Wie und was übten unsere "Sax-Heros" ?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von bthebob, 26.November.2021.

  1. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    Moin, Moin in die Runde,
    Frage:
    Kennt jemand Quellen (Bücher, Interviews, Filme, Zeitungsartikel o.ä.)
    in denen bekannte Saxspieler Einblicke in ihre
    ganz persönliche, tägliche -Übewerkstatt- gegeben haben?

    Was, wer, wie, wann und warum ... so die Richtung.:)

    Komme drauf', weil bei den vielen guten Tipps, die hier zu Problemen gegeben werden wie

    Intonation verbessern, Töne stabilisieren, Blätter + Mpc Auswählen ....
    oder "Was soll ich üben, welche TL, welche Etüden ?" u.s.w.

    ich mich oft Frage: "Was haben eigentlch unsere -Altvorderen- täglich geübt ?

    Die Möglichkeiten damals waren doch sicher wesentlich geringer, vom Equipment her
    als auch vom Stand musiktheoretischer "Durchdringung" in Sachen Jazz !?

    VG
     
  2. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    Das glaube ich kaum. Gute Saxophone gab es schon früher, die Altvorderen habe diese Musik schließlich erfunden, hatten oft umfassende theoretische Kenntnisse bzw. eine klassiche Ausbildung, es gab schon früher gute Saxophonschulen, Möglichkeiten zum Spielen und Lernen von anderen - und natürlich keine Ablenkung durch's Internet.

    Nur weil Jazz unterdessen an Universitäten gelehrt wird, eine Akademisierung des klassischen Jazz stattgefunden hat, es eine Flut von Lehrbüchern und Tutorials gibt, Sachen wie iReal b und Playalongs den Zugang für uns Amateure vereinfachen, heißt das doch nicht, dass die Möglichkeiten früher wesentlich geringer waren. Anders, ja, das sicher.

    Lies zB mal die Biographie über John Coltrane oder Charlie Mariano oder Charlie Parker. Was diese Saxophonisten alle verbindet war ihre Leidenschaft und ihr ständiges Üben.

    Hörenswert ist ein Gespräch mit dem 96-jährigen Emil Mangelsdorff, den man zu den deutschen Altvorderen rechnen kann:

    https://www.hr2.de/podcasts/mensche...jazz-verboten-wurde,podcast-episode-91798.htm
     
  3. kindofblue

    kindofblue Strebt nach Höherem



    Kurz Zusammengefasst
    - über den gesamten Tonbereich des Saxes spielen.
    - in allen Skalen üben.
    - neue Ideen suchen

    kindofbrecker
     
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  4. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @kindofblue
    lustig, das als Erstes ein Hinweis auf Michael Brecker kommt.

    Weil:
    Erst vor kurzem bin ich auf die GT-HT Scalen gestoßen. Und "liebe" sie seitdem sehr.
    Es heisst, M.B. sei ein Meister in der Anwendung ebend dieser gewesen.
    Na das passt !

    Kennst du zufällig die Quelle, in der Sonny Rollins erzählt,
    warum er jeden Tag auf der Brooklyn Bridge übte ?
    Vlt. finden sich da auch Hinweise, was er übte.

    VG
     
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  5. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @saxfax
    Schon klar, aber das ist nicht mein Punkt.

    Ich spinne mal:
    Wenn heute ein junger, klassisch ausgebildeter Saxophonst sich mit Jazzmusik beschäftigen will
    kann er sich "hundert dicke Bücher" kaufen.
    Da steht alles drin, was er wissen muss und was er üben sollte.:)

    Vergleichbares gab's ja logischerweise in den 1940/50/60 Jahre noch nicht.
    Da ist doch viel im -Fluss- gewesen.
    Wurde beim Spielen entwickelt, ausprobiert.
    Erst später aufgeschrieben und für alle verfügbar gemacht.

    Keine Frage, aber solch' umfangreiche Blatt, Mundstück, S-Bogen, ... und sonstwas für Technk - Auswahl,
    ohne die heutzutage kaum "was geht" ist doch auch eine "Erfindung der Neuzeit"

    Das meinte ich mit geringeren Möglichkeiten an Equipment.
    VG
     
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  6. Rick

    Rick Experte

    Das ist wahr, aber an der schieren Menge kann man schon verzweifeln, als Schüler wie auch als Lehrer! :hungover:
    Immer wieder bekomme ich von Schülern neue Übungsbücher gezeigt, die sie im Musikladen empfohlen bekamen oder auf die sie anderweitig hingewiesen wurden. Manches ist wenigstens brauchbar, manches hat einen guten Ansatz, ist aber mangelhaft umgesetzt, und etliches schlicht überflüssig.

