Wer liest, hört nicht: Hirn reicht mitunter nur für eines...

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von DiMaDo, 9.Dezember.2015.

  1. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Moinsen.

    Mir ist gerade ein interessanter Artikel im Focus über den Weg gelaufen:

    Wer liest hört nicht...

    Ich denke ob es jetzt um das Lesen von Belletristik oder Noten geht ist unerheblich.
    Visuelle Reize lenken stark von Hören ab.

    Und was sagen jetzt die Noten-"Freaks" dazu?

    Für mich persönlich kann ich das nur unterschreiben. Wenn ich mich auf das
    Notenlesen konzentriere höre ich mir selbst eigentlich nicht mehr zu. Der Ton geht
    baden, die Intonation hinterher... Wenn ich das Stück auswendig kann und die Noten
    nur noch so aus dem Augenwinkel als Stütze betrachte sieht die Welt anders aus.

    Und am besten spiele ich allen Ernstes mit geschlossenen Augen. Auch wenn ich
    beswusst Musik höre, sei es zuhause oder auf Konzerten mache ich die Augen zu
    wenn ich richtig hinhören will...

    (Popcorn time...)
     
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  2. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Danke @DiMaDo.

    Schön, dass es mal jemand "aufgedröselt" hat :)

    Ja. Geht mir auch so. Wenn ich ein neues Stück spiele, bei dem ich mich krampfhaft bemühe, die Signallaufzeiten zwischen Notenscan (Augen), Datenverarbeitung (Gehirn) und Ausdruck (Spiel) in den Griff zu kriegen, leidet die Intonation in einem Maße, das für mich völlig inakzeptabel ist. Während des spielens fällt es mir gar nicht so extrem auf, da ich mit vielem anderen beschäftigt bin - z.B. meine Finger zu sortieren - und nur ein Teil meiner Aufmerksamkeit meinen Ohren widme.
    Meistens nehme ich mich dabei auf. Denn die Aufnahme zeigt mir anschließend gnadenlos meine "Baustellen" auf, die meine Ohren während des spielens noch weitgehend gnädig ignoriert haben.

    Bei Stücken, die ich auswendig spielen kann oder bei denen ich die Noten nur als "Geländer" benötige, an dem ich mich von Zeit zu Zeit mal festhalten könnte, wenn ich denn müsste, ist meine Intonation deutlich besser.

    LG Bernd
     
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  3. RomBl

    RomBl Guest

    Ich bin ein (meiner bescheidener Meinung nach) guter Notenleser und spiele Stücke, die ich vorgelegt bekomme, recht schnell flüssig und fehlerfrei runter. Vermutlich habe ich lange genug Barockmusik gespielt, um das verinnerlicht zu haben.
    Aber:
    Ich spiele die Stücke dann halt nur runter. Wenn das Stück durch ist, frage ich mich dann, wie ich eigentlich geklungen habe. Die Antwort lautet dann: icke wees es nich ... :oops:. Da kann ich mich dann nur mittels Aufnahme kontrollieren. Um 1 Ohr frei zu haben muss ich das Stück dann schon etliche Male gespielt haben (in meinem Fall würde der Mathematiker sagen: x gegen unendlich).

    Soundtechnisch am besten für mich ist es, wenn ich mich voll auf den Ton konzentrieren kann. D.h., die Patscherchen müssen automatisch laufen.

    Insofern bist Du nicht alleine mit dem Problem ...
     
  4. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Genau....da bist Du nicht alleine !

    Noten sind bei vielen Dingen...besonders bei ausdruckstarken Balladen und deren Umspielungen und Imros nur hinderlich. Stur auf's Notenblatt starren und gleichzeitig Feelings und Emotionen reinzubringen geht bei mir jedenfalls nicht.

    Dies ist aber nur solostisch zu sehen....beim Spiel mit Anderen z.B. im Ensemble oder inner Band, also nach festem Arrangement gelten natürlich die Noten.

    LG Wuffy
     
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  5. Mugger

    Mugger Guest

    Moin,

    man kann lernen, auf mehrere Dinge gleichzeitig zu achten.
    Man kann auch auswendig spielen, und völlig in sich versunken sein und nix (z.B. von Time des Metronoms, der Mitspieler) mitkriegen.
    Mein Lehrer zeigt mir manchmal scherzhaft, wie es bei mir am Anfang war (auch beim Improvisieren). Augen nach oben, steif.
    Die Aufforderung "stay present" hat in den letzten 3 Jahren gottseidank Wirkung gezeigt.
    Insoferne ist das ganze nicht so einfach.

    Ich mache mit meinen Schülern, die z.B. Probleme beim Mitspielen zu Playalongs haben (Klassiker ist: Richtig begonnen, irgendwo eine Note zu lange, und dann versetzt bis zum Schluss :)) Übungen.
    Z.B.: Ich lasse sie spielen und mache irgendwelche Faxen in ihrer Sehperiphärie. Wenn sie fertiggespielt haben, frage ich danach, was ich gemacht hab.

