Achtung Aufnahme! ...und nichts ist mehr wie es war!

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von saxsten, 3.April.2020.

  1. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ich bin da anderer Meinung, weil Musizieren soll nicht quälen, sondern Spaß machen.

    Ab und zu Kontrollaufnahmen machen, reicht...

    @ppue hatte z.B. in seinem damaligen Online-Kurs hervorragend verstanden, Stärken und Schwächen herauszuarbeiten und mich zu motivieren. Deine eigenen Erwartungen waren vermutlich viel zu hoch.

    Die Aufgabe eines guten Instrumentallehrers ist nicht nur Wissen und Fertigkeiten zu vermitteln, sondern den Schüler auf ein vernünftiges emotionales Level zu bringen, dass er motiviert lernen kann.

    Online ist dies deutlich schwerer, was ich gerade selber in der Rolle als Lehrer feststelle.

    Live ist Live, Studio ist Studio und Unterricht ist Unterricht.
     
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  2. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @Bernd, das war eben eigenartig.
    Ich wollte wg. deiner "AB-Panik" ;) grade schreiben, "egal welches Thema, am Ende ist alles Psychologie"
    Klicke aber zuvor dein HP -theiki.de- an und sehe, du bist ja in dem Thema voll zu Hause. !!

    Zur eigentlichen Frage, wahrscheinlich gezielt an die Profis:
    Wie geht ihr damit um, (im Kopf) wenn ihr bei einem Auftritt merkt,
    euer musikalischer "Beitrag" ist grade überhaupt nicht gefragt oder stört sogar.
    (vlt. - weil sich alle lieber unterhalten oder in Ruhe essen wollen? )

    Ich komme drauf, weil ich wg. Corona jetzt wieder zu Hause übe (großes Mietshaus)
    Und natürlich kloppt immer irgendjemand (zumindest die ersten 10min) mit'm Besenstil gegen die Wand.
    Ich spiel zwar weiter, aber es nervt mich.
    Und ich spiele unkonzentrierter als im Proberaum.
    Ich kriegs nicht aus'm Kopf, das ich Andere störe.
    Das wiederum verstehe ich. Selbst wenn C. Parker himself üben würde, würde
    gegen die Decke gekloppt werden. Und nicht nur aus Begeisterung. :)
    What can we do ?
    LG

    Merke, das ist eventuell ein neuer, eigener Tread, sorry !
    Können die Mod's helfen und verschieben ?
    Überschrift: Üben und gegen die Wand kloppen
     
    Zuletzt bearbeitet: 4.April.2020
  3. Rick

    Rick Experte

    Das ist natürlich eine Sache von Übung und Routine.
    Wir haben als Teenager in unseren ersten Bands praktisch jede Probe auf Kassette mitgeschnitten, daher bin ich Aufnahmen schon lange gewöhnt. Ich empfinde das sogar manchmal als angenehmer als die Live-Situation, wo man keinen Ton mehr zurücknehmen kann, alles ist gleich "versendet".
    Mein Problem ist eher die "Konservierung für die Ewigkeit" - habe jetzt schon einen guten Take gemacht, doch der nächste wird vielleicht noch besser...?
    Da kann man leicht vom Hundertsten ins Tausendste kommen, deshalb habe ich, auch durch wohlmeinende Tonmeister, gelernt, meine Perfektionsansprüche runter zu fahren und mich mit dem Ergebnis schneller zufrieden zu geben.

    Heute, nach zahlreichen Studio-Aufenthalten und Fernseh-Live-Übertragungen, sind Aufnahmen für mich eine ganz normale, alltägliche Situation geworden.

    Ich habe ja schon viel "Dinner-Jazz" gemacht und dabei gelernt, dass der Eindruck oft trügt, dass man die Leute störe. Meistens höre ich hinterher: "Wir haben zwar nicht geklatscht, aber trotzdem gerne zugehört. Die Musik hat für eine schöne Atmosphäre gesorgt!"
    Manchmal kommen auch einzelne Gäste und bitten, man solle leiser spielen, da hält man sich im Zweifelsfall an den Veranstalter, der einen schließlich dafür bezahlt, dass man noch hörbar ist. ;)

    Ansonsten geht es mir aber wie Dir, ich kann es nicht leiden, wenn ich weiß, dass ich gerade jemanden wirklich störe. Nur bei Nachbarn habe ich diesbezüglich ein dickeres Fell entwickelt: Du hast zu bestimmten Zeiten das RECHT, Musik zu machen, das darf Dir keiner nehmen.
    Manchmal hilft es, mit den Nachbarn bestimmte Zeiten zu vereinbaren, zu denen diese die Musik am ehesten tolerieren können, denn Rücksicht ist natürlich unter Menschen, die eng beisammen leben, sehr wichtig.
    Zeigt sich aber jemand nicht kompromissfähig, dann gilt das Gesetz! :cool:
     
  4. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    Ich hab jetzt nicht alles gelesen.
    Meine Aufnahmen haben immer am besten geklappt, wenn ich das Stück vorher nicht nur fehlerfrei spielen konnte, sondern auch schneller als gefordert spielen konnte, das brachte dann immer die nötige Ruhe ins Spiel , nahm die Hektik raus.Und die Noten am besten nur zur Orientierung nehmen, aber weitestgehend auswendig können.
     
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  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Eine gute Idee, nur etwa 80% von dem rauszuhauen, was man wirklich sicher kann.
     
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  6. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ray Anderson würde dir widersprechen.... Und ich finde die 80% Konzerte eher langweilig.
     
  7. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Oh,ich finde no risk no fun. Ich versuche immer 120% zu geben,mit der Gefahr auch mal zu vergeigen,shit happens
     
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  8. Rick

    Rick Experte

    Das halte ich für mich persönlich auch so. Und wenn's vergeigt war (oder besser: versaxt), dann ist es eben authentisch. :-D
    Als Reaktion auf den immer größeren digitalen Perfektionismus, der heute möglich ist, haben wir bei unseren letzten Eigenproduktionen ganz bewusst kleine Fehlerchen drin gelassen, die leicht zu korrigieren gewesen wären, um eben damit zu demonstrieren, dass wir das gerade nicht tun.
    Ich muss zugeben, dass mich die ganze heutige sterile Glätte langweilt, deshalb mag ich auch lieber Live-Mitschnitte als Studio-Produktionen.
     
  9. Atkins

    Atkins Strebt nach Höherem

    Hust, räusper....:) Ihr übt bewusst Fehler, damit es authentisch ist? Damit es nicht so glatt klingt? Was es nicht alles gibt :)
     
  10. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Ich gebe bei Abschlussabenden von Workshops auch immer mindestens 120%.
    Auch bei Abschlussabenden mit Publikum.
    Ansonsten spiele ich ja nicht öffentlich.
    Manchmal geht es peinlich in die Büx und manchmal kommt was richtig geiles dabei raus.
    80% mit Netz und doppeltem Boden finde ich langweilig. Das bin nicht ich.
     
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  11. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Wo hast Du gelesen, dass jemand bewusst Fehler übt?
    Ich habe Rick so verstanden, dass Fehler passiert sind und diese nicht rausgeschnitten wurden.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 4.April.2020
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  12. Livia

    Livia Ist fast schon zuhause hier

    Das geht gar nicht darum, wenn man 80 % spielt, nur 80 % zu geben, sondern, dass nur 80 % live gelingen.
     
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  13. Atkins

    Atkins Strebt nach Höherem

    "haben wir bei unseren letzten Eigenproduktionen ganz bewusst kleine Fehlerchen drin gelassen, die leicht zu korrigieren gewesen wären, um eben damit zu demonstrieren, dass wir das gerade nicht tun."

    Hallo Bernd...den zitierten Satz habe ich so verstanden. Gut, nicht geübt, aber so belassen. Ist aber auch nun nicht megawichtig, nur so zum Verständnis meiner Frage.
     
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  14. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ich bin kein Klassiker und komme eher aus dem Jazz...

    Ray Anderson hatte uns damals im Meisterworkshop erklärt, dass viele europäische Jazz-Musiker eher auf Sicherheit spielen und dass es besser wäre, Fehler zu akzeptieren und eher mit Risiko zu spielen. Wir mussten im Workshop bewusst "bad" spielen, was einigen Teilnehmern recht schwer fiel.

    Natürlich macht es keinen Sinn, live Stücke zu spielen, wo die individuellen Leistungsanforderungen nicht erfüllbar sind. Man sollte live dennoch den Mut haben, z.B. ausgetretene Pfade der Improvisation zu verlassen und Mut zu zeigen, auch wenn man mal "abstürzen" könnte.

    Meine besten Konzerte waren die, wo die Stücke etwas schwieriger waren und die Proben mal gut und mal schlecht waren.

    Live habe ich manchmal Leistungen abrufen können, die in Proben nicht möglich waren. Manchmal waren aber die vermeintlich "sicheren" Stücke im Konzert eher schlecht und durchgemogelt.
     
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  15. Rick

    Rick Experte

    Haha, das wäre natürlich auch eine Maßnahme - aber dann wäre es ja wieder "eingeübt" und damit nicht authentisch. :lol:
    Nein, es geht uns nur darum, zu zeigen, dass das keine nachträglich "getunte" Aufnahme ist. Freilich könnte man dann denken, dass dies unsere bestmögliche Aufnahme war und wir es nicht anders drauf haben, doch die Gefahr kann man als "Alter Hase" schon mal eingehen. :cool:

    Mein Schlüsselerlebnis war eine Band, die sich beim Öhringer Jazzclub beworben hatte: CD fantastisch, wir sind daraufhin davon ausgegangen, dass das DIE "Checker" sind, doch als sie dann bei uns auftraten, war das Erlebnis schon fast peinlich - kein Vergleich mit der "perfekten" CD.
    Sie haben anschließend gestanden, dass sie damals im Studio alles perfektioniert hatten... :-?

    Es kommt ja auch auf die Musik an: Bei Pop und Schlager erwartet das Publikum quasi ein "industrialisiertes" Produkt, glatt und glänzend.
    Doch der Jazz lebt meiner Ansicht nach von Spontanität, eben vom "Improvisierten", davon, dass alles auch mal schief gehen könnte. So kleine "Wackler" (keine wirklich gravierenden Fehler) machen das Ganze für mich realistisch, nachvollziehbar, deshalb will ich das nicht nachträglich "gerade rücken", obwohl man ja mit der heute verfügbaren Digitaltechnik da jede Menge Möglichkeiten hat.

    Genau. Diesbezüglich bin ich froh darüber, dass ich recht viel mit hervorragenden US-Musikern arbeiten durfte, die mir ihre Philosophie deutlich vermittelt haben: Es kommt nicht darauf an, fehlerfrei zu spielen, sondern, etwas rüber zu bringen. Es muss leben, es muss swingen, es darf nicht "timid" (= ängstlich, vorsichtig) klingen.
     
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  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Witzig, wie die von mir erwähnten 80% als Bremse oder vorsichtiges Spielen interpretiert werden. Ich wollte das auch keinem vorschlagen, halte es dennoch für eine gute Idee.

    Startest du in ein Solo und fährst 100 oder mehr Prozent, hast du kaum eine Chance, das zu halten, geschweige denn, dich selbst animierend noch zu steigern. Die Architektur eines Solos ist wichtig und wenn du keine Luft nach oben hast, dann verreckst du noch vor dem Ziel. Auch ein 500-Meter-Lauf will strukturiert sein und es braucht Kraftreserven für ein eventuelles Finish.

    Die 80%-Vorgabe gibt dir zudem eine Gelassenheit, an die Sache heran zu gehen. Der häufigste Fehler, den ich in Soli höre, ist das fehlende Sich-selbst-Zuhören. Den Fehler sehe ich sogar bei großen Stars, die nur noch damit beschäftigt sind, immer noch krudere Licks aneinanderzureihen.

    Spielst du 80% und machst entsprechend Pausen, dann hast du Zeit, dir nachzuhorchen, die entsprechende Fortführung oder Antwort auf deine letzte Phrase zu erfühlen. Du must nicht schneller und weiter kommen und gewinnst in der Lyrik deines Spiels.

    Nun sind das alles nur Vorschläge. Ich würde Punk und Rock'n'Roll anders angehen, in der Jazz-Jamsession jedoch halte ich das für einen guten Ansatz.
     
  17. ppue

    ppue Mod Experte

    Fällt mir Miles Davis ein: Er spielte am Ende vielleicht noch 4%. Lyrisch ist sein Spiel der wenigen Töne bisher kaum erreicht.
     
  18. Rick

    Rick Experte

    Aha, danke für die Aufklärung!
    Ja, das sehe ich genauso, mir ist der Aufbau eines Solos ebenfalls sehr wichtig.
    Hauptsache, die Rhythmusgruppe macht mit, dann kann man eine schöne gemeinsame Steigerung machen - bis zu über 150 %! ;)
     
  19. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Moin,
    diese Prozentgeschichte halte ich für absoluten Käse.
    Man spielt immer 100%, wie könnte man auch anders, die Frage ist, was sind die 100%.
    100% kann ein Ton im Chorus sein, oder Zillionen.
    Was sollen 70% sein? 700 Töne über Donna Lee im Chorus statt 1000?
    Oder ff statt fff?
    Eigentlich eine Frechheit gegenüber dem Künstler, das ist Prozenten zu bewerten.

    Cheers, Ton
     
  20. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Ich versuch das mal zu erklären. Live habe ich grade beim Rocknroll immer vollgas gegeben. Bei Aufnahmen dann gabe ich vie zurückhaltender gespielt nur um keine Fehler zu nachen. Die Aufnahmen gaben hinterher nicht gefallen,also zurück zum vollgas,experimentell,über die eigenen Verhältnisse probieren. Da war dann auch mal was Mist,aber im ganzen viel besser,das sind dann100%
     
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