"moderner" Ansatz: genaue Postion der Unterlippe?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Bluescat, 21.Juni.2015.

  1. Bluescat

    Bluescat Schaut öfter mal vorbei

    Liebe Forenmitglieder,

    nachdem ich nun nach einigen Jahren der Saxabstinenz zum Spielen auf meinem Alto zurückgefunden habe, stellt sich mir nun eine wichtige Frage zum Ansatz, auf die ich trotz intensiver Nutzung der Suchfunktion hier, noch durch weitere Internetrecherche und Nachschauen in meiner Saxschule leider keine Antwort finde.

    Zunächst einmal eine vielleicht wichtige Info vorweg: ich spiele auf dem Sax keine Klassik, sondern suche einen warmen, vollen runden Ton, da ich alte Blues- und Big Band Sachen liebe. Vom Soundideal bin ich ein großer Cannonball Adderley Fan, mag aber durchaus auch den Klang von Johnny Hodges. Von daher möchte ich auch auf jeden Fall mit "modernem" und nicht etwa mit "klassischem" Ansatz, bei dem ja die Unterlippe über die Zähne gezogen wird, spielen.

    Mein Lehrer, bei dem ich nun meine erste Stunde nach meinem Neustart auf dem Sax hatte, sagte mir zum Thema Ansatz nur, dass die Unterlippe auf keinen Fall eingerollt werden soll.

    Nun habe ich das bei mir aber mal beobachtet bzw. zu spüren versucht: obwohl ich studierte Oboistin bin und somit schon über eine halbwegs trainierte Ansatzmuskulatur verfüge, "ertappe" ich mich dann beim Spielen doch dabei, dass sich ein kleines Stück meiner eher etwas dickeren Unterlippe zwischen Blatt und Zähne schiebt. Das tut beim Spielen absolut nicht weh aber ich frage mich trotzdem, ob das so passt, wenn man eben kein klassisches Tonideal anstrebt oder ob die Unterlippe eigentlich komplett vor den unteren Zähnen sein sollte. In meiner O'Neill-Schule gibt es eine Zeichnung,bei der es so aussieht als wäre da schon ein kleines Stück Unterlippe über den Zähnen. Bei Larry Teal, der aber anhand der in dem Buch enthaltenen Musikbeispiele ja schon irgendwie "klassisch" angehaucht zu sein scheint, finde ich Fotos, bei denen eine komplett vor den Zähnen liegende Unterlippe als "protruding lower lip" als Ansatzfehler demonstriert wird.

    Mir ist klar, dass man es sicher auf viele verschiedene Arten handhaben kann und dass sich meine Ansatzmuskulatur sicher auch erst wieder entwickeln muss, aber ich wüsste einfach gerne, wie die Position der Unterlippe beim sogenannten "modernen" Ansatz typischerweise sein sollte, d.h. ob es ok ist, wenn ein kleines Stück meiner Unterlippe noch über den Zähnen liegt oder ob ich vielmehr darauf achten sollte, dass sie sich eben komplett vor den Zähnen befindet. Ich wüsste das gerne, da es mir darum geht, möglichst so zu üben, dass es meiner Tonvorstellung, deren Richtung ich ja oben beschrieben habe, auf Dauer zuträglich ist.

    Über Auskünfte eurerseits würde ich mich sehr freuen.

    Viele Grüße
    Kat
     
  2. ppue

    ppue Mod Experte

    Hallo Kat,

    berechtigte Frage und sie taucht immer wieder mal auf. Wundere dich nicht, wenn hier verschiedenste Aussagen kommen, denn eine genaue Trennung gibt es da nicht und ein jeder macht es etwas anders.
    Meines Erachtens ist es mal wieder Schubladendenken. Es hat wohl irgend wann in der "Moderne" einmal heraus gefunden, dass man die Unterlippe gar nicht über die Zähne ziehen muss, so, wie wir es mal in den 60er Jahren gelernt haben. Klassisch bezieht sich also nicht auf die Klassik, sondern auf die Art und Weise, wie wir es früher machten (auch in Jazz und Pop).

    Natürlich stülpt man nicht die gesamte Unterlippe über die Zähne, das hat früher auch keiner gemacht. Wie viel von der Lippe zwischen Zähnen und Blatt ist, ist unterschiedlich. So lange du die Zähne nicht dafür benutzt, die Lippe an die Bahn zu pressen, machst du bestimmt nichts falsch.

