Oberton-Qualität vs. Oberton-Pitch (bzw. -Matching

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von giuseppe, 8.Oktober.2020.

  1. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Alle Ratschläge, die Du bekommst können nach hinten losgehen. Bei einem Lehrer bekommst du nur schneller Rückmeldung. Das Problem ist ganz einfach, dass Du spielen musst und nicht irgend jemand anders. Und da jede Schnute anders ist, und jeder auch etwas anders tickt wird Dir letztlich nichts anderes übrig bleiben, als Deinen Weg zu finden, mit und ohne Tipps und Ratschlägen von wem auch immer.

    heißt für mich: den Druck von unten gegen das Blatt vermindern. Wie viel und wie ist dann eine andere Frage und hängt davon ab, wie man bislang spielt. Wer mit dem Kiefer ordentlich drückt wird den Kiefer etwas lockern. Wer mit den Lippen presst, hier etwas nachgeben.
    Im ersteren Fall bedeutet das u.U. tatsächlich, dass das Spielen deutlich anstrengender wird, zunächst jedenfalls. Man muss sich daran gewöhnen. Ich habe nach einer entsprechenden Ansatzumstellung anfangs nur 5 min spielen können, danach kam das große Zittern.

    Das sind Extrembeispiele, die die grundlegenden Zusammenhänge ganz gut verdeutlichen, mit vielen offenen Fragen.
    Ich bin aber und bleibe bei meiner Meinung, dass bei einem halbwegs vernünftig eingestellten Tenorsaxophon für das tiefe Bb und seiner Oktavierung beim Überblasen diese Phänomene absolut nicht von Bedeutung sind.

    Aber, wie oben schon mal geschrieben, jeder muss seinen Weg finden, mit den Schwierigkeiten des Saxophonspiels klar zu kommen. Lehrer, Experten und Internet können nur Ansatzpunkte, Hinweise und Tipps liefern.

    Gruß,
    Otfried
     
  2. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich machte keine gutgemeinten Ratschläge, sondern schreibe über die Physik des Instrumentes.
     
    Rick gefällt das.
  3. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Danke für die Weisheit! Dann ist es ja quasi ein Selbstläufer und man muss nur machen und warten.
    Also hätte ich das von Anfang an gewusst.... :eek:
     
    Rick und Gelöschtes Mitglied 13315 gefällt das.
  4. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Ich empfehle das pdf von Ben Britton zum Üben von Obertönen (A Complete Approach to Overtones).
    Das sind ein paar Übungen drin, die viel von der Diskussion zwar nicht vom physikalischen Inhalt her klären (in der Tat steht einiges an Blödsinn drin), wohl aber vom Spielen her.
    Und ich denke, dass das ja an erster Stelle steht.

    BTW scheitern Schüler beim "Runterdrücken" des Tones nach meiner Erfahrung nicht an der schlecht entwickelten Unterlippe, sondern oft an "falscher" oder "mangelhafter" Stütze - und allem was sich daraus entwickelt.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15.Oktober.2020
    Livia gefällt das.
  5. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    ämmh von Selbstläufer hab ich glaube ich nichts geschrieben, es ist in der Tat durchaus mühsam ;-)

    Gruß,
    Otfried
     
    Rick gefällt das.
  6. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    Du hast ja auch bewiesen dass du recht hast.
    Ich kann mir aber nicht erklären warum es so ist. Ich dachte immer die natürliche Obertonreihe wäre ein unumstößliches physikalisches Gesetz.
    Wenn ich mir z.b. Blechblasinstrumente anschaue, habe ich ja auch die normale Obertonreihe, obwohl zb eine Trompete einen geringeren Konus hat als zb ein Flügelhorn. Nur optisch, ich weiß nicht viel über Blechblasinstrumente.
    Bei Saiteninstrumenten z.b. ist es ja so, dass egal wie stark ich die Seite anspanne, sie sich immer in Halbe, Drittel, Viertel, Fünftel "teilt". Und benachbarte Saiten werden auch nur dann angeregt, wenn die Frequenz der Obertöne oder die Grundstimmung mit der Erreger-Saite übereinstimmen .
    Bei der menschlichen Stimme (sie funktioniert ja ähnlich wie ein Blasinstrument) haben wir ja auch die ganz normale Obertonreihe.
     
  7. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Bitte die Spitzen wieder einfahren, falls ich welche wahrgenommen haben sollte.

    Ich arbeite von Zeit zu Zeit mit einem herausragenden Lehrer, berufsbedingt sehr sporadisch, dann aber intensiv. Das sind meist sehr praktische Erfahrungen mit weniger Theorie. Unersetzlich zum gelegentlichen Kursabgleich - die Etappen segel ich aber gerne alleine, dafür mache ich es ja auch schon lang genug. Ich bin ein ziemlicher Kopfmensch, und ein aus didaktischer Sicht ein bevorzugt intellektueller Lerntyp. Ich habe gelernt, dass ich Dinge viel schneller umsetzen kann, wenn ich sie durchdringe. Ich weiß aus eigener Lehrerfahrung, dass viele Menschen, vor allem jüngere, anders lernen. Für mich ist es aber sehr effizient, egal ob das Thema der Optimierung Schach, Skifahren oder Schreinerei ist. Oder eben Saxophonspielen.
    Für Fragen wie meine aktuelle ist dieses Forum viel ergiebiger als eine Unterrichtsstunde. Das Fachwissen und praktische Wissen, das hier mit Leuten wie @ppue , @Ton Scott , @Otfried virtuell an den Tisch geholt wird, bekomme ich in der echten Welt nicht an den Tisch. Nicht trotz, sondern gerade wegen unterschiedlicher Hintergründe und Sichtweisen. Ich habe jetzt schon extrem viel aus dieser Diskussion mitgenommen (und auch Spaß gehabt) und sehe keinen Anlass für einen Disput. Danke euch.
     
    Rick, Woliko und Mouette gefällt das.
  8. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    In der physikalischen Theorie ist die Obertonreihe perfekt. In der praktischen Welt mit echten Materialien und endlichen Größen ist sie es oft nicht. Das beste Beispiel ist das Klavier, bei dem durch die Saitendicke die Obertonschwingungen alle einen anderen virtuellen Ansatzpunkt haben und die Obertöne zunehmend zu hoch werden. Deshalb muss man das Klavier auch in zunehmenden Oktaven mehr oder weniger hoch stimmen, wenn man einen harmonischen Höreindruck will. Inwieweit dieses Phänomen beim Sax existieren kann, ist mir nicht bekannt. Wenn @ppue hierzu nicht schon mal ein Experiment gemacht hat, wüsste ich aber nicht, wen man fragen sollte...
     
    Rick gefällt das.
  9. ppue

    ppue Mod Experte

    @claptrane, ich ging früher auch davon aus, dass der Klarinette der zweite Teilton fehlt. Steht halt so in den Büchern. Warum, das konnte mir allerdings keiner sagen. Dann habe ich mit meinen Pappröhren experimentiert und festgestellt, dass eine kontinuierliche Aufweitung eines Zylinders hin zum Konus eine kontinuierliche Verringerung des Intervalls vom 1. zum 2. Teilton bewirkt.

    Ein Überblasen in die Oktave, wie es beim Saxophon der Fall ist, ist also kein natürliches Phänomen, sondern muss durch die Einhaltung ganz bestimmter Maße für den Konus erst erzeugt werden.

    Das Mundstück spielt dabei noch eine Sonderrolle, da es die Symmetrie des Konus stört. In der Regel sollte die Kammer eines Mundstücks so viel Volumen haben, wie die gedachte Spitze eines vollkommenen Konus hat. Mit anderen Worten, man denkt sich an der kleineren Öffnung die Spitze eines abschließenden Konus und misst deren Volumen aus. Das sollte dann dem Volumen der Kammer entsprechen.

    Ist nun das Kammervolumen des Mundstücks zu groß, hat das den gleichen Effekt wie der eines weniger aufgespreitzten Konus. Mit anderen Worten: Bei gleicher Trichteröffnung verlängert die große Kammer das Instrument. Der zweite Teilton geht dadurch in die Höhe. Das gilt eben auch, wenn man das Mundstück weit hinaus zieht. Der Effekt ist allerdings gering, denn auf die Strecke zum tiefen Bb passiert da wenig an der Stimmung.

    Ganz im Gegensatz zum mittleren C. Das verstimmt sich viel mehr beim Rausziehen des Mundstückes. Und so kommt es, dass das C dann sehr tief gestimmt ist und die Sekunde zum überblasenen D, dem die Verlängerung des Instrumentes wenig ausmacht, dann übergroß ist.

    Dieses Phänomen bewegt viele Anfänger zu der Behauptung, ihr Instrument intoniere schlecht.
     
    Bereckis, Rick und claptrane gefällt das.
  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Das ist eben nicht materialabhängig. Mein püTon hat beim Überblasen eine ganz natürliche kleine None als ersten Oberton.
     
    Rick gefällt das.
  11. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ne, materialabhängig ist es beim Konus nicht, aber formabhängig und bei den Saiten ist schon material- und formabhängig.
    Aber wie ist mit den Obertönen beim püTon, wenn du den Grundton spielst? Klingt da die None, die kleine Sext, die Undezime, etc.?
     
