Über den Umgang mit Kritik

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Juju, 10.April.2015.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Mach mal ein Beispiel.

    Ich teile deine Kunstauffassung nicht. Kunst ist nicht nur subjektiv fassbar. Kunst ist eine Form der Kommunikation des Künstlers mit der Gesellschaft. Und die hat sich nicht auf den Standpunkt zurück zu ziehen: "Gefällt mir oder gefällt mir nicht". Das kann der Einzelne gerne tun, aber dann diskutiert er nicht über Kunst und hat sie auch nicht zu bewerten.
    Wenn ich ein Kunstwerk kritisiere, dann kann ich das schlecht tun, wenn ich noch nie im Museum war. Dann habe ich keine Kompetenz. Die Kunstwerke von Beuys, er wurde schon erwähnt, kann man nicht verstehen, wenn man sich mit dem Künstler nicht auseinander gesetzt hat. Das ist das Gleiche, wenn die Leute sagen: "Parker, das ist Gedudel".
    Es gefällt nicht, weil es nicht verstanden wird.

    Und es ist die gesellschaftliche Aufgabe, die Kommunikation zu führen, die der Künstler fordert. Wir sind aufgefordert, Stellung zu beziehen. Ansonsten hängen wir uns schöne Bilder an die Wände und lassen den ganzen Mist mit der Kunst weg.
     
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  2. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja.

    Ich kann jedem nur raten, sich gelegentlich mal Führungen anzuschauen. Zum Beispiel gibt jeden ersten Mittwoch des Monates ab 18:00 Uhr in Düsseldorfer Museen zahlreiche kostenlose Führungen. Man glaubt oft nicht, was man alles über ein Kunstwerk erfahren kann.
     
  3. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Dass ein Profi sein Handwerk idealerweise besser als ein Amateur verstehen sollte, gilt doch für jeden Beruf. Ich bin in meinen Beruf Profi und in der Musik Amateur.

    Als Amateur habe ich nur eine Chance gut zu sein, wenn ich mich auf eine Nische spezialisiere.

    In meiner Nischenmusik spiele ich ab und zu auch mit guten Berufsmusikern und bekomme ihrerseits positive Kritik und viel Respekt. Dennoch würde keiner von denen mich auffordern, deren Musik (z.B. Jazzstandards, klassische Musik) zu spielen; denn da bin ich einfach zu schlecht.
     
  4. Rick

    Rick Experte

    Hallo ppue!

    Natürlich ist heute das öffentliche Konzertleben oft ein abgeriegelter Bereich, aber das ist für mich eine historische Ausnahme.
    Ich kenne auch Absolventen von Musikstudien, die trotzdem hinterher einen anderen Brot-Beruf ergriffen haben, also dementsprechend "Amateure" geblieben sind.
    Meine Mutter konnte zwar ihr Musikstudium nicht abschließen, studiert hat sie trotzdem.

    An Musikschulen erlebe ich gerade, dass immer häufiger nicht-studierte Lehrer als Honorarkräfte engagiert werden, weil diese den Musikschulen weniger Kosten verursachen.

    Das sehe ich nicht so, und nicht nur im Bereich Jazz und Popularmusik.
    Manche Musiker haben ein klassisches Studium abgeschlossen, danach aber nicht lange in dem Bereich gearbeitet, sondern "gute Partien" geheiratet. Ihre vermögenden Ehegatten finanzieren ihnen quasi ein Hobby auf professionellem Niveau, sie sind nichtsdestotrotz nach meiner Definition Amateure, weil sie nicht ihren gesamten Lebensunterhalt durch Musik bestreiten. Solche Fälle kenne ich sogar mehrheitlich, besonders in der Klassik!

    Schöne Grüße,
    Rick
     
  5. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Super formuliert!
     
  6. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Genau.

    Profi kommt von Profession, also Beruf.
    Ein Profi ist jemand, der davon lebt, bestimmte Bedürfnisse (s)einer Zielgruppe reproduzierbar zu befriedigen.
    Ob als Fliesenleger oder mit irgendwelchen aussergewöhnlichen körperlichen Fähigkeiten (Klavier spielen mit den Füßen, im Zirkus), Steuerberater usw.
    Welche Ausbildung er dazu hat, ist imho irrelevant. Es geht nur darum, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu erfüllen. Die Zielgruppe Brötzmanns ist eine andere als die des Zirkusartisten.
    Brötzmann muß für seine Zielgruppe keine funktionsharmonische Kenntnisse haben, ev würden die sogar stören.
    Insofern sind Kentnisse, know how etc an sich kein Kriterium für Professionalität.
    Insofern kann ein Bluesmusiker mit Wissen von drei Akkorden Profi sein, obwohl der taxifahrende Jazzkollege viel mehr weiss und kann, aber kein Profi ist, der davon lebt.

    Naja, jetzt mal ganz streng abgeleitet.

    Cheers:)


    http://swing-jazz-berlin.de/
     
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  7. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Aber es ist doch eigentlich eher egal, womit jemand seinen Lebensunterhalt bestreitet.

    Die Frage was ein Profi ist, also, was eine Profession eigentlich ist, darüber haben schon Soziologen wie Fritz Schütze, Ulrich Övermann und Niklas Luhmann viel empirisch gearbeitet - kann alles nachgelesen werden - und letzterer und Pierre Bourdieu haben es noch um den Begriff des Habitus erweitert.

    Darüber kann man auch trefflich reden. Viele Musiker leben von der Musik mit den entsprechenden Problemen und einschränkungen. Andere haben reich geheiratet, gut geerbt oder haben einen Brotberuf. Letztenendes geht es darum - etwas Talent und Begabung vorausgesetzt - sich möglichst viel und intensiv mit dem Instrument und der Musik zu beschäftigen, dann wird auch mit der Zeit etwas brauchbares heraus kommen.

    Der Eine versteht sich dann eher als Künstler und versucht, die Grenzen der Musik auszuloten und zu verschieben, wobei man davon allenfalls leben kann, wenn man eine Professur an einer Hochschule hat, der andere lebt als freier Lehrer vom Unterrichten und noch ein anderer verdingt sich als Unterhaltungsmusiker. Hat alles seine Berechtigung und mag Kunst, Kunsthandwerk oder auch nur Handwerk sein, hauptsache es macht Spaß und befriedigt, das ist schon mehr als viele von Ihrem Job heutzutage sagen können.

    Aber was hat dfas noch mit Kritik zu tun?

    "Kritik ist immer auch ein Feedback" sagt der Trainer im von Bernd verlinkten Beitrag.

    "Und jedes Feedback ist ein Geschenk" versuche ich immer zu sagen. Von daher sollte man jede Kritik dankbar annehmen, aber immer auch schauen, wer diese äussert, in welchem Ton und in welcher Form. Und Spiegelneuronen lügen nicht! ;-)
     
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  8. Rick

    Rick Experte

    Na gut, dann sagen wir eben: "Ich mag mit diesem Künstler nicht kommunizieren oder mich auf eine Kommunikation mit ihm einlassen."

    Letztlich muss ein Künstler bzw. sein Kunstwerk in irgendeiner Weise faszinieren, sonst lässt man es links liegen. Nehmen wir Cristo und seine Verhüllungen: Kommunikation ja, sogar handwerklich viel Können, doch die Wirkung beruht vor allem auf der Faszination, dass sich jemand diese Arbeit macht.

    Ich kenne Künstler, die Beeren auf Leinwände matschen und welche, die Farbe auskippen und daraus ein Bild tanzen. Wenn ich sie frage, was sie damit aussagen wollen, dann antworten sie: Ist doch schön, oder? Mehr soll es nicht sein.

    Tatsächlich war die Zeit der "Kommunikationskunst", der Kunst mit tieferem Sinn, auch nur eine Epoche, genau wie eben solche "Spaß-Kunst".
    LETZTLICH läuft es immer wieder darauf hinaus: Fasziniert es mich oder nicht?

    Ich bin übrigens kein Banause, ganz im Gegenteil, ich war schon in zahlreichen Museen und Kunstausstellungen, liebe auch Beuys und seine Aussage, jeder sei ein Künstler. Aber gerade DESHALB nehme ich mir auch die Freiheit zu sagen: "Dies oder das mag vielleicht jemand als Kunst bezeichnen, deshalb muss es mich aber nicht zwangsläufig interessieren." :cool:

    Mich hat Parkers Musik bereits fasziniert, als ich noch nichts über den Musiker wusste. Genau wie die Musik von Bizet, Ravel und Sonny Rollins. Oder Duke Ellington. Das waren für mich zuerst ganz sinnliche Erfahrungen ohne jeden intellektuellen Überbau.
    Ein Kunstwerk kann auch für sich stehen, man muss nicht unbedingt vorher irgendetwas darüber gelernt haben. Ganz im Gegenteil verstellt einem gerade zu viel Wissen allzu oft die unmittelbare Faszination, finde ich.

    Aber genau DAS ist der Ursprung von Kunst: Es gefällt einem, also hängt er es sich hin. :D
    So wurden Comics, Pop-Art und Graffiti schließlich offizielle Kunst: weil sie einfach irgendjemandem mal gefielen und er daraufhin beschloss, sich damit näher zu beschäftigen.
    Mit Jazz und Blues war es nicht anders. ;)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
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  9. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Hallo Rick,

    Ich kenne einen aktuellen Fall eines Jazzrock-Keyboarder, der mehrere Jahre mit sehr populären Jazzern regelmäßig professionell gespielt hatte. Dann hatte er Medizin studiert und lieber viel Geld verdient. Heute arbeitet er nur noch halbtags, hat einen Klavierprofessor als regelmäßigen Privatlehrer und übt täglich dizipliniert mehrere Stunden klassische Klavierkonzerte. Laut seiner Aussage möchte er einmal richtig gut Klavier spielen können.

    Alles eine Frage des persönlichen Maßstabes - oder?
     
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  10. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Da ist das Problem. Kunst soll Kommunikation des Künstlers mit der Gesellschaft sein. Wenn die ihn aber nicht versteht? Redet, malt, spielt er dann ins Leere? Van Gogh wurde nicht vertanden. Es gab keine Museumspädagogen, die ihn dem Publikum erklärt hätten, wie heute Beuys. Und umgekehrt gefragt: Wird etwas dadurch zur Kunst, dass der Künstler verstanden wird? Gerade das Kunsthandwerk wird ja gut verstanden.

    Muss also Kunst elitär sein? Bestimmt nicht, es gibt genügend Beispiele für "eingängige" Kunst: in der Musik Ellington oder das Weihnachtsoratorium von Bach. Die Kunst der Fuge oder Coltrane stehen am anderen Ende.

    Ich finde es schwierig.
    Helmut
     
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  11. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Etwas off-topic, aber ich frage mich gerade, wie oder besser warum der Begriff Kunst mit der Medizin so eng verknüpft ist - es wird ja von ärztlicher "Heilkunst" oder "Kunstfehlern" gesprochen. Als Rechtsmedizinerin muss ich oft beurteilen, ob die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wurde - bin ich also eine Heilkunstkritikerin? ;)

    Aber zurück zum Thema - Dave ist gerade mit seinem Quartett auf Tour, und es ist lustig, was er so erzählt von den "Punters" - die sind meistens schon lange Fan und äußern gerne ganz unverblümt zu neuen Stücken oder dem Programm an sich ihre Meinung. Fan X ist völlig begeistert von der neuesten Komposition, während Fan Y seiner Empörung Luft macht, was das denn für ein Schrott sei, und überhaupt, können die denn nicht mehr Standards spielen, so wie der Künstler Z, der vor zwei Wochen da war... :wacky: Es ist ja auch schön, Feedback zu bekommen, aber man kann es einfach nie allen Recht machen.

    Ich finde es auch Klasse, wenn man es schafft, jemanden, der eigentlich rein zufällig in den Gig reingeraten ist (je nach Venue passiert das ja durchaus), so sehr zu begeistern, dass der sich nun ernsthaft mit dieser Musik auseinandersetzen will. Das kommt durchaus vor, und nicht unbedingt nur bei "eingängiger" Musik.

    Interessant auch, wenn ein und dasselbe Programm bei einem Konzert dafür sorgt, dass die Leute regelrecht ausflippen, bei einem anderen Konzert ist das Publikum aber völlig "unimpressed", die Intensität und Spielfreude der Musiker ist aber gleich. Woran liegt das??

    LG Juju
     
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  12. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Ich denke, dass die körperliche Präsenz bei nicht eingängiger Musik von sehr entscheidender Bedeutung ist. So sollen viele Leute in den Bann von Evan Parkers Musik kommen, die beim Anhören CD-Aufnahme von ihm schon noch 10 Sekunden fluchtartig den Raum verlassen würden.
     
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  13. Reference54

    Reference54 Ist fast schon zuhause hier

    Stimmt, ein spannendes Phänomen. Da spielt auch so eine Art Herdentrieb eine Rolle. Hab ich schon in verschiedenen Ausprägungen erlebt, aber ein Konzert hab ich noch ganz krass in Erinnerung. Ich stand nicht selber auf der Bühne, sondern im Publikum einer Ska Band. Aus irgendeinem Grund sind die ersten paar Leute, die den Raum betreten haben 2-3 Meter von der Bühne entfernt stehen geblieben und alle nachkommenden sind dann hinter denen stehen geblieben ... Band betritt schon etwas irritiert die Bühne, keiner im Publikum bewegt sich vorwärts ... Weitere Augenblicke des betretenen Schweigens, als der Frontmann aufs Publikum wartet ... Schließlich beugt er sich zum Mikro und bittet die Anwesenden, doch nach vorne zu kommen, sonst hätte er das Gefühl etwas sei "going on" :roflmao: Ich stand mit ein paar Leuten so etwa in der dritten oder vierten Reihe und bin dann mit denen durch und an den Bühnenrand. Nach und nach sind die Leute dann nach gerückt, aber es hat dann ein paar Songs gebraucht bis die Stimmung so war, wie ich sie schon auf mehreren Konzerten besagter Band erlebt hab. (Und das ausgerechnet in meiner Heimatstadt :biggrin:)
     
  14. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Stimmt!

    Ich habe viele "schwere" Konzerte live erlebt, die ich auf CD mir nicht anhören kann. Live war es aber spannend.
     
  15. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Und Kritik sagt nichts über den Kritisierten aus - jedoch sehr viel über den Kritisierenden :)
     
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  16. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    mir fällt gerade die geschichte mit dem esel ein:

    ein alter mann und sein enkel sind unterwegs zur nächsten kleinen stadt. der alte sitzt auf dem esel, der junge geht nebenher. da schimpfen die leute: der alte macht es sich gemütlich und lässt den jungen laufen! sie tauschen. dann: seht nur, der junge lümmelt sich auf dem esel, und der alte quält sich zufuß! also gehen beide neben dem esel her.
    da lachen die leute: was für idioten, haben einen esel und laufen zu fuß!

    man sollte als musiker sehr vorsichtig sein, was man an sich heranlässt. selbstsicherheit ist nämlich wichtiger als korrekturen.

    irgendwer hat mal gesagt: wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein...

    gruß
    zwar
     
  17. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das Problem ist, daß die Kritik aber unterschiedlich ausfallen wird, ob Kritiker, Gelegenheitshörer, Fan, Produzent, Musiker etc. etc. Die Anerkennung durch Kritiker kann unter Umständen ganz anders ausfallen und bei anderen Dingen als beim "Normalhörer" und beide kommen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Wertigkeit oder ob es Kunst ist, lässt sich nur schwer festlegen und wer es dann wirklich definiert ist vollkommen unklar.

    Lg Saxhornet
     
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  18. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich tue mich z.B. in der neuen Musik mit dem Werk von Stockhausen schwer, das eher eine Spielanweisung ist, ging sinngemäß in etwa so:
    Denke an nichts, mach deinen Kopf frei, wenn Du wirklich an nichts denkst fang an zu spielen, irgendetwas, sobald du aber wieder anfängst zu spielen höre sofort auf und der nächste Musiker der Gruppe ist dran.

    Wer das versucht aufzuführen muss sich schon Gedanken machen. Für mich war das eine Philosophische Idee, eine Denkaufgabe aber kein Musikstück. Wir haben das dann mit Claves aufgeführt, da es uns mit Instrumenten zuwenig Sinn machte bzw. der Aufgabenstellung widersprach.


    Sagt wer? Wer definiert Kunst? Wer kann dafür ein objektives Raster präsentieren ob es Kunst ist oder nicht?

    Kunst ist immer eine Frage des Betrachters und nicht jede Kommunikation des Künstlers gelingt. Allein aber zu sagen ob es einem gefällt oder nicht reicht natürlich nicht um es als Kunst zu definieren.

    LG Saxhornet
     
  19. ppue

    ppue Mod Experte

    Genau so ist es Saxhornet.

    Es ist gut, das die Kritiken unterschiedlich ausfallen. Sonst würde die Kunst nämlich nicht diskutiert. Das Endergebnis ist ein gesamtgesellschaftliches und dieses gemeinsame Votum, mit dem nie immer alle übereinstimmen werden, ist für mich eine wichtige soziale Auseinandersetzung.
    Es geht letztendlich um diese Auseinandersetzung, das ist der Gewinn, gar nicht das Votum, was am Ende bei heraus kommt.
     
  20. ppue

    ppue Mod Experte

    Hier hilft ein Blick auf die Entwicklung des Künstlers Stockhausen. In den Anfängen der elektronischen Musik gab es die Tendenz und auch erstmalig die Möglichkeit, Kompositionen so zu schreiben, dass sie ohne jegliche Interpretation immer gleich und ganz im Sinne des Komponisten wieder gegeben werden konnten. So schrieb auch Stockhausen Stücke, die keinen Musiker mehr als Interpreten brauchten. Die Partituren schrieben eindeutige Parameter für die Erzeugung der elektronischen Klänge vor, so dass kein interpretatorischer Freiraum blieb und die Rolle des Musikers durch Techniker hätte ersetzt werden können.
    Die genaue Reproduzierkeit und exakte Nachstellung der Komposition ging dann so weit, dass man eigens Räume entwarf, in denen die Komposition dann aufgeführt wurde, so dass auch die unterschiedliche Raumakustik als Fehlerquelle bei der Aufführung entfiel.
    Meines Erachtens war dieser Weg ein Irrweg und ich denke, auch Stockhausen hat eingesehen, wie wichtig der Musiker als Interpret und Vermittler zwischen Komponisten und Publikum ist. Die späteren Kompositionen waren dann der Art, wie du sie beschreibst, gaben dem Musiker eine übergroße Freiheit.

    Und ich denke bei mir, der gute Mann ist schon wieder über das Ziel hinaus geschossen.
     
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