    Was hatten die Musiker früher?
    Die direkte NÄHE zu anderen guten Musikern, gegenseitigen Ansporn (wie vielleicht an einer Musikhochschule), und vor allem ganz viele Ensemble- und Auftrittsmöglichkeiten.
    Ich bin der Meinung, dass ein wirklicher "Sax Hero" nicht im einsamen Übungszimmer entsteht, sondern im Proberaum mit weiteren Musikern, von denen man inspiriert wird, und natürlich auf der Bühne.
    So bekommt man Anregungen, was man weiter üben sollte, man kann musikalische Ideen präsentieren, die von den anderen gutgeheißen oder verworfen werden, man stellt sich der Kritik VIELER Leute, nicht nur eines Lehrers.

    Ich darf sagen, dass ich das, was ich rhythmisch kann, von hervorragenden Schlagzeugern gelernt habe; das, was ich melodisch kann, von inspirierenden Sängerinnen und Bläsern (nicht nur Saxern!); das harmonische Wissen stammt aus der engen Zusammenarbeit mit großartigen Pianisten, Gitarristen und Bassisten.
    Natürlich auch viel vom Musikhören, doch das Meiste, was ich weiß und kann, kam durch meine Mitmusiker, sie waren meine "Lehrer" (und ich lerne von ihnen bis heute).

    Was hat man früher geübt?
    Die unbequeme Wahrheit: Tonleitern, Akkordbrechungen und Akkordverbindungen über den gesamten Tonumfang. Das weiß ich zumindest über Lester Young, Charlie Parker und Michael Brecker, doch die meisten anderen "Heroes" dürften da keine Ausnahmen gemacht haben, das hört man ja auch.
    Etüden usw., womöglich noch mit Play-Along, sind ja ganz nett, aber lenken den ernsthaften, ehrgeizigen Lernenden eher ab. Lieber in der Zeit zusammen mit anderen im Proberaum oder auf der Bühne stehen!

    Aber sie treffen den Zeitgeschmack: Die wenigsten heutigen Jazzinteressenten sind so zielstrebig eingestellt, die meisten möchten eher nette Musik allein oder zu zwei'n machen, als netten Ausgleich in der Freizeit.
    Das ist ja absolut okay, davon lebe ich auch als Lehrer, und wenn dann noch etwas musikalische Analyse und eigenes Improvisieren hinzukommen, ist auch noch etwas fürs Hirn getan. Wie nannte das heute ein Schüler (Ü-50) so schön: "Demenz-Prophylaxe." :thumbsup:

    Für dieses Klientel werden die ganzen netten Bücher usw. herausgegeben. Doch braucht man sie wirklich, um in die Fußstapfen der "Heroes" zu treten? ;)

    Klar, doch damals war man eben weniger "pienzig" als heute. Man nahm, was vorhanden oder erreichbar war, und stellte sich eben darauf ein, lernte, damit zurecht zu kommen.

    Das sehe ich auch bei meinen besten Schülern in deren Kindheit und Jugend: Sie nehmen das "Anfängerinstrument" und machen auf dem ihre Fortschritte, kommen damit immer weiter. In den seltensten Fällen MUSS man dann etwas ändern, meistens kommen die Eltern bei ausreichendem Lernerfolg irgendwann mit einem "besseren" Equipment an, was aber eigentlich gar nicht notwendig wäre.
    Oder es gibt Freunde, Onkel, Dirigenten, die ihnen einreden, sie sollen sich doch jetzt mal ein "richtiges" Mundstück zulegen... :rolleyes:

    Ich erwähne immer wieder gern meine Schülerin mit dem besten Sound jemals - spielte jahrelang ihre "Erstausstattung" (gut, die Blätter wurden natürlich nach Bedarf gewechselt), und als ich sie, damals im Alter von 17, fragte, ob sie nicht mal ein anderes Mundstück ausprobieren wolle, sah sie mich erstaunt an: "Nöö. Wieso, stimmt denn etwas mit meinem Sound nicht?"
    Ich habe nur gesagt: "Keineswegs. Gute Antwort."
     
