Saxophonunterricht ohne Harmonielehre?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von hanssax, 18.Oktober.2015.

  1. Rubax

    Rubax Strebt nach Höherem

    Ich stelle den Antrag das Wort "Harmonielehre" bzw. "Theorie" durch "Tips und Tricks für den coolen Saxophonisten" zu ersetzen :)
     
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  2. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Ich nannte es in meiner ersten Nachricht in diesem Faden "Praxisleitfaden für Tönefindung". "Tipps und Tricks für den coolen Saxophonisten" ist natürlich aufmerksamkeitserheischender. :)

    Meine Mutter kannte mal eine Frau, Zitat:
    "Die kann alles spielen, ganz toll. Aber nur in C-Dur".
    Aus der Abteilung "Klavier zu verkaufen, ca. 20 J. alt.,schwarze Tasten wie neu ..."

    Ich hatte immer einen Faible für Eb und Ab-Dur. Klingt weicher.

    Grüße
    Roland
     
  3. ppue

    ppue Mod Experte

    Und doch alles sehr dogmatisch, will ich meinen. Ich hatte in meiner Jugend immer ein Klavier zur Verfügung und probierte alles Mögliche aus. Einerseits versuchte ich die Harmonien meiner Lieblingssongs heraus zu hören, zum anderen spielte ich irgend was und merkte dann, hey, das sind die Harmonien von Hit The Road Jack, So geht das!

    Alles übers Ohr und selbst gemacht. Ich habe Theorie immer erst nachgelesen, wenn ich selber heraus gefunden hatte, wie was geht. Dieses selber auf Entdeckungsreise gehen machte mir ungeheuer Spaß und seit Huther weiß ich, warum ich mir das dann besonders gut merken kann. (Ach so, mixokreuzneun, was habe ich denn da falsch verstanden?)

    Wie gesagt, traue ich Chrisdos einerseits mehr Theorie zu als er hier heraus hängen lässt, andererseits glaube ich, dass man alles übers Gehör lernen kann. Es braucht eben nur viel Zeit.

    Der schlechtere Weg ist es nicht.
     
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  4. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Yepp, so war's bei mir auch. Nur das zwischen Herausfinden und der ersten Harmonielehre in meinen Händen viele Jahre ins Land gegangen sind. Meine Eltern haben viel gelitten, damals ... aber fand das viel spannender als das berüchtigte 'Sonatinenalbum'. Bach fand ich dagegen klasse. Wie viel Musik allein z.B. in der 15. Invention steckt ...

    Grüße
    Roland
     
  5. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Kuhlau ? :-D
     
  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Hören wir mal rein in die Invention. Hier von Glenn Gould gespielt:

     
    giuseppe gefällt das.
  7. guemat

    guemat Ist fast schon zuhause hier

    hättest Du das mit dem Sax alleine auch geschafft?

    über diesen Bart diskutieren wir ja alle...

    cu

    gue
     
  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Wenn wir nur über die Zeit diskutieren, dann sind wir nicht mehr bei der Grundsatzdiskussion. Das ist schön.

    Mit dem Sax alleine hätte ich sehr viel länger gebraucht. Ein Verständnis der Musiktheorie ohne Harmonieinstrument geht nur Ansatzweise, deshalb empfehle ich jedem, sich ein kleines Keyboard oder entsprechendes zuzulegen. Es nutzt nichts, theoretisch Harmonien zu erarbeiten, wenn man sie nicht hören lernt.
     
  9. Saxophonia

    Saxophonia Ist fast schon zuhause hier

    Sorry, naive Frage einer noch ziemlichen Anfängerin: Geht "theoretisch Harmonien erarbeiten" überhaupt? Ich habe bis jetzt nur Harmonielehre gelernt, indem ich alles auch höre und mit dem Gehör erkennen lerne. So bringt es mir ja auch mein Sax-Lehrer bei. Also wenn ich von "Harmonielehre" spreche, dann gehört für mich automatisch die Gehörbildung dazu. Ich spiele alles auf dem Klavier (finde ich auch am geeignetsten dafür), singe dazu, dann auf dem Saxophon (da singe ich dann aber nicht dazu :cool:). Nur so kann ich mir auch unter "phrygisch", Harmonisch-Moll, einem G6-Akkord oder einem verminderten Dreiklang etwas vorstellen. Dann weiss ich, wie sich das anhört, anfühlt usw. Es ist doch wie mit Farben. Wir müssen keine Namen für die Farben haben. Aber mit allgemeingültigen Namen und wenn ich weiss, wie sich die Farben zusammensetzen, ist es einfacher. Aber das könnte man ja auch nicht rein "theoretisch" lernen, sondern indem man sich die Farben ansieht, mit ihnen malt usw.
    Deswegen finde ich Harmonielehre ja auch so spannend.
    Oder ist "Harmonielehre" etwas anderes?
     
  10. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    @ppue

    Ich kenne dich als sehr guten profunden Kenner der Musiktheorie.

    Wie du selber schon sagtest, eine isolierte Musiktheorie ohne die zu machende Hörerfahrung bringt nicht viel.

    Wenn ich etwas neues höre, möchte ich gerne wissen, was da passiert. Also raushören, analysieren und nachlesen. Erst wenn ich eine Struktur verstanden habe, kann ich es selber verwenden.

    In der Hinsicht ist das Hören können, entscheidender als das theoretische Wissen.

    Ich komponiere fast immer an den Tasten und beschäftige mich u.a. auch mit den Harmonien.

    Harmoniebewegungen entstehen aus meinem Akkordwissen und Erfahrungen.

    Spannender ist es für mich, wenn ich eine komplexere Melodie habe und diese dann versuche zu harmonisieren. Dies passiert aber eher selten.

    Komischerweise kann bis heute nicht ein ideales Solo komponieren statt improvisieren.

    Woran liegt das?

    Gruß
     
  11. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ganz ernsthaft, man darf da Chrisdos nicht so ernst nehmen. Er ist ein netter Kerl, der aber gerne hier mal provoziert und gerne auch mal Positionen bezieht, die so extrem gar nicht seine eigenen sind. Ist zumindest mein Eindruck.
    LG Saxhornet
     
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  12. Rick

    Rick Experte

    Hallo Mixo,

    da möchte ich widersprechen, denn der interviewte Neurobiologe geht von sehr vereinfachten bis falschen Voraussetzungen aus, indem er sinngemäß Muskeln mit Maschinen vergleicht.
    Muskeltraining (bei dem übrigens die "Begeisterung" ebenfalls einen nicht unwesentlichen Faktor darstellt) ist ein physiologisch äußerst komplexes Thema, da kann man viel verkehrt machen, was im schlimmsten Fall sogar zu Faserrissen, Gelenkschädigungen und Lähmungen führen kann - dem gegenüber ist das Hirntraining eher körperlich ungefährlich. ;)

    Aber ich hoffe, dass Du zumindest meiner These zustimmen wirst, man könne das Gehirn auch verkümmern lassen. Das habe ich jedenfalls leider öfter mitansehen müssen... :-(

    Schönen Gruß,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 22.Oktober.2015
  13. ppue

    ppue Mod Experte

    Meines Erachtens liegt viel an der Begleitband und dem spontanen Charakter, der aus der Interaktion der Musiker entsteht. Willst du ein Solo zu einem vorgefertigten Playalong machen, dann geht der Aspekt natürlich verloren.

    Improvisation ist eine ad hoc Komposition. Sie entsteht in Echtzeit und ist eigentlich nichts anderes als eine Methode der Komposition, der Zusammenstellung von Tönen.
    Bei ihr steht der Spieler im Mittelpunkt, der seinen ganz eigenen Stil mitbringt, seine Licks, seine Vorlieben, seine Phrasierung, sein Rhythmus- und Harmonieverständnis. Er muss andere Dinge beachten als der Komponist am Notenblatt, z.B. seinen Atem, seine Stimmung, sein Können, seine Unzulänglichkeiten, sein Umgang, wenn er in einen Flow kommt oder wenn ihm gerade wenig einfällt. All das ist ganz nah an ihm dran, kommt spontan aus ihm heraus, trägt seine Handschrift und ist bestenfalls authentisch. Er kann nicht komplexe Gebilde konstruieren, keine Paläste konstruieren, sondern ist von seiner spontanen Eingebung abhängig.

    All das behindert oder beflügelt den Komponisten am Papier nicht. Er kann Phrasen konstruieren, bei der der Musiker sich erst einmal überlegen muss, wo er überhaupt atmen soll, er kann sehr viel komplexer und vielschichtiger, geordneter oder strukturierter arbeiten.

    Am einfachsten ist der Unterschied zu erklären, wenn du eine freie Rede mit einer gut vorbereiteten Rede vergleichst. Die freie Rede wirkt authentischer, die vorgefertigte besser strukturiert und womöglich sogar dramatisiert. Hinter der vorbereiteten Rede kannst du dich verstecken, beim Improvisieren stehst du nackt da und zeigst deine Seele.

    Nun probiere, eine freie Rede zu schreiben. Ihren Charme und die Seele wirst du nicht zum Ausdruck bringen können. Authentisch wird dir das nur gelingen, wenn du eine aufnimmst und danach abschreibst.
     
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  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Natürlich äußerst beschränkt. Aber auch dem Blinden kannst du erklären, wie sich Farben zusammensetzen, welche Emotionen damit verbunden werden, aus welche Wellenlängen sie haben etc.
    Viele der heute bekannten physikalischen Eigenschaften und Gesetze sind für den Menschen nur mittelbar zu erfahren, also nicht mit seinen Sinnen aufzunehmen. Trotzdem kann ich die Mikrowellentechnik verstehen.
     
