Wie ist das eigentlich mit der Klassik?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Saxoryx, 17.Januar.2021.

  1. Jazzica

    Jazzica Ist fast schon zuhause hier

    Was @giuseppe schreibt, spricht mir voll aus dem Herzen (und das nicht zum ersten Mal :)). Wenn ich die Wahl habe, würde ich für ein klassisches Stück immer die Klarinette nehmen, weil sie dafür wesentlich geeigneter ist als die Saxophone. Um auf dem Saxophon klassische Musik zu spielen, muss man es an eine so kurze Leine legen, sprich: alle tonalen Möglichkeiten, die es bietet, mit Gewalt unterdrücken, dass es mir manchmal fast leid tut, das zu hören. Auch dann, wenn der entsprechende klassische Saxophonist / -in technisch und von der Interpretation her sehr gut spielt. Es kommt mir so ähnlich vor, als würde man versuchen, die Werke von John Dowland auf einer E-Gitarre zu interpretieren. Vielleicht gibt es das tatsächlich, dass manche Instrumente für die eine oder andere Stilrichtung besser oder weniger geeignet sind, auch wenn man sie natürlich mit Gewalt in die Richtung drängen kann, die ihnen nicht so sehr gegeben ist.
     
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  2. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Ja und genau das macht die Klassik ja so spannend
     
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  3. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Sehe ich ganz anders,grade in der Klassik mußt du tonal ne ganze Menge draufhaben,und an die kurze Leine legst du da garnichts
     
  4. Gelöschtes Mitglied 5305

    Gelöschtes Mitglied 5305 Guest

    Klassik für Sax ist nicht gleich Klassik für Sax.
    Es ist ein Unterschied ob ein klassisches Stück, z.B. von Bach, arrangiert und auf einem Saxophon gespielt wird, was meiner Meinung nach immer etwas behelfsmäßig klingt, oder ob das Stück direkt für Saxophon geschrieben und dessen Möglichkeiten beachtet wurden. Beispiel hier: Bozza.
     
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  5. rbur

    rbur Mod

    sorry, aber genau das Gegenteil istder Fall
     
  6. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Ich habe lange Zeit, nämlich die ersten 10-15 Jahre meines saxophonistischen Lebens viel Klassik gespielt, ja fast mehr als Jazz.

    Ich liebe auch den feinen klassischen Ton, und habe immer versucht, diesen auch spielen zu können.

    Die Crux für mich war aber schon immer, dass ich mit dem meisten, das im 20. Jahrhundert so komponiert wurde nichts anfangen kann.

    Gutes Beispiel, das gerade hier gepostete Konzert von Asya Fateyeva. Eine wunderbare Saxophonistin, aber die da gespielten Stücke sind für mich belanglose Aneinanderreihung von Tönen. Sie ergeben keinen Sinn, keine Melodie.

    Wohlgemerkt für mich, andere empfinden einen Hochgenuss dabei.

    Natürlich gibt es Ausnahmen, bspw. das Stück Tableaux de Provence von Paule Maurice, an dem ich mich redlich abgearbeitet habe.

    Infolgedessen habe ich viel ältere Musik gespielt, vor allem Bach, aber auch andere Flötenliteratur.

    Heute stelle ich für mich fest, dass ich klassische Musik mit ganz wenigen Ausnahmen gar nicht mehr hören mag.

    Zeitgenössische fest komponierte Musik macht mich sogar meist kirre, oft sogar aggressiv.

    Die klassische Tonkultur hingegen versuche ich für mich als ein Stilmittel zu erhalten, aber es nur darauf zu reduzieren wäre und ist für mich eine nicht akzeptable Beschneidung der expressiven Ausdrucksmöglichkeiten des Saxophons.

    Gruß,
    Otfried
     
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  7. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich weiß was du meinst. Ich habe in meinen Anfangsjahren klassisches Sax so gespielt, wie ich klassische Klarinette gelernt habe: Tonkontrolle über einen kräftigen Ansatz, Flötenklang ohne Komplexität, ganz kurze Leine. Viele spielen so, da geht nicht viel schief, aber für mich bleibt da auch viel Potential ungenutzt.
    Mittlerweile hab ich aber auch kapiert, dass es ganz anders geht. Dafür muss man nur einigen Topklassikern zuhören. Dunkler Grundsound mit mächtig Edge. Wie ein Cello, das nah am Steg gestrichen wird, bizzelnde Obertöne, das ganze aber jetzt mit dieser geräuscharmen Artikulation und strengem Vibrato. Ganz große Kunst. Relativ lange, aber sehr straffe Leine in deinem Bild. Dem kann ich schon was abgewinnen. Aber halt echt schwer...
     
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  8. bildGRAV

    bildGRAV Ist fast schon zuhause hier

    N`abend zu sammen.
    Ich spiele ja bekanntermaßen ausschließlich Klassik auf dem Sopran.
    Ja, es sind arrangierte Stücke, aber bei folgendem Stück kommt man doch nicht unbeding darauf, dass es original für 2 Violen geschrieben ist!
    Klingt das "behelsmäßig"?


    Klassik stellt andere Forderungen an den Spieler und Schwerpunkte werden anders gesetzt, das ist richtig.

    "Behelfsmäßig" (holgi1964) klingt für mich nach Saxophon bleib bei Deinem Leisten - oder so ähnlich. Das ist für mich aber die gleiche Kategorie wie Bach darf man nicht auf der E-Gitarre spielen und Ähnliches.

    Ich empfinde Musik als Bereicherung.
    Jegliche Eingrenzung (das darf man, das nicht, das klingt, das nicht) sind immer persönlcihe Meinungen.
    Als solche sind sie in Ordnung, aber nicht reglementierend für andere.
     
  9. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    Ich habe mich im Laufe der Jahrzehnte durch eine unüberschaubare Menge von Jazz Songs gepfuscht, ohne dass es groß aufgefallen wäre. In einem synphonischen Kontext wäre das nicht möglich gewesen. Dazu fehlt mir die nötige Kontrolle. Genaues timingangepasstes, gleichmässiges Vibrato, auch in schnell, 300er vibrato zb. Kann ich nicht richtig. Punktgenaue Intonation egal bei welchen Sprüngen, kann ich nicht richtig. Sauber gespieltes 16tel Stakkato über 90 bpm ...eher Glücksache, to be continued.
    Einen philosophischen Unterbau für spieltechnische Fehler gibt es da nicht.
    Ich denke, dass von den Jazzheroen etliche in klassischem Kontext gerade mal mittelmässig sind.
    Mein Ideal ist, beide Welten miteinander zu verbinden, die klassische kontrolliert präzise Stärke im Ausdruck und die freie, musikalische Ungebundenheit des Jazz.
     
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  10. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Nimm Coltrane - unten trötig, häufig überblasen, oben oft zu tief, jaulig. In klassischem Kontext eine Katastrophe! Ja und? Seine Musik steht eben in keinem klassischen Kontext.

    Dass Branford Marsalis mit Erfolg "klassische" Stücke spielt, mag für Leute "aus beiden Welten" toll sein, mir isses egal.
     
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  11. Andresax

    Andresax Ist fast schon zuhause hier

    Ich habe etwas total „verrücktes“ gemacht...
    eine Flöten Sonate von Bach mit einem Sopransaxophon gespielt, auf dem sogar JAZZ drauf steht!!
    ich hoffe „einige“ kommen damit klar und verklagen mich nicht ;)

    :ironie:

     
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  12. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Da sind wir "einigen" doch extrem locker und nicht verwöhnt. Es gibt auch Autos, wo "Jazz" draufsteht, die komische Geräusche machen. Und "Jazz" Dance, der ausschließlich zu radiokompatibler Bumm-Bumm-Musik getanzt wird. Und ne Rose und ne Apfelsorte und ein Deckhengst... Dein Saxophon ist jedenfalls nicht allein. ;)
     
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  13. Ottokarotto

    Ottokarotto Ist fast schon zuhause hier

    da sieht und vor allem hört man eben auch besonders die Bedeutung des Mundstücks für den Klang.

    @Andresax: "Alte Kameraden" :applaus:
     
  14. claribari

    claribari Ist fast schon zuhause hier

    @Andresax wieso verrückt? ich denke mal daß oft der fehler begangen wird, sich mit dem "befohlenen" instrument zu präsentieren. vielleicht wird hier aber auch vergessen, daß es einigen oder gar vielen gefällt, genau solch ein werk anders zu hören. dein sopran kommt doch dem klangspektrum einer flöte oder klarinette sehr nahe, diese aufnahme hätte ich genau so gerne von milt jackson gehört oder paul desmond oder jan gabarek usw.usw.
    für mich als interessiertem zuhörer ist die darbietung bestimmt - genau wie bei der bildenden kunst die beantwortung der frage: was will der künstler damit sagen?
    ich bzw. mein kopf entscheidet doch, ob es paßt oder nicht.
    spiele deine flötentöne doch bitte mal mit barisax, kann ja auch lagsamer sein, und stelle die aufnahme hier rein - mich würde es freuen und vielleicht andere puristen auch.
     
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  15. bildGRAV

    bildGRAV Ist fast schon zuhause hier

    Saxophon und Klassik haben es seit jeher schwer zusammen zu kommen. Dabei gibt es Ausgezeichnetes, was aber nicht im Mainstream zu finden ist.
    .
    Duett ist nicht "nur"! Da gibt`s tolle Sachen.
    Vor Kurzem habe ich mir zum Spass ein Bari ausgeliehen und übe nun. Ich arbeite gerade aktuell am Duett Nr 3 (BWV 804

    und an den 2 stimmigen Inventionen.

    Da ich leider Niemanden zum Mitspielen habe, muss ich also alles alleine musizieren.
    Es gibt aber auch schöne wirklich (!) einfache Duette: Link (nach unten scrollen bis zu "Suites op 11 & 17". Das sind schlappe 52 Seiten NUR 2 stimmig)

    Boismortier hat Stücke für bis zu 5 gleiche Instrumente geschriben. Ein 5 stimmiges Stück (ersten Satz) habe ich mal eingespielt:


    Du siesht:
    es gibt durchaus einfaches zu Musizieren. Da es technisch nicht schwer ist, kann man sich also voll aufs Musikalische stürzen.

    Ich habe oft den Eindruck, dass "man" sich meist technisch zu schwierige Stücke aussucht. Deswegen bleibt man an der Technik kleben und dringt zum Musikalischen erst gar nicht vor. Ich suche mir Stücke aus, die technisch mitunter nicht schwer sind, aber musikalisch den Musiker fordern:
    Dynamik, Tempiveränderungen, Intonation haben so eine Chance als Werkzeug eingesetzt zu werden

    Ich gebe zu: das oben erwähnte Duett Nr. 3 von Bach ist schon ..... ein bissel haarig, aber ich ich habe mich in das Stück verliebt. Nun muss ich es halt üben. Mit dem aktuellen Stand nach 3 Wochen bin ich ganz zufrieden.
    Wie gesagt:
    die Duette von Boismortier sind meiner Ansicht nach wirklich einfach und bieten die Chance musikalisch daran zu arbeiten.
    Also - lasst die Spiele beginnen! :)
     
  16. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    So weit wie Du bin ich leider noch lange nicht. Aber Du hast recht, der Boismortier hört sich durchaus als für noch nicht so virtuose Spieler wie mich geeignet an. Für mich ist im Moment tatsächlich die Technik das Wichtigste, denn da habe ich so ohne Lehrer nie all das gelernt, was man eigentlich so lernen müsste, um richtig gut Saxophonspielen zu können. Ich merke jetzt, wo ich mit meiner Lehrerin daran arbeite, wie leicht es ist, so "laid back" zu spielen, wie ich das bisher im Jazz und sonstigen Stücken getan habe. Das wurde dann immer sofort als gut eingestuft, und also musste ich nicht mehr daran arbeiten. Weil ich eben recht musikalisch bin und auch den Rhythmus von Anfang an konnte.

