Bläserklasse - Wünsche, Chancen und Missverständnisse

Dieses Thema im Forum "Anfänger Forum" wurde erstellt von Brille, 26.März.2016.

  1. flar

    flar Guest

    Moin, moin @Rick und @saxhornet

    Ich bin mir sicher das es von Euch nicht so beabsichtigt ist, aber rein praktisch bedeutet das keine Bläserklasse für Schulen und Eltern die sich das nicht erlauben können!

    Aber gerade für die Kinder deren Eltern es sich nicht leisten können ihren Nachwuchs auf eine Musikschule zuschicken sind solche Ergebnisse
    oft endlich mal ein Erfolgserlebnis und man erreicht damit glaube ich bei einigen sehr viel mehr für ihre Zukunft als man denkt und die muß ja nicht zwingend im perfekten beherrschen eines Instrumentes liegen!
    So wünschenswert das auch wäre.

    Viele nachdenkliche Grüße Ralf
     
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  2. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Zum Thema Bläserklasse kann ich nur sagen, ich wünschte mir, es hätte sowas zu meiner Zeit gegeben, also wenn ich so an den praktischen Anteil im Musikunterricht denke, naja...

    Zum Allgemeinen:

    Seitdem ich in England lebe, sehe ich viele Dinge etwas anders. Vieles, was ich in Deutschland als selbstverständlich angenommen habe, gibt es hier einfach gar nicht. Die Klassengesellschaft schlägt hier so durch, das kann man sich erst vorstellen, wenn man hier lebt. Für Deutschland kann man denke ich sagen, dass man sein Kind problemlos auf eine staatliche weiterführende Schule schicken kann, ohne ihm auf weiteres die Zukunft zu verbauen, das heißt, eine vergleichsweise gute Schulbildung ist in D für die Eltern nicht mit unmenschlichen Kosten verbunden. Wer hier in England nicht in eine sauteure private Schule für die Sprößlinge investiert (und wir reden von etwa 15000-20000 Pfund pro Jahr!!!), kann davon ausgehen, dass es mit einem Studium extrem schwierig werden dürfte (das Studium kostet natürlich nochmal extra, und leider muss man in England vieles studieren, was in D eine Ausbildung wäre, z.B. Krankenschwester oder Hebamme). Die staatlichen Schulen sind in der Regel so schlecht, da haben die Kinder kaum eine Chance. Ich habe mich z.B. gewundert, wie unglaublich schlecht die allgemeinen Rechtschreibfähigkeiten sind (also nicht die versnobte Elite, die sich an den Top-Unis ausgetobt hat :D). Und die meisten behaupten dann allen Ernstes, sie seien Legastheniker, wirklich unglaublich - gefühlte 75% des Landes sind also Legastheniker, alles klar. Es kriegt ja auch kaum einer zwei zusammenhängende Sätze in einer Fremdsprache hin... Ich würde mal vermuten, das liegt eher an den extrem schlechten staatlichen Schulen....
    Will sagen, ich bin rückblickend extrem dankbar, dass ich in einem Land aufwachsen durfte, was mir und meinen Mitmenschen völlig unabhängig vom sozialen Status unserer Eltern (und deren finanziellen Möglichkeiten) die Chance gegeben hat, auf vergleichsweise gutem Niveau zu lernen. Klar gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten.
    Aber in England würde ich keine Kinder großziehen wollen. Das Land ist Turbokapitalismus pur. Hauptsache wir haben reichlich Geld für unsere Atom-U-Boote. Gebildete Bürger stellen viel zuviele unangenehme Fragen... :D
    Ich bevorzuge dann doch ein System, wo die Steuern etwas höher sind aber Bildung, Kultur und Soziales als Allgemeingut angesehen werden.

    LG Juju
     
  3. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Ein bisher noch nicht angesprochener Aspekt von Bläserklassen (an Gymnasien): sie bieten studierten Musikern zusätzliche Einkommensmöglichkeiten.

    So höre ich das jedenfalls von befreundeten Profi-Musikern, die sonst als Dirigenten oder als Fachlehrer an Musikschulen arbeiten. Die sind froh, dass sie auch Bläserklassen unterrichten dürfen (und dafür bezahlt werden). Unser Dirigent vom Blasorchester z.B. (als Dirigent und sicher als Trompeter sehr gut) unterrichtet dort auch die Holzbläser. Da hat er einen Kurs gemacht und kennt die Griffe ... Nein, ich will damit nicht sagen, dass er es schlecht macht.
     
  4. Marko74

    Marko74 Ist fast schon zuhause hier

    Letztendlich muss man kein Zimmermann sein, um eine Stichsäge im Werkzeugschrank liegen zu haben. ;-)
     
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  5. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Ich weiß, das ist off-topic und ich werde sicher mit meiner Meinung wieder mal anecken, aber was ich an der ganzen Diskussion um "schlechte Schulen" nie kapiere: Das Vermitteln der Grundfertigkeiten in Lesen, Schreiben und Rechnen erfordert genau eine Tafel und eine Schachtel Kreide. Das ist kein Kosten Problem, sondern ein Problem mangelnden Interesses seitens der Kinder und Eltern. Meine Kinder würden vernünftig Lesen und Schreiben lernen, auch ohne dass sie auch nur einen Tag in irgend eine Schule müssten, einfach weil ich Wert darauf lege und es in unserer Familie dazu gehört wie Essen. Man muss das nur als erstrebenswertes Ziel vorleben, dann kann man die Kinder von sich aus davon begeistern.

    Genau genommen braucht man für 90% dessen was man in einer Schule lernt keine "gute Schule" sondern bestenfalls eine gute Bibliothek und ein wenig Interesse. Wie hat es Will Hunting im gleichnamigen Film formulieren dürfen: "Ihr gebt $100.000 für eine Ausbildung aus, die ihr kostenlos in jeder Leihbibliothek bekommen könnt". Ich habe manchmal den Eindruck, dass manche Menschen "Bildung" für was unanständiges halten mit dem man bloß nichts zu tun und keinesfalls daran teilhaben will.

    Wenn man aber die Kinder schon im Vorschulalter vor die Glotze setzt "damit sie Ruhe geben" und dann anstelle der "Sendung mit der Maus" lieber "Die Promi Shopping Queen" einschalten, braucht man sich nicht wundern, dass es mit dem Interesse an Bildung nicht weit her ist. Das ist aber kein Problem der staatlichen Schulen an sich, sondern ein Problem dass manche diese "Schulen" in Wirklichkeit mehr eine staatliche Stelle zur Kasernierung verwahrloster Kinder sind. Ein paar Stunden den Deckel drauf halten und zusehen, dass am Abend alle lebend wieder in die heimatliche Idylle entlassen werden können. Die brauchen dort keine Lehrer sondern Gefängniswärter oder Sozialpädagogen, je nach politischem Lager. Das sollte dann konsequent aber auch nicht dem Bildungs Ministerium im Budget liegen sondern dem Innenministerium oder dem Gesundheitsministerium. Man sollte das dann auch nicht "Schule" nennen.

    Es ist NICHT die Aufgabe einer Schule, den Kindern die Manieren beizubringen, die ihnen die Eltern daheim nicht beibringen wollen, sondern den Kindern die lernen wollen, Wissen zu vermitteln.
     
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  6. SomethingFrantic

    SomethingFrantic Ist fast schon zuhause hier

    Also ich bin sehr stolz darauf in einem Land zu leben, in dem jedem Kind, egal aus welcher sozialen Schicht es stammt und wie gebildet und wie wohlerzogen die Eltern sind, eine schulische Bildung zu Teil wird, die nicht nur stupides Lernen von Wissen beinhaltet, sondern die auch gutes Verhalten vermittelt. Dadurch wird Chancengleichheit garantiert und das Schicksal eines Kindes nicht durch seine Herkunft und sein Elternhaus determiniert.
    Dann braucht es doch wohl einen anderen, der für Bildung begeistert, wie eine Schule. Und eine Schule, die über viel Mittel verfügt, viel Anschauungmaterial hat und gute Lehrer beschäftigt, also eine "gute Schule" ist, kann das, so behaupte ich, eher als eine Schule mit zu vollen Klassen, unmotivierten Lehrern und veraltetem Equipment.

    In Deutschland kann man froh sein, dass die besten Lehrer nicht an privaten Schulen, sondern an staatlichen beschäftigt sind und dass die Schulen doch recht gut ausgestattet sind. Dadurch ist es sicher, dass jeder die bestmögliche Ausbildung erfahren kann und nicht nur diese, die sich die teuersten Privatschulen leisten können und die besten Elite-Unis.
    Wenn ich mal ausrechne, was meine Ausbildung bis zum Ende meines Studiums gekostet hat, da kommt man wahrscheinlich beim dreifachen deiner 100.000$ heraus. Eine Summe, die meine Eltern nicht hätten tragen können und ich bin froh, dass der Staat mir das ermöglicht und ich werde später für diesen Zweck auch mit Freuden Steuern zahlen, um auch anderen Leuten diese Möglichkeiten zu bieten.
     
  7. Brille

    Brille Strebt nach Höherem

    Leute, ich finde die Diskussion über die BK sehr interessant so lange, wie wir konkret um die Sacse streiten. Eine MetaDiskussion über das System im Allgemeinen hilft, wie immer, nicht weiter.

    Meine ich.

    Nu Butter bei die Fische.

    Finanzielle Betrachtungen zur BK:
    Angenommen, wir haben auf 6 Schüler einen Kundigen. Dieser kostet. Geld. Sagen wir, pro Stunde 30 Euro. Das wären im Jahr ca 1080 Euro bei 1 Stunde pro Woche und kleinen Sonderdiensten. Pro Schüler 180 Euro.
    Dazu kommt z.B. Instrumentenmiete von 25 Euro im Monat. Damit haben wir im Jahr 300 Euro. Pro Kopf.
    Dazu Kosten f. Noten, sonstiges Equipment 50 Euro. Pro Nase, sagen wir, 10.

    Damit sind wir bei 500 durch 12, lasst uns runden, 40 Euro. Selbst wenn wir hier knapsen und dort sparen, werden wir kaum unter 35 Euro kommen können. Und das führt zu größeren Diskussionen. Förderverein ist zwar vorhanden und spendet mal Instrumente, doch das fällt kaum ins Gewicht.

    Meint ihr wirklich, bei den Finanzen könnte man grundhaft was ändern?
     
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  8. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich bin kein Fan davon etwas mittelmässig zu machen als es nicht zu machen. Wenn man sowas wie eine Bläserklasse machen will, bedeutet das Aufwand und leider Kosten. Und ja, es ist schade, daß dem Staat viele andere Dinge wichtiger sind als sowas.
    Nur kenne ich einige Fälle und Folgen von schlechten Bläserklassen, wo viel gewollt wird aber die Durchführung einfach ein Problem ist. Da werden Pianisten generiert, denen eingebläut wird, sie wären super, können aber nach der Bläserklasse und Schulwechsel nicht einen Dreiklang spielen, sondern nur einstimmig mit einer Hand spielen. Trompeter und Saxophonisten, denen sämtliche Infos zu Atmung und Ansatz, Haltung oder Fingertechnik fehlen. Und da rede ich nicht von Kleinigkeiten, sondern so vielen Dingen, so daß es später echt hart wird das nochmal umzulernen.
    Jetzt kann man sagen, ist doch egal, Hauptsache sie können preiswert ein Instrument lernen. Und das sehe ich anders, auch diese Kinder haben ein Anrecht darauf es korrekt zu lernen und nicht einen Mist vermittelt zu bekommen, nur weil es Jemand nicht besser weiss. Damit wird den Kindern auch für die weitere Entwicklung was verbaut. Wechseln sie dann von der Grundschule aufs Gymnasium stellen sie dort plötzlich fest, so wie sie es gelernt haben geht es nicht und es macht ihnen das Leben schwer. Für Laien ist das immer schwer vorstellbar, wie stark die Basics einen Einfluss auf die weitere musikalische Entwicklung haben. Am Anfang lässt sich da noch was kompensieren und es fällt nicht auf, ab einem bestimmten Punkt wird es ein massives Problem und dann führt das zu Frust, sehr viel Frust bei den Kindern und spätestens dann wird das Instrument aufgegeben und das soll doch nicht das Ziel sein.
    Würdest Du Schulbücher ok finden, in denen was falsches drin steht und die Rechtschreibung nicht stimmt oder Lehrer, die im normalen Unterricht unkorrekte Dinge lehren oder irgendetwas den Kindern beibringen, unabhängig vom Lehrplan, denn überhaupt was lernen ist besser als kein lernen?
    Im Schulbereich würden sich alle aufregen aber bei Musik und Instrumenten soll man das nicht so eng sehen?
    Ich arbeite viel mit Schülern und finde Lehrer, die Bläserklassen und AG's machen, müssen da einer gewissen Verantwortung nachkommen. Und es gibt viele Lehrer da draussen, die an Schulen einen tollen Job machen gerade auch was Musik und AG's betrifft.
    Ich persönlich fühle mich aber viel besser wenn ich weiss eine Bläserklasse hat Jemanden wie Brille oder Mugger, die dafür sorgen, daß die Holzbläser gut unterstützt werden.
    LG Saxhornet
     
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  9. flar

    flar Guest

    Moin, moin Saxhornet

    Damit würde ich mich natürlich auch besser fühlen, gar keine Frage!

    Generell finde ich das selbstverständlich auch nicht richtig! Andererseits tauchen überall Fehler auf und auch kein Lehrer kann immer perfekt sein.
    Wenn es, nur mal angenommen, auswelchen Gründen auch immer, nur dieses eine fehlerhafte Buch geben würde, wäre es dann besser damit zu unterrichten oder lieber gar nicht?
    Also besser gar nicht schreiben und lesen können, als fehlerhaft?

    Sollte eine Bläserklasse die nicht optimal betreut wurde so etwas verursachen fände ich das genau so schade wie Du!
    Sollte aber diese nicht optimale Bläserklasse dazu beigetragen haben das jemand Spaß am Lernen bekommen hat und ihm da durch erst der Schritt zum Gymnasium ermöglicht wurde fände ich das durchaus vertretbar.
    Dazu möchte ich anmerken das mir hier im Umland keine Bläserklasse an einer Grundschule bekannt ist, aber das dürfte auch von Bundesland zu Bundesland verschieden gehandhabt werden.

    Grundsätzlich finde ich gut geführte Bläserklassen mit möglichst gut ausgebildeten Schülern natürlich besser!
    Aber Kindern etwas ganz vorzuenthalten nur weil sie die "falsche" Schule besuchen und/oder evtl. Eltern haben die zusätzliche Kosten nicht bewältigen können das kann es irgendwie auch nicht sein meine ich.

    Aus rein musikalischer Sicht stimme ich Dir in allen Punkten voll zu!

    Viele Grüße Ralf
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 12.April.2016
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  10. ppue

    ppue Experte

    Ich denke, das ist wirklich nicht generell zu diskutieren. Es wird gute und schlechte Bläserklassen geben. Und gute und schlechte Pädagogen, zu wenig und ausreichend Lehrer. Auch wenn man nicht auf allen Instrumenten ausgebildet ist, kann man dennoch Fehler erkennen und Hinweise geben, raten, vielleicht mal einen Lehrer für drei vier Stunden zu suchen. Da gibt es doch viele Möglichkeiten.

    Wie wollte man da generell zu einem Konsens kommen? Sehe ich nicht.

    Ich habe aber noch eine Frage zu den verkorksten Ansätzen von Bläsern, die man dann mit so viel Arbeit wieder abtrainieren muss. Was soll ich mir bei Schnabel- und Blechblasinstrumentalisten darunter vorstellen?

    Oder auch bei fehlender Stütze. Sollte doch jeder Lehrer bei jedem Bläser erkennen. Schlimmstenfalls hat der Schüler nach zwei Jahren immer noch keine Stütze. Das wirft ihn aber doch nicht zurück.
     
  11. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich würde ein Mathebuch bei Kindern ablehnen, das falsche Infos weitergibt und dazu führt, daß später das Kind Probleme mit Mathe hat. Dann lieber kein Buch.


    Ich glaube nicht, daß das eine Bläserklasse leisten kann.
    In Berlin findest Du Bläserklassen eher in der Grundschule und in den Gymnasien dann AG's wie Big Band, Orchester oder ähnliches.

    Und dann lieber falsch als gar nicht oder damit leben, daß wenn dann Jemand angefixt ist, die Eltern sich aber keinen Unterricht leisten können er später Probleme bekommt?

    Es ist ein Problem, das sich leider ohne Geld von den Eltern, der Schule oder vom Staat nicht ändern lässt. So frustrierend das leider auch ist.

    LG Saxhornet
     
  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Na klar wäre das zumindest sinnvoll. Nur wie hier schon gesagt wurde, einige können es sich nicht leisten, andere wollen es sich nicht leisten, weil die Schule es doch kostenlos eh anbietet und andere ahnen gar nicht, daß da vielleicht was schief läuft, weil sie es als Eltern gar nicht beurteilen können, wenn sie nicht selber das Instrument spielen.

    Fürs Blech musst Du entsprechende Blechbläser fragen, da weiss ich nur was mir Kollegen erzählt haben als wir über das Thema gesprochen haben. Beim Holz, solltest Du es selber wissen.
    Beispiele: Lippe komplett vor den Zähnen, Zähne setzen auf dem Mundstück oben nicht auf, doppelter Ansatz wie bei der Oboe, starkes Beissen, Kieferbewegung mit der Zungenbewegung gekoppelt, Zungenbewegung allgemein, viel zu viel Kraft von den Lippen, Backen aufblasen, offene Mundwinkel etc. etc.
    Manche Dinge lassen sich leicht korrigieren, andere sind sehr sehr aufwendig zu beheben, wenn sie erstmal automatisiert wurden.

    Aber nur wenn sich Jemand damit auskennt. Die Stütze ist noch das kleinste Problem allerdings führt mangelnde Stütze oft zu Beissen und zu festem Ansatz und Intonationsproblemen in den oberen Lagen.

    Lg Saxhornet
     
  13. ppue

    ppue Experte

    Na, ich sehe ein, dass man in vielen dieser Fälle nicht gut spielen kann. Dass es aber länger dauern soll, dass wieder "auszutrainieren" als wenn man gar nie in ein Horn geblasen hat, glaube ich nicht. Es ist wie bei der Stütze: schlimmstenfalls ist man die Jahre kein Stück voran gekommen und fängt von vorne an.

    Ich sehe da keine Gefahren bei. Viel ausschlaggebender und eigentlich das einzige Kriterium ist für mich, ob die Jungs und Mädels Spaß an der Sache haben.
     
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  14. saxhornet

    saxhornet Experte

    Es gibt Leute, da ist das kein Problem und da ist die Umstellung schneller machbar und dann gibt es Fälle, da wird es wirklich zum Problem. Vieles hängt davon ab, wie stark etwas automatisiert wurde. Es ist auf alle Fälle mit viel Grundlagenarbeit verbunden und das wollen nach einigen Jahren viele Spieler nicht mehr und geben dann lieber auf oder ändern es eben nicht und kommen aber auch nicht wirklich klar. Es hängt auch vom Körpergefühl des Spielers ab, ob man das schneller wieder weg bekommt oder nicht. Nur gerade Jugendliche auf dem Gymnasium in der Pubertät ticken da doch, gerade was Üben angeht, etwas anders und da wird es dann zum Problem.
     
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  15. Rick

    Rick Experte

    Du magst es nicht glauben, ich habe es mehrfach erlebt, gerade bei Grundschülern in schlecht gecoachten Bläserklassen.
    Wenn da mal etwas über mehrere Jahre so richtig falsch antrainiert ist, dann bekommst Du es nicht mehr raus: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr."

    Kein Kind, das sich nach ein paar Jahren einbildet, schon ganz gut zu spielen, ist erfreut über die Offenbarung des Gegenteils und groß motiviert, wieder von vorne anzufangen - dann lässt man es eher ganz sein, Sport oder Videospiele machen auch Spaß... :-(

    Mag ja sein, aber es gab und gibt sie: Jugendliche, die sich durch falsche Technik eine weitere Karriere VERBAUT haben, obwohl sie offenbar talentiert waren.

    Davor die Augen zu verschließen und die aufgetretenen Fälle mal einfach so zu ignorieren bringt niemanden weiter.

    Noch mal: Es geht nicht um ja oder nein für Bläserklassen GENERELL - es geht nur darum, dass man diese gut organisiert und damit keinen Schaden bei den Kids anrichtet.

    Ich frage mich sowieso, warum es denn unbedingt Blasinstrumente sein müssen und nicht Instrumente, die weniger gefährlich im Fall von falscher Technik sind. Keyboard-Grundkenntnisse haben noch keinem geschadet und weil es bei diesen Instrumenten nicht auf Kraft ankommt, kann man sich auch nicht so viele Fehler antrainieren wie bei Ansatz und Stütze. :)
     
  16. rbur

    rbur Moderator

    stell dir mal ein Keyboardorchester mit 30 Kindern vor ...
     
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  17. ppue

    ppue Experte

    Ja, es gibt immer Ausnahmefälle. Deshalb würde ich aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und wegen einzelner Fälle vielen anderen einen Zugang zur Musik verstellen.

    Ich denke, es werden unterm Strich mehr Jugendliche an die Musik heran geführt als dass sie wegen einer falschen Technik aufhören zu spielen.

    Dass die besten und vielsten Lehrer gerade gut genug für unsere Kids sind, ist doch eh klar.

    Es gibt durchaus gemischte Musikgruppen an Schulen.

    Und für den Keyboarder gilt genau das gleiche: einen verkorksten Fingersatz muss er auch erst einmal wieder abstellen. Und wer weiß, ob er da nicht lieber Fußball spielt.
     
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  18. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Es ist eine sehr schwierige Abwägung, ob die größere Zahl der zugewonnenen Kinder, die dranbleiben, die kleinere Anzahl derer überwiegt, welche aufhören "müssen", weil der Korrekturaufwand zu groß ist. Ein Instrument (vernünftig) zu Erlernen gönnen ich jedem Einzelnen bzw. jedem einzeln. Da liegt die Crux. Ich bin tendenziell eher bei saxhornet, dass man manche Dinge besser ganz oder gar nicht macht.

    Aber auf dem Gebiet hat fast jeder Musiklehrer an allgemeinbildenden Schulen mehr als ausreichend Kompetenz, um darauf zu achten. Außerdem sind Fingersätze, Über- und Untersätze nicht so ein Hexenwerk wie der Ansatz an einem Blasinstrument.
     
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  19. ppue

    ppue Experte

    Na, wenn Rick einen Schüler aus der Bläserklasse übernimmt., und der hat einen falschen Ansatz, dann wird Rick doch genug Pädagoge sein, dem Schüler nicht in der ersten Stunde zu sagen: Du machst alles falsch.
    Man wird ein wenig herum spielen und dann sagen, dass er ja schon sehr gut spiele. In der nächsten Stunde wird er vielleicht sagen, dass er einen Ansatz kennt, womit der Schüler noch viel mehr aus seinem Instrument rausholen kann. Dann ist der Schüler nicht verstört sondern eher motiviert.
    Er wäre ja eh nicht zu Rick gekommen, wenn da nicht schon eine Motivation hinter steckt.

    Kommt mir alles etwas schief und konstruiert vor.

    Es mag solche Fälle geben, aber bitte erzählt mir nicht, dass das die Regel sei und man deshalb keine Bläserklassen machen solle.

    Es gibt auch schlechte Instrumentallehrer. Deshalb schafft man den Unterricht auch nicht generell ab.
     
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  20. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Ich bin auch unendlich dankbar in einem Land zu leben, das eine solche Ausbildung jedem, unabhängig von Stand und Herkunft ERMÖGLICHT. Ich selbst habe sehr davon profitiert. Ich bin auch dafür dass die Besserverdienenden ihren Solidarbeitrag dazu leisten sollen. Es ist aber ein Angebot und das muss letztendlich auch von der Gegenseite angenommen werden, damit es funktioniert. Das ist keine Einbahnstraße. Dass wir eine Schulpflicht (eigentlich nur eine Unterrichtspflicht) haben wird von vielen in dem Sinn missverstanden, dass Staat und Lehrer dafür verantwortlich wären, das aus dem Kind mal "was wird". Die Kinder werden in der Schule abgeladen und alles was dann in deren Leben nicht klappt war die Schuld der Lehrer. Tatsächlich haben wir hier ein UnterrichtsRECHT. Niemandem wird eine gute Ausbildung verweigert, nur weil man sich das nicht leisten kann. Die Unterrichtspflicht wurde auch nicht eingeführt um Kinder zu quälen (auch wenn die das anders sehen), sondern um zu verhindern, dass Eltern ihren Kindern eine Ausbildung verweigern.

    Was aber vielen offenbar verloren gegangen ist, ist die Erfahrung, dass man für jeden Erfolg auch selber was beitragen muss. Jeder will alles können, aber kaum einer will sich dafür anstrengen. Das Einmaleins muss man lernen. Das ergibt sich nicht von alleine, auch nicht wenn man in freundlichen Kleingruppen im pädagogischen Schlaraffenland sitzt. Ein Instument muss man üben, wenn man es später "können" will. Sätze oder Noten müssen gelesen werden, und zwar richtig viel davon und von gutem Stil, wenn man später lesen und sich sprachlich oder musikalisch ausdrücken können will.

    Jein. Nobelpreisträger gab's auch schon vor der Erfindung des iPad und multimedialer Präsentation. Das war eine Zeit in der man sich schon privilegiert fühlte, überhaupt zur Schule zu dürfen. Ich bin sehr dafür die Hürden für den Erwerb von Wissen und Erfahrung möglichst niedrig zu machen, aber gerade die Grundfertigkeiten kommen gut ohne hoch modernes Equipment aus. Bleistift und Papier reichen dafür meist vollkommen. Dass jeder Jahrgang neue "Malbücher" braucht die während des Unterrichts voll gekritzelt und am Jahresende weggeworfen werden fördert nicht die Wertschätzung für gutes Lehrmaterial und verbessert auch nicht die finanzielle Lage der Schulen.

    Dass laut aktueller Studie ein Viertel der 15-16 Jährigen nicht sinnerfassend lesen kann liegt sicherlich nicht an "veraltetem Equipment". Auch von den Lehrern kommt keiner unmotiviert aus der Ausbildung. Die verlieren ihre Motivation, weil sich kei Aas dafür interessiert was sie leisten und weil sie schon beim kleinsten Versuch, erzieherische Fehler zu korrigieren von allen Seiten angefeindet werden. Irgendwann wollen nicht nur die Schüler sondern auch die Lehrer nur noch ihre Zeit absitzen.

    Um den Bogen zur Bläserklasse noch zu kriegen:

    Sicher wäre es wünschenswert wenn für jeden Musikschüler ein optimaler Lehrer zur Verfügung steht und das beste Equipment das zu haben ist. In jedem anderen Fall ist zu erwarten, dass die Ausbildung Mängel hat, dass etwas suboptimal oder gar "falsch" gelernt wird. Abgesehen davon, dass "falsch" auch nicht immer so eindeutig ist.

    Hat also Junior ein paar Jahre einen "ungeeigneten" Ansatz geübt und schmeißt nun alles hin, weil das Umlernen mühsam ist, er den Anschluss verliert und deshalb nie erster Trompeter in der Philharmonie wird? Wäre er ohne Bläserklasse aber auch nicht geworden, weil er es vermutlich gar nicht erst probiert hätte. Wer weiß wofür das gut ist? Er kann trotzdem noch Präsident werden, Arzt oder auch Lehrer, Gärtner, Bauer oder Pfleger. Wäre es ihm wirklich wichtig, würde er selbstverständlich weiter machen und davon profitieren, dass es so wie bisher eben nur bedingt geht. Das Leben ist kein gerader Weg. Vielleicht wird er später ja noch begeisterter Gitarrist. Ich habe noch von keinem gehört: "hätte ich nur einen besseren Lehrer gehabt". "Hätte ich doch damals nicht aufgehört" habe ich aber schon öfter mal vernommen.

    In meinem Leben gibt's auch ein paar "wenn's". Nur ergehe ich mich nicht in Schuldzuweisungen. War wirklich ein unmotivierter Professor an der Uni Schuld, dass ich kein großer Wissenschaftler geworden bin? Hätte ein motivierter Musiklehrer aus mir einen berühmten Musiker gemacht? Wäre mein Leben jetzt "besser" wenn ich in eine alte Adelsfamilie geboren worden wäre?

    Ich würde so eine "Musikalische Gruppe" auch dann befürworten, wenn sie nur von einem einzelnen Laienmusiker geleitet wird, den Anspruch aber entsprechend reduzieren. Es kann immer noch Spaß am Musizieren vermitteln und wer angefixt ist findet auch einen Weg das "richtig" zu machen. Es soll gelegentlich sogar vorkommen dass Familien ganz ohne professionellen Beistand zu Hause Musik machen oder sich selbst Instrumente oder das Singen lehren und lernen. Keiner hätte nach meinem Wissen je vorgeschlagen das zu verbieten, weil die Gefahr besteht, dass man was "falsch" lernt und dann nie wieder korrigieren kann.
     
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