Saxophonunterricht ohne Harmonielehre?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von hanssax, 18.Oktober.2015.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

  2. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Woher kommt überhaupt eine Improvisation?

    Für mich steht an erster Stelle das Bedürfnis etwas zu sagen/spielen, genauer gesagt etwas Eigenes zu spielen. Es gibt ja auch Menschen, die überhaupt kein Interesse daran haben. Die sich freuen in einem Ensemble spielen zu können/dürfen, ohne an exponierter Stelle stehen zu müssen. Es macht aber keinen Sinn sich mit Improvisation zu beschäftigen, weil es ganz nett ist das "auch zu können" oder weil der Bigbandleiter gesagt hat "Spiel da das Solo". Ohne den Drang zu verspüren halte ich eine Auseinandersetzung mit Improvisation für Zeitverschwendung, weil sie einen großen Teil der musikalischen Beschäftigung einnimmt/einnehmen muss.

    Wenn ich Musik höre, bekomme ich manchmal total Lust mitzuspielen und es beginnen sich Ideen im Kopf zu tummeln, da schwirren dann also schon Soli oder Teile davon herum. Aber woher kommen die?

    Ohne input kein output!

    Ich habe über die lange Zeit in der ich Musik mache, verschiedene stilistische Phasen durchlebt. Fusion, Weltmusik, Blues, Jazz.... Meine Art zu spielen hat sich daran angepasst. Das ist insofern interessant, als ich mich nicht mit Hilfe von Skalen oder licks "eingearbeitet" habe, sondern meine veränderten Hörgewohnheiten von alleine dazu geführt haben, dass ich anders spiele.

    Ohne input kein output!

    Meine inputs sind bis heute das Hören von Musik und das Heraushören von Stimmen. Meine besten Lehrer waren und sind meine Bands. Da musste ich immer schon die Komfortzone verlassen, die Ideen der Komponisten umsetzen und ungewohnte Tonleitern oder Passagen spielen, die auf dem Horn ganz schlecht liegen. Heute spiele ich Gb-Dur ohne daran zu denken, aber wenn ich Noten mit 6b vor mir habe, denke ich "Oh shit!" :)

    Ich habe mich "nebenher" immer wieder mit Harmonielehre/Theorie beschäftigt und daher für einige Dinge einen Namen gelernt, z.B. HM5 oder verminderte Tonleiter. Ja, schön, gut. Bei mir hat die Erkenntnis aber keine Glücksgefühle ausgelöst, ich wusste halt, dass es für das was ich hin und wieder spiele einen Namen gibt. Warum sollte ich anfangen zu analysieren in welcher harmonischen Situation ich gerne dieses oder jenes spiele? Um zukünftig planen zu können was ich bisher intuitiv getan habe?
     
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  3. bluesfreak47

    bluesfreak47 Guest

    Wenn ich Musik höre, bekomme ich manchmal total Lust mitzuspielen und es beginnen sich Ideen im Kopf zu tummeln, da schwirren dann also schon Soli oder Teile davon herum. Aber woher kommen die?
    Ich habe mich "nebenher" immer wieder mit Harmonielehre/Theorie beschäftigt und daher für einige Dinge einen Namen gelernt, z.B. HM5 oder verminderte Tonleiter. Ja, schön, gut. Bei mir hat die Erkenntnis aber keine Glücksgefühle ausgelöst, ich wusste halt, dass es für das was ich hin und wieder spiele einen Namen gibt. Warum sollte ich anfangen zu analysieren in welcher harmonischen Situation ich gerne dieses oder jenes spiele? Um zukünftig planen zu können was ich bisher intuitiv getan habe?

    Moin Chris. Das hast du von mir abgeschrieben!! :)
    Nee, kann nicht sein; ich habe das ja noch noch nie geschrieben, nur gedacht. Ich glaube, ich muss dich doch mal persönlich kennen lernen; "Bruder im Geiste". Bist nur soweit weg....
    Bluesige Grüße
    bluesfreak47
     
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  4. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    @chrisdos und @bluesfreak47
    Hey, was ihr beide da beschreibt, ist, woher kommt Kreativität.

    Die kommt nicht von der Harmonielehre, obwohl... eine neue interessante Skala kann schon auch inspirierend sein. :)

    LG Helmut
     
  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, das eine ist Blues und das andere Jazz. Mit dem Bebop wurde Jazz zur Kunstmusik, der die Harmonien um ein gutes Stück erweiterte. Der gesamte chromatische Raum wurde erschlossen und das nicht zufällig parallel zur Zwölftonmusik.
    Die flatted Fifth im Bebop hat natürlich eine ähnliche Spannung wie die gezogenen Töne zwischen Quarte und Quinte beim Blues und sicher lagen sie als Hörgewohnheit schon bereit, dennoch verfolgte der Bebop damit ein anderes harmonisches Konzept als der aus der Sprache, den Predigten und einfachen Gesängen gewachsene Blues.
    Blues hat eine Sonderstellung. Ich führe ihn auch nicht auf die Dur-Leiter zurück, sondern auf die Gesetze, die der spezielle Gesang der Bluessänger mit sich brachte.
    All Blues spielt mit beiden harmonischen Konzepten. Ob das nun C7 oder Gm ist im fünften Takt, ist Interpretationssache. Meine wäre, dass er bewusst mit den Hörerwartungen des Blues spielt. Einmal hört man, dass der Akkord der gleiche bleibt, aber die Terz erniedrigt, blue wird, zum anderen kann man die Töne als C9 interpretieren, zumal in der zweiten Hälfte des 5. Taktes ein klarer C/G klingt. Blue und subdominantisch zugleich, eine wunderbare twilight zone.

    Natürlich hat das nichts mit F-Dur zu tun, da sind wir uns völlig einig.

    Flamenco Sketches hat, wie der Name schon sagt, spanischen Einfluss. Es ist ein dauerndes Spiel mit der I und der V. Das im Bebop erfundene Tritonussubstitut kennt der Flamenco schon lange mit seiner Harmoniefolge I IIb IIIb. Bezieht sich alles auf die Tonika, hier wie da. Mal in Dur, mal in Moll. Dabei wechseln (auf Zuruf???) die tonalen Zentren in regelmäßigen Abständen und sind einander emanzipiert. Ich weiß im Moment nicht, welche Logik die Abfolge der tonalen Zentren hat, weil ich keine Noten vor mir habe. Die wäre noch zu untersuchen. Die Einheit des Stückes erhält es aber durch die durchgängige Behandlung von I und V aus immer anderen Blickwinkeln und der Verbindung zur spanischen Musiktradition.

    Sicher kannst du nun noch weitere Beispiele anbringen, gerade aus dem modalen Jazz. Nur sind das nicht die Stücke, die einem klar machen, aus welchen musikalischen Traditionen heraus der Jazz entstanden ist. Jazz ist die erste Weltmusik, die es gab und das spannende sind gerade die Verknüpfungen, die der experimentierfreudige Jazz immer wieder mit anderen Kulturen eingeht.
    Die abendländische Art, mehrstimmig zu komponieren und zu musizieren bleibt dennoch an die Dur- und Mollskalen gebunden. Sie sind die historische Grundlage und damit auch Grundlage aller Theorie.
     
  6. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Dies sehe ich genau so.

    Dies ist bei mir sehr ähnlich. Gerade in meine Gitarrenbands entstanden bei mir Skalen, wo ich heute nicht weiss, was ich da gespielt habe, aber es klang ganz gut.

    Da findest du vermutlich nicht nur bei mir Zustimmung.

    Ich stelle für mich fest, dass ich ein zu eingefahrenes Improvisationsmaterial habe und ich mit meiner Improvisation an meine Grenzen stoße, die ich gerne überwinden möchte. Vielleicht hilft die Musiktheorie mir harmonische Situationen anders zu bewerkstelligen?
     
  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Aber nur weil es bei DIR so ist, tu doch nicht so, als wenn es nicht bei Jemand ANDEREM nicht doch der Fall sein könnte. Ist manchmal nämlich auch eine Frage der Methodik und Didaktik.

    Na wir beten unsere Mantren und Du die deinen ..........

    Theorie kann Türen öffnen, muss es aber nicht. Theorie kann helfen, muss es aber nicht.
    Wie man es verknüpft und lernt und wann was, kann essentiell sein und ohne Hören läuft eh gar nichts.
    In der richtigen Dosis, Kombination (mit Spielen und Hören) und mit der richtigen Didaktik, kann sie aber durchaus Enwicklungen auch beschleunigen, solange der Kandidat nicht überfordert wird.
    Und wie ich es schonmal sagte, klar kann man sich alles auch nur über das Ohr drauf schaffen aber dann brauchst Du sehr sehr sehr viel Zeit und ein wirklich gutes Ohr (beides bei den Meisten eher Mangelware).
    Und es stellt sich die Frage was Jemand spielen will, für etliches reicht ein sehr beschränktes Wissen und Verständnis. Für manche Sachen ist es aber unerlässlich sich damit tiefer auseinanderzusetzen und wenn das Jemand nicht will, muss er die Musik ja nicht spielen.

