Üben oder nicht üben.

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von KarstenTS, 28.November.2005.

  1. KarstenTS

    KarstenTS Kann einfach nicht wegbleiben

    Aloha!

    Ich möchte Euch mit einem kleinen Schwank aus meinem Leben erheitern und hoffe Euch als Negativbeispiel zu dienen.

    Ist schon recht lange her, da war ich hier im Forum mal sehr aktiv. Und noch ein bisschen länger ist es her, da war ich am Saxophon sehr aktiv.
    Irgendwann hab ich die Geschichte mit dem Üben eingestellt (Ausreden kennen wir ja wohl alle zur Genüge). Einmal die Woche zur BigBand Probe, das reichte mir eigentlich. Im nachhinein hat's erschreckend lange gedauert, bis ich zum ersten mal wirklich bemerkt habe, dass mir dies oder das früher mal besser von der Zunge ging.
    Da sich aber alles noch im Rahmen gehalten hat, hab ich das lächelnd hingenommen, als den Preis, den ich zahle, mir den Luxus des nichtübens zu erlauben.

    In der BigBand läuft's auch nicht schlecht. Sicher, es könnte besser sein. Aber ich komme eigentlich ganz gut klar. Ich bin ja in meinem Metier.
    Nicht so letztes Wochenende.

    Ich habe im Spätsommer 2004 (!) leichtsinnig einem Freund zugesagt, bei einer Musical Gala, die er auf die Beine stellen wollte in der Band zu spielen. Im März 2005 hab ich dann die Noten bekommen, einmal durchgeblättert, gemerkt, dass ich wohl ein bisschen Arbeit da rein stecken muß und sie auf den Schrank gelegt.

    Vor gut 3 Wochen kam dann die Frage:
    - Karsten, kannst'e nächste Woche zur Probe kommen?
    - Probe? Ach, ja. Dieser Musical Krempel. Wann war das nochmal?
    - In 2,5 Wochen. Karsten, mach mich nicht fertig und sag mir, dass Du schon geübt hast!
    - Klar hab ich geübt...

    War gelogen.
    Ich musste zunächst 90 Minuten suchen, bis ich die Noten wieder gefunden habe. Meine Saxophone (vom Sop abgesehen) schließe ich immer da ein, wo wir Proben, also hab ich das mit dem üben mal wieder vertagt.
    Am Tag vor der ersten gemeinsamen Probe (eine Woche vor der Generalprobe), habe ich dann von 23 bis 1 Uhr die Noten sortiert und mir ein paar Stellen schonmal angeguckt. Da ich kein großer Fan von Musicals bin, hab ich in die CDs kaum reingehört.

    Die Probe Freitag musste ich (arbeitsbedingt - wirklich!) absagen. Dafür gab's Montag (vor dem Freitag mit der Generalprobe) ersatz. Da konnte aber kaum jemand und einige, wenige nur begrenzt, so dass ich zu weiten Teilen völlig alleine da saß.
    Ich glaube, ich muss das kurz erklären, wie ich das meine. Die Band bestand aus 5 Streichern, 3 Trommler (inkl. Percussion), 2 Keys, Gitarre, Bass und den Bläsern (1 Querflöte, 3 Saxe, 2 Trompeten und 2 Posaunen).
    Naja und ich war der einzig anwesende Bläser.
    Und kannte die Stücke nicht.

    Dazu sind Musicals ja nunmal für Sänger geschrieben. Das hat so seine Auswirkungen. Hinter dem Notenschlüssel ist meist eine Menge los.
    Vorzeichen waren schon immer meine Schwäche. Also wirklich immer. Mir liegt G ganz gut. C ist fair und mit A und D komm ich recht gut klar. Alles andere ist die Hölle für mich. Bechen schlimmer als Kreuze, aber ob 3 Bechen oder 5 Kreuze... das macht den Braten dann auch nicht mehr Fett.

    Super Basis für die Probe.

    Was ich bisher nicht erwähnt habe sind zwei klitzekleine Details.
    1. In einem recht rockigen Stück musste/durfte ich das Solo spielen. Quasi das gesamte Stück über. Für mich ist das Stück in F#-Dur.
    2. In einem anderen, recht ruhigen Stück, musste/durfte ich das Traumhaft schöne Intro spielen. Mit dem Sopran. Das ich seit 1,5 Jahren nicht aus dem Koffer geholt habe.

    Spaß pur.
    Muß ich erwähnen, dass die Probe in die Hose ging?
    Der Keyboarder direkt vormir (u.a. auch Dirigent in irgendwelchen anderen größeren Musicals) konnte kaum in ruhe spielen, weil er die ganze Zeit zusammengezuckt ist. Wie bereits erwähnt, Vorzeichen waren noch nie meine Stärke.
    Das Solo hab ich einigermaßen überstanden (einfach ausgelassen, von zwei extrem schlimmen Takten abgesehen). Und nach dem Soprano Ding hat mich unser Leiter angeguckt, als wolle er mich auffressen. Ich musste ihm hoch und heilig versprechen, dass ich das übe.

    Jetzt kommt der Wendepunkt meiner kleinen Parabel: Ich hab geübt. Eine dreiviertel Stunde. Dann haben die Nachbarn gemeckert. Okay, es war auch schon recht spät.
    Ich hab leider mein Stimmgerät nicht gefunden. Also das Intro ein oder zwei mal mit dem Sop durch gedudelt (klang ganz gut), 20 Minuten F# dur hoch und runter um anschließend zur CD zu improvisieren. Bis der Nachbar klopfte.

    Die Generalprobe mit den anderen war dann schon deutlich besser, auch wenn ich mich immer (also wirklich immer) mit den Vorzeichen durcheinander gekommen bin. Das Soprano Ding war Intonationsmäßen so dermaßen schlecht, dass es selbst mir (und dem Tontechniker und dem dirigenten und dem Keyboarder vor mir und allen anderen) kräftig in den Ohren geklingelt hat.
    Das Solo war ganz gut.

    Samstag Mittag, erste von 4 Shows. Quasi die wirkliche Generalprobe...
    der komplette Bläsersatz war häufig recht irritiert und so haben sich alle (mit mir vorneweg) einigermaßen durch die Stücke gemögelt.
    Das Solo in F# dur hat mächtig gerrockt. Da waren alle erstaunt. Und ich vorneweg. (doof war nur die eine Stelle, als ich A statt A# gespielt habe und eine Geschlechtsumwandlung erkämpfen wollte und verlor).
    Das Sopran Intro dagegen war desaströs. Der Dirigent gab mir zwischendurch ein Zeichen, dass ich aufhören soll zu spielen.
    Sopran-Verbot.

    Abends dann die zweite Show. Ich hab den Sopran-Teil mit dem Tenor versucht. Ein Vorzeichen übersehen, dafür eins dazuerfunden und einmal fett gequietscht. Bei 10 Tönen eine super Ausbeute. Ich musste ihm die Noten zurück geben und hatte ein Stück mehr Pause. Dafür hat's Sonntag die Querflöte zweimal in den Sand gehauen. Nicht so extrem wie ich, aber immerhin.

    Sonntag Abend war die vierte und letzte Aufführung. Mittlerweile kannten wir alle die Stücke. Einige Stücken haben wir sogar komplett Fehlerfrei abgeliefert. Alles in allem, eine coole Show und damit mein Happy End.

    So oder so war's ein lustiges Wochenende. Ich hatte, nicht zuletzt während des Liedes, das ich aussetzen musste, gelegenheit zu grübeln und finde, ich sollte wieder häufiger üben. 30 Minuten F#Dur und es ging, ein Jahr nicht üben und vieles geht nicht mehr.

    Hoffentlich zieht Ihr Eure Schlüsse aus meiner kleinen Geschichte und konntet ein paar mal grinsen. Ich hab jedenfalls viel gelacht am letzten Wochenende und mich fast ebensohäufig geschämt.
    Nächstes mal übe ich.
    Vielleicht... ;-)

    Karsten
     
  2. Schorsch

    Schorsch Ist fast schon zuhause hier

    Hi Karsten,

    schön, mal wieder was von dir zu hören. Und danke für die Geschichte und die - äh - .... - hm..... - "Vorbildfunktion", die du für uns einnimmst ;-)
     
  3. KarstenTS

    KarstenTS Kann einfach nicht wegbleiben

    Schön wieder hier zu sein.
    Hab mitbekommen, dass hier ein bisschen Sand im Getriebe ist, da dachte ich, könnt Ihr ein Lächeln gebrauchen... :cool:
     
  4. HolgerFfm

    HolgerFfm Ist fast schon zuhause hier

    @KarstenTS

    Großartig, dein Beitrag :-D :-D :-D. Sehr motivierend - ich hab ihn gleich meiner Frau aufs Kopfkissen gelegt :lol: :lol:.

    Deinen Humor habe ich wirklich sehr vermisst. Willkommen zurück!!

    ...und uns allen weiterhin viel Erfolg beim Üben! ;-)

    Herzliche Grüße aus Frankfurt am Main
    Holger
     
  5. Lilly-Rose

    Lilly-Rose Kann einfach nicht wegbleiben

    Hey,
    ein super Text, ehrlich! (Genau das Richtige für einen tristen Novembernachmittag wie heute!) :-D

    Irgendwie beruhigend zu hören, dass es außer mir auch noch andere Musiker gibt, die mit einigen der Vorzeichen (B-chen ganz besonders) auf Kriegsfuß stehen ... und ich dachte schon, ich wäre die Einzige auf der Erde! ;-)

    Viele Grüße
     
  6. Sunny_Y

    Sunny_Y Schaut öfter mal vorbei

    *hust* (sorry, hab mich vor Lachen verschluckt!)
    Ich hatte letzten Samstag Probe für ein Musical... als einziges Sax... Des-Dur... tjoar, da sind auch ein paar Leute zusammengezuckt. Immer diese blöden Bs! *verschämtgrins*
    Aber ich hab ja noch etwas Zeit zum Üben, und werde das auch brav tun *heiligenschein anknips*.

    Gruß,
    Sunny
     
  7. pth

    pth Ist fast schon zuhause hier

    Also ich würd' an deiner Stelle das üben lassen wenn dafür so schöne Geschichten herauskommen!;-)
     
  8. Doellcus

    Doellcus Ist fast schon zuhause hier

    Schön, dich mal wieder zu lesen;-)
     
  9. Dexter

    Dexter Ist fast schon zuhause hier

    Nachdem das alle bis jetzt ganz toll und lustig fanden, mache ich mal den Humorlosen.

    Das was Du Dir da geleistet hast, ist ein starkes Stück. Unverschämt Deinen Mitspielern/innen gegenüber und das Publikum verachtend.

    Scham sieht m.E. anders aus.

    Dexter
     
  10. 8panther

    8panther Ist fast schon zuhause hier

    Wie sagen viele Musiker: "wer übt kann nichts" und: "wer übt, betrügt seine Mitmusiker" :-D
     
  11. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Ich finde das schon extrem mutig, sich so zu blamieren.
     
  12. Julja

    Julja Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hallo Zusammen,

    also ich finde es auch nicht gerade fair gegenüber den
    anderen Musikern... Ich finde die Musiker die meinen sie müssen nie in die Probe kommen und beim Auftritt dann auf gut Glück rumzuhupen sind sowieso die schlimmsten!
    Die versauen dann meistens den Aufritt und somit die harte Arbeit der anderen!

    Aber trotzdem Hut ab! Du musst ganz schön selbstbewusst sein wenn du dich absichtlich so blamierst! Sowas wäre mir viel zu peinlich! :cool:

    Grüße Julja
     
  13. KarstenTS

    KarstenTS Kann einfach nicht wegbleiben

    Ich glaube ich muss ein bisschen relativieren...

    Also erstmal gibt es das böse Gerücht, dass ich ab und an zu Übertreibungen neigen soll. Und ich hab das ja auch nicht mit absicht alles so gemacht. Glaubt mir, ich hab mich echt geschämt.
    Es gab ja nichtmal Proben, die ich hätte Schwänzen können (Schuldabtretung an die musikalische Leitung wird immer gern gesehen).

    Allerdings bin ich ein recht guter Blattspieler. Sicherlich hab ich das Niveau nicht gerade angehoben, aber ich hab's auch nicht meterweit nach unten gezogen.

    Nehmt's mir nicht krumm und übt selbst, auf dass das Image des Saxophonisten als solchen nicht auf Dauer von mir zerstört wurde.

    Was aber schon lustig war: Das Gesicht eines Haufen von Sängern, als ich erwähnt habe, wie viel ich geübt habe... :-D

    P.S.: Mut zur Blamage war noch nie mein Problem! ;-)
     
  14. rbur

    rbur Gehört zum Inventar

    Keine Angst, ich habe letzte Woche ein paar Schlagzeuger erlebt, die toppen das noch ziemlich.

    Aber ich glaub schon, dass ich mich über dich geärgert hätte ...
     
  15. LeGrand

    LeGrand Schaut öfter mal vorbei

    Hahaha, super Geschichte!

    Ich glaube, sowas hat schon jeder mal so ähnlich erlebt. Das ist ein typischer Fall von Ich-hab-eigentlich-keine-Lust-auf-den-Scheiß. Was bei der Sache viel schwerer wiegt, ist nicht das vermeintlich empörte Publikum (die haben wahrscheinlich gar nicht soviel davon mitbekommen), sondern die Tatsache, dass du deinen Freund verprellt hast. Hehe, der wird dich bestimmt nie wieder fragen, ob du mal aushilfst. Obwohl, ich kenn die Panik in solchen Momenten, in denen man Angst davor hat, dass die Zuhörer einen hassen und die Aschenbecher fliegen. Nimm nächstes Mal einfach einen Helm mit!

    Schöne Grüße aus Hamburg

    LG
     
  16. KarstenTS

    KarstenTS Kann einfach nicht wegbleiben

    Ja, so ungefähr. Dem Publikum ist da schon nicht wirklich was aufgefallen. Mein Kollege meinte hinterher auch, dass ja nochmal alles gut gegangen sei.

    Aber eigentlich fuchst es mich. Zu wenig ergeiz zum üben, aber zu viel für eine solche Blamage. Das Fegefeuer des Freizeitmusikers... :-D
     
  17. saxclamus

    saxclamus Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Karsten TS,

    ich finde und habe selbst erlebt: sowas kann passieren - sollte aber eine einmalige Vorstellung bleiben.

    Liebe Grüße

    saxclamus
     
  18. Julja

    Julja Nicht zu schüchtern zum Reden

    Bin Beruhigt, dass du es selber einsiehst bzw. nicht total absichtlich gemacht hast...Dein erster Text klang fast so als ob du darauf noch stolz wärst!
    Vielleicht bringt dich die Blamage ja dazu beim nächsten mal bissle mehr Ehrgeiz zu zeigen... ;-)
    Einsicht ist ja bekanntlich der beste Weg zur Besserung :cool:

    Lg
     
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