    Ich sehe da einen vollkommen fließenden Übergang von mehr oder weniger Lippe über den Zähnen. Am Besten ist es so, wie es am Besten klingt.
     
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  3. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Meine Meinung:

    Es gibt keine Lippenstellung der Unterlippe, die ursächlich einen definierten Sound p(roduziert....

    Das ist sehr individuell....muß jeder für sich rausfinden....

    Eine dogmatische Vorgehensweise...nach dem Motto "das MUSS man so machen"...halte ICH für kontraproduktiv....

    CzG

    Dreas
     
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  4. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Hallo, ich würde mich nicht so auf das modern und klassisch einschießen. Es gibt nicht zwei, sondern unendlich viele Arten den Ansatz zu bilden und ich glaube daran, das es jeder nach seinen anatomischen Vorraussetzungen machen muss. Dass Adderley nicht einen Teil seiner Lippe auf den unteren Schneidezähnen hatte, wage ich zu bezweifeln. Und selbst wenn, der gute Ton kommt nicht nur vom Lippenansatz, sondern primär aus dem Kopf. ;-)
     
  5. rbur

    rbur Mod

    Hups, da scheine ich aber andere Klassiker zu kennen als du ...
     
  6. Bluescat

    Bluescat Schaut öfter mal vorbei

    Vielen Dank für eure Antworten, die mich schon mal ein bisschen beruhigen. Ich bin auch nicht auf der Suche nach einer Antwort, da ich etwas "im akademischen Sinne" richtig machen möchte, sondern einfach, weil ich beim Spielen bemerkt habe, dass ein Stück der Unterlippe halt über meinen Zähnen liegt und mich gefragt habe, ob das vielleicht eher kontraproduktiv ist. Ich hab dann auch mal probiert, die Unterlippe komplett vor die Zähne zu nehmen, hab dabei aber ganz schnell festgestellt, dass meine Lippenkraft leider trotz jahrelangem Oboenspiel doch recht begrenzt ist und ich das echt nicht lange durchhalten kann.

    Mit meiner Aussage habe ich keinesfalls andeuten wollen, dass klassische Saxophonisten keinen schönen warmen Ton hätten und entschuldige mich dafür, falls das missverständlich rübergekommen sein sollte. Was ich meinte, ist vielmehr, dass das Soundideal da eben schon in der Klassik ein etwas anderes ist und habe das geschrieben, um meine Klangvorstellung zu beschreiben. Es tut mir leid, wenn ich mich da ungeschickt ausgedrückt habe, da ich es keinesfalls abwertend gemeint hatte. Ich habe gerade eben geschaut, ob ich meine etwas plumpe Ausdrucksweise oben noch abändern kann aber leider geht das schon nicht mehr ...
     
  7. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    Ton hat am wenigsten mit dem Teil des Ansatzes zu tun, den man sieht.
    Leider checken das viele Lehrer nicht.

    Cheers,
    Guenne
     
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  8. Bluescat

    Bluescat Schaut öfter mal vorbei

    An meinem Ton hatte mein Lehrer ehrlich gesagt auch nichts auszusetzen, sondern hat mir sogar gesagt, dass es tonlich sehr ordentlich wäre. Ich hab mir die Frage nur so beim Üben halt gestellt, da ich auf einmal merkte, dass da doch ein Stück Unterlippe "dazwischen" ist und mich fragte, ob ich das vielleicht unwillkürlich falsch mache, weil ich ja durch mein langjähriges Oboenspiel daran gewöhnt bin, beide Lippen über den Zähnen zu haben. Als ich dann gemerkt habe, dass ich mir der Unterlippe ganz draußen sehr schnell an die Kraftgrenze meiner Lippenmuskulatur komme, hat das dann die Zweifel erst einmal verstärkt, weshalb ich euch für die "Entwarnung" sehr dankbar bin. Ich werde dann wohl erst mal so weiterspielen, wie ich es bisher gemacht habe, genau hinhören und natürlich darauf achten, dass der Ansatz nicht zu fest wird.
     
  9. rbur

    rbur Mod

    Wenn dein Lehrer zufrieden ist, dann solltest du glaube ich erstmal auch zufrieden sein.
    Vor allem würde ich meinen Ansatz nur in Abstimmung mit meinem Lehrer ändern.
     