    LG Saxhornet
     
  8. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Dann wäre ja die Frage, ob man sich eine Musikrichtung wie Jazz, die Einflüsse aus verschiedenen Kulturen mit sich bringt, aber zumindest in ihrer "Gründerzeit" afroamerikanisch geprägt war, mit den europäischen Vorstellungen eines Dur/Moll-basierten Systems zu erschließen ist.
    Natürlich - das Tonmaterial des ionischen Systems und damit der europäischen Kirchenmusik dominiert den Jazz. Ich bin aber fest der Überzeugung, dass der wesentliche Unterschied in der Betrachtungsweise dieses Tonmaterials besteht. Da zeigen sich verschiedenen musikalische Ebenen. Während der Bezug zur ionischen Skala als Zentrum in vielen Stücken sicherlich für den Überblick hilfreich ist, so würde er beim Spielen stören, weil er davon ablenkt, die Skalen als solche zu betrachten und auszuspielen.
    Eine Verwandschaftsbeziehung eines Modus zum Ionischen sollte nicht dazu führen, dass sich dadurch die Wahrnehmung eines Modus verändert.

    Ich fände es mal interessant, ob oder besser wie sich das Klangbild von Improvisationen ändert, wenn man statt des Zentrums ionisch z.B. das Zentrum mixolydisch hat und man sich die Brücke bauen würde: "C-ionisch ist doch so die G-mixo, nur auf dem vierten Ton angefangen"
    Meiner Meinung nach, darf sowas keinen Einfluss haben, denn - da waren wir uns glaub ich einig - ein Modus ist (klanglich) ein Modus und nicht ionisch auf anderem Grundton angefangen.
     
  9. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das entsteht wenn es mit der Praxis nicht verknüpft wird, dann kommt es zum Ungleichgewicht.

    LG Saxhornet
     
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  10. saxhornet

    saxhornet Experte

    Wer erzählt eigentlich immer diese Märchen? Wenn Du Dich mit der Musik im Barock und der Romantik auseinandersetzt wirst Du feststellen, daß auch da Themen interpretiert werden von den Solisten, gerade was Verzierungen und bestimmte Ausführungen angeht. Als Jazzer, der irgendwann anfing sich mit Barockmusik z.B. auseinanderzusetzen war ich anfangs vollkommen überfordert damit, daß es oft anders gespielt wird als notiert und wie was in welcher Stilistik gemacht wird.
    Da wird ebenfalls viel interpretiert und Du musst genau wissen was und wie für welche Zeit, sonst klingt es nicht typisch.
    Wir sollten mal damit aufhören immer zu tun als wenn da nur vom Blatt runtergespielt wird. Allein schon der Umgang mit Time wird oft gerne ganz anders gehandhabt und das ist alles andere als leicht. Wäre es so leicht hätte wir da ganz andere Mengen an Musikern.

    Lg Saxhornet
     
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  11. saxhornet

    saxhornet Experte

    Über denn Akkord Dominant 7 und dann zusätzlich die Optionstöne. Welche Töne innerhalb des Akkords produzieren mehr, welche weniger Spannung. Welche Töne spiegeln den Klang der Harmonie deutlich wieder, welche weniger. Wie kann ich mit den Tönen Melodien bilden, ohne daß die Harmonie dabei verloren geht und es z.B. statt nach G7 die ganze Zeit nach C maj7 klingt (gerade auch wenn man keine Begleitung hat).

    Lg Saxhornet
     
  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das Prinzip ist nicht schlecht hat aber Mängel, weil es auf Modulationen, die sich auf die Melodie auswirken und den Bezugston verändern, nicht wirklich eingeht. Bleibt es diatonisch ist es super, wenn nicht, schränkt sich die Nützlichkeit enorm ein, wenn es ums Hören mit Bezug auf die Tonart geht. Fürs reine Lernen einer Melodie kann es aber helfen, fürs Hören wie gesagt nur mit starken Einschränkungen.

    Lg Saxhornet
     
  13. Mugger

    Mugger Guest

    Ich weiß, dass Du das weißt :)

    Und es ging um Mixolydisch, nicht um Tensions.

    Cheers
     
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  14. deraltemann

    deraltemann Strebt nach Höherem

    mal ne ketzerischen Zwischenfrage
    gibt es die ultimative Lehrmethode für die HL ?
    Ich habe hier manchmal den Eindruck das hier der eine oder andere meint das es nur seine Sicht gibt.