    Zuletzt bearbeitet: 27.November.2021
  7. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Naja, wenn ich mir die Biographie von John Coltrane betrachte, so wird berichtet, dass er zu den Auftritten oft einen Koffer voller verschiedener Mundstücke mitgebracht hat.:cool:
     
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  8. saxer66

    saxer66 Ist fast schon zuhause hier

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  9. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Die 'musiktheoretischen Durchdringung' war anders - nicht geringer. Es gab damals schon viele Theoretische Unterlagen zur Klassik.

    Zum Jazz damals noch nicht - das wurde rausgehört, ausdiskutiert, von Herzen zu Herzen.
    Und eben selbst ausprobiert, 'erarbeitet'

    Übrigens würde ich jedem, der sich verbessern will empfehlen, ein paar Jahre klassisch zu spielen.
    (Vielleicht hilft das auch, sich von Vorurteilen zu befreien - auch im Jazz hilft es, wenn man gut intonieren kann!)

    :topic:

    Eine schöne Aufzählung was alles vom Üben abhält.
    Bücher lesen, was man üben sollte, Equipment kaufen (spiele ich auf einem dreimal so teuren mpc dreimal so gut?) oder im Saxophonforum surfen.:smil3dbd4e29bbcc7:
    Dann gibt es - in der "Neuzeit" noch hunderte anderer Ablenkungen: Mountainbiken, Joggen, Fernsehen, Internet, Reisen...

    Das wesentliche, was unsere 'Helden' anders gemacht haben: Mehr geübt... viel mehr
    Dann natürlich, was @Rick geschrieben hat: Auftritte, Auftritte, Auftritte... und viele Kontakte zu anderen Musikern. Wurde hier schon oft beschrieben, nach den 'offiziellen' Auftritten sind die Musiker noch durch die Clubs gezogen, 'Musicians Music'

    Coltrane war selbst unter den Viel-übern noch extrem, es wird berichtet, dass er sogar noch in den Pausen sich zurückgezogen hat, um zu üben. An den Mundstücken liegt's nicht.

    Tja, und dann natürlich die Chancen: wenn man weiterkommen wollte, musste man üben. Keine Chance auf 'dann surf ich lieber eine Runde im Internet'
    Einen ähnlichen Effekt sehe ich gerade bei den ganzen superschnellen Ostblock-Blasmusik-Gruppen. Aber natürlich - das gilt auch für die Altvorderen - sieht man nur die, die es geschafft haben. Die 60-jährigen Späteinsteiger von 1930 kennt heute keiner mehr - falls es das damals schon gab :evil:

    Also, einfache Zusammenfassung: Üben, Üben, Üben. Musikhören. Auftreten. Üben.

    So, und jetzt geh ich wieder...
    ... üben.

    Grüße,

    Wanze
     
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  10. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Möglicherweise:
    https://www.neffmusic.com/blog/2010/11/free-universal-method-for-the-saxophone/

    Über andere, speziellere Inhalte haben eh schon andere geschrieben, aber die Grundtechnik, die Knochenarbeit hat sich seitdem vielleicht gar nicht so verändert.

    Das hat aber nichts mit Üben zu tun. Auch mit 15 Mundstücken musst Du keine Minute weniger üben.

    Das ist das Erfolgsrezept der ganz großen, analog auch in so gut wie jeder anderen Disziplin.

    Das heißt auch, dass ich nie ein ganz großer werde...
     
  11. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    Gibt's da nicht die "Legende" (wahr oder nicht ?) .....

    Das er vom vielen Üben ein so schmerzhaften Kiefer oder Gebiss bekam,
    das er auf "Doppel-Lippe" umstellen musste ?

    VG
     
  12. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    Wahrscheinlich war dies eher die Folge des Drogenkonsums.
     
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  13. gefiko

    gefiko Strebt nach Höherem

    Er hatte schlechte Zähne. Deswegen sieht man ihn auf Fotos fast nie Lächeln....Doppellippe spielte er weil ansonsten ihm die Zähne weh taten.
     
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  14. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Du fragtest doch nach konkretem Übematerial und nicht nach Dönekens, Vertellsels, Anekdoten, heldenhaftem Lippenkaputtbeißen.

    Gierig aufgesogen und viel geübt haben viele unserer Helden "Tricks" und ganze Solos ihrer Vorbilder durch Abhören von Schallplatten und Aufschnappen auf Konzerten und Sessions. Für unsereinen, der für alles ausgedruckte Noten braucht, ein schier unmögliches dauerhaftes Probieren und Merken. Aber das bringts wahrscheinlich...
     
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  15. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Das Üben mit Playalongs finde ich nicht nur nett, sondern durchaus hilfreich, besonders, wenn man das Improvisieren trainieren will. Ich denke, dadurch bekommen heutzutage die Spieler eher eine Chance in einer Formation solistisch tätig zu werden, die damals als anonyme und oft übersehene Satzspieler untergegangen wären.

    Wie sah es denn früher, vor den Playalong Zeiten, z.B. in den Bigbandproben aus? Nach dem (notierten) Kollektivanfang eines Stückes fingen dann die improvisierenden Solisten an. Nach dem Motto "Entweder man kann`s oder nicht!" kristallisierte es sich sehr schnell heraus, wer künftig die Soli spielt. Es musste eigentlich gleich funzen. Wenn man die Gelegenheit bekam, es doch einmal zu versuchen, konnte es durchaus so enden, dass man sich mit hochrotem Kopf wieder reumütig in den Satz eingegliedert hat, wenn die Improvisation misslang. Danach hat niemand mehr gefragt, ob man es noch mal mal versuchen wolle, nicht aus böser Absicht, sondern aus zeitökonomischen Gründen. Ein dauerndes Training/Wiederholung der Improvisationstakte für den schlecht schlecht spielenden Solisten wäre für die Band nicht zumutbar gewesen. Selbst war man auch nicht scharf darauf, sich im Improvisationsteil wieder musikalische Blößen zu geben.

    Da denke ich, dass das ständige Trainieren und Wiederholen mit Playalongs, was man mit der Band nicht kann, es einem soweit in den Stand bringen kann, dass man als vorher ungeübter Solist in der richtigen (!) Probe Soli improvisieren kann, die von der Band akzeptiert werden.:cool:
     
    Zuletzt bearbeitet: 27.November.2021
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  16. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    .... und das komplette Zitat.

    Danke @Rick
    Deine -Inputs- sind immer wieder sehr anregend.
    Ja klar, diese gesamte "Gruppendynamik" im Proberaum, auf'm Bandstand oder bei Sessions.
    Gar nicht hochgenug zu wertschätzen.

    Liegt egentlich auf der Hand, der Gedanke.
    Umso mehr bin ich erschrocken, wie weit ich diese Aspekte
    "erfolgreichen" Musizieren schon verdrängt habe.:)

    Aber eine gute Diagnose ist ja der erste Schritt zur Heilung.

    VG
     
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  17. GelöschtesMitglied11578

    GelöschtesMitglied11578 Guest


    ... na dann hätte ihn sein Lehrer aber falsch beraten. Wenn man durchs spielen Schmerzen bekommt muss sicherlich der Ansatz umgestellt werden - aber doch nicht gleich auf doublelip ...

    ... hätte mich mal fragen sollen, der gute Coltrane. Ich hätte ihm ne warme Wanne und weniger Drogen empfohlen ... :)



    -> Nee, im Ernst. Wenn man Kieferschmerzen bekommt oder hat, dann weil da was im Muskeltonus generell nicht hinhaut, wenn man spielt. Das bleibt auch beim weglassen der Zähne nicht aus. Das ist eine Angewohnheit und an dieser muss man arbeiten.

    Zum Vergleich: Wenn man Nackenschmerzen hat, weil da alles verkrampft ist, weil ich jeden Tag immer das gleiche über Stunden mache, dann werden diese Nackenschmerzen nicht weggehen, wenn ich jeden Tag über Stunden das gleiche genau so mache aber mich auf einen Sitzball setze.


    _______________


    Thema


    Ich GLAUBE, dass viele genau das geübt haben, was wir uns auf den Aufnahmen anhören können. Die mediale Weitergabe verlief wahrscheinlich genau so. Anhören was die anderen gespielt haben, nachspielen - adaptieren. Und, wie Rick geschrieben hat, über den persönlichen Austausch. Inhaltlich wird sich das genau da konzentriert haben, wo auch jetzt die Basiscs zu finden sind.

    Zum einen das Tonmaterial abrufen zu können - also Tonleitern bzw Skalen auf alle 12 Töne am Instrument abrufen können.

    zum anderen Akkordtöne innerhalb dieser Skalen in ihrer Wirkmächtigkeit wissen.

    Der Rest ist dann noch diese zu plazieren. Und da wird ja in allen Lektüren zur Harmonielehre ein großes Geheimnis draus gemacht bzw ist da einfach gähnende Leere in Lehre....

    ... In der Analyse der damaligen Spieler scheint dies einfach verinnerlicht worden zu sein welche Skalentöne auf welche Zählzeiten zu spielen sind. Beherzigt man das und artikuliert die Tensions auf den offbeats als "muted claps" und die chordtones auf den downbeats als "open claps" (oder wie auch immer das genannt wird mit soetwas wie : doo-dn-doo-daa-doo-dn-dit zB ), ist man schon ganz nah dran. Am Sound und an dem Tonfluss ... wie ich oft schon schrieb: "Jazz ist keine Musik, Jazz ist eine Technik!"

    Leider habe ich das Gefühl, dass diese Informationen bewusst zurück gehalten werden oder einfach wirklich nicht bewusst sind. Als erstes ist mir das konkret in der Lehre von Sikora benannt worden. In den meißten Büchern schweigt man sich da zu aus und noch schlimmer in der Kommunikation mit studierten Musikern kommen da oft nur so Phrasen wie:" du musst das in der Bebopartikulation spielen!" und dann ist Ruhe und man wird ...... angegrinst.

    Und da liegt evtl der Unterschied zu den Musikern von "damals", welche im Bigbandspiel einfach darauf angewiesen waren genau diese Betonungen mitzuspielen. Kann man sich ja super anhören bei den üblichen Verdächtigen, wie ALLE Spielen gleichzeitig die läufe artikulieren. Das wird schon von Glenn Miller so angesagt worden sein. Und das übernimmst du natürlich auch in den solistisches Spiel. Und vielleicht haben sich die großen Musiker auch mal freundlich unterhalten und bei all der Konkurrenz sich gegenseitig eben genau diese Dinge gezeigt - schon alleine um für sich selber gute Aufnahmen mit ihren Partnern zu generieren.

    Und geübt haben sie sicherlich am Ende alles zusammen.

    Ich GLAUBE da liegt auch der große Unterschied zum Lernenden von heute. Ich habe das Gefühl beim lesen der verschiedenen Lehrbücher, dass alles zu auseinandergefitzelt vermittelt wird. Bis zur Betonung (Artikulation) kommen die meißten ja gar nicht. Selbst die vornehmliche Platzierung von Tensions und landing notes wird kaum auch nur angesprochen. Wenn man da alles gemeinsam sich auf den Teller legt, dann liegt da auch erstmal ne Menge zum verdauen aber geschmacklich wird das Üben wesentlich erfahrbarer und man muss nicht jedesmal, wenn man was neues lernt alles alte über Bord werfen. So ging mir es zumindest ... und das frustriert ja am Ende auch viele Jazzinteressierte, dass man immer gesagt bekommt: "Spiel dies, übe das ...!" und der zusammenhang gar nicht mit vermittelt wird.

    Es müsste eher heißen: " Spiel genau dies und zwar genau dann und zwar so und achte darauf, dass es Musik bleibt!"

    Und ich GLAUBE, dass die Jazzmusiker damals genau so an die Sache rangegangen sind. Natürlich macht es Sinn bestimmte 'Übungselemente zu vereinzeln ... aber nur um sie dann wieder zusammnzusetzen. Diese Philosophie von "lerne erstmal das und wenn du das kannst, dann sage ich dir das nächste" ist ein didaktischer Irrtum! Es sollte ganu andersrum sein: "Schau mal so soll es klingen - ich mache da das so und so - dabei achte ich darauf, dass ich das so und das so mache. Wenn du das auch können möchtest musst du das genau so alles machen und am besten fängst du damit an und machst dann damit weiter aber achtest immer darauf die anderen Elemente, die du noch nicht übst schon zu beachten."

    Ich vermute, dass genau so sich das Bebopspiel auch verbreitet hat. So nach dem Motto hier die Infos - und jetzt musst du es so können. Ist ja in der klassik genau so. Da wird ein bestimmter Stil abgefragt und da kannst du nicht mit Bebopartikulation daherkommen .... und natürlich muss man außer Talent auch noch Zeit und ein wenig Glück haben.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 27.November.2021
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  18. altoSaxo

    altoSaxo Strebt nach Höherem

    Die berühmten Jazzmusiker haben früh und viel mit guten Musikern zusammengespielt.

    Ihr Üben prägte aber vor allem, aus den Aufnahmen guter Musiker zu transkribieren, das zu analysieren und nachzuspielen. Herbie Hancock beschreibt das sehr ausführlich in seiner Biografie. Und für Jazzer war das der übliche Weg zur Meisterschaft.
     
  19. Rick

    Rick Experte

    Da sind ja viele gute Kommentare und Statements zusammengekommen, herzlichen Dank!

    Nun, in die großen Orchester kam man ja erst, wenn man sich schon einen guten Ruf erspielt hatte, zum Beispiel auf den Sessions oder weil man Kollegen in früheren Ensembles positiv auffiel. Anfänger wurden da nicht genommen.
    Das Lernen fand meistens in kleineren Besetzungen statt, die es auch neben den Orchestern selbstverständlich gab, die traten in kleineren Lokalen auf, die natürlich auch Live-Musik boten, denn das Publikum wollte Musik.

    Und was man nicht unterschätzen sollte, ist die Hilfsbereitschaft unter Musikern; die meisten kümmerten sich um Kollegen, die noch nicht so weit waren, und halfen ihnen mit Tipps und sogar gemeinsamen Übe-Einheiten. Das alles ist in diversen Musiker-Biografien dokumentiert.

    Guter Punkt - wie ich sowieso Deinem Beitrag am liebsten mehrere "Gefällt mir" geben würde! :thumbsup:

    Richtig, und ich denke auch, dass die Verfügbarkeit von guten Transkriptionen heutzutage ein großer Fortschritt ist, der einem viel Zeit zum selbstständigen Transkribieren erspart. Allerdings ist es dabei immer wichtig, die zugehörige Originalaufnahme anzuhören und mit der Transkription zu vergleichen. Die Arbeit machen sich leider nur die wenigsten, die meisten spielen die Transkriptionen einfach wie Etüden runter ohne einen Schimmer, wie das Ganze denn ursprünglich geklungen hat...

    Klar, ich habe auch prinzipiell überhaupt nichts dagegen - theoretisch.
    Praktisch allerdings sind viele für die Lernenden viel zu schnell, und die allerwenigsten meiner Schüler benutzen Programme, um sie zu verlangsamen.
    Der Hauptkritikpunkt ist jedoch, dass die Play-Alongs keine Rückmeldung geben. Da kann man im Tempo herumeiern, den Faden verlieren, ohne dass die Begleitung wie bei echten Menschen im Proberaum stoppt, man darauf hingewiesen wird, dass man gerade "völlig im Off" war, und dann der Schlagzeuger einem per Beckenschlag deutlich zeigt, wann der nächste Teil losgeht, oder der Pianist den Akkordwechsel erst mal überdeutlich spielt (was umgekehrt auch die Begleitenden schult, nicht nur vor sich hin zu dudeln, sondern die Solierenden, Instrumentalisten wie Singende, zu unterstützen, damit man GEMEINSAM eine gute Performance bietet).
    Musik ist schließlich ständige KOMMUNIKATION untereinander, die muss gelernt werden.

    Das Play-Along nimmt auch keine rhythmischen Ideen auf und führt diese weiter, was wiederum die Improvisierenden inspirieren kann, und man gewöhnt sich daran, dass eben in dem und dem Takt gerade dieser und jener Akkord genau so erklingt.
    Im Proberaum und erst recht auf der Bühne hört man vielleicht die Begleitenden nicht so gut, der Pianist "schwimmt" gerade selbst ein wenig, und schwupps! ist man rausgeflogen.
    Da höre ich nicht selten das klägliche Bekenntnis: "Zu Hause zum Play-Along hat aber alles geklappt..." ;)
     
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  20. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @Rick

    Das kann ich nur unterstreichen. Playalongs helfen, da man nicht öde vor sich hinspielt. Sie helfen auch die Form zu verstehen und lernen.
    (Hinweis zum Verlangsamen: Es gibt ja auch ganz viele PA auf Youtube, die kann man auch über Youtube verlangsamen.
    Oder iReal Pro nutzen)

    Richtig Musik macht und lernt man aber erst mit echten Musikern.

    Als ich Anfing mit anderen Musikern zu spielen (erst nur mit Piano, aus der sich dann die Band entwickelte) hatte ich einen richtigen Schub in meiner musikalischen Entwicklung!

    Nichts schult mehr, als wenn alle aufhören zu spielen, weil man aus der Kurve geflogen ist.

    Oder wenn sich die Impros gemeinsam entwickelt.

    Und dann macht man nämlich das, was die „Sax-Heros“ gemacht haben.

    CzG

    Dreas
     
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