Wie man Sax spielt (Satire)

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Rick, 19.August.2008.

  1. Rick

    Rick Experte

    Folgenden lustigen Text habe ich auf einer US-Sax-Seite gefunden, ihn zwischendurch aus dem Englischen übersetzt und wollte ihn Euch nicht vorenthalten.
    Manch einer kann sich darin wiederfinden (ich mich natürlich auch!)... :-D


    Kapitel 1 - Grundlagen

    Das Wichtigste zuerst: Man benötigt unbedingt eine lustige Kopfbedeckung, je alberner desto besser, vorzugsweise ein Barett.
    Eine Sonnenbrille wäre nett, zumal alle wirklich, wirklich guten Spieler eine tragen, besonders in geschlossenen Gebäuden.

    Weiterhin braucht man Auftrittshemden – Hawaii macht sich da schon mal gut, alles mit großen, auffälligen Blumenmustern ist akzeptabel, es gehen aber auch T-Shirts diverser Jazz-Clubs sowie -Festivals. Das Gute bei den letzteren ist, dass man diese auch per Versand bekommt, man muss sich also nicht der Unannehmlichkeit aussetzen, eventuell tatsächlich Live-Musik zu sehen und hören. Und Sandalen sind ein absolutes Muss, sogar im Winter.

    Wenn man nun einmal die richtige Ausstattung zusammen hat, kann das Üben beginnen. Eines der wichtigsten Dinge beim Spielen ist die Fähigkeit, dem Publikum Emotionen zu vermitteln. Dies geschieht am besten durch verschiedene Gesichtsausdrücke. Die beiden Gefühlsregungen, die man auf jeden Fall beherrschen sollte, sind
    (1) Begeisterung/Ekstase, sowie
    (2) tief empfundene Seelenpein und Trauer (sprich: der Blues).

    Es mag sicher hilfreich sein, sich zu diesem Zwecke einer Methode von Schauspielschulen zu bedienen. Um beispielsweise Begeisterung überzeugend zu vermitteln, sollte man sich etwas Hübsches vorstellen – etwa niedliche Schoßhündchen, oder einen Blow Job von Angelina Jolie, während man von John Coltrane mit Wiener Würstchen an Trüffelsoße gefüttert wird.
    Um den “Blues” rüberzubringen, stelle man sich etwas wirklich Schreckliches vor – wie chronische Darmkrämpfe oder Dieter Bohlen.

    Diese verschiedenen Gesichtsausdrücke sollte man täglich mindestens zwei Stunden vor dem Spiegel üben. Das mag einem zunächst lächerlich vorkommen, aber man kriegt die Mädels nicht, indem man auf der Bühne herumhüpft wie ein tollwütiger Schimpanse, mit verzerrter Fratze, als würde einem ein Bullterrier an der Bauchspeicheldrüse knabbern.
    Denn schließlich: Mädels abzuschleppen ist das, worum sich alles in der Musik dreht.

    (Wird fortgesetzt)
     
  2. Rick

    Rick Experte

    Kapitel 2 – Ligatur, Blätter und das Instrument selbst

    Als nächstes braucht man die korrekte Ligatur.
    Manche Leute meinen, die Ligatur sei bloß ein blödes altes Metallteil, um das Blatt am Mundstück zu befestigen. Nun, diese Leute haben keine Ahnung. Neben dem Barett ist die Ligatur das wichtigste Einzelteil der gesamten Saxofon-Ausstattung, die man sich unbedingt anschaffen muss.
    Meine Ligatur beispielsweise besteht aus 40 % Platin und 60 % Titan, eine Schraube besteht aus Rubidium, die andere aus Plutonium. Damit klinge ich exakt wie Bob Berg, wenn dieser nicht
    (1) tot wäre und/oder
    (2) sich auf dem Mars befände.
    Man mag Jahr um Jahr und Tausende Euro mit der Suche nach der geeigneten Ligatur verbringen, doch das Ergebnis wird diesen Aufwand definitiv wert sein.

    Nun die Blätter.
    Optimal wäre es gewiss, nach Südfrankreich zu ziehen, dort sein eigenes Schilfrohr zu pflanzen und daraus die Blätter per Hand zu schnitzen. Ist man allerdings bloß ein Amateur, kann man sie auch im Laden kaufen.
    Zuerst kauft man 10 Schachteln, also insgesamt 100 Reeds. Dann öffnet man alle Schachteln und schmeißt 60 Blätter weg; die waren absolut unspielbar.
    Die verbliebenen 40 legt man in eine Mischung aus exakt 27,8 % Industriealkohol und 72,2 % Nasenschleimextrakt für einen Zeitraum von etwa 17 Wochen.
    Dann wirft man weitere 20 Stück weg, denn die waren zu dumpf.
    Die restlichen 20 nimmt man und schleift jedes von ihnen genau 13 Sekunden lang mit 120 nm feinem 3-M-Sandpapier ab.
    14 Blätter wandern in den Müll; sie quietschten.
    Man nimmt die übrigen 6 Reeds und legt sie weitere 17 Wochen ein, diesmal allerdings in ein Gemisch aus exakt 27,8 % Nasenschleimextrakt und 72,2 % Industriealkohol.
    Anschließend werden die 6 Stück 3 Wochen lang an der Sonne getrocknet, idealerweise am Äquator, dann wirft man 3 weitere weg, aus allgemeinen Gründen.
    Jetzt hat man endlich drei Blätter, die mehrere Monate halten werden – vorausgesetzt, man spielt sie nicht länger als 20 Minuten am Tag in striktem Wechsel.

    Nun hat man gerade ein Saxofon gekauft. Egal welche Marke, jeder andere Spieler wird einem empfehlen, es unverzüglich wieder los zu werden und sich ein anderes anzuschaffen.
    Das Beste, was man kriegen kann, ist natürlich ein Selmer Mark VI, gebaut am 14. Juni 1963 um 16 Uhr 27, Seriennummer 63554x. Wenn man so eines nicht bekommt, sollte man natürlich bedenken, dass die ältesten und teuersten grundsätzlich auch die besten Instrumente sind.

    Die folgenden Marken sind gut: Selmer Paris Mark VI.
    Diese Marken taugen nichts: Jedes andere Selmer, Keilwerth, Grassi, Amati sowie alles aus Fernost.
    Auf gar keinen Fall sollte man ein Horn anspielen, bevor man es kauft – man richte sich streng nach Ruf und Preis.

    (Wird fortgesetzt)
     
  3. Rick

    Rick Experte

    Kapitel 3 – Sonstige Ausrüstung und das Spielen

    Weiterhin benötigte Ausrüstung:
    Ein Instrumentenkoffer, der in der Lage ist, einem atmosphärischen Druck von dP = - Dg dz zu widerstehen; wobei es sich bei D und g um den Luftwiderstand und die Beschleunigung in Beziehung zur Schwerkraft in der Höhe der Luftschicht handelt, während dz eine horizontale Luftschicht mit ebener Oberfläche und unendlicher Dichte ist;
    ein Metronom;
    ein Stimmgerät;
    ein kombiniertes Alto-Tenor-Bariton-Stativ mit Zusatzhalterungen für Oboe, Bassklarinette, Flöte, Englischhorn und Fagott;
    das Computer-Programm “Band in a Box”;
    jede Aufnahme von Aebersold-Play-Alongs, die jemals entstanden ist;
    einen Blattschneider;
    Wischer, Putzer, Polsterpflegemittel;
    ein Sennheiser Digital 1092 Drahtlos-Mikrofon;
    ein Effekt-Rack mit Digital-Hall und parametrischem Equalizer;
    einen 200-Watt-(pro Kanal, versteht sich!)-Verstärker sowie einen 18-Zoll-Monitor.

    Es wäre sicher hilfreich, sich eine Menge Saxofonisten anzuhören. Unglücklicherweise ist das ausschließliche Anhören von Spielern, die man mag, absolut das Schlimmste, was man tun kann.

    Um wirklich die Musik und ihre Traditionen zu verstehen, muss man zu deren Anfängen gehen und sollte sich jedes Musikstück reinziehen, das jemals aufgenommen wurde. Ich würde mit Madrigalen starten und mich dann vorwärts arbeiten. Ist man schließlich im 20. Jahrhundert angelangt, sollte man Künstlern wie Jimmy Dorsey, Boots Randolph und Max Greger die größte Aufmerksamkeit widmen, denn diese sind die Begründer der modernen Sax-Spielweise.
    Auf diese Weise wird man in kürzester Zeit oder 2034 – was immer zuerst eintritt – fähig sein, die einzigartige Bebop-Stilistik von Größen wie Ace Cannon, Pete Tex und Captain Cook nachzuvollziehen.

    Kommen wir schließlich zum Saxofonspiel selbst:
    Legen Sie die Finger um das Instrument und pusten Sie in die kleinere Öffnung.
     
  4. dereiflerinbayern

    dereiflerinbayern Ist fast schon zuhause hier

    :sensatio: ...ist was Wahres dran.
     
  5. Rick

    Rick Experte

    Gell? ;-)

    Hier findet sich übrigens das englische Original "HOW TO PLAY THE SAXOPHONE" (im Kapitel "MUSICIAN'S HUMOR"):
    http://www.saxgourmet.com/home.html

    Ich will mich schließlich nicht mit fremden Federn schmücken - Ehre, wem Ehre gebührt: Ich hab den Text nicht erfunden, sondern lediglich ins Deutsche übertragen! :)


    Schönen Gruß,
    Rick
     
  6. Sax_Addict

    Sax_Addict Ist fast schon zuhause hier

    *LOL*
    "Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein" ... oder so.

    Ich erkenn' mich bei manchem sogar wieder...
     
  7. Rick

    Rick Experte

    Mir gefällt der Abschnitt über die Blätter am besten, natürlich gefolgt von dem über den Sax-Kauf. :lol:

    Am meisten wieder erkannt habe ich mich im vorletzten Absatz über das Hören von Musik, doch dazu stehe ich auch. :p

    (Und der letzte Satz des ersten Kapitels war sicherlich für mich als Teenager schon ein nicht ganz unwichtiger Grund, Musiker werden zu wollen...) :roll: :oops:

    Freut mich jedenfalls, wenn Ihr mit dem Text Spaß habt, dafür hab ich ihn ja eingestellt - nicht als ernsthaften Beitrag, sondern zur Entspannung! :)


    Grüße,
    Rick
     
  8. Gast

    Gast Guest

    Hawaiihemd, Grimassen, Ligatur und die herrlich detaillierte Darstellung des Umgangs mit den Reeds! Wie wahr!

    Was fehlt, sind die richtigen Zigaretten. Wir haben in den 60ern als jugendliche Jazzer nicht nur Baskenmützen getragen und mit "Nothing but Jazz" beschriebene Schultaschen, sondern auch Rothhändle, Gullies oder Gitanes geraucht (*würg*)!

    @Rick: Dieter Bohlen stand aber sicher nicht im Original! Auf jeden Fall eine treffende Ergänzung!

    Für mich am schönsten der Absatz über das eigentliche Spielen:
    Stimmt doch, oder?

    Gruß, Jürgen
     
  9. Rick

    Rick Experte

    Hallo Jürgen!

    Stimmt, im Original stand Alec Baldwin - ein typischer US-Gag, bezogen auf die politischen Äußerungen des Schauspielers, der bei uns so nicht nachvollzogen wird.
    Ich habe also ein paar Namen verändert und die Schilderungen insgesamt etwas mehr dem europäischen/deutschen Kontext angepasst (Max Greger, Pete Tex und Captain Cook waren auch nicht im Original, dafür Musiker, die hierzulande eher unbekannt sind). :cool:

    Freut mich! Eine gute Übersetzung ist ja immer eine Art "Nachempfindende Neu-Schöpfung", beim sturen Übertragen Wort für Wort gehen gern mal ein paar Pointen verloren... :roll:

    Das ist natürlich der absolute Brüller, klar! :lol:

    Im Endeffekt gilt doch immer wieder:
    Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es. ;-)


    Schönen Gruß,
    Rick
     
  10. Sax_Addict

    Sax_Addict Ist fast schon zuhause hier

    Klugscheiß-Modus an

    Das nennt man im Fach-Jargon Lokalisierung von Texten (inhaltliche Anpassung/Veränderung des Quelltextes an den Sprachgebrauch und den Kulturkreis der Zielsprache - im Unterschied zur reinen Übersetzung).

    Klugscheiß-Modus aus


    Ich finde mich u.A. in der Kopfbedeckung-Aussage wieder: für unser letztes Bigband-Konzert hab ich mir auch einen schicken 30/40er-Jahre Hut gekauf, um ja cool auszusehen. ;-)

    Grüße
    Sax_Addict
     
  11. mcschmitz

    mcschmitz Strebt nach Höherem

    Ganz wichtig beim Outfit:
    Das Ziegenbärtchen!!! :cool:

    (Siehe auch hier)
     
  12. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Herrlich!

    :ironie:

    aber warum "lokalisierst" Du bei der Übersetzung ausgerechnet mit meinen Lieblings-Saxophonisten Pete Tex und Captain Cook?
    :karte:

    Gruß aus dem Schwarzwald
    Bernd
     
  13. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Ja, wirklich genial. Ich hab den Text schon mal in Englisch gelesen, aber übersetzt liest sich das ganze noch viel entspannter. Danke Rick, finde ich sehr gelungen.

     
  14. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Hallo chrisdos,
    schönes Bild! Aber: Ist Dir aufgefallen, dass das Mundstück verkehrt montiert ist? Der Tisch zeigt nach oben! ;-)

    Gruß aus dem Schwarzwald
    Bernd
     
  15. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Hallo Bernd,

    ja, das ist doch das neue mpc für den entspannten, zahnlosen Ansatz.

    Liebe Grüße

    Chris
     
  16. Bostonsax

    Bostonsax Strebt nach Höherem

    @Rick: Hammergeil :-D Das mit den Reeds ist das beste!

    @Chrisdos: und wenn ich mir das so anschaue spart es auch Reeds das Mundstück :) coole Sache, kann man das bei dir bestellen?;-)

    Grüße Bostonsax
     
  17. jax

    jax Kann einfach nicht wegbleiben

    @ Rick: Steht nichts von den Schuhen, dabei habe ich mir extra welche gekauft... :)
     
  18. TenSax

    TenSax Ist fast schon zuhause hier

    Doch, in Kapitel 1:
    "Und Sandalen sind ein absolutes Muss, sogar im Winter."

    Absolut der Hammer, und wie nahe an der Praxis...
    Ich finde mich auch bei den Reeds wieder! :-D

    Grüße
    Ten.
     
  19. Morello

    Morello Ist fast schon zuhause hier

    :sensatio:


    hier noch mehr.

    Gruß
    Morello
     
  20. Rick

    Rick Experte

    Hallo Morello,

    Danke für den Link - wenn ich gewusst hätte, dass der große Herr Schaal den Text bereits übersetzt hat, hätte ich mir ja die Arbeit sparen können! :-o

    Allerdings hat er sich sehr eng ans Original gehalten und weniger "lokalisiert" - ist schon interessant, die beiden Versionen mal im Vergleich zu lesen. :roll:

    War auf jeden Fall mal eine nette Übung für mich. :)


    Schönen Gruß,
    Rick
     
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