  10. Mugger

    Mugger Guest

    Moin nochmal,

    das was mit der Lippe passiert wird allgemein maßlos überschätzt.
    Das gibt es so viele andere Parameter, die wichtiger sind.
    Klar ist ein Unterschied, wo das Blatt aufliegt, bzw. wieviel von der Lippe gedämpft wird. Aber Geschwindigkeit und Form des Luftstromes machen mehr aus.
    In Lehrbüchern und auf youtube wird leider sehr viel Blödsinn verzapft.

    Cheers,
    Guenne
     
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  11. dabo

    dabo Strebt nach Höherem

    Hallo @Bluescat!
    Willkommen zurück am Sax :)
    ....weniger über bestimmte Stellungen (egal ob Haltung, Ansatz, Finger..) nachdenken.
    Sich auf das gewünschte Ergebnis (voller, sauberer Ton...) konzentrieren.
    Den Rest macht der Lehrer. Er sollte zumindest hören wenn etwas nicht stimmt.

    LG
    Dabo
     
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  12. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Nur zur Sicherheit:

    Der Ansatz heißt nicht "klassischer Ansatz" weil er dafür gedacht ist "klassischen Sound" zu erzeugen im Gegensatz zu "modernen Ansatz" für "modernen Sound".

    Das heißt "klassischer Ansatz", weil man klassischerweise früher das ausschließlich so gelehrt hat und wie es auch bei der Klarinette üblich ist. Unabhängig von der gespielten Musik.

    Da der Ansatz am Sax, besonders am Tenor und Bari aber deutlich weniger fest ist als bei der Klainette kann man mit einiger Übung (und passender Lippe) auch die Lippe ganz vor den Zähnen lassen. Das ist die "moderne Variante" = "moderner Ansatz". Die Idee ist, dass man dadurch mehr Variations Spielraum in der Sound Gestaltung bekommen soll, was bei modernen Stücken helfen kann.

    Kann man, muss man aber nicht.
     
  13. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Hallo @Bluescat ,

    zunächst willkommen hier bei den Saxverrückten.

    Es gibt sogar Leute, die auf dem Sax (und auf der Klarinette) einen "Oboen"-Ansatz spielen, also beide Lippen über die Zähne. Du siehst alle Varianten. Aber noch eine Frage: Was meint Dein Lehrer genau damit:
    Will er nur sagen, dass es nicht so extrem wie bei der Oboe sein soll, oder will er, dass Du die Lippe vollkommen draußen lässt. Ich würde da bei ihm nochmal nachhaken. Andererseits ist er ja mit dem Ton zufrieden.

    LG Helmut
     
  14. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das wird zwar gerne so genannt, hat aber nichts zu sagen. Ich persönlich halte von Lippe komplett vor den Zähnen z.B. gar nix, ist aber ein Frage des Geschmacks.

    Da ist jeder anders drauf. In der Uni wurde das mit der Lippe ganz leicht über die Zähne empfohlen und auch ich sehe das als die besser Ansatzvariante, da sie in meinen Augen viele Vorteile hat. Es hängt davon ab wie viel man einrollt.

    Es gibt Spieler, die wirklich die Lippe komplett vor die Zähne schieben, ich halte davon nichts, andere halten es für die einzige Art einen guten Klang zu bekommen. In meinen Augen verliert man aber eine gewisse Klangvarianz und braucht deutlich mehr Kraft beim Ansatz komplett vor den Zähnen ohne daß der Klang wirklich profitiert. Es sind unterschiedliche Konzepte und meist ist man als Spieler Anhänger des einen oder anderen Konzepts. Manchmal kann eine bestimmte Zahnstellung oder Lippenform das eine oder andere begünstigen.
    Der Klang wird, nach meiner Erfahrung aber nicht besser wenn die Lippe vor den Zähnen ist. Du musst nicht um einen bestimmten Sound hinzubekommen die Lippe vor den Zähnen haben.

    Lg Saxhornet
     
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  15. saxhornet

    saxhornet Experte

    Wenn Idee und Praxis nur nicht manchmal so auseinanderliegen würden......

    Lg Saxhornet
     
  16. Bluescat

    Bluescat Schaut öfter mal vorbei

    Da hab ich gleich schon nachgefragt und er meinte, dass ich die Lippe wirklich ganz draußen lassen solle, was eben einen Unterschied zum Ansatz auf der Klarinette sei. Das hab ich dann daheim probiert und habe echt nicht lange durchgehalten, wobei ich dann auch gemerkt habe, dass es mir deutlich schwerer fällt, den Ton zu kontrollieren.
     
  17. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Als spätberufener Saxer kann ich nur die Quintessenz des hier Gesagten wiederholen: du musst experimentieren, variieren, hören und gestalten. Da du als studierte studierte Oboistin ein geübtes Gehör hast, sollten dir auch Nuancen und Reaktion nicht verborgen bleiben.
    Da ich ja gerade auch ins Alto-Spiel einsteige, stehe ich sofort wieder vor dem gleichen Problem, da der Ansatz (Embouchure) ein wirklich scheues Tier ist, das sich auch bei kleinsten Irratationen gerne mal wieder zickig zeigt....
    Ein guter Lehrer wird dir keine Schubladen verkaufen, sondern dir zuhören und zuschauen und dich sanft lenken bei deiner Reise zum richtigen Ansatz. Aber diesen guten Lehrer musst du erst einmal finden.
    Als ich vor Jahren als Autodidakt einen Sax-Lehrer für die Basics suchte, habe ich schnell wieder aufgegeben, weil doch vieles nach Schema F läuft: Kaufen Sie sich erst einmal den ersten Band von Lennie Niehaus und lernen Sie, richtig anzustoßen und im Swing zu artikulieren. Wenig später kam mein Freund Rafael Navarro zu Besuch, übrigens ganz zu Beginn seiner Mundstück-Bauerei. Wir spielten etwas zusammen und abwechselnd, und plötzlich unterbrach er mich und wies mich auf eine seiner Ansicht nach nicht optimale Position der Unterlippe hin. Ich probierte und verfeinerte das in den nächsten Wochen, und, violà, es wurde wirklich besser.
    Dieses Video von Jerry Bergonzi war in dem Zusammenhang für mich sehr hilfreich:



    Dieses von Dave Liebman auch zumindest teilweise:



    Auch hier finde ich es gut erklärt:



    Hier erklärt's einer meiner modernen Favoriten auf dem Tenor und dem Alt, Troy Roberts:



    Es gibt noch so viele andere Videos dort, aber alle für mich schlüssigen kommen zu dem Punkt, dass man zum Üben des Ansatz einfach mal Baby spielt, den Daumen in den Mund steckt (ja...., vorher waschen) und das Spiel von Lippen, Kiefern und Zähnen vor dem Spiegel beobachtet und den Daumen so entspannt, aber gleichzeitig so definiert wie möglich umfasst.
    Sollte der Lebensabschnittsgefährte überraschend den Raum betreten, sollte schnell erklärt werden, um den Verdacht der ungebremsten Regression auszuräumen.
     
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  18. SomethingFrantic

    SomethingFrantic Ist fast schon zuhause hier

    Letztendlich muss das Ergebnis stimmen. Wenn dein Lehrer sagt das Ergebnis stimmt, dann würde ich am Ansatz nichts ändern.
    Ich hab meine Lippe auch leicht über den Zähnen.

    Welchen Ansatz haben eigentlich die alten Jazzgrößen, wie Coleman Hawkins, Lester Young, Sonny Rollins und Co. verwendet? Die werden ja nach ppues Beitrag den klassischen gelernt haben.
     
  19. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das ist so eine Sache. Meist sind Lehrer, egal wie gut sie sind, Verfechter des einen oder anderen Konzepts und das macht auch Sinn.

    Und auch hier machen das nicht alle Babys gleich und im Spiegel sieht man oft nur sehr begrenzt wie viel Lippe man über die Zähne zieht, hilft also insofern auch nicht so viel.
    Höchstens ein Röntgenaparat hilft hier, aber der Einsatz desselbigen ist dann doch nicht empfehlenswert. Es geht darum ein Gefühl dafür zu entwickeln und das kann gerade am Anfang extrem verwirrend und schwierig sein. Und wie so oft versteht man irgendwann gar nicht mehr warum man damit mal so viele Probleme hatte.

    Lg Saxhornet
     
  20. dabo

    dabo Strebt nach Höherem

    Wie machst du das denn bei deinen Schülern? Spielen lassen und einfach nur schauen ob die Luft richtig fließt und der Ton gut und satt klingt?

    LG
    Dabo
     
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