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  15. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Ja, manche Sachen kann ich aus der Erklärung oder aus Notentext mit dem inneren Ohr nachvollziehen. Ofr hilft aber nur einfach .... hören und nachvollziehen, damit Herumspielen:





    Grüße
    Roland
     
  16. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    "I can show you the basic theory you need to play jazz in a few hours, but you will spend the next five to seven years studying it before you can make much use of it in your playing."

    Wynton Marsalis

    CzG

    Dreas
     
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  17. Rick

    Rick Experte

    Hallo Michael,

    erstens kann ich das nicht beurteilen, weil ich die meisten leider nicht ausreichend kenne, auch hat sich ja seit den 1960er Jahren das Jazz-Studium sehr weit verbreitet.
    Zweitens ist es schon wieder schwierig zu sagen "Keine Musiktheorie drauf haben", denn auch der Gehör-Mensch kennt ja durchaus Tonleitern, Akkorde und Gesetzmäßigkeiten, nur wird er sie wohl eher nicht amtlich korrekt bezeichnen können.
    Drittens geht es nicht unbedingt um "Spitzenklassen-Jazz" (was immer das sein mag - meintest Du "Jazz vom Feinsten"? :D), sondern darum, ob Harmonielehre im Unterricht unverzichtbar ist, wenn der Schüler beispielsweise nur mal über einen einfachen Rock- oder Pop-Song solieren möchte und ihm "Jazz der Spitzenklasse" überhaupt nicht zusagt.

    Die älteren Jazzer, die kennen zu lernen ich die Ehre hatte, haben wie gesagt das meiste übers Ohr gemacht.
    Wir jungen wollten auch mal etwas Neues ausprobieren, deshalb haben wir uns selbst in unseren Kompositionen teilweise anspruchsvollste Improvisationsaufgaben gestellt mit außergewöhnlich alterierten Skalen und ungeraden Taktarten, aber für die älteren war der US-Mainstream quasi das Evangelium, sie brauchten unseren "verkopften Mist" nicht, "denn Coltrane und Miles Davis haben das auch nicht gemacht, Punkt, basta!" :cool:

    Deshalb kenne ich es so, dass man sich vor allem mit Musiktheorie beschäftigt, um auf neue Sounds zu kommen - das war schon bei den meisten Bebop-Vätern so, später bei der "Erfindung" des modalen Jazz (Rückgriff auf die französischen Impressionisten), bei Fusion und experimentellem Jazz.

    Benötigt man jedoch umfassendes theoretisches Wissen, um mal ein nettes kleines Solo über einen Blues, über "Fly Me To The Moon" oder "Unchain My Heart" zu spielen?
    Mit Sicherheit nicht!


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  18. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    woher sollen wir wissen ob und wieviel MT sich die einzelne drauf geschafft haben...
    und unser "Vorbilder" können wir inzwischen meistentalben nicht mehr fragen oder?

    Und wichtig ist nicht ob "Profis" irgendwas machen, sondern wie weit unserere Ziele gesteckt sind.
    Und dann muss man bei 50 noch mal drüber nach denken was realistiosch ist von heute an....
    Und wenn man das klar hat kann man entscheiden ob die zeit reicht um das diplom in MT zu machen.
    Oder ob man nicht vieleicht sich auf Basics beschränkt und die gesparte Zeit damit verbringt
    Töne zu spielen....
     
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  19. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Langfristig betrachtet sind wir alle tot.

    Aber:
    Es hat noch keiner auf dem Sterbebett gesacht:
    "Ach, hätt' ich mehr Zeit im Büro verbracht!"

    Und wer weiß, welche Erkenntnisse der Musiktheorie da einen begeistern können in den paar Jahrzehnten, in denen wir auf dieser Erde weilen? Mit konsequent 2h Musiktheorie pro Woche (incl. Hören, Ausprobieren, ... ) kann man *verdammt* weit kommen. Problem: Man kann zwar tun, was man will, aber nicht wollen, was man will (Schopenhauer).

    Und ich werde mich *trotzdem* weiter mit Theorie beschäftigen, wenn ich dazu komme (vier Bandproben diese Woche, einmal Buchhaltung, da bleibt nicht viel).


    Tipp:
    Bei Musiktheorie ist ein Keyboard sehr hilfreich, welchselbiges man via Kopfhörer zu beliebigen Tages- und Nachtzeiten spielen kann. :) Dafür habe ich meinen kleinen Yamaha MO6 im Zimmer stehen. Vor dem Schlafengehen noch E-Piano-Sound und ein paar bitonale Voicings ....

    Grüße
    Roland
     
  20. ppue

    ppue Mod Experte

    Eines meiner Lieblingszitate. Das sollte Herr Huther bedenken, wenn er vom freien Willen spricht. Wäre der Wille frei, so könnte man auch glatt das Gegenteil von dem wollen, was man will. Kann hier aber keiner und so wird alles beim Alten bleiben (-:
     
    edosaxt und deraltemann gefällt das.
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