Saxophonunterricht ohne Harmonielehre?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von hanssax, 18.Oktober.2015.

  1. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Ist das nicht eher die Dynamik?
     
  2. guemat

    guemat Ist fast schon zuhause hier

    auch ...
    aber auch die Stimmlage und der Ton werden trainiert...

    cu

    gue
     
  3. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Nein, ist der Klang der Stimme. Auch den kann man trainieren, so dass die Stimme z. B. tiefer, sonorer klingt...

    CzG

    Dreas
     
  4. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Nun deine Haltung hierzu ist ja ok.

    Ich selber habe vor ca. 25 Jahren mit einem Quintett Jazz-Standards vor ca. 500 Personen (Konzertsituation) gespielt, die ich heute aufgrund meiner erworbenen Erkenntnisse wegen der harmonischen Komplexität nicht mehr anfassen würde.

    In meiner damaligen Naivität war dies ok, aber heute weiß ich, dass es "ungehobeltes Zeug" war. Heute würde ich es den professionellen Spezialisten überlassen.

    Nicht umsonst üben sie in der Regel sehr viel.
     
  5. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @Bereckis

    Hi Michael, wie hat denn das Publikum damals reagiert?

    CzG

    Dreas
     
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  6. stefalt

    stefalt Strebt nach Höherem

    ja, das war auch meine erster Gedanke!
     
  7. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    @Dreas und @stefalt

    Dass dies Frage kam, war mir klar. Wir sind recht positiv aufgenommen worden. Besonders viel guten Feedback bekamen wir von der professionellen Polit-Folkband, die nach uns spielte.

    Für mich ist aber das Publikum nicht entscheidend, sondern wie ich selber die Qualität meiner Künste einschätze. Daher war es damals ja auch ok.
     
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  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Man könnte ja weiter gehen und das Improvisieren mit einem Poetryslam vergleichen. Dafür brauchst du Kreativität, einen langen Umgang mit der Sprache, mit Poesie, Dramaturgie, Bühnenpräsens, Authentizität und und und.
    Also auch viel Handwerk, was dich befähigt, mit Worten ganz anders umgehen zu können als der normal Sprechende.
     
  9. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Der Vergleich gefällt mir gut!

    Die Kunst ist dann auch noch bei dem ganzen gelernten Handwerk authentisch zu sein.

    Matthias Schubert hatte mir mal erzählt, dass er jahrelang Coltrane studiert und gelernt hatte, um am Ende festzustellen, dass er nicht mehr authentisch war.

    Er hörte dann eigene Tonbandaufnahmen, wo er weniger als ein Jahr Saxophonerfahrung spielte und stellte fest, dass es damals "besser" improvisierte.

    Dennoch bin ich überzeugt, dass sein Coltrane-Studium ihn viel gebracht hat. Die Kunst ist tatsächlich, am Ende wieder frei zu werden.
     
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  10. saxhornet

    saxhornet Experte

    Thom Mason hat darüber ja ein Buch geschrieben. Das System ist bekannt und wurde damals schon von mir während meiner Diplomarbeit von mir erforscht. Hat mich trotzdem nicht überzeugt was die Praxis angeht.
    Wenn die Modulation ein paar Takte steht, ist das kein Problem aber bei schnell modulierenden Teilen a la Have you met miss jones (Bridge), kommt es an seine Grenzen. Sicherlich trotzdem kein schlechtes Konzept aber halt mit Mängeln in der Praxis bei Standards, die etwas komplexer sind.

    Lg Saxhornet
     
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  11. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Hier ein Beispiel für das, was ich meine, wenn ich sage, dass ein Stück mit traditioneller tonaler Jazz-Harmonik nach meiner Auffassung improvisatorisch nicht eine Aneinanderreihung vieler modaler Elemente darstellt (ich habe das Beispiel von Sikora geliehen weil es mir als erstes in den Sinn kam. Der verwendet es in etwas anderem Kontext, aber es eignet sich hier gut, und es gibt unzählige andere, wenn man die Ohren offen hält):



    Das Stück ist Oleo, also Rhythm Changes. Der erste Solist ist Miles Davis. Es geht um seinen ersten B-Teil (ab 0:52). Er spielt hier eine einfache Phrase, die er einmal wiederholt und dann beim dritten Mal mit einer chromatischen Rückung einen Halbton tiefer spielt. Die Phrase (und der ganze Solo-Einstieg) klingt kinderliedmäßig einfach, unangestrengt, typisch Miles. (Der hat es offensichtlich schon 1954 nicht mehr nötig, irgendwen zu beeindrucken, das läuft jetzt nur noch andersrum. Lucky Bastard!)

    Beim ersten Mal klingt die Phrase ein bisschen komisch, da sind schon ein paar gelbe Noten dabei. Beim zweiten Mal geht es mit exakt der gleichen Phrase schon besser, ich denke erstmal an die alte Weisheit, dass eine Wiederholung eben ein gutes Mittel ist, ner schrägen Phase Sinn einzuhauchen und Rückrat zu beweisen, und am Ende zweifelt niemand daran, dass es Absicht war. Beim dritten Mal kommt es einen Halbton versetzt, passt jetzt problemlos und leitet zur eigentlichen Dominante vor dem nächsten A-Teil über, als wär nix gewesen.