    Das war für einige Jahre jetzt ja auch schön. Ich musste wirklich nicht viel tun. Noch nicht mal für ein Konzert. Aber ich möchte eben jetzt mehr tun. Auch wenn ich es für die Band nicht brauche.
     
  17. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Was für ein schöner Einstieg heute in den Sonntagmorgen! Danke! :D
     
  18. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Hauptsache, ihm ist es nicht egal. ;) Denn darauf kommt es ja an. Weder Brandon Marsalis noch Coltrane und Co. spielen/spielten für uns Zuhörer oder Mit-Saxophonisten, sie spiel(t)en für sich. Weil sie Freude daran haben, wie sie spielen und was sie spielen. Wie es auch für uns Amateure sein sollte, denke ich. Ob andere das schön finden, was wir machen, ist nur dann wichtig, wenn wir meinen, die Meinung anderer wäre wichtiger für uns als das, was wir vom Leben und von der Musik für uns wollen.

    Ich liebe (fast) jede Art von Musik, und deshalb möchte ich mich nicht auf nur eine Art beschränken. Aber wenn man sehr für eine spezielle Art von Musik brennt und alles andere für sich selbst nicht als Vergnügen empfindet, ist das genauso in Ordnung. Jeder Mensch ist eben anders und das sollten wir alle gegenseitig akzeptieren und respektieren. Jemand, der toll Klassik spielt und sich nicht für Jazz interessiert, ist genauso ein Künstler wie jemand, der gern Jazz spielt und sich nicht für Klassik interessiert. Und wie jemand, der Klassik, Jazz und Country spielt. Musik ist Musik. Und wie heißt es so schön in dem Song? "Music was my first love. And it will be my last." Das ist denke ich die Hauptsache. Dass wir unsere Liebe zur Musik leben, egal, in welchem Genre. :)
     
  19. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Da sagst Du was ... Das ist wirklich sehr schade. Bei mir war es genauso. Niemand bei uns zu Hause hat Klassik gehört. Da lief eben das Radio, und man hörte das, was so aktuell war. Heute wünsche ich mir, es wäre anders gewesen, aber das kann ich nun ja nicht mehr ändern. Deshalb habe ich als Kind eben auch nicht Klavier gelernt, obwohl ich das immer wollte. Aber dann hatte ich einen Musiklehrer, der uns Klassik vorgespielt hat. Und erstaunlicherweise hat das fast allen in der Klasse gefallen. Obwohl ich das nicht gedacht hätte. Denn viele davon hätte man nicht so eingeschätzt. Aber wenn er dann den Tschaikowsky aufgelegt hat oder den Beethoven (damals noch auf einem Plattenspieler), dann waren plötzlich alle ganz still. Er hat auch sehr begeistert darüber erzählt, über deren Leben, über die Musik. Solche Musiklehrer fehlen heute wahrscheinlich. War auch damals nicht unbedingt das Normale. Aber ich empfinde es als großes Glück, dass es so war. Denn auch wenn ich nie in meinem Leben mehr richtig Klavierspielen gelernt habe, hat mir die Begeisterung dieses Lehrers etwas für mein Leben gegeben, auf das ich mir heute gar nicht mehr vorstellen könnte zu verzichten. Wenn er aber nicht gewesen wäre? Was dann? Ich weiß es nicht.
     
  20. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Dem schließe ich mich sofort hundertprozentig an. :) Ein Ideal zu erreichen ist praktisch unmöglich, aber ich würde mich freuen, wenn ich durch die klassische Art jetzt mehr Kontrolle über mein instrument bekäme. Die Zuschauer hören das zwar nicht, was ich alles nicht kann, aber ich höre und merke es. Und da möchte ich einfach mehr können.
     
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