Charlie Parker, Bird Songs….;)

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Witte, 3.Januar.2022.

  1. Witte

    Witte Ist fast schon zuhause hier

  2. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Hab nicht reingeschaut, aber die Beschreibung ist falsch.
    Im Bericht vom Coroner stand, etwas wie
    "hepatic condition of a 53 year old alcoholic", nicht, dass Bird wirklich so alt ausgesehen hätte.
    Zu sagen, Charlie Parker hätte die Sprache des Jazz erfunden, halte ich auch für falsch.
    Du findest fast alle Licks, die Parker spielt schon bei Musikern vor ihm. Seine Errungenschaft liegt nicht direkt im "was", sondern im "wie", meiner Meinung nach. Sein Vokabular eher deshalb inzwischen universell, weil er es so gut miteinander vernetzte und entsprechend einflussreich war.

    Ich muss mein Wissen über Bird mal wieder auffrischen, aber jetzt, wo ich die ersten paar Minute reingeschaut habe, kommt mir noch weiteres komisch vor.

    Erstmal war der Swing Craze mitte der 30er kein Aushauchen der roaring twenties, sondern wenn überhaupt in direkter Verbindung mit diesen ein Wiedererleben.
    Dazu kommt, dass laut Stanley Crouch, wenn ich mich recht erinnere, Bird erst mit 14 1/2 oder 15 das Saxophonspielen begonnen hat. Davor hat er mal kurzzeitig Klarinette in einer Grundschulband und Baritonhorn (nicht Baritonsaxophon) in einer Mittelstufenband gespielt. Aber nur sehr sporadisch und ohne je zu üben, welcher Tatsache es indikativ ist, dass er mit Sicherheit das Notenlesen noch nicht beherrschte, als er Berufsmusiker wurde.
    Es gibt auch keine Beweise, dass er zu den Schallplatten seines Vaters mitgespielt hätte.
    Höchstens hat er mal den saxophonspielenden Schlagersänger Rudy Vallée gelobt, den er als Kind gehört hätte. Kann aber auch vom Interviewer falsch übernommen worden sein. Dessen Platten könnte er von seinem Vater gehabt haben, allerdings hatte Rudy auch eine eigene Radiosendung.

    Ich habe das Gefühl, hier wird ein Mythos nicht ergründet, sondern neu geschaffen oder weiter vernebelt.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 3.Januar.2022
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  3. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Danke für den Hinweis, @Witte

    Und natürlich hat @Paul2002 im Detail Recht ... nur werden solche TV-Dokus äußerst selten für Überinformierte oder Tiefeninteressierte wie uns produziert.

    Für den "Average Joe", der mit der ganzen Bebop-Kiste nichts am Hut hat und Till Brönner's letzte Scheiben für echten Jazz hält, ist die Darstellung unterhaltend informativ, hinlänglich korrekt und fachlich gerade noch verdaulich. Mehr darf man nicht erwarten.
     
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  4. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Finde ich schon. Parker hat eine sehr spannende Biographie, die man gar nicht verdrehen oder aufbauschen muss, damit sie unterhält.
    Am meisten stört mich dieses Narrativ vom "Großen Genie, das plötzlich auf die Erde kommt und für die Sünden der künstlerischen Nulpen stirbt", oder wie man es auch nennen will. Dieses findet man in jeder zweiten Doku über Künstler, und es tut der Kunst unrecht.
     
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  5. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Interpretierst Du da etwas hinein, was gar nicht da ist oder sehe ich es nicht?

    Nicht mal der sehr gute aber eben doch Hollywood-Film "Bird" über Bird bietet so ein Narrativ.
     
  6. Mouette

    Mouette Ist fast schon zuhause hier

    Eure Beiträge finde ich sehr interessant, allerdings solltet ihr die Doku mal ansehe, um zu erzählen, was nicht stimmt oder fragwürdig ist. Das wäre dann hilfreicher. :roll:
     
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  7. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Woher weisst Du, ob ich die Doku angesehen habe oder nicht?
    Paul stellt auf die Beschreibung in der Arte Mediathek ab und hat die Doku nach eigener Aussage nicht gesehen. Da wäre es sinnlos, mit ihm über richtig oder falsch bei 45:32 oder sonstwo zu diskutieren.
     
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  8. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Um meine Antwort auf den ursprünglichen Post von @Paul2002 richtig einordnen zu können, ist es notwendig zu wissen, dass der ganze hier zitierte Aufsatz nachträglich eingefügt wurde.
    Ich bezog mich auf den (hier im Zitat mit "..." entnommenen) Teil von #2 vorher.
    Reine Stilfrage.
     
  9. Mouette

    Mouette Ist fast schon zuhause hier

    @Long John Silver Stimmt, du hast Recht. Du hast weder geschrieben, dass du sie gesehen hast, noch dass nicht. Beim nochmaligen Lesen deines Beitrags komme ich auch eher zu dem Schluss, dass du dir die Sendung wohl angesehen haben magst. Für den Fall: Entschuldige bitte meine Unterstellung.
    Ich bin keine Tiefeninteressierte, aber von einer Doku erwarte ich, dass die harten Fakten stimmen. Wenn nicht, bin ich an einer Richtigstellung von Relevanz sehr interessiert. (Allerdings denke ich, dass eine längere Doku immer Aspekte enthält, die diskutabel sind. Dazu gehören persönliche Meinungen und Einschätzungen, die ja auch reichlich in der Doku vorkommen, aber - wie ich finde - gut und ausreichend gekennzeichnet sind.) Ich wollte mich mangels Fachkenntnissen gar nicht in die Diskussion einmischen, ich hatte die Doku nur gerade in diesem Moment gesehen und fand sie recht informativ.
     
  10. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Ich sehe dieses Narrativ durchaus gegeben. Alles wird mit sehr viel Pathos gesprochen (bei "Bird" von Clint Eastwood habe ich dieses Narrativ übrigens auch nicht unbedingt gesehen), es wird nicht detailliert genug darauf eingegangen, warum der Künstler die Kunst gemacht hat, die er gemacht hat, warum er ein Epoche symbolisiert und daher immer noch Beachtung findet, sondern er wird überhöht dargestellt. Die Trennung zwischen Drogen und Kunst z.B. Durch die Drogen hat Bird nicht besser gespielt, aber sie gehören genauso zu ihm wie seine Musik, das kann man nicht einfach ausblenden. So wird ein Künstler dann als "halb Engel, halb Teufel" dargestellt, was zwar schön klingt, aber m.M.n zu oberflächlich ist. Das Gute und das Schlechte an einem Menschen bedingen sich, man kann nicht das eine idealisieren und das andere verachten.

    Ich habe ja nur zu den ersten 4 Minuten und der Videobeschreibung kommentiert, welche ich auch gesehen habe.
     
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  11. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    In beiden Inhalten - sowohl im Text als auch in den ersten vier Minuten - sehe ich weder das Narrativ des "plötzlichen Genies" noch des "musikalischen Märtyrers".
    Lass uns also bitte bei den Fakten bleiben, die das diskutierte Material hergibt.

    Nicht korrekt (um nicht zu sagen grober Unfug) ist lediglich die Formulierung
    weil sie die eher intuitive musikalische Entwicklung eines Thelonious Monk und anderer ausblendet, die deutlich vor Parker die Swing-Harmonik weit hinter sich gelassen haben.

    Unbestreitbar ist dagegen:
    Ja, natürlich gibt es ausgeprägte "Parkerisms". Viele davon! In allen Tonarten und rhythmischen Variationen.
    Jerry Bergonzi hat mehrfach (nachzusehen in verschiedensten auf Youtube verfügbaren Masterclasses) sinngemäß formuliert: "Take any two bars of a Charlie Parker solo and you have a full lesson in rhythm and language to work on."

    Und viel mehr gibt der Text und die ersten vier Minuten nicht her.
    Ausser: Franzosen haben eine ganz eigene Zuneigung zu Pathos die ich sehr liebe, weil sie so herrlich unamerikanisch ist.

    Darüber hinaus können wir uns an allen Deinen Punkten in inhaltlichen Diskurs begeben.
    Bei vielen stimme ich Dir sogar zu, bei den Drogen ist die Sache viel komplizierter, bei einigen habe ich eine andere Sicht.
    Das hat nur nichts bzw. nicht viel mit dem diskutierten Inhalt zu tun.
    "Don't judge a book by its cover"
     
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  12. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Meine Aussage zum Geniekult war eher auf solche Dokus allgemein bezogen (habe ich aber nicht klar ausgedrückt) . Damit hab ich aber vielleicht dieser Doku hier unrecht getan (vielleicht aber auch nicht).
    Dein Bergonzi-Zitat unterstützt das, was ich zu Parkers Sprache gesagt habe.
    Dass die Geschichte mit den Drogen viel komplizierter sei als bisher diskutiert habe ich doch auch gesagt. Gerade deshalb finde ich es doof, dass die so oft ein Aufhänger sind, aber dann doch nur oberflächlich behandelt werden.
     
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  13. ppue

    ppue Mod Experte

    Schaut euch die Doku doch bitte mal an und dann sprechen wir uns noch einmal. Musik ist im ständigen Wandel und ob die kommerzielle Swingmusik nun die ausgehauchten roaring twenties sind oder eine eigenständige Neuerung darstellen, ist Ansichtssache und weniger faktengebunden.

    Auch wer da welche Töne übernimmt und ob es die schon vorher gab, ist für mich weniger interessant als die soziale und kreative Situation der schwarzen Musiker.
     
  14. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Das hatte ich schon vor dem Diskurs mit @Paul2002 - da ging es nur um den „Klappentext“ und die ersten vier Minuten.

    Die Doku selbst finde ich außerordentlich gut, nicht zuletzt durch die O-Töne der „Alten“ (die beiden französischen Altist*innen hätte man gerne nur sprechen lassen können, da war ich „under-impressed“… Zirkularatmung? Eher Kenny G als Charlie P… und wenn frau über den rasiermesserscharfen Ton von Parker philosophiert, passt es nicht, gleich danach selbst eher unsauber und spread zu spielen).

    Zur sozialen und kreativen Situation der schwarzen Musiker liegt gerade die Thelonious Monk Biographie von Robin D. G. Kelley auf meinem Nachtschrank … yo, man! NOT nice.
     
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  15. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Es war falsch von mir, über die Doku hinauszugehen. Allerdings waren die Fakten, die ich korrigiert habe, tatsächlich falsch.
    Wenn die Doku trotzdem sehenswert ist, werde ich sie doch mal schauen, wenn ich die Zeit finde (muss zwei Hausarbeiten noch machen, und das Sax hat vorrang).
     
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  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Außer dem Intro und dem Outro gibt es in der Doku gar keinen moderierenden Text, sodass es ausschließlich persönliche Ansichten von Musikern, anderen Künstlern und eines Biografen von Ch. Parker gibt.

    Wo finde ich denn den "Klappentext", über den ihr sprecht?
     
  17. sachsin

    sachsin Strebt nach Höherem

    Est mal ein Dankeschön an @Witte für den Link

    und allen Beteiligten an der Diskussion.

    für @ppue ;)

    ... auf den Link klicken und unterhalb des Filmes gibt es einen Text zum Aufklappen,
    da kannst Du dann Folgendes lesen - wie hier im Zitat:

    "Charlie Parker, Bird Songs
    1955 bescheinigte ein Gerichtsmediziner dem gerade verstorbenen Jazzmusiker Charlie "Bird" Parker ein Alter von "ca. 53 Jahren", obwohl dessen wahres Alter 34 Jahre betrug. Parkers früher Tod war der Preis für ein exzessives Leben im Zeichen der verzehrenden Flamme des Genies. Hommage an einen der bedeutendsten (Jazz-)Musiker des 20. Jahrhunderts.
    Am 12. März 1955 starb Charlie Parker bei seiner Freundin Nica Pannonica de Koenigswarter in einem Zustand völliger Erschöpfung an Erstickung. Der Gerichtsmediziner bescheinigte ihm in seinem Bericht ein Alter von „ca. 53 Jahren“, doch Parker, genannt „Bird“, war erst 34 Jahre alt.
    In der weltweiten Jazz-Szene schlug diese Todesnachricht hohe Wellen; für Parkers Angehörige und Freunde jedoch kam sie keineswegs überraschend, denn der Musiker war stark heroinabhängig und zutiefst vom Tod seiner dreijährigen Tochter erschüttert.
    Schon am nächsten Tag hagelte es Lobeshymnen. John Coltrane sagte: „Charlie Parker hat alles geschafft, was ich gern geschafft hätte, und noch viel mehr. Er war ein Genie.“ Miles Davis äußerte: „Bird war ein so fantastischer und einfallsreicher Improvisator, dass er die Themen vollkommen umdrehte.“
    Charlie Parker prägte den Modern Jazz und übt noch heute einen starken Einfluss auf den Jazz aus, wie man ihn seit den letzten 60 Jahren kennt. Während Louis Armstrong und Duke Ellington das Fundament dieser Musik legten, erfand Parker ihre Sprache durch harmonische, rhythmische und expressive Innovationen. Er gilt weithin als der bedeutendste Altsaxophonist und größte Improvisationskünstler der Jazzgeschichte.
    Die Dokumentation zeigt Beiträge – vor allem des Jazz-Spezialisten Franck Médioni – im Wechsel mit Archivmaterial, darunter ein sehr bewegendes Radio-Interview mit Charlie Parker. Durch Animationen, die sich an die Covers der Parker-Schallplatten anlehnen, wird der Zuschauer in eine ästhetische Welt à la Basquiat versetzt. Der Film lebt von „Birds“ Musik und Inspirationen, bereichert durch das Spiel von Interpreten der Gegenwart wie des Saxofonisten Antonin Tri Hoang, der Saxofonistin Géraldine Laurent und des Pianisten René Urtreger."

    :)
     
    Zuletzt bearbeitet: 4.Januar.2022
    Rick gefällt das.
  18. ppue

    ppue Mod Experte

    Das ist aber doch nicht der Text, den @Paul2002 kritisiert hat. Ich blicke hier nicht durch, sorry.

    Danke dir trotzdem, @sachsin
     
  19. sachsin

    sachsin Strebt nach Höherem

    .... geht aus Post 2 hervor, den er korrigiert hat, siehe dann Post 8 u.a.

    (ja, ist alles ein wenig durcheinander hier, zumal @Paul2002 ergänzendes Wissen
    aus einer Biographie über Parker einfließen läßt - was per se interessant zur Diskussion beiträgt :))
     
    Rick gefällt das.
  20. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Doch genau der. Plus die ersten vier Minuten der Doku.
    Weshalb ich gefragt habe, wo er insbesondere die Heroisierung und den Märtyrer gesehen oder gelesen hat.

    Es gibt durchaus filmische Beiträge über Jazz und seine Grössen, die eigentlich nur gequirlte Klischees bedienen. Der Schinken mit dem Drummer in der Bigband war so einer (ich habe sogar den Filmtitel verdrängt).
    Von solchen Entertainment-Beiträgen eine generelle Klischeebildung bei Dokus abzuleiten und auf diese hier zu projizieren halte ich aber für nicht gerechtfertigt.
    Ich fand die O-Töne interessant. Nicht zuletzt, weil einige durch ihre teilweise sehr subjektiven Motive Parker zur Projektionsfläche machen, wo eigentlich keine ist (oder sie recht weit hergeholt scheint).
     
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