    Wenn man es jetzt nach Tonmaterial analysiert sieht das so aus:
    Der erste Akkord ist klingend D7. Die gespielten Töne sind komplett "out": b6, 6, maj7, b2, 6, b6, #4 (mal mit Ausnahme der b2 und b6, die frei nach @ppue hier bei der III7 zum "Heimatmaterial" gehören könnten).
    Der zweite Akkord ist G7. Die gespielten Töne sind jetzt b2, #2, 3, #4, #5 und wieder zurück. Das nennt man heutzutage alterierte Skala (oder Melodisch Moll von der 7.Stufe, oder "diminished whole tone", d.h. zur Hälfte HTGT und zur anderen Hälfte GT) und war auch schon in den 50ern ein durchaus übliches Werkzeug, um Dominanten mehr "Bums" zu verleihen. Das ist jetzt allerdings nicht schlecht eingefädelt, Herr Davis: Die Phrase, die gerade nur schräg war, ist in der exakten Wiederholung auf dem nächsten Akkord plötzlich "hip"!
    Beim dritten Mal kommt jetzt alles exakt einen Halbton runtergerückt daher, der Akkord ist C7. Die Töne sind 6, b7, 1, 2, b7, 6, 5 - myxolydisch bzw. traditionelles Dominantsept-Heimatmaterial. Und das macht jetzt wirklich Freude (natürlich nur, wenn man will)! Miles Davis spielt - mir nichts dir nichts - eine unspektakuläre Phrase die (scheinbar) völlig daneben ist und 6 Takte später verdammt viel Sinn ergeben hat, wenn man genau hinschaut.

    Hat er das bewusst ausgetüftelt, die Skalen hier im Voraus gewählt? Ich glaube es eher nicht, so kommt seine Attitüde weiß Gott nicht rüber und die Phrase erst recht nicht.

    Hat er es nur aus dem Kopf gespielt und den Bauch schändlich ignoriert (um einem möglichen Vorwurf vorwegzugreifen, der nach der inherenten harmonischen Logik der Phrase hier entstehen könnte)? Wir werden es nicht rauskriegen. Ich sage mal so, ich denke Miles hat durchaus etwas zu sagen, aber das muss jeder selbst beurteilen.

    Muss man Harmonielehre studiert haben und die Phrase analytisch betrachten um sie zu "verstehen"? Keineswegs. Die Phrase wirft einen nicht in den Stuhl, aber sie hat was, etwas miles-typisches, auch ohne Analyse. Das Album ist ein Lieblingsalbum seit meiner Jugend (auch vieler Nicht-Musiker). Analysiert habe ich hier zum ersten Mal was nach 20 Jahren.

    Kann man so eine skalentheoretische Punktlandung spontan kreieren, wenn man von Harmonielehre keine Ahnung hat? Die Frage ist wohl eine rhetorische, denn es ist natürlich kein Geheimnis, dass Miles sich ausgiebig mit Harmonie und Theorie beschäftigt hat. Man muss zumindest ziemlich gut und stressfrei 6 Takte voraus hören können und klangliche Farben so verinnerlicht haben, dass man nicht mehr darüber nachdenken muss. Das erfordert viel "Input", sicherlich praktisches, in diesem Fall wohl aber auch theoretisches :).

    Die Frage ist doch letztlich, ob einen die Muse küsst, während man auf dem Sofa sitzt und die Eier krault. Wem's so widerfährt, dem sei's vergönnt. Ehrlich. Ich glaube persönlich aber, dass Euterpia und Polyhymnia vor allem zu denen zum Knutschen kommen, die schon vorher alle Kanäle geöffnet haben, die ohne göttliche Hilfe etwas meistern wollen, und die bereit sind, alles aufzusaugen, auch wenn es manchmal bitter und mühsam ist. Vielleicht lieg ich da aber falsch.

    Aber zurück zur ursprünglichen Frage: Kann ich in tonalen, traditionellen Akkordverbindungen so frei und doch so "vorausschauend" improvisieren, wenn mein übergeordnetes (und wohlgemerkt ziemlich mühsames) Ziel ist, jede akkordbezogene Skala in einem modalen Sinne "schön auszuspielen"?
    Nein.
     
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Nein. Müsste nun ein bisschen fummeln, bis ich die Chords heraus gehört hätte. Bass und Piano spielen nicht den normalen Quintfall sondern eine chromatische Variante, in der sie, so vermute ich, zweimal das Tritonussubstitut spielen. Das ist kein göttlicher Bauch, sondern eine Absprache.
     
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  13. saxhornet

    saxhornet Experte

    Was verstehst Du unter : jede akkordbezogene Skala in einem modalen Sinne schön auszuspielen?

    Für mich ist eine Skala wie ein Akkord nur ein Vorschlag an Tönen aus denen ich mich bedienen kann. Ich kann aus diesen wählen und nutzen so viele wie ich will oder brauche, um das umzusetzen was ich im Kopf habe.