    Zuletzt bearbeitet: 15.Oktober.2020
    Rick gefällt das.
  12. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Die Klarinette als Ende eines Kontinuums vom Konus kommend? Das kann ich kaum glauben. Die Klarinette verhält sich ja perfekt wie eine gedackte (gedeckte) Pfeife, deshalb die tiefe Grundschwingung und die ungeraden Obertöne. Nur ist sie halt nicht gedackt, und deswegen sozusagen ein Witz des Universums, der Beweis einer humorvollen höheren Ordnung, die sich über Physiker lustig macht. Anderes Thema.
     
  13. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das hab ich sogar rumliegen. Ich hab vor Jahren mal reingelesen und die viele kalte und warme Luft nicht mehr "derblasen" (das ist doch der Britton, oder?) und muss gestehen es dann wieder beseite gelegt zu haben. Aber es geht tatsächlich um die Wirkung, ich werde es mal auf den Notenständer legen...
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Mal eine Grafik, die vermittelt, wie sich der überblasene zum Grundton verhält, wenn man einen Zylinder aufspreizt. Die Werte habe ich experimentell ermittelt und dann mit Geraden verbunden, die in etwa die Mittelwertlinie zeigen. Die violetten Quadrate zeigen die Frequenz des Grundtones an, die gelben Dreiecke die des überblasenen Tones. Von links nach rechts zeige ich die Öffnung des Konus an 14cm plus ...

    Die senkrechte rote Linie zeigt die physikalische Eigenschaft einer Klarinette an, das Instrument überbläst in die Duodezime. Die senkrechte rote Linie zeigt die Eigenschaft des Saxophones mit oktavierter Überblasung an. Alles dazwischen ist das Reich der Pütonier und für den Instrumentenbau nicht zu gebrauchen.


    [​IMG]

    @Bereckis hatte zu dem Thema mal Herrn Eppelsheim gefragt. Hier ein Teil seiner Antwort:

    "Bei der Frage, wohin ein Konus oder Zylinder (gedackt, also eine Seite geschlossen) überbläst, d.h. wie groß der Abstand zwischen den ersten beiden Partialtönen (und entsprechend auch der Abstand der höheren) ist, gibt es keine Grenzen. Gerader Konus oder Zylinder (gedackt), d.h. etwa Saxophon und Klarinette, sind nur die zwei Sonderfälle, die musikalisch brauchbare Obertonreihen erzeugen. Diese müssen nämlich in ganzzahligen Frequenzverhältnissen stehen, nicht nur wegen der musikalischen Intervalle, sondern auch, damit sich die Resonanzen der Obertöne verstärken können, wenn die Maxima periodisch immer wieder zeitlich zusammenfallen. So erklärt sich, warum ein schlecht stimmendes Instrument immer auch schwer anspricht."
     
    Rick, giuseppe und Bereckis gefällt das.
  15. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Was du noch alles weißt. Ich habe dies völlig vergessen... Aber nicht die Bassstimme....
     
    Rick gefällt das.
  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Es soll die nächsten Tage regnen, da mache ich sie dir fertig (-:
     
    Bereckis gefällt das.
  17. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    In Dortmund regnet es!
     
  18. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das würde - wenn man es weiter denkt - bedeuten,

    ...dass ein kleinkammriger Pea-Shooter eine tiefere Obertonreihe erzeugt als ein großkammriges Hohlorgan.
    ...dass der Blaswiderstand sinkt, wenn ich Mundstück und Pitchcenter auf die Oktave optimiere.
    ...dass die Dissonanz (Buzz, Komplexität) zunimmt, wenn ich mich von ihr entferne.
    ...dass sich Komplexität und Resonanz des Sounds in Abhängigkeit der Stimmung entgegengesetzt verhalten.
     
  19. ppue

    ppue Mod Experte

    Rein theoretisch: Ja (-:
     
  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das wirft ein völlig neues Licht auf mein Problem.
    Ich dachte sound erzeugen heißt physikalisch gesehen, Partiale unterschiedlich zu priorisieren, d.h. Mehr oder weniger zu betonen. Dank dem puesophon weiß ich jetzt, dass es vielleicht noch mehr um die Lage der Partiale geht. Das ändert einiges. Denn das püton klingt ja, so wie es klingt, durchaus eigen. Vielleicht hat Joe Allard seinen Schülern auch gesagt, wenn der Oberton den perfekten pitch hat, ist der Sound resonant. Das wenn ist dann in der Überlieferung unter den Tisch gefallen. Vielleicht gibt einem die Abweichung von der perfekten Resonanz aber auch ein bisschen Salz in den Sound?
    Gibt es einen Tuner oder ein Programm, das einem instantan die Lage der Partiale eines gespielten Tons anzeigt?
     
    Rick gefällt das.
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden