Kennt Ihr das? Man hört einen bestimmten Saxophonisten und sein Sound, seine Art zu spielen lässt dich nicht mehr los. Du saugst alles, was du von ihm zu hören bekommst in dich auf. Gehst abends mit seinem Sound im Kopf schlafen, stehst morgens mit seinem Sound in Gedanken auf. Besorgst dir das Notenmaterial von ihm und versuchst so zu klingen wie er - und wenn du dann deine eigene Aufnahme anhörst wirst du jäh aus deinen Träumen geweckt und denkst dir - nie, nie, niemals im Leben werde ich so spielen können und so klingen. Ach ja - mein Vorbild ist in der Überschrift wohl hinreichend benannt
Och - probiers halt weiter. "So zu klingen wie er" ist ja viel mehr als der reine Ton aus dem Horn. Phrasierung lässt sich viel einfacher kopieren, man muss es nur oft genug machen. Ein dankbares Stück ist m.E. "Days of Wine and Roses". Die Noten sind komplett da, das Tempo ist moderat und der Kollege spielt wundervoll und - vor allem - nachspielbar, und mitspielbar.
Mache ich ja! Seine Noten sind auf YT glücklicherweise vorhanden - sogar sehr detailgetreu transcribiert (schreibt man das so?). Oft genug machen - das ist wohl das Geheimnis
Wie lange arbeitest Du denn schon daran? Ich hatte als jugendlicher Sax-Anfänger ursprünglich einen ganz anderen Sound bevorzugt, als ich zunächst umsetzen konnte, ich klang stattdessen nach einem anderen Stil. Na gut, dachte ich, bewege ich mich eben mehr in diese Richtung, also habe ich davon mehr gehört. Nach einiger Zeit, als ich einen trainierteren Ansatz entwickelt hatte, konnte ich plötzlich auch mehr in die ursprüngliche Richtung gehen. Inzwischen bekam ich eine Ahnung davon, welche Parameter (vor allem Ansatz und Blattstärke) sich wie auf den Sound auswirken, so habe ich heute eine gute Bandbreite von Klangmöglichkeiten. Aber ich imitiere andere Spielarten mehr zum Spaß, oder wenn es der Stil verlangt, es ist schon lange kein vorrangiges Ziel mehr, wie irgendein Vorbild klingen zu wollen. Der Trompeter Dizzy Gillespie wollte anfangs klingen wie Roy Eldridge - irgendwann konnte er es, aber da fand er es langweilig.
@Rick - schon seit einigen Wochen. Verschiedene Titel von ihm und auch nicht ernsthaft genug. Ich war aber auch schon mal von dem säuselnden Sound von Ben Webster begeistert. Mir ist schon klar, dass ich niemals so spielen werde wie meine Vorbilder. Aber wie Du ja auch schreibst erhöht dieses Nachahmen die Bandbreite an Klangmöglichkeiten. Letztendlich werde ich irgendwann meinen ganz eigenen Sound haben. Aber hin und wieder so eine Scott Hamilton oder Ben Webster Übungsstunde muss schon sein.
Okay, das ist der Punkt, auf den ich hinauswollte: Dafür muss man Monate bis Jahre einkalkulieren. Bei mir hat es etwa 4 Jahre gedauert, bis ich klanglich einigermaßen in die Richtung gekommen bin, wo meine Vorbilder lagen. Aber das kenne ich von vielen Fällen: Die jungen Leute freuen sich schon über kleine Erfolge, die Erwachsenen hingegen sind eher ungeduldig und wollen es entweder in einem überschaubaren Zeitrahmen schaffen, oder es ist eben "unmöglich". Doch der Volksmund sagt nicht umsonst: "Gut Ding will Weile haben."
Das ist doch ein guter Ansatz. Außerdem kann man sich auch von jeden Saxophonisten die schönsten Attribute raussuchen. Es geht doch aber beim Sound eher darum eine philosophische Haltung zu adaptieren und weniger darum, die Technik usw. zu imitieren. Wenn man die Musik erstmal so fühlt, wie das Vorbild es vermeintlich getan haben mag, ist man auch schneller klangmäßig dort, wo man hin will. Das vermute ich zumindest, ohne die nötige Erfahrung zu haben. Du bist ja, wenn ich dich richtig einordne, mehr ein Tenormann als ein Altist und magst auch Stan Getz und Lester Young gerne, oder? Warst du erst bei einem Coltrane-artigen Sound und hast dann deinen Weg zu einem Getz-artigen Sound gefunden, oder was meinst du konkret? Fände ich sehr spannend zu hören ^^
Ja, ein interessanter Aspekt. Ich versetze mich da auch einem Schauspieler vergleichbar in eine "Rolle", aber vor allem in das, was ich selbst beim Hören der Musik des Vorbilds fühlte. Was das Vorbild gefühlt haben mag, weiß ich nicht, aber ich hatte schon bei eigenen Aufnahmen hinterher das Erlebnis, in einen anderen Zustand zu kommen als beim Spielen - das ist oft mehr Konzentration, Anstrengung, sachliches "Arbeiten" als eine bestimmte Emotion. Gibt es aber natürlich auch, kommt auf die Musik an. Nun gut, bei den Live-Aufnahmen der "Jazzbrunch"-Produktionen ging es mir oft nicht so doll, ich war viel zu früh, zu für meinen Tagesrhythmus nachtschlafener Zeit, mit den Kollegen in einem Heilbronner Gasthaus, wo um uns herum die Leute am Büffet standen oder an den Tischen aßen, nur sehr selten gab es mal Applaus, und wir spielten vor allem Sachen, die die Gäste nicht stören sollten, da geriet ich oft in eine Art Trance, einen Zustand zwischen Wachsein und Schlafen. Und das höre ich auch noch nach Jahren in den Aufnahmen - oder es ist natürlich einfach die Erinnerung an diese speziellen Situationen... Ich habe mit Tenor (gezwungenermaßen) angefangen, liebte aber eigentlich mehr das Alto, speziell Willie Smith (Ex-Jimmy Lunceford, später Harry James, zwischendurch Gast bei Duke Ellington und im Gene Krupa Trio). Mein Sound ging mehr Richtung Lester Young, aber ich liebte mehr den voluminösen, kraftvollen Ton der Hawkins-Richtung. So habe ich mich mehr mit Young beschäftigt, mich sozusagen "eingehört" in die coolere Spielweise, hat mir auch viel geholfen für modernere Tenoristen wie Stan Getz, Sonny Rollins, John Coltrane, Joe Henderson usw. Der Punkt war vor allem die Lippenspannung, die ich anfangs noch nicht richtig im Griff hatte. Als ich allmählich lernte, meinen "Subtone" mehr zu kontrollieren, hatte ich durch die Blattdämpfung den Schlüssel zu unterschiedlichsten Sounds. Auf dem Alto habe ich, sozusagen über den "Umweg" Lester Young, auch Zugang zu Paul Desmond gefunden, später Cannonball Adderley. Unvermeidlich: Dave Sanborn - letzterer gefiel mir nicht immer, aber der Sound ist für einen Profi-Saxer, der auch mal Funk und Rock "bedienen" muss, unausweichlich, da heißt es nicht: "Gefällt dir das oder nicht?", sondern: "Kannst du so klingen? Wenn nicht, fragen wir einen anderen!"
Ganz neue Perspektive! Willie Smith kenne ich, wenn es auch nicht so meins ist. Vielleicht gefällt dir ja diese Aufnahme hier?
Für den "eigenen Sound" ist m. E. nichts besser als eifriges Imitieren der Vorbilder. Das haben selbst diese Vorbilder ausgiebig gemacht. Die Biographien und Jazzgeschichtenbücher sind voll von solchen Stories, wo sich der junge Musiker Schallplatten kauft und unentwegt mitspielt oder seinen Helden "stalked", um "Tricks" zu erfahren. Ich habe z.B ein Lick von einer Sonny Stitt-Aufnahme kopiert und geübt (aus "Stitt's It"), das ich später plötzlich auch bei Lester Young hörte. Sonny hatte offenbar gut hingehört, um diese charakteristische Tonfolge selber zu verwenden und sich damit ein Stückchen Lester Young einzuverleiben. Solches Nacheifern verhindert auf keinen Fall, dass man seinen "eigenen Sound" entwickelt.
@gaga das ist fein reflektiert, da geh ich mit, ich würde es noch mehr differenzieren: nicht 'imitieren', wir haben auf der Welt schon zu viele Imitatoren [coppy/paste] → sondern 'analysieren' - was macht die/der, wie gestaltet der eine Phrase, wie ist der Beginn, das Ende einer Phase. Was macht diesen Sound so charakteristisch - ist das die Rhythmik, die Harmonic, die Besetzung, der Drive, das Tempo eines Stückes etc. hardware Einfluss ist vernachlässigbar dabei.... Das man/frau die eigenen Heros immer wieder hört, ist mMn. Grundvoraussetzung, aber dann muss man beginnen, das zu analysieren. Es ist nicht zielführend, eine Kopie werden zu wollen. Ich liebe Desmonds 'dry Martini' sound, aber auch Benny Carters Vibe, auch wenn es nach ner halben Stunden anfängt zu nerven, aber seine Dynamik ist unglaublich, das sind aber Solisten, und den Sound gibts schon, reines Kopieren geht nicht. musst Du aber in einem Orchester spielen, ist es schon wichtig, den Orchestersound/das Leadalto zu übernehmen, da bin ich dann wieder bei @gaga , weil ich muss wissen - wie! wenn ich nur 'Dave Sanborn-Kettensäge' kann, verzeih mir @Rick , dann werd ich in einem Tanz- o. Ballorchester nicht dabei sein. Umgekehrt kommen die Fragen, wie von Dir aufzeigt, an - dann kann man nur ablehnen [auch wenn man die Kohle braucht] eine Band/orchester, die fragt, kannst Du so oder so klingen, dann bist dabei, das ist für mich nicht seriös, weil das aus Sicht für die betreffende Band nicht nachhaltig sein kann - ich bin doch kein Imitator. [da sind wir auch gleich bei Sonny Stitt, der diesem Vorwurf immer ausgesetzt war - für mich persönlich ist er ein ganz Großer des Bebop] Es ist ein unsicheres Terrain, aber ich kann nur jedem empfehlen - sich mit sich selbst, mit seinem eigenen Sound, auseinanderzusetzen. Sich selbst zu entwickeln, genau das haben die Cats getan. Und wurden erst dadurch die Cats, wie Piccasso, der hat auch 30Jahre gebraucht, ehe der Stier so aussah, wie er ihn wollte. DaVinci wurde nie mit der Gioconda fertig.... Der Weg ist das Ziel - leider plakativer Spruch, aber der triffts. aber für alle - nicht ist eine besseres Motivation, wenn ein Spieler einen berührt, anspricht, wenn man sagt - das isses, das will ich, dann hat der Spieler sein Ziel erreicht, darum geht es. keept groovin' Paco
Jaaaa, ich liebe diesen "sägenden" Sound, wie er sich durch die Melodien "fräst". Muss ja nicht jedem gefallen, aber als Teenager hat mich das total begeistert; allerdings konnte er auch wunderbar Balladen interpretieren, wenn auch immer hoch virtuos. Illinois Jacquet ist auch sehr gut auf der Aufnahme, ich liebe seine Energie. Pres, nicht mehr der Jüngste, jedoch einfach einzigartig. Trompeter dürfte Roy Eldridge gewesen sein. Klingt sehr nach JATP.
Da ging es bei mir nicht um Bands, sondern um Studio-Produktionen. Mal eben schnell "die Kreissäge" abgeliefert und ein paar Scheine abgegriffen sowie die Connection behalten - ist doch schön, wenn man es kann. Natürlich bleibe ich bei so etwas immer noch ich selbst, anders würde ich es gar nicht wollen. Es geht da mehr um bestimmte Erkennungsmerkmale als um eine 1 zu 1 Imitation, besonders bei Improvisation - bei einer Transkription sollte man sich aber schon um möglichst große Authentizität bemühen; sonst ist es, wie Du so treffend angeführt hast mit Sanborn-Sound am Lead Alto in der Swing-Band, einfach deplatziert. Manche Leute stört so etwas nicht, mich jedoch durchaus. (Vergangenes Jahr: Ellington-Projekt, ich wurde als Ben Webster bei "Cotton Tail" besetzt, habe mich intensiv darauf vorbereitet und es ganz gut hinbekommen, doch der erste Altist war mehr ein Rock-Saxer, machte daraus auch keinen Hehl (sie hatten einfach keinen besseren bekommen, er nutzte seine Machtposition auch reichlich aus, drohte bei jeder Kritik gleich mit Ausstieg), und mir blutete bei allen Johnny-Hodges-Passagen das Herz...)
Ich kann dir, @Paco_de_Lucia, und @gaga bezüglich der Soundentwicklung nur zustimmen. Genauso sehe ich das auch. Wobei ich denke, dass das analysieren weniger dem Sound als der Artikulation und Phrasierung hilft, da Sound meiner Meinung nach etwas ist, dass fast ausschließlich im Unterbewusstsein geformt wird. Nach- und Mitspielen kann ja sowieso nie schaden. Und Imitatoren, bei denen man sich fragt, wie sie so irre gut sind, aber schnell merkt, dass sie nie versucht haben, sich selbst zu finden, und auch entsprechend klingen gibt es, wie du sagtest genug. Bin aber auch bei @Rick mit dem, was er sagt (überschneidet sich ja auch mit euern Beiträgen). Ich kenne einen ausgezeichneten Saxophon-Virtuosen, der gerne auch Pop-Jazz macht, und dann bei Bedarf den Sanborn auspackt. Von Charlie Parker gibt es übrigens auch Aufnahmen, wo er Andere imitiert. Und auf Parker with Strings spielt er eindeutig ein anderes, ,,klassischeres'' Setup als auf beispielsweise The Auditory Arrangement.
Bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber der Aufnahmeleiter bei dem Lied war, glaube ich, sogar Norman Granz.
Und da denkt man ganz naiv, unsere Spezies hätte sich in den letzten 70 Jahren irgendwie weiterentwickelt. Grausam und wider jede Menschlichkeit.
Hey, @BluesBrother66 . Ich habe eben beim Stöbern in meiner Audiothek entdeckt, dass eine Aufnahme, die ich schon seit längerem gerne höre, Scott Hamilton in der Besetzung hat. Vielleicht gefällt sie dir ja: