gegliedert, die betontere auf der vollen Viertel, die unbetontere auf der 'Und'. Im Swing ist es umgekehrt: die Synkopen gewinnen an Wichtigkeit, Noten auf den geraden Zählzeiten werden weniger betont oder gar weg gelassen, die 'Offbeats' akzentuiert.

    Es existieren also in der Grundform noch ein Taktgebilde mit seinen Hauptbetonungen und Hebungen, auf der anderen Seite aber stehen die Backbeats und Offbeats dagegen und sorgen für eine Gegenkraft. Diese beiden Kräfte verursachen wohl dieses Gefühl des Hin und Her. Der Swing des Jazz ist in seinen Wurzeln so gesehen ein Schwingen zwischen Europa und Afrika.

    Hören wir ein Stück Swing, stilistisch aus den 1930er Jahren:


    [​IMG]




    Eine typische Rhythmusgruppe, bestehend aus Klavier, Bass und Schlagzeug. Jeder hat seine Funktion. Das Klavier erinnert in seiner Spielweise stark an den Ragtime. Der Bass schlägt durchgängig die Viertel auf Grundton und Quinte und das Schlagzeug spielt auf Viertel, zwei Achtel, Viertel und zwei Achtel. Die Achtel sind aber eigentlich keine Achtel, da die erste der beiden länger und die zweit verkürzt ist. Hier triolisch im Verhältnis 2 zu 1.

    Dieses "Triolenfeeling" ist ein weiteres entscheidendes Moment des Swing. Woher das kommt, hat mir noch kein Wissenschaftler plausibel erklären können, also suchte ich selbst nach Vorfahren des Swing. Aus Afrika kenne ich so gut wie keine Triolen, schon gar nicht in der Spielweise lang-kurz-lang-kurz. Also suchte ich in Europa und hier fand ich eine dem Swing nahe Rhythmisierung bei den Iren:



    Ein Antikriegslied, schon 300 Jahre alt! Na gut, nun nicht in dieser Version. Der triolische Rhythmus aber wird tradiert sein. Das gleiche Feeling findet sich in den Liedern des Amerikanischen Bürgerkriegs wieder:



    Ich denke immer, die Instrumente hatten noch genau dieses Triolenfeeling im "Blut" als sie von den schwarzen Musikern weiter benutzt wurden.
    Na gut, es bleibt eine Vermutung über den Ursprung des Swing. Ich finde aber keine andere Erklärung für das Phänomen und so abwegig scheint mir die Theorie nicht. Nach ihr wäre eine weitere wichtige Wurzel des Jazz also irisch!

    Neben der triolischen (ternären) Teilung der Viertel ist die Emanzipation der in der abendländischen Musik unbetonten Zählzeiten entscheidend für das Swingfeeling. Im Groben der schon beschriebene Backbeat auf 2 und 4 (z.B. hier schön in der Pianostimme zu hören) und im Feinen der Offbeat auf der 'Und', bzw. der dritten Triolenachtel. Durch die Betonung dieser Zählzeiten entsteht das Schwingen in dem von starrer Hierarchie befreiten Takt. Wird das Metrum schneller, so bindet der Bläser jeweils zwei Swingachtel zusammen Allerdings ist der angestoßene Ton immer der auf der 'Und'. Ein weiteres Phänomen ist, dass mit wachsender Geschwindigkeit die Achtel nicht mehr triolich, sondern eher als Achtel gespielt werden. Die Maße sind fließend.

    Im Beispiel oben ist der Offbeat noch nicht sehr ausgeprägt. Hören wir uns an, wie es 20 Jahre später klingt:


    [​IMG]





    Ein großer Unterschied: das Klavier spielt fast ausschließlich Akzente auf dem Offbeat, die Akkorde sind wesentlich komplexer. Der Bass spielt jetzt eine Melodie und höchstens auf der 1 noch den Grundton des Akkordes. Auch er spielt ab und zu mit dem Offbeat. Das Schlagzeug spielt die Viertel durchgängiger und setzt mit Bassdrum und Snare Akzente auf dem Backbeat.

    Das sind natürlich nur Beispiele für Swing. Jede Gruppe spielt ihn anders und einen festen Algoritmus, der Swing definiert, gibt es nicht.


    Es gibt noch ein weiteres Kriterium, das den Swing ausmacht. Vielleicht ist es mit einem Zitat von Tommy Dorsey am besten ausgedrückt: "Swing is sweet and hot at the same time...".

    Die drei Stimmen, die wir in den Beispielen oben sehen, spielen ihre Töne nicht exakt zur gleichen Zeit. Nehmen wir an, der Bass spielt auf 1 2 3 und 4. Auch der Drummer spielt auf diesen Zählzeiten, allerdings erklingen seine Beckenschläge minimal früher als die Basstöne. Es hat es eilig und 'zieht', während der Pianist eine etwas entspanntere Haltung einnimmt und seine Akkorde vielleicht minimal hinter den Zählzeiten spielt. Das kommt auch auf den jeweiligen Stil an und ist die Zeitauffassung bei jedem Instrumentalisten ein wenig anders.
    Keiner spielt schneller oder langsamer, aber der Drummer spielt 'vorne', der Bassist 'drauf' und der Pianist eher 'hinten'. Diese minimale Zeitverschiebung macht die Sache zusätzlich spannend und bewirkt das, was wir 'Groove' nennen. Groove kann man nicht notieren, er entsteht im Moment des Spielens in der Spannung der Musiker zueinander.

    Nun fehlt uns noch der Solist. Der spielt nämlich oft noch weiter 'hinten'. Man nennt es 'laid back', locker, entspannt. Es finden sich also verschiedene Charaktere zum Spiel zusammen, der treibende Schlagzeuger (der nicht hängen darf), der Bassist, der straight seine Viertel zupft und die Basis des Zeitgefühls darstellt. Dann der Ausstatter, Harmoniegeber, der begleitende, entspannt akzentuierende Pianist und schließlich der Solist, der, noch müde vom letzten durchspielten Abend, seine Mühe hat, aus den Puschen zu kommen. Schönes Beispiel ist Billy Holiday.



    Spielt mal die Melodie mit, allerdings straight in time, so wie sie in den Noten steht. Frau Holiday hängt dermaßen 'hinter der Zeit', dass sie oft noch gar keine Luft geholt hat, wenn ihr schon spielt. Aber es funktioniert, und es funktioniert hervorragend, wie ich meine.

    Eine Situation, die man aus dem Musikeralltag gut kennt: Pianist oder Solist meinen, ein Stück wäre zu langsam und versuchen nun, Tempo zu machen. Die Folge ist, das der Groove verloren geht. Das Gleiche passiert dem zu aufgeregten Solisten, der aus Angst meist zu schnell und so leicht vor dem Beat spielt. Er hängt sich nicht rein in das Gerüst, welches Bass und Schlagzeug vorgeben. Damit verspielt er die Spannung und den Drive des Swing.

    Die verschiedenen Jazzepochen haben immer neue Spielweisen des Swing hervor gebracht. Ein großer Neuerer zum Beispiel war Kenny Clarke, der die Eins auf dem rechten Becken spielte, die Bassdrum von dieser Aufgabe befreite und diese nun für seine 'Bombs' einsetzen konnte. Bombs sind Akzente der Bassdrum auf den Offbeats. Während er mit dem Becken die Band 'zieht', hat er so die Möglichkeit, auf Snare und Bassdrum das solistische Geschehen zu kommentieren.

    Für Saxophonisten sicher nicht uninteressant diese Aufnahme mit Roland Kirk (ts, stritch, manzello, fl), René Urtreger (p), Pierre Michelot (b) und Kenny Clarke (d) und einem wundervoll betulichen Joachim Ernst Berendt aus der Zeit, wo man die dunkelpigmentierten 'Gast'arbeiter noch Neger nannte.




    Natürlich befreite sich auch der Bass mehr und mehr aus seinem Korsett. Großen Einfluss dabei hatte Charles Mingus. Hier sein Album Pithecanthropus Erectus.



    Trotz der großen Freiheit, den die einzelnen Instrumente sich bis zum Ende der 60er Jahre erspielt haben, bleiben ihre grundsätzlichen Funktionen doch erhalten.

    Zum Abschluss einer der für mich besten zeitgenössischen 'Swinger' am Schlagzeug: Han Bennink, hier mit Irene Schweizer am Piano. Sie spielen keinen direkten Swing und doch 'swingen' sie. Es ist, als träte der Swing hier nur noch als seine geistige Essenz in Erscheinung. Leider bricht die Aufnahme am Ende ab. Es lohnt sich aber immer wieder, die Tube nach dem Holländer abzusuchen.




    Soweit zur Historie und Theorie. Demnächst noch eine kleine Abhandlung zur Praxis des Swingspiels.
     
  2. jabosax

    jabosax Ist fast schon zuhause hier

    Danke für die sehr interessante und lehrreiche Ausarbeitung!
     
  3. Micha51

    Micha51 Ist fast schon zuhause hier

    Vielen Dank für die sicherlich hochinteressanten Ausührungen. Leider habe ich momentan nicht die Zeit, das alles zu lesen bzw. anzuhören.
    Hast du darüber promoviert ?
     
  4. ppue

    ppue Mod Experte

    Hehe, nein. Ist alles selber ausgedacht. Gut, ein bisschen gelesen und geforscht habe ich aber im Laufe der Jahre schon.

    Bin gerade etwas verblüfft über die Ähnlichkeit eurer Avatarbildchen, @jabosax + @Micha51 (-:
     
  5. Andrea

    Andrea Kann einfach nicht wegbleiben

    Lass das bloß keinen Musikethologen lesen. Heieiei...
    Aber dir könnten wenigstens sagen, so die Rhythmik herkommt.

    Nachlesen kannst du das auch bei: Hendler, M.: Vorgeschichte des Jazz. Vom Aufbruch der Portugiesen zu Jelly Roll Morton. Graz 2008.

    PS: Ich hatte im Rahmen meines Studiums auch die Veranstaltung Jazzgeschichte bei Prof. Dr. Hellhund, der über Cool Jazz seine Diss. geschrieben hat. Der hat uns da viel beigebringen können.
     
    Zuletzt bearbeitet: 26.Juni.2016
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  6. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Sehr interessante und aufwendige Darstellung, viel Arbeit. Danke dafür. :) Ich versuche mir jetzt gerade vorzustellen, wie einer meiner afrikanischen Mitbürger auf Deine Ausführungen zu Afrika reagieren würde, das könnte lustig werden. :cool: Meine Erfahrungen mit afrikanischer Musik sind definitiv andere als die, die Du darstellst. Aber Afrika ist natürlich groß. Ein Nordafrikaner ist von einem Südafrikaner weiter entfernt als ein Russe von einem Deutschen. Das alles über einen Kamm zu scheren ist schon gewagt.

    Rhythmus ist immer so mit den Umständen verbunden. Afrika ist zum größten Teil Chaos, in Amerika wurde dieses Chaos dann in eine gewisse Ordnung gezwängt. Dass daraus etwas Neues entstand, kann man schon nachvollziehen. Theoretisch denken Afrikaner über so etwas aber nie nach, das ist alles Gefühl. Und das ändert sich ständig. Heute sähe das schon wieder ganz anders aus als damals, als der Jazz entstand.

    Wenn ich meine Nachbarn hier in Afrika so anschaue, bezweifle ich sehr oft, dass sie überhaupt ein wie auch immer geartetes Rhythmusgefühl haben. Nur wenige können tanzen. Und wer nicht tanzen kann, die Musik nicht so empfindet, dass sie ihm gleich in die Beine geht, hat von Natur aus wohl kein sehr gutes Gefühl für Rhythmus. Hat man das, kann man sich gar nicht dagegen wehren, gleich herumzuzappeln. ;)

    Dennoch finde ich es ja sehr schön, dass aus dem afrikanischen, unmusikalischen Chaos ohne jedes Rhythmusgefühl (auch) der Jazz entstanden ist. Ein ziemliches Wunder, muss ich sagen.
     
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  7. ppue

    ppue Mod Experte

    @Andrea

    Vielleicht kannst du deine Kritik etwas konkretisieren.
     
  8. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Fehlt da vielleicht ein "n"?
    Unter Musikethnologie kann ich mir im Zusammenhang des Thread-Themas einiges vorstellen, unter Musikethologie eigentlich gar nichts.
     
  9. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @ppue:
    Schöne Abhandlung! Falls es noch in das Konzept passt, ohne den Rahmen zu sprengen, könntest du in Bezug auf die Emanzipation der einzelnen Instrumente der Rhythmusgruppe noch das bzw. die Bill Evans Trio(s) anführen.

    @Tröto:
    Vielleicht muss auch einfach das "e" zwei Stellen weiter nach rechts? ;)
     
  10. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Du machst mir meine ganzen Vorstellungen von "Afrika" kaputt. :(

    Aber im Ernst. Du hast natürlich Recht, Afrika ist groß ...

    LG Helmut
     
  11. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Also wenn man sich die traditionelle Trommelmusik aus Westaftika - Senegal, Mali, Ghana so anhört, da swingt das schon ganz schön! Das Konzept des Polyrhythmus war ja 3 gegen 4 oder das, was wir unter Triolen verstehen gegen einen 4er Beat zu spielen.
     
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich weiß nicht. Es hat Groove, aber swingt es? Nein.
     
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  13. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    :confused: hm, wenn wir von afrikanischer Rhythmik sprechen, sind ja meistens die Rhythmen der Westafrikaner/innen gemeint. Im Osten des Kontinent und im Norden, ist das schon wieder ganz anders, im Süden vermutlich auch.


    keep swingin´


    Saxax
     
  14. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    @ppue

    erstmal ein großes Danke für die tolle Ausführung und Zusammenstellung.

    Für mich schimmert in dem Ganzen auch immer die Frage mit durch, hat Swing etwas mit vorn und hinten (laid back) zu tun oder doch nicht. Dazu eine kurze Geschichte:

    Vor ein paar Jahren suchten wir eine Sängerin. Einer der Versuche war mit einer Chorsängerin. Intonation ok, Stimme prima nur die Phrasierung passte uns gar nicht (Sie sang halt, wie gewohnt, das was in den Noten stand). Unser Hinweis "versuch mal mehr hinten zu phrasieren" bewirkte eine sehr fragendes Gesicht. Also ok ein Beispiel musste her, Ella ist immer gut. Gesagt und aufgelegt. "Hör mal, wie spät die....... ähhhhhhh" Unser Bassist und ich guckten uns an "Sch........ das geht als Beispiel nicht, mal ist sie ganz hinten und dann wieder ganz vorn" ..... wir haben an dem Tag kein brauchbares Beispiel gefunden (auch keine Sängerin).

    Für mich bis heute ein Rätsel: man kann auch Solo eindeutig laid back phrasieren, ohne das da eine Referenz wie Schlagzeug oder Bass mit exakter time wäre.

    Und auch swingen kann man ohne diese Referenz, wie Dein Schlagzeugbeispiel (Han Bennink) schon in den ersten Takten zeigt. Und die graden Viertel auf HighHat oder anderswo spielt er ja nun wirklich nicht mit.


    Aber, sind´s wirklich nur die kleinen Abweichungen im Tempo? Dann müsste ja jemand mit einem schlechten timing für meine Ohren tendenziell interessanter klingen, als jemand der exakt spielt (also z.B. in der Klassik). Egal wie man´s macht, nach wie vor gilt: "It don´t mean a thing, if it ain´t got that swing......."



    keep swingin´


    Saxax
     
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  15. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier


    und wie ist das mit den Musikenterologen? :duck:
     
  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Das Laid Back Spiel ist nur eine Sache. Natürlich kann man auch als Solist swingen. Es ist das Bestätigen des Taktes mit seinen gefühlten Wichtigtuern auf Eins und Drei oder den Vollen und das Dagegensetzen von Back- und Offbeat. Das reicht, um zu Schwingen.

    Ich halte es darüber hinaus für eine geniale Verständigung zwischen ganz verschiedenen Kulturen, die sich darin wieder spiegelt.

    Meine Abhandlung zum Thema ist bewusst aus einer sehr offenen Perspektive verfasst. Geht man ins Detail, dann ist die afrikanische Musik nicht in zwei Sätzen abzuhandeln. Das ist mir klar. Dennoch schrieben sie keine Sinfonien, bauten keine Schlösser. Nicht mehr und nicht weniger sollten die Bilder zeigen:

    Zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen an Rhythmus. Und das Ding mit den Iren natürlich. Sind die noch im Spiel?
     
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  17. ppue

    ppue Mod Experte

    Habe da auch vor zwei Wochen ein schönes Beispiel erlebt: Wir spielten mit der Gebläsetruppe einen alten deutschen Schlager und ich sagte beim Anfangsthema zu den Posaunen: Hängt euch weiter hinten rein. Taten sie auch und alles war gut.
    Bis dann die Trompeten das Thema hatten. Hängten sich auch hinten rein und ich spürte gleich: falsch.

    Das Thema musste von denen ganz vorne kommen und alle weiter ziehen.

    Ich kann auf Anhieb nicht sagen, warum was und wie.

    Aber das macht auch Spaß und ist immer wieder höchst interessant.
     
  18. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Moin,

    ich finde es außerordentlich interessant, dass sich in Südamerika eine ganz andersartige Musik im Gemenge afrikanischer mit europäischer Musikkultur entwickelt hat. Das mag natürlich damit zu tun haben, das die dortigen Schwarzen aus einem anderen afrikanischen Gebiet entführt worden waren, oder an dem besonderen südamerikanischen/karibischen Umfeld.

    Trotzdem wäre es ja vielleicht hilfreich, sich die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der jeweiligen Kulturzonen etwas genauer anzuschauen. Vielleicht lernt man dann mehr darüber, die verschiedenen Einflüsse zu deuten.

    Gruß,
    Otfried
     
  19. ppue

    ppue Mod Experte

    So viele verschiedene Einflüsse spielen beim Thema Swing nicht die Rolle. Der Sklavenhandel wurde an der sogenannten Sklavenküste, die sich von Kamerun bis zur Elfenbeinküste zog, durchgeführt. Die Sklaven wurden aus den hinter der Küste liegenden Hochländern wiederum von Afrikanern entführt und an der Küste gegen Waren getauscht.
    Es handelt sich also um ein recht kleines Gebiet, dem nordwestlichen Teil des Subsaharagebietes. Man kann davon ausgehen, dass die musikalische Kultur der Verschleppten zu dieser Zeit so gut wie keinen äußeren Einflüssen ausgesetzt gewesen ist, weder muslimischen, noch südafrikanischen oder gar kolonialen.

    Dass sich Süd- und Nordamerika anders entwickelten, liegt an dem Temperament der Südländer. Während die eher elegischen Nordeuropäer nach Nordamerika auswanderten, waren es im Süden die Spanier und Portugiesen. Da wundert mich gar nichts (-:

    Ich glaube nicht, dass die Sklaven in Südamerika aus gänzlich anderen Region kamen und sich deshalb eine andere Stilistik entwickelt hat.
     
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  20. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    glaube ich auch nicht, aber gerade in der Karibik war der nordeuropäische Einfluss sehr hoch. Beispielsweise hat der kubanische Contradanza seine Ursprünge im schottischen Countrydance. Der spanische Flamenco war nur ein Teil in dem Gemenge dort.

    Und dann ist ja auch wiederum interessant, wie unterschiedlich sich die Musik der Sklaven in Brasilien, Kuba oder bspw. in Peru (kreolische Musik in Callao) entwickelt hat.
     
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