Improvisation, habe ich den richtigen Lehrer?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von vmaxmgn, 30.November.2018.

  1. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Da bin ich bei Dir. Mein Punkt war allerdings etwas viel Banaleres, nämlich: Wie kann ich überhaupt Strukturen erkennen? Geht das rein intuitiv durch Hören oder muss ich die Strukturen in gewisser Weise schon kennen, bevor ich sie überhaupt durch Hören erfassen kann? Das war ja auch die Ausgangsfrage des Threads. Mir ging es keinesfalls um künstlerische Aspekte.
     
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  2. saxhornet

    saxhornet Experte

    Du musst erst bestimmte Strukturen kennen und dann kann man lernen sich davon weiterzuentwickeln und andere eventuell hören, die man noch nicht hatte.
     
  3. Atkins

    Atkins Strebt nach Höherem

    Das ist sicherlich ein Weg, der zum schulbuchmässigem Erfolg führen kann, aber das "muss" sehe ich gar nicht.
     
  4. saxhornet

    saxhornet Experte

    Was ist schulbuchmässiger Erfolg? Und wann hast du das letzte mal ein Buch über das Lernen und unser Gehirn gelesen?
     
  5. Atkins

    Atkins Strebt nach Höherem

    Haha...habe ich wohl noch nie gelesen, will ich wohl auch gar nicht. Ich stelle ja gar nix grdstzl. in Frage, aber bin der Meinung, dass dieser sicherlich nicht falsche Weg ( der lehrbuchmässige) sicher nicht der Einzige ist. Diese Erfahrung habe ich schon vor gut 45 Jahren gemacht und mag individuell sein, aber so ist es halt.
    Ich habe mich doch ganz vorsichtig ausgedrückt, oder??? :)
     
  6. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Abgesehen vom "schulbuchmässigen", was immer das heißen mag, sehe ich da eigentlich keinen so großen Widerspruch wie es zunächst erscheinen mag..
    Strukturen erkennen müssen: Ja, absolut, aber wie ich die nun erkenne, da gibt es verschiedene Wege. Der eine hat einen Super Lehrer, der es aufzeigt, der nächste nimmt sich ein Tutorial im Eigenstudium vor, der nächste hört sich eine Improvisation an und erkennt bestimmte Gesetzmäßigkeiten intuitiv.
    Ich lerne eher "falschrum" in der Reihenfolge. Zum Beispiel Tritonussubstitute hatte ich schon längst in der praktischen Anwendung, bevor mir klar war, was ich da eigentlich mache (hatte ich von Mobley gerippt :D). Oder dass ich in einer II-V-I die II und die V gegeneinander austausche oder nur die II oder nur die V spiele - weil ich das so bei Dexter gehört habe, aber bewußt war es mir bis vor kurzem nicht.
    Ich "entdecke" die Dinge am liebsten für mich und lasse sie mir dann erklären. Andere haben vielleicht nicht so ein trainiertes Ohr, um Strukturen rein intuitiv gehörmäßig abzugreifen und dann auch wiederzuerkennen, für die ist es wichtig, dass ein Lehrer diese dann aufzeigt und erklärt und das Gehör dahingehend schult. Leute, die nicht mit Fledermausohren auf die Welt gekommen sind und/oder evtl erst sehr spät selbst aktiv zum Musizieren gekommen sind, können mithilfe von Strukturen, die ihnen gezeigt werden, extrem weit kommen, und sie können über diese Strukturen lernen, wiederum ihr Gehör zu trainieren.
    Ich denke, dass das Wissen um bestimmte Strukturen den Lernprozeß stark beschleunigt. Ständig wiederkehrende Dinge wie Moll- und Dur II-V-Is zum Beispiel, wenn die einem einmal klar sind, erkennt man sie ja auch wieder, da sie überall ständig auftauchen, und dann merkt man plötzlich, dass der A-Teil von Standard X mit dem A-Teil von Standard Y identisch ist, nur in einer anderen Tonart, etc, und wieder wird der Lernprozeß schneller.
    Auch wenn sich jeder totlacht über mich, wenn ich mal wieder versuche über Theorie zu sprechen, glaube ich doch, einen großen Sprung nach vorn gemacht zu haben, nachdem ich mich auf meine Weise darauf eingelassen habe. Vor ein paar Jahren hat mal hier im Forum jemand beim TOTM gefragt, ob ich mein Solo erklären könnte, ich meine, das war bei Blue Bossa. Ich hatte keinen blassen Schimmer. Jetzt könnte ich das glaube ich so einigermaßen.
    Inzwischen, wenn ich nicht eh selbst darauf komme, frage ich direkt Dave, so nach dem Motto "ich habe hier eine Phrase, die gefällt mir so richtig gut, ich kann auch total hören, dass sie über diesen Akkord oder diese Akkordfolge passt, aber mir ist nicht so ganz klar, warum das hier passt, erklär mir das doch mal" :D Ich bin zwar intuitiv recht weit gekommen, aber lerne wahnsinnig viel, wenn mir ein Könner zwischendurch die Zusammenhänge erklärt. Und richtig spannend wird es, wenn man von verschiedenen Harmonie-Profis erfahren darf, was und wie sie über Improvisation denken, da gibt es durchaus Unterschiede...
    LG Juju
     