    Ich bin z.B. oft in der Situation, Sachen sofort vor Publikum vom Blatt spielen zu müssen. Natürlich geht auch meine Tendenz in Richtung "mit den Augen Löcher in die Noten brennen", aber ich hab durch meine Alexander-Studien gelernt "Inhibition" zu betreiben, d.h. ich hab's so im Griff, dass ich meinen Blick auch weit werden lasse (was auch über den Nacken meine Primärkontrolle und in Folge mein Timing und Timefeel positiv beeinflusst).

    Kurz, für mich geht's hier auch um Selbstkontrolle, die Aufmerksamkeit muss nach außen, nicht nach innen gehen, dann geht's auch mit Noten.

    Cheers, Guenne
     
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  6. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Moin!

    Mir für - mich persönlich - schon lange bekannt.

    Inzwischen wissen auch Leute, die mich kennen dass ich beim Autofahren nicht Kofrechnen oder Termine machen kann.

    Oder bei einem neuen Notentext Bandleader anzählt und irgendwann abbricht mit gut gemeinten 'an dieser Stelle kannst Du es Dir einfacher machen'. Da hat schon mehr als einmal von mir die Antwort bekommen: Ich habe nicht die Kapazitäten frei, um mir prima vista in diesem Tempo auch noch Vereinfachungen zu suchen; ich bin im survival mode. Alternative: Ich spiele erstmal gar nicht und höre und steige wieder ein, wenn es einfacher ist..Bessere Alternative: langsamer spielen. Bandleader versteht das nicht 'Ich will es Dir doch einfacher machen!'. Er versteht nicht, dass mir dazu die Kapazitäten fehlen. Wenn ich den Notentext bereits etwas kenne, dann kann ich über Weglassen und Vereinfachen nachdenken, bis dahin gibt's nur an oder aus.

    Für mich ist es auch wichtig, dass ich das Gefühl habe, wenn ich jemanden etwas sage, dass das auch ankommt. Deswegen empfinde ich es als störend, wenn einer dabei noch auf dem Handy liest oder testet, wenn ich was sage.


    Aber, das ist die positive Seite:
    Notenlesen kann man trainieren. Saxophon Spielen auch. Ich muss keine Linien abzählen oder nachdenken, was gerade Finger und Zunge machen, das habe ich (größtenteils) automatisiert.


    Opern sehen kann eine Herausforderung sein ... Musik und Text und Kostüme und Körperhaltung ....


    Grüße
    Roland
     
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  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Bitte nicht so verallgemeinert. Denn die Wahrheit trifft doch eher, daß es für Dich hinderlich ist. Das trifft aber nicht auf jeden zu und es gibt genug Spieler die trotzdem mit Gefühl und Emotion und Ausdruck spielen können.

    Und die sind dann nicht in der Lage mit Emotionen und Gefühl zu spielen, weil sie ja Noten lesen müssen? Also Big Bands können keine ausdruckstarke Ballade und Improvisationen spielen und die Spieler nicht mit Gefühle spielen ? Wuffy, mal ehrlich das ist doch mit Sicherheit nicht deine Meinung, so wie ich dich einschätze.
    LG Saxhornet
     
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  8. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Er solist in einer bigband spielt sein solo doch nicht nach noten . Aber grundsätzlich ist das eine reine übungssache.
     
  9. saxhornet

    saxhornet Experte

    Der Threadtitel bezogen aufs Notenlesen ist Unsinn. Es ist wie immer eine Frage wie weit man ist. Je rudimentärer die Fähigkeiten oder je schwieriger die Noten, desto schneller gerät man an seine Grenzen von dem was man spielen und dabei verarbeiten und ausführen kann. Je einfacher der Notentext für einen ist oder je besser die Fertigkeiten entwickelt sind, desto mehr Kapazität steht zur Verfügung.
    Generell höre ich die Noten auch eher zusätzlich im Kopf, wenn ich sie lese. Es ist generell aber immer nur eine Frage des Trainings und der Erfahrung. Unser Gehirn arbeitet generell nach einem Kapazitätsprinzip bei der Informationsverarbeitung und Aufnahme.
    Beispiel: Am Anfang ist für einen Anfänger ein Vierklang nicht eine Informationseinheit sondern mehrere: die 4 Töne, der Name, der Aufbau, alles separate Infos die gespeichert werden, da ist am Anfang schnell sämtliche Kapazität aufgebraucht.
    Für den erfahrenen Spieler ist der vierstimmige Akkord aber nur noch eine Information, alle anderen wurden zu einer zusammengeführt. Neue Infos können an die alten angeknüpft werden.

    Wer meint er hat Probleme Timing und Gefühl beim Notenlesen hinzubekommen, dem fehlt leider einfach nur die ausreichende Übung und Erfahrung. Solange die Noten dem Spieler im Weg stehen kann es nur holprig sein, sind sie es nicht ist genug Kapazität für anderes vorhanden.

    Wenn es wirklich so wäre wie im Titel, wären viele klassische Orchester und Big Bands nicht in der Lage ausdrucksstarke und timingsichere Musik zu spielen und wir alle kennen doch genug Aufnahmen die uns das Gegenteil eher beweisen.


    LG Saxhornet
     
  10. saxhornet

    saxhornet Experte

    Oft aber nach Changes.
     
  11. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Das was ich schrieb, gilt natürlich nur für mich !!!!!

    Wenn man nie richtig Noten gelernt hatte...und noch nie einen Saxlehrer nicht mal aus der Nähe sah, nicht mal weiß, was Changes, Stütze, Voicing und Dergleichen sind, fällt man eben aus dem Raster.

    Beneide alle, die das alles lernen/ gelernt haben...und auch umsetzen können !

    Augen zu und sich in die Musik der Begleitung hineinhören...ich rede jetzt nur von solistischen und auswendigem Spiel zum Playalong, hat aber auch seine Vorteile.

    Schade, dass so wenig auswendig spielen üben.

    Gr Wuffy
     
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  12. saxhornet

    saxhornet Experte

    Das eine schliesst doch das andere nicht aus. Beides ist wichtig und sollte geübt werden.

    LG Saxhornet
     
  13. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Ja....war aber schon auf etlichen Workshops....und auswendig üben, war noch nie das Thema....Schade
     
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  14. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Mein Reden seit 1821.

    Aber ich leider SEHR viele Leute kennengelernt die ohne ihre Noten SO WAS von aufgeschmissen sind.
    Und das finde ich einfach sehr schade. Weil das auch dem spontan musizieren abträglich ist. Oft spiele
    ich einfach eine Melodie die mir durch den Kopf geht, genau so wie ich auf der Straße (leise) singe oder pfeiffe.

    Just my 2 ct.
     
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  15. DiMaDo

    DiMaDo Ist fast schon zuhause hier

    Da muss ich Dir leider widersprechen, Wuffy.
    Ich habe es schon auf zwei WS mit Andreas Burckhard erlebt dass genau das geübrt wurde - Stücke zu hören und
    ohne Noten zu erarbeiten. U.a. Tought Talk, Ray Charles' Halleluja, Fields of Gold oder Rod Stewards Sailing.
     
  16. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ist auch immer im Programm des WS von "Quintessence" in Einschlingen...

    CzG

    Dreas
     
  17. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    @DiMaDo

    Prima....dann ist das ein Plus für Andreas Burckhard...merke mir das mal, dass neue WS-Jahr kommt ja bald :)
     
  18. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Ich oute mich jetzt auch mal:
    Ich bin Notenleser und -schreiber, und bin sehr froh darüber.
    Ich kann aber auch ohne Noten spielen, sprich einigermaßen zumutbar für das Publikum improvisieren.
    Da ist noch keiner vorzeitig heimgegangen. ;-)

    Bei einem Adventskonzert kommende Woche spiele ich klassische Musik im Trio mit Klarinette und Klavier.
    Ohne Noten wäre das fatal für die anderen zwei.
    Auch die Zuhörer wären nicht gerade begeistert.
    Eine oder zwei Gospelnummmern haben wir als Zugabe geplant, wo zwischendurch etwas freieres Spiel möglich ist.

    Kurz nach Weihnachten spiele ich einen Gig mit einer Bluesband.
    Da braucht es keine Noten außer ein paar kleine Licks, die ich mir zwecks Gedächtnisstütze irgendwann auf das jeweilige Textblatt notierte.
    Die meisten gehen aber inzwischen auswendig.

    Ich bin sehr froh, dass ich mit bzw. ohne Noten mindestens so gut spielen kann, dass mich Musikerkolleginnen und -kollegen (auch Profis) immer wieder mal fragen ob ich Lust hätte mitzumachen bzw. auszuhelfen.

    Keep On Groovin´
    Mike
     
  19. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Richtig. Nur leider ist der Weg dorthin lang und mühsam, deshalb kann man es wie oben schon mal so sehen, dass "es nicht geht".

    Ein verwandtes Problem ist das "Nichtrauskommen". Ich leite eine große Combo mit 6 Bläsern und predige immer: nicht zählen - sondern zuhören. Die regelmäßigen Formen des Mainstreamjazz sind wirklich einfach zu verinnerlichen und ich merke es bei meinen Leuten wie sie nach und nach freier spielen - vor allem in ihren Solos, weil sie mittlerweile hören (oder "fühlen") wo der Blues-Zwölfer gerade ist oder wann beim AABA die Bridge kommt.

    Die branchenfremden Kollegen mit ausschließlicher Blasorchestererfahrung sind besonders schlimm - reinste Notenknechte, die auch mal einen versehentlichen Fehler gnadenlos bis zum Ende durchschleppen.

    Man kann das "Drinbleiben" sehr schön üben, indem man in "Vierern" improvisiert, dabei das Zählen verbietet und das Zuhören fördert, indem die Leute den Vorgänger imitieren sollen.

    Ich verwende jedenfalls viel Energie darauf, auf diese Art die Leute Band- und Sessionfähig zu machen.
     
  20. Mugger

    Mugger Guest

    Es glaubt offensichtlich keiner, dass ohne Noten nicht per se gut und mit Noten nicht per se schlecht ist.
    Ein paar Gedanken, die grad noch so zu den Thread passen, von meinem Lehrer:

    Is the art of improvisation a relative thing?


    Grüßle
     
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