Saxophonunterricht ohne Harmonielehre?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von hanssax, 18.Oktober.2015.

  1. mixokreuzneun

    mixokreuzneun Ist fast schon zuhause hier


    lieber rick,

    diese annahme stimmt nach den neusten erkenntnissen der nuerologischen forschung überhaupt nicht:



    (genauer ab ca. 3:28)

    das ganze interview ist übrigens sehr bemerkenswert, nicht nur für musikpädagogen......

    lg

    mixo
     
  2. ppue

    ppue Mod Experte

    Na, er sagt nicht, dass man das Hirn nicht trainieren kann, sondern dass es lust- oder interessensgesteuert ist. Dass das Hirn kein Muskel ist, wird auch Rick bewusst sein. Das ist ein Bild und nicht exakte Anatomie. Wenn man joggt, hat man Lust an körperlicher Bewegung und nichts anderes ist es, wenn man Lust an gedanklicher Bewegung hat. Hüther packt Altbekanntes in neue Kistchen, die auch in zehn Jahren wieder angegriffen werden.

    Was er über Determinismus und den freien Willen sagt, passt nicht in mein Weltbild. Bei der Überbewertung des Einflusses der DNA bin ich allerdings bei ihm.

    Aber das war wohl nicht das Thema hier, außer vielleicht der Anteil der Lust an der Theorie und dem Gegenteil, der Angst davor.
     
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  3. mixokreuzneun

    mixokreuzneun Ist fast schon zuhause hier

    naja, ppue, bei allem respekt, hast du das, was hüther über den hirn-muskel-vergleich sagt, entweder nicht verstanden oder hast einen anderen definitionsansatz, ist aber egal, weil es ot ist und damit letztlich wurscht.....

    lg

    mixo
     
  4. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @hanssax
    Hab das Thema erst spät entdeckt, aber will mich auch mal äußern.
    Bevor ich zum Saxophon kam, hatte ich schon länger Unterricht für Jazz-Piano. Was ich da Harmonielehre gelernt habe ist eigentlich unverzichtbar für Jazz, egal auf welchem Instrument und ich profitiere auch davon. Ab und zu lerne aber auch ich noch was Neues kennen.
    Die Methode mit dem Gehör mag bei dir bis zu einem Punkt gut funktioniert haben, aber will man denn immer nach dem Prinzip trial&error verfahren? Wenn du den praktischen Teil schon angegangen bist, warum nicht mit der Theorie nachziehen? Ich kann mir gut vorstellen, dass dir dann im Nachhinein viele Dinger leichter und logischer erscheinen, als das jetzt der Fall ist und das sich für dich neue Zusammenhänge zeigen, sodass du manches besser nachvollziehen und dir merken kannst. Dann kann die Theorie nach einigen Anlaufschwierigkeiten auch Spaß machen, wenn man den Nutzen davon am eigenen Leib erfährt. Zumal man ja auch die einmal verstandene Theorie immer wieder abrufen kann. Sich etwas nach Gehör draufzuschaffen bleibt m.M.n. nicht ewig präsent, sodass man unter Umständen nach einem Jahr wieder von vorne anfangen kann.

    Ich habe mir jetzt nicht die Mühe gemacht, die vorherigen Seiten zu lesen (mea culpa), aber falls es noch niemand anders geäußert hat, tue ich es mal. In diesem Abschnitt hier:
    steckt eigentlich dein Dilemma oder - wie ich finde - falsche Erwartungen drin. Aus musikalischer Sicht ist es für weiteren Fortschritt (im Sinne von: auch über kompliziertere Formen spielen zu können) eigentlich glasklar, dass auch eine fundierte Theoriekenntnis vermittelt werden muss. Natürlich gibt es hier Lehrer, die das besser oder schlechter vermitteln können. Den Stoff entlang deiner bisherigen Erfahrungen zu orientieren, ist aber auch nicht ganz einfach, weil zum guten Teil auch erstmal ein grundsätzliches Fundament gelegt werden muss, was nicht direkt mit einem konkreten Stück zu tun hat.

    Wenn du also forderst, die besagten Fortschritte zu erlangen, musst du dich auch auf die Theorie einlassen. Nur über's Gehör zu arbeiten ist a) sehr schwierig, b) sehr zeitintensiv und c) mit ziemlich viel Ohrenschmerzen verbunden. Hast du aber keine Lust auf Theorie und die damit verbundenen Anstrengungen, wobei sich das ja durch den großen Nutzen und der Zeitersparnis gegenüber der Methode Gehör schnell amortisiert, dann kannst du das keinem Lehrer anlasten, dich nicht weiterzubringen.

    Auf der Basis der Theorieverweigerung halte ich unterrichtsmäßig für möglich, Verbesserungen im Bereich Phrasierung, Ansatz usw zu erzielen. Nach Gehör zu dudeln kann man auch zum Playalong, spart dir Unterrichtskosten und dem Lehrer Nerven.

    Was ich also mit deutlichen Worten sagen will: manche Ziele erreicht man nur auf bestimmten Wegen. Wenn dir diese zu steinig sind, musst du dich eben davon verabschieden. Ich verurteile dich nicht dafür, dass du keine Lust auf Theorie hast. Ich gönne es jedem, der einfach nur ein Instrument spielen möchte, wie es ihm am besten passt.
    Wenn du aber wirklich vorwärts kommen und ein bestimmtes Level erreichen willst, musst du dafür auch arbeiten. Anscheinend haben dir mehrere Lehrer das schon versucht, beizubringen sind aber gescheitert. Sorry für den Ausdruck, aber ich finde es dann schon ein bisschen lächerlich, wenn man im Netz nach einer Ausrede sucht, indem man darauf hofft, dass sich einer meldet, der nicht mal Noten lesen kann, aber wie Coltrane spielt. Und selbst wenn es den gibt, dann ist er wohl auch der einzige, bei dem das geklappt hat. Jedenfalls finde ich das nicht ok, hintenrum 'ne Attacke gegen die Lehrer zu fahren (auch wenn da vielleicht schlechte Pädagogen dabei waren), nur weil man selbst zu faul ist und dann noch zu erwarten.

    Entscheide dich halt einfach: auf die Basics pfeifen und mit 10h Rumdudeln am Tag nach ein paar Jahren ganz passabel spielen oder sich halt eine Weile lang mit den Hintergründen beschäftigen und viel gezielter Üben und Spielen zu können. Keine Methode garantiert den Erfolg. Aber mit letzterem stehen deine Chancen um ein Vielfaches höher.
     
  5. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    @mixokreuzneun und @ppue

    Ein interessantes Interview!

    Wenn ich Hüther richtig verstanden habe, sagt er, das Hirn kann nicht wie ein Muskel im Fitnesstudio trainiert werden, indem stumpfsinnig etwas eingepaukt wird. Seiner Meinung nach geht Lernen, also neue Verknüpfungen unter den Neuronen herzustellen, am besten, wenn man begeistert bei der Sache ist.

    Für unser Thema im Umkehrschluss: Wer Theorie emotional ablehnt, wird sie auch nicht lernen.

    Aber noch mal OT: Was mich bei den Gehirnforschern immer wieder frappiert, ist, dass sie für Sachen, die man mit einfachen psychologischen Experimenten herausbekommen kann, großartige bildgebende Verfahren bemühen. Dass jetzt im Gehirn eine bestimmte Region beim erfolgreichen Lernen aktiviert wird, die mit Begeisterung zu tun hat, sagt doch nicht mehr als: Wenn ich beim Lernen begeistert für die Sache bin, funktioniert es besser.

    LG Helmut
     
    Zuletzt bearbeitet: 22.Oktober.2015
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  6. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    @Bereckis

    Lieber Michael,

    welche Ehre! Das freut mich natürlich sehr.

    Liebe Grüße
    Helmut
     
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  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich fragte nicht nach wieviel Jahren, sondern wie intensiv die Leute sich damit auseinandergesetzt haben und wie lange im Schnitt sie da Zeit beim Üben reinstecken.

    Ohne das Lernen von Akkorden, kaum Skalen oder Akkordverbindungen, sondern nur nach dem Ohr improvisieren? ca. 4-5 Jahre und als ich anfing mich mit Theorie zu beschäftigen ärgerte ich mich darüber, daß ich es nicht eher getan und auf meinen Lehrer nicht gehört hatte. Auch mir viel es am Anfang schwer.

    LG Saxhornet
     
    Zuletzt bearbeitet: 22.Oktober.2015
  8. saxhornet

    saxhornet Experte

    Sorry, vergleich mal bitte nicht unsere Gründe warum wir etwas fragen. Meine Fragen waren keine Fangfragen sondern ernst gemeint aus Interesse.

    Davon redete ich bereits im Post #4. Wenn Du es nur über das Ohr hinbekommen willst, muss man extrem viel Zeit reinstecken, damit man das kann, wenn man Theorie komplett ablehnt (also auch Akkordaufbau und Skalen), dann bedarf es sogar noch mehr Zeit. Ohne extrem viel Gehörbildung passiert da sonst nicht viel. Daher hat mich ja auch interessiert wieviel Zeit die Leute, die hier immer Theorie so strikt ablehnen, in Gehörbildung stecken.

    LG Saxhornet
     
  9. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    Hatte einer von euch früher richtig Bock sauf deutsche Grammatik?Wenn Töne wie Buchstaben sind Phrasen wie Worte. Dann sollte man vielleicht überlegen ob man seinen Hauptschulabschluss oder ein Germanistik Studium als Ziel definiert.
    Ich fühle mich eben wie in der Grundschule..........
     
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  10. guemat

    guemat Ist fast schon zuhause hier

    in den 70ern oder heute???
    :duck:

    cu

    gue
     
  11. Mugger

    Mugger Guest

    Ok,

    ich fasse mal das letzte halbe Jahr zusammen:

    Theorie lehnen wir ab. Ohren verwenden wir hauptsächlich dazu, damit die Jazzkappe nicht in's Gesicht rutscht.
    Blattspiel können wir nicht, weil Noten werden überschätzt, besser ist sowieso ohne.
    Auswendig spielen wollen wir nicht, keine Zeit zum auswendig lernen.
    Aber schön, dass wir darüber schreiben konnten.

    Äh?

    Eine ernsthafte weil umfassende Beschäftigung mit Musik inkludiert eine gewisse Dosis Theorie. Punkt. Sie ist kein Allheilmittel, sie erklärt, ergänzt, bringt Impulse, weckt vielleicht Interesse an der Beschäftigung mit Musik generell.
    Ausgangspunkt muss immer das Ohr sein, sonst bleibt die Theorie ewig leblos, unwichtig, wird vergessen oder gar nicht verstanden.
    Und - man sollte es nicht glauben - das Ohr kann man trainieren! Huch, wer hätte das gedacht.

    Selbsteinschätzung und Realität bei Improvisation nach Gehör mögen manchmal doch etwas auseinanderklaffen, Dunning-Kruger ist auch im Forum vertreten.
    Wirkliche Ausnahmen gibt es immer wieder, die haben aber selten Probleme oder Fragen, die spielen einfach. Kenne ich persönlich aber ganz, ganz wenige.

    Die Frage, ob ich bei meinen Schülern darauf bestehe oder nicht, stellt sich nicht.
    Theoriekurse sind bei den MS-Schülern gratis und Pflicht. Und das ist gut so.
    Verständigung im Orchester, in den Ensembles funktioniert so leichter und schneller.
    Privatschüler können tun und lassen, was sie wollen, landen aber irgendwann auch bei etwas Theorie. Hat sich bis jetzt immer noch so ergeben.

    Schönen Tag, Guenne
     
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  12. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Unfangreiche und m.E. sehr treffende Zusammenfassung.
    Dunning-Kruger ist stark vertreten.

    LG Bernd
     
  13. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Ja, Du musst es immer wieder hören so wie Du Vieles immer wieder üben musst. Jetzt ersetzt Du das Hören durch das Lesen eines Akkordsymbols. Hören kannst Du es immer noch nicht, also spielst Du jetzt mit dem Kopf. Das Akkordsymbol sagt Dir auch nicht was in DIESER konkreten musikalischen Situation für DICH gut klingt. Das musst Du Dir sowieso erhören. Was also hast Du gewonnen? Malen, nach Zahlen, Fake, Bluff und die Hoffnung, dass Du Dich irgendwann davon befreien kannst.
     
  14. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Meine bescheidene Erfahrung: Ich tue mich beim Improvisieren sehr sehr schwer. Auch aus Mangel an Zeit, vor allem aber aus Mangel an Übung.
    Meine noch sehr ausbaufähigen Theoriekenntnisse helfen mir aber, zumindest einen Großteil der passenden Töne zu finden und die Anzahl der roten und der blutroten Töne nach und nach zu verringern.
    Kleines Beispiel: Wenn da als Akkordsymbol ein G7 steht, dann weiß ich, dass da als "leiterfremder" Ton ein F enthalten ist. Bediene ich dieses F, klingt´s meistens deutlich besser, als wenn ich Fis spiele :)

    Mit Malen nach Zahlen hat das m.E. nur am Anfang etwas zu tun. Ich gehe davon aus, dass ich bei solchen Dingen die Singnallaufzeiten zwischen Scan (Augen), Datenverarbeitung im Zentralrechner (Kopf) bis zum Ausdruck (Spiel) deutlich verringern kann und sich gewisse Dinge so weit automatisieren, dass mein Spiel freier wird. Bis dahin ist´s noch ein langer Weg. Aber ohne Theoriekenntnisse werde ich dieses Ziel nie erreichen.

    LG Bernd
     
  15. guemat

    guemat Ist fast schon zuhause hier


    Mann Mann, kennst Du nur Schwarz und Weiß?

    Es geht für mich nicht um Kopfmusik sondern es geht darum beim Üben Neue Ideen entwickeln zu können indem ich andere Scalen / Töne zur Verfügung habe der Weg wird viel breiter..
    und wenn ich im musikalischen Kontext weiß wo die Spannungen aufgelöst werden tue ich mir auch beim probieren leichter.
    Übst Du nie Tonleitern oder Arpeggien? (das ist bereits Harmonielehre) und du übst dabei natürlich auch die Ohren...
    auch die klassischen Etüden oder Scalenschulen basieren auf Akkorden und Tonfolgen.

    Harmonielehre Ohne Ohren geht nicht..
    und nur Ohren und Intuition wird auch nicht gehen den schon durch zuhören nachspielen und probieren beschäftigst Du dich mit Harmonielehre

    typische Situation Jamsession - Blues in Dm und du sollst von Anfang an mitspielen
    ohne Zuordnung eines Dm zu einem Klangbild oder einer Tonleiter geschweige denn die Form Blues wirst Du also eindeutig den ersten Chorus nicht mitspielen können..

    @Mugger hat das schön zusammengefasst...

    cu

    gue
     
    saxhornet, Bereckis und bluefrog gefällt das.
  16. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Willst Du, dass man sich z. B. die ii-V-I Verbindung für jede einzelne Tonart separat erhört?
     
  17. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Leute, helft mir mal weiter. Nennt mir mal die aktuellen noch lebenden professionelken Jazz-Saxofonisten der Spitzenklasse, die nach eurem Wissen keine Musiktheorie drauf haben.

    Mir fällt keiner ein! Sogar bei den Free-Jazzern komme ich ins Grübeln.

    Danke!
     
    zwar gefällt das.
  18. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Ja, alle einzeln per Gehör erarbeiten.
    Dur und Moll auch.
    Soll ja auch Spaß machen.

    Grüße
    Roland
     
  19. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Saxophonia gefällt das.
  20. Saxophonia

    Saxophonia Ist fast schon zuhause hier

    Sehr schön geschrieben und auf den Punkt gebracht :)
     
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