    Ich habe drei Lehrer die ich regelmäsig konsuliere für verschiedene "Problemstellen".
    Jeder hat seine spezielle Anscht zu allen Themen. Ich picke mir das heraus bei jedem
    was ich verstehe und nach vorllziehen kann. Den Rest akzepiere ich als Sicht des Lehrers.

    Was ich eben nicht versteh ist die Diskussion ob etwas myxolydisch oder dorisch gespielt wird .
    kann mir da mal wer ein Klangbeispiel geben?
    Vielleicht weis ich nur nicht das ich den Unterschied erkenne ... :pigeon:
    :redface:
     
  15. saxhornet

    saxhornet Experte

    Mein Lieblingssatz, den ich schon sehr lange bei meinen Schülern benutze.

    Ohne Hören geht es nicht und ich bin oft entsetzt, wie viele, die Musik, die sie spielen wollen selber aber gar nicht hören.



    Das muss man aber auch erst lernen und erstmal können, denn das ist für viele extrem schwierig und da geben sehr viele sehr schnell auf.
    Und Bands hat nicht jeder, der das Instrument lernt.
    Auch wieder nur eine Frage der Übung.

    Weil Theorie Dich auch auf neue interessante Pfade führen kann, die Du noch nicht betreten hast, noch nicht gehört hast und auf die Du noch gar nicht gekommen bist. Und Theorie legt für Dich doch nicht fest welche Skalen Du mit absoluter Sicherheit wählen sollst, sie zeigt Dir aber Möglichkeiten und darunter welche auf die Du noch nicht gekommen bist oder Zusammenhänge, die Du selber noch nicht gesehen hast und die Einfluss auf dein Spiel haben können.

    Theorie an sich ist nicht schlecht, nur eine schlechte Nutzung macht sie problematisch und führt schnell, gerade bei Anfängern zu Problemen.

    LG Saxhornet
     
  16. saxhornet

    saxhornet Experte

    Für mich ist eine Skala ein Harmonie mit den Akkordtönen und zusätzlichen Optionstönen bzw. Tensions. Eine Sammlung von mehr und weniger Spannung, von mehr inside und weniger inside ...... Ich sehe Skalen nicht als reine Skalen ohne auch den Akkord dahinter zu sehen.

    LG Saxhornet
     
  17. saxhornet

    saxhornet Experte

    Genau damit habe ich mich beschäftigt und es ist eigentlich klar, verschiebst Du welche Töne Du eher anspielst und umspielst, erklingt eine andere Harmonie. Wenn ich die C Durtonleiter spiele und eher die Töne des C Dur Dreiklangs oder Vierklangs betone, klingt es nach C Dur, betone ich die von G-Dur oder G7 klingt es eher nach G mixolydisch etc. Das mag bei einer II V I halt irgendwie noch gehen wenn Du begleitet wirst, gibt es aber keine Begleitung, hört man die Akkordfolge nicht mehr, wenn Du nicht an der richtigen Stelle die Akkordtöne entsprechend deutlich unterbringst. Beide Konzepte gehen und führen zu untschiedlichen Klängen und Melodien, deswegen ist es gut wenn man beides kann.

    LG Saxhornet
     
  18. saxhornet

    saxhornet Experte

    mixolydisch ist ein Durklang, dorisch ein Mollklang, den Unterschied würdest Du hören. Schwieriger wäre es ob äolisch oder dorisch (Unterschied: die eine Skala hat eine grosse Sexte, die andere eine kleine).
    Lass Dir mal von deinem Lehrer ohne Begleitung eine Impro in mixo und eine in dorisch vorspielen.

    LG Saxhornet
     
  19. Mugger

    Mugger Guest

    Ja,

    Kauf ich.
    Aber nochmal.
    In dem Kontext ging es um etwas Anderes. Lies bitte nochmal.

    BTW und nicht auf Dich bezogen:
    Töne ergeben meist erst im Kontext einer Melodie Sinn, sie können theoretisch falsch sein und besser passen als die theoretisch richtigen.

    Cheers
     
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  20. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Spiel's doch mal auf dem Sax und achte darauf wie sich die Klangfarbe ändert:

    C-ionisch: c,d,e,f,g,a,h,c
    C-dorisch:c,d,eb,f.g,a,b,c
    C-Mixo: c,d,e,f,g,a,b,c

    CzG

    Dreas
     
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