    LG Saxhornet
     
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  14. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ja, für mich auch. Und wenn ich tatsächlich schaffe, mich mit freiem Willen hier zu bedienen oder auch nicht (ohne dass Mängel an Technik, Verständnis oder situationsbedingte Verplantheit auch zur Entscheidung beitragen), dann ist noch dazu ein ziemlich guter Tag und ich habs geschafft die Nummer gut vorzubereiten. :)

    Ich knüpfe an eine Diskussion mit @JazzPlayer von weiter oben an. Ich bin der Meinung, Modi haben in modalen Stücken eine andere Funktion als in traditionell tonalen Stücken, wo innerhalb von Kadenzen der Bezug zum tonalen Zentrum stets erhalten bleibt. In der ersten (modalen) Situation erscheint mir der Modus deutlich bindender und strukturgebender als in der zweiten, in der mir das Ziel der harmonischen Phrase (i.d.R. das tonale Zentrum) weitaus wichtiger erscheint. @JazzPlayer ist der Meinung es spiele keine Rolle, ob dorisch halbtaktig in einer II-V-I oder längerfristig in "So What" vorkomme, er gehe beide Situationen grundsätzlich gleich an, mit dem Ziel die Skalen "schön auszuspielen". Ich habe es noch nicht geschafft, ausreichend zu überzeugen, warum ich seine Herangehensweise als zu eng empfinde, und wo in der Praxis der Unterschied liegen kann.
    Soweit die Vorgeschichte.
     
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  15. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @giuseppe:
    Erstmal zur Oleo bridge. ppue hat ja schon gesagt, dass die Jungs da auf Absprache was anderes machen. Zum anderen wundere ich mich, dass du für deine These, die ja auch aus meiner Sicht erstmal vertretbar und alles andere als abwegig erscheint, ein Beispiel wählst, bei dem normalerweise eine Quintfallsequenz durch denselben Modus aus 4 Tonarten führt. Da kann man dann nicht wirklich den Bezug eines Modus zum tonalen Zentrum illustrieren. Die 251 ist da schon die wesentlich bessere Wahl für.
    Letztere erlegt einem natürlich ziemliche Einschränkungen auf, Modi auch auszuspielen. Allein schon aus Platz- bzw. Zeitgründen (siehe mein Beispiel mit der gestreckten Form) geht das gar nicht. Entscheidende Akkordtöne wie z.B. die 7 erklingen aber hörbar verschieden. Deshalb klingt eine 251 ja auch wie 251 und nicht wie 1-1.
    Ich bleibe dabei, dass der wesentliche Faktor die Zeit ist, in der sich unser Ohr an das Klangbild gewöhnt. Aus praktischer Sicht mag das ein gutes Argument für eine Unterscheidung bieten. Jedoch nicht aus theoretischer Sicht.
    Außerdem kann man einen Modus, je länger er klingt, auch mehr umspielen und sich damit mehr mit ihm auseinandersetzen bzw. durch die bewussten Abweichungen seine eigentliche Struktur noch mehr herausstellen.
    Hat man jedoch kaum Zeit, den Modus selbst auszuspielen, dann kann man natürlich noch weniger drumherum machen, um den Klang zu verdeutlichen.
     
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  16. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ist es nicht so, dass es in einem modalen Stück darum geht die Modi auszukosten? Bewußt mit den Klangfarben zu spielen?

    Wogegen es bei der 5 einer 251 Verbindung weniger auf die Klangfarbe "mixolydisch" als auf die Funktion als Dominante ankommt?

    CzG

    Dreas
     
    Rick gefällt das.
  17. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Das höre ich auch so, also der erste Chord ist Ab (13?), nicht D7.

    LG Juju
     
  18. saxhornet

    saxhornet Experte

    @giueppe @JazzPlayer

    Ich weiss nicht was ihr habt. Es geht beides. Was klanglich nur bei rauskommt wird sich wahrscheinlich unterscheiden aber auch das kann man gezielt nutzen um in einem Chorus anders zu klingen. Es ist doch selten entweder oder.

    LG Saxhornet
     
  19. ppue

    ppue Mod Experte

    Wir wollen nur spielen.
     
  20. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Kurze Zwischenfrage an die Notationskenner:
    Wenn man Töne einer Skala mit Zahlen beschreibt, ist das dann mit den Zahlen von 1-7 und entsprechenden Vorzeichen zulässig? Mir ist nur die Notation der Akkord-Alterationen mit ungeraden Zahlen, also 1,3,5,7,9,11,13 mit der Ausnahme 6 als impliziten Ausschluss einer 7 geläufig. Und das hatte ich dann bisher auch in Bezug auf Tonleitertöne so gemacht, weil bei mir Akkorde und Skalen Hand in Hand gehen.
    Jetzt hat guiseppe das in #351 auch z.B. mit 2 und 4 gemacht. Abgesehen davon, dass ja jeder weiß, was gemeint ist: ist das "verboten" oder zulässig und nur unüblich?
     
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