Spieltechnik Klassik / Spieltechnik Jazz

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Supersol, 13.Mai.2022.

  1. Supersol

    Supersol Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Ihr Lieben,

    durch meine Sax-Lehrerin sind ja die Etüden von Lacour in meinen Wirkungsbereich getreten.
    Jetzt haben wir auch Jazz Etüden (Snidero) dazugenommen.

    Die Spieltechniken sind natürlich unterschiedlich. Bei der Klassik ist ja eher der schöne klare Ton gefordert, Vibrato kann man auch gut einsetzen (wenn man es kann o_O).

    Mit dem Jazz bin ich ja nicht so verbandelt und muss mir das eben erarbeiten.
    Was mir jetzt bei den ersten Stücken aufgefallen ist, dass ja tonal ganz anders gearbeitet wird und da wollte ich mich mal theoretisch genauer mit auseinandersetzen. Also mir fällt auf, das mitunter hauchiger (mir fällt dafür kein anderer Begriff ein - gibt es da eine Bezeichnung für?) gespielt wird, Bending kommt bei der Klassik ja auch nicht vor (wüsste ich zumindest nicht).

    Daher dachte ich - vielleicht kann man so eine Art Gegenbüberstellung von Spieltechniken machen (ich nenne das jetzt mal so) wo da so die Unterschiede (oder auch Übereinstimmungen ergeben).

    Vielleicht ist das auch total bescheuert - aber das geht mir so im Kopf grad rum :rolleyes:
     
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  2. GelöschtesMitglied14902

    GelöschtesMitglied14902 Guest

    Im Grunde kannst du alles was du in der Klassik lernst auch im Jazz gut gebrauchen. Da kann aber muß nicht gehaucht werden
     
  3. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    Die Videos von Saxologic zeigen die unterschiedlichen Spieltechniken in sehr unterhaltsamer Weise:



     
  4. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Für mich war der größte Unterschied eigentlich das Mundstück. Während ich für Jazz im Laufe der Jahre immer größere Mundstücke gekauft hatte, bin ich dann für die Klassik mit dem Alto auf ein sehr kleines Vandoren AP3 zurückgegangen. Womit ich einen wunderbaren klassischen Ton erzeugen kann. Aber "hauchig" ist da gar nicht. Fürs Tenor habe ich mir dann auch noch ein Klassikmundstück gekauft, Vandoren T25, weil ich da auch nur große Mundstücke hatte.

    Diesen sauberen Ton hinzubekommen, wenn man vorher jahrelang nur Jazz gespielt hat, war am Anfang allerdings sehr schwierig für mich. Im Jazz ist ja so gut wie alles erlaubt, und vor allem sucht man nach dem "eigenen Sound". In der Klassik gibt es DEN Klassiksound, nicht meinen eigenen. Auf jeden Fall schimpft mich mein "klassischer" Saxophonlehrer immer aus, wenn ich Töne ineinanderziehe, wenn ich nicht sauber anstoße, nicht sauber legato oder staccato spiele, nicht den Dynamikangaben in den Noten folge oder auch den Rhythmusangaben. Das muss alles ganz korrekt sein. Das ist oft sehr harte Arbeit. :)
     
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  5. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Ein großer Unterschied könnte auch das Swing-Feel sein.
    Weiß nicht, ob es da ein Pendant gibt in der Klassik.
     
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  6. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Das ist allerdings wahr. :) Swing geht gar nicht.
     
  7. scenarnick

    scenarnick Administrator

    Doch - triolisch ausgeschrieben ;)

    Ich kann es nur vom Gesang aus beurteilen, aber @Saxoryx hat es schon gut auf den Punkt gebracht: In der Klassik geht es darum, einem Ideal zu folgen, was Klang und Artikulation angeht. Vieles (natürlich nicht alles) ist in den Noten abgebildet und die perfekte Umsetzung der Noten steht als Leitbild sehr weit oben.

    Im Jazz, wie auch in verwandten Bereichen ist der Raum für Individualität viel größer und es wird erwartet oder zumindest erhofft, dass dieser Raum auch ausgenutzt wird (Ausnahme: Big Band Arrangements und vergleichbar, wo das Register homogen klingen muss). Wenn Du Solist