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  7. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Eine Analogie ist der Ausspruch "man sieht nur das, was man weiß". Also: ein geschultes Auge sieht viel mehr als ein ungeschultes, das gar nicht weiß, worauf es achten soll. Ich habe mich z.B. recht viel mit Fotografie beschäftigt. Wenn ich (Amateur-)Fotos sehe, stören mich viele Aspekte, die anderen gar nicht auffallen (ja, so kann man sich das Leben auch schwer machen ...)

    Oder um das linguistische Beispiel von @bluefrog aufzugreifen: dieses Jahr war ich in Namibia. Da gibt es einige Sprachen mit diesen Klick-Lauten. Wenn ich Leute sprechen hörte, habe ich gedacht: naja, die klicken halt ab und zu. Dann hat uns einmal eine nette Einheimische eine systematischere Demonstration gegeben. Tja, es gibt nicht weniger als 5 verschiedene Klick-Laute, zusammen mit den verschiedenen Vokalen eine komplizierte Vielfalt an Kombinationen ...
     
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  8. Saxfreundin

    Saxfreundin Strebt nach Höherem

    Das ist wunderbar ausgedrückt, wie ich mich am Anfang fühlte, an dem ich gewahr wurde:
    Es gibt so was wie "Harmonielehre" (und nicht nur 5 Striche mit einer Notenfolge drauf und einem Violin- oder Bassschlüssel davor ;) ).
    Hätte ich früher Piano oder Gitarre gelernt, wären mir "Chords", "Changes", "Stufen" & Co. wohl etwas früher über den Weg gelaufen...


    Und jetzt zu dem Problem, das Florentin schilderte:

    Mein "ungeschultes Auge" wusste einfach nicht, welche Fragen ich stellen musste :rolleyes:
    Wenn Du nicht weißt, was Du nicht weißt, tappst Du im Dunkeln!
    Und Deine Lehrer können nicht in Deinen Kopf schauen, um zu wissen, was Dein "missing link" gerade ist.
    Ich wusste, dass mir massenhaft Puzzlesteine fehlten, kannte aber nicht das ganze Bild, und wusste nicht, wo die vorhandenen Puzzlesteine "hingehörten" :thumbsdown:


    Jedenfalls durfte ich in den 3 Sax-Jahren erkennen: Improvisieren (lernen) braucht Zeit.
    Zeit für alles: Hören, Verstehen, Umsetzen - und so viel mehr.

    Eine gute Improvisation ist das Ergebnis aus unserem ganzheitlichen Verständnis von musikalischen Zusammenhängen und dem Ausdruck unserer eigenen Emotionen.

    So was kommt nicht über Nacht, sondern mit der Zeit ..... in einem Reifeprozess.
    .
     
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  9. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Ich zitiere immer wieder gerne die amerikanische Saxophonistin Jane Ira Bloom: "Improvisieren - das kann man nicht einfach so. Das ist eine Lebensaufgabe!"

    Wenn man die Harmonien verstanden hat, dann kann man sich das Leben leichter oder komplizierter machen. So einfach. Für mich jedenfalls war es eine absolute Bereicherung, zu kapieren, was in den Stücken passiert und warum. Und mal ehrlich, das zu verstehen, ist absolut kein Hexenwerk.
     
  10. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Chet Baker war lebenslänglich völlig ahnungslos und zufrieden damit. Der konnte das einfach. Einmal hören und schon wusste er, wo es lang geht, konnte das aber nur per Trompete oder singend ausdrücken. Ich denke, gerade zu der Zeit, als viele Jazzmusiker eine völlig unzulängliche Ausbildung hatten, hatten diese Ausnahmetalente ihre große Chance. Wenn man z.B. hört wie elegant und selbstverständlich Chet B. durch die nicht so leicht vorhersehbaren Changes von Lady Bird gleitet, mag man das kaum glauben.

     
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  11. RomBl

    RomBl Guest

    Aber es ist doch aber zugegebenermaßen schon leichter, wenn man die Changes sieht, eine kurze harmonische Analyse macht und sich dabei schon vorstellen kann, wie das hinterher zu klingen hat. Jazzpolizeilich richtig improvisieren (von Kreativität spreche ich hier noch nicht) kann ich zumindest nur, wenn ich das Stück (so halbwegs) verstanden habe.

    Rein nach Gehör (oder Intuition) zu spielen ist für mich wie Autofahren bei dichtem Nebel. Wenn Du die Strecke nicht kennst und zu schnell unterwegs bist, ladest Du im Graben.
    Wenn Du aber die Strecke kennst, vielleicht vorher mal auf der Karte ausgecheckt hast, geht das fluffiger und wesentlich sicherer.

    Chet Baker ist ein Ausnahmetrompeter - mit der entsprechenden Erfahrung funktioniert das. In meinem Leben wird das aber nichts mehr ... :D:D
     
  12. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Klar - so gehts mir auch. Und so werden hier 999 von 1000 verfahren müssen, wenn sie was halbwegs Schönes produzieren wollen. Der 1000ste ist dann ein Chet Baker, der nur genügend Musik alltagsmäßig konsumieren muss, um alles zu können - oder in deinem Bild: der auch im dichten Nebel sicher navigieren kann wie eine Katze in der Nacht.
     
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  13. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Mal sehr ketzerisch....aber das ist nun mal meine eigene Erfahrung.

    Was nutzt mir die ganze aufwändige Lernerei und draufschaffen der umfabgreichen Theorie, wenn man es nicht kontinuierlich braucht und auch einsetzt. ????

    Natürlich ist es (jedenfalls von den Meisten) zu kapieren und zu erlernen, aber wenn man es nicht laufend übt, dran bleibt und praxisnah verfeinert...oder in keiner Jazzformation spielt, ist doch Vieles nach ein paar Wochen und MOnaten einfach wieder vergessen....sind wir doch mal ehrlich.

    Da ist meiner Meinung nach Bauch-u. Gefühl...und vor allem nach Ohr frei zu improvisieren der bessere Weg, als sich krampfhaft während des Spielens an irgendwelche Theorie-Richtigkeiten zu erinnern.

    Jeder sieht das wohl anders...darf er auch.

    Gr Wuffy
     
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  14. RomBl

    RomBl Guest

    Achso, Du meintest Cat Baker ... :D:D
     
  15. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich wäre immer vorsichtig was solche Geschichten angeht. Der Wahrheitsgehalt ist da immer sehr schwer nachzuprüfen.
     
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  16. Gerd_mit_Sax

    Gerd_mit_Sax Ist fast schon zuhause hier

    laut der englischen Wikipedia war er aber nicht "völlig" ahnungslos: "After leaving the Army in 1948, he studied music theory and harmony at El Camino College in Los Angeles.[7] He dropped out during his second year to re-enlist."
    Nach über einem Jahr Studium vermute ich, dass er zumindest die Basics kannte, oder?
     
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  17. saxhornet

    saxhornet Experte

    Warum wird immer behauptet, daß man beim Spielen immer versuchen muss an die Theorie zu denken, wenn man sich mal mit Theorie auseinandersetzt? Man beschäftigt sich mit einem Stück, versteht was da passiert und wie die Zusammenhänge sind und man versucht die Inhalte (Skalen und Akkorde) auch spielen zu können und beim Solospiel hast Du das Zeug so verinnerlicht, daß Du nachher den Kopf ausschalten und einfach spielen kannst.
    Stellt doch bitte nicht Behauptungen über etwas auf, das man selber nicht kennt und nachvollziehen kann.
    Und man sollte auch nicht vergessen, nicht jeder ist mit extrem guten Ohren geboren und nicht jeder ist der gleiche Lerntyp.
    Allein der Begriff Theorie-Richtigkeit ist so ein Unfug.
     
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  18. saxhornet

    saxhornet Experte

    Der Weg zum Erlernen und Erkennen von Mustern und der Fähigkeit anhand von diesen Mustern abstrahieren zu können, muss überhaupt nicht mit einem Lehrer erfolgen, wie Du es schon sagst. Aber das Lernen von uns ist geprägt von Mustern erkennen und vergleichen und Neues anhand der Muster einzuordnen oder damit zu verknüpfen.
     
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  19. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Vl. erst mal richtig lesen o_O

    Es sind nur meine eigenen Erfahrungen...und keinerlei allgemeingültige Aussagen und von wegen "Behauptungen"

    Habe schon mehrere Workshops zu dieser Richtung besucht....wo man in ein paar Stunden mit Theorie regelrecht zugedonnert wird.

    Alles gut und auch verstanden...aber wenn man es eben (als Hobbyist-u.Spassmusiker) nicht laufend anwendet und praxisnah braucht, ist es nach einiger Zeit halt wieder weg.

    Mir geht es jedenfalls so......Vielen Anderen wahrscheinlich auch (ich kenne da auch Einige)...oder ich bin halt einfach nur zu doof...auch zu doof, dass ich hier überhaupt noch was schreibe.

    Wuffy
     
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  20. saxhornet

    saxhornet Experte

    Vl. erstmal richtig lesen was ich zitiert habe und worauf ich mich bezogen habe. o_O
    Und was den Rest in dem vorigen Post angeht da gebe ich Dir sogar recht, alles was Du nicht regelmässig machst und anwendest, ist nach einiger Zeit nicht mehr so stark präsent bis hin zu gar nicht mehr vorhanden. Allerdings ist es auch immer abhängig davon, wie tief etwas schon im Gedächtnis verankert wurde. Das hat mit Theorie aber nichts zu tun, sondern damit wie unser Hirn lernt und Gelerntes verarbeitet. Typisches Beispiel, daß ich von vielen Leuten höre, die viel am Rechner tippen, wenn sie kaum noch handschriftlich was notieren, fällt ihnen das nach einiger Zeit deutlich schwerer als es mit Tastatur einzutippen.
    Selbst beim Blattspiel ist es so, wenn Du lange lange Zeit nicht auch schwierigere Sachen mehr vom Blatt gespielt hast, dann fällt es Dir nach einer Weile schwer.
     
    Rick gefällt das.
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