Warum gibt es keine amerikanischen Saxophone mehr?

Dieses Thema im Forum "Saxophone" wurde erstellt von Saxoryx, 14.November.2025 um 13:07 Uhr.

  1. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Ein amerikanischer Musiker hat mir mal erzählt, wie und warum er zu einem Selmer mk6 gekommen ist. Sein Vater war Ende der 50iger in Deutschland stationiert. Die GIs haben ihre Musik mitgebracht, auf die die auch die Deutschen total abgefahren sind. Zum einen kamen "Truppenbetreuer" aus Übersee, um für die Truppe zu spielen. Denen drückte Selmer gerne mal ein Instrument in die Hand, natürlich mit dem hinweis, dass man in den USA einen Vertrieb hat.
    Der Vater ist mit seinen Kumpels gerne mal nach Paris gefahren, wegen der Mädels (Frankreich bzw Paris hatte da einen gewissen Ruf), aber eben auch, weil man Geschichte erleben wollte... die Geburtsstätte des Saxophons bei Selmer. Letztlich hat man dann ein "Original" gekauft, und später mit in die Heimat mitgenommen (den Unterschied zwischen Belgien und Frankreich sah man nicht so eng, Selmer selbst auch nicht). Jetzt wurde das gute Stück in der Familie weitergegeben. Einzelfall?
     
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  2. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Hatte Selmer nicht auch in den USA eine endfertigung für das mk6?
    Doch wohl nur um die hohen Zölle auf europäische Produkte zu umgehen bzw einen gewissen local content nachweisen zu können... Geschichte wiederholt sich :).
     
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  3. ppue

    ppue Mod Experte

    So bescheuert das ist, hat Heraklit von Ephesos hier wohl mal wieder recht: "Der Krieg ist der Vater aller Dinge".

    Die Stationierung amerikanischer Soldaten in Europa spielt garantiert eine große Rolle, die kriegsbedingte Umstellung der Fabrikationen in Amerika, aber auch der neue, feingliedrige Sound, der nicht mehr akustisch die Säle füllen musste, weil jetzt mikrophoniert wurde, und ein gewisser Hype, all das kommt wohl zusammen.

    Welcher unserer Heroen hatte denn eigentlich als erster so einen Franzosen?
     
  4. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Ich weiß, dass Louis Armstrong von Selmer, zeitweise auch von EMO (Ernst Modl, ehem Mitarbeiter bei FX Hüller), als Endorser genutzt wurde. Von EMO (also Herrn Modl) bekam er eine Trompete geschenkt, die er so gut fand, dass er sie zum einen 3 Jahre lang in Europa gespielt hat, von denen er nach seiner Rückkehr einige nachbestellt hat, um sie an Freunde weiterzugeben. Letztlich ist er zu Selmer zurückgekehrt...
     
  5. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Bean?
     
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  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Vielleicht geben auch die Stile Aufschluss. Im New York der Dreißiger spielen die Big Bands unverstärkt, so denke ich. In den Clubs zu später Stunde entdecken gleichen Musiker den Bebop, während viele andere eingezogen werden. Die Big Bands sterben, übrig bleibt ein Häufchen Avantgarde-Musiker, die im Recording-Ban, einem gewerkschaftlich organisierten Boykott der Plattenfirmen, kaum Aufnahmen machen und erst einmal unter sich bleiben. Der Rest der Musiker und auch die aus dem Krieg zurückkehrenden gehen an die Westküste in die Hollywoodstudios und kreieren nebenbei den Westcoast Jazz, kammermusikalisch angelegt und eher leise.
    In Hollywood wird mikrophoniert, im Westcoast Jazz braucht es auch keinen satten Vintagesound und im sich entwickelnden Cool Jazz ist der Sound der alten Hörner auch nicht mehr en vogue.
     
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  7. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, vielleicht. Aus Wiki:

    "Das Jahr 1938 verbrachte Hawkins vorwiegend in den Niederlanden, wo er unter anderem im Negro Palace in Amsterdam spielte, und in Belgien; dort spielte er in Namur in der Band seines Landsmannes Arthur Briggs. Er versuchte eine Arbeitserlaubnis für England zu bekommen, die ihm jedoch von der Musiker-Gewerkschaft verweigert wurde. Mit einem Trick gelang es seinen englischen Fans, ihn ins Land zu holen: der Saxophon-Hersteller Selmer organisierte eine Tournee durch Großbritannien, die der „Schulung“ dienen sollte, da Hawkins nur für Musiker spielen werde. Darauf hatten die Gewerkschaften keinen Einfluss, und Hawkins ging im März/April auf England-Tournee. Danach wollte er eigentlich nach Holland zurückkehren; die angespannte politische Lage in Europa bewog ihn aber zur Rückkehr in die Vereinigten Staaten. Es kam noch zu einigen Auftritten in England, erneut mit Hylton; Hawkins wurde als „Variety-Künstler“ angekündigt. Die letzten Vorkriegsaufnahmen entstanden Ende Mai mit dem Hylton-Orchester; dann kehrte er Anfang Juli nach Holland zurück und war am 31. Juli wieder in New York."
     
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  8. Badener

    Badener Strebt nach Höherem

    Das kann ich bestätigen. Bei meinem New Wonder Alt ist es super, beim Tenor (gleiches Baujahr) schmerzte es, weshalb ich dem Knöpfchen ein Hütchen habe verpassen lassen. Es hat eine größere Fläche, die etwas nach links erweitert und verschoben wurde. Zudem wurde das Hütchen nach links etwas geneigt (abgeschrägt). Jetzt passt es.
     
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  9. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Ach ja, und außer Bean vielleicht auch Jimmy Dorsey. Immerhin ließ er sich und der Band die Teile bauen, die ein Hybrid aus Balanced Action und Supersax/Radio Improved waren. Ich glaube das war 1939, und ich denke er spielte schon vorher eine Radio Improved.
     
  10. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Das würde ich so nicht unterschreiben. Die New Wonder II haben noch Nachteile bei einigen Griffkombis. Der 6M/10M-Table ist für mich, darauf eingespielt, nicht mehr sonderlich viel schlechter als ein moderner - mit Ausnahme des Cis, das zu viel Kraft kostet.
    Das würde ich komplett unterschreiben. In einem guten Zustand sind sie in keiner Kategorie einem modernen Horn unterlegen, trotz des Alters. Das waren wirklich ausgereifte Produkte.
     
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  11. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Es ist ein kleiner Lichtblick, dass sich die Kiste korrigiert - wenn der User die Antwort eh schon besser weiß. Aber letztlich zeigt dein Beispiel, in dem das Ding Sekunden vorher nach entsprechender Recherche mit vollster Überzeugung das glatte Gegenteil behauptete (und damit offensichtlich die Unwahrheit), wie problematisch die Recherche damit ist und wie begründet die Skepsis. Man kann die Dinger allenfalls ergebnisoffen nach etwas suchen lassen. Sie sind halt allwissend, aber nicht intelligent.
    Das nur am Rande…
     
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  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, ein weiterer Mosaikstein. Die neue und leise Oktavmechanik der Radio Improved war für Radioaufnahmen besser geeignet. Mehr Studio, mehr Combo-Jazz, mehr Radio, ...
     
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  13. Tom.66

    Tom.66 Ist fast schon zuhause hier

    Ich meine damit nicht nur die Kraft, die nötig ist, vielmehr sind Position und, vor allem, der Winkel des Table, im Verhältnis zur Hand, wirklich grausig.
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Das sehe ich anders, denn die alte, tangential zum Korpus angebrachte Stellung finde ich persönlich besser, als die moderne Abspreizung des Tisches. Es braucht nur eine ganz andere Handhaltung, sprich, Daumen auf Oktavdrücker auf 12 bis 5 nach 12 Uhr.
     
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  15. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Mir drängt sich da der Vergleich zu den amerikanischen Automobilen der Nachkriegszeit auf. Die blieben auch technisch weitgehend stehen, behielten lange ihre V8-Blubber-Motoren mit riesigen Vergasern, während im Rest der Welt kompaktere Fahrzeuge mit moderneren und sparsameren Motoren entwickelt wurden.

    Gruß,
    Otfried
     
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  16. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Webster his BA....?
     
  17. Gerrie

    Gerrie Strebt nach Höherem

    Chryslerwar fast am Ende.
    Mit Motoren von Mitsubishi kehrten sie auf die Erfolgsspur zurück.

    Den Vergleich ist für mich treffend.

    GrüßeGerrie
     
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  18. Silver

    Silver Gehört zum Inventar

    Conn, Büscher, King oder Martin hätten bestimmt die Fähigkeit und das Geld gehabt, ein Balanced Action - Prinzip zu entwickeln.
    Nur damit hätten sie das Patent von Selmer verletzt.
    Nicht umsonst hat sich Conn mit dem 26M/30M derart einen abgebrochen (und wirtschaftlich war das trotz Premiumpreis auch nicht).

    Rechnen wir: 1935 (erstes BA) plus 20 Jahre Patentlaufzeit ergibt 1955.
    Dazu noch die Offline-Bauweise als Patent ab 1947 oder später
    Das Mark VI, als mechanisch vereinfachtes Super Action, kam also genau zu der Zeit, als das ursprüngliche Balanced Action Patent auslief und brachte gleich Weiterentwicklungen der Patente mit, was zur Verlängerung des Patentschutzes führt.

    Bringt uns in die späten 1970er, als die ersten, als schnöde Mark VI-Kopien gedissten Yamaha auftauchten...

    Bis dahin hatte sich Selmer bereits einen ganz guten Namen als bequemes, zuverlässiges und vielseitiges Horn für Vielspieler gemacht.
    Die anderen Aspekte wie sich änderndes Klangideal usw. spielen natürlich auch eine Rolle.

    Und zumindest Conn wurde das alte Design prima ans US-Militär, Polizei, Feuerwehr, stattliche Schulen und Colleges usw. los, die gehalten waren (und sind) amerikanisch zu kaufen. Great, man!
     
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  19. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Ich auch. Das Ding gehört ein wenig anders in die had genommen als ein neues, da muss man vielleicht bisschen suchen am Anfang. Dann passt das alles mit Palmkeys, Pinkys und Oktavdrücker. Auch andersrum muss ich mich wieder gewöhnen, geht aber auch.
     
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  20. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier


    Das mag am eigenen Körperbau oder der Haltung des Instruments liegen. Mir jedenfalls geht es umgekehrt: 6m, 10m 12m fallen mir in die Finger. Modernere Bauweisen sind für mich dagegen "grausig". Bei Keilis, die ja auch guten Sound haben können, klemme ich mir früher oder später den linken kleinen Finger in der Mechanik ein ;-) ...... und die Hebelwege sind bei meinen Conns auch deutlich kürzer.

    Ich vermute, dass vieles von Moden und der Spielumgebung abhängt. Die "modernen" Selmer brauchen eine mikrofonierte Umgebung und haben da für viele wohl deutliche Vorteile. Das andere Frequenzspektrum, bedingt durch die andere Mensur, klang für viele in einer E-Gitarrenumgebung wohl stimmiger oder auch durchsetzungsfähiger (hörte ich mal). Umgekehrt - ohne Mikro im voll besetzten Club - haben die amerikanischen Instrumente die bessere Durchsetzungskraft. (Dafür waren sie ja auch gebaut: Savoy Ballroom ganz ohne Amps). Ich wundere mich da bei Aufnahmen in solchen Umgebungen immer, wieso ich so laut bin und man die Selmers kaum hört.


    Keep swinging

    Euer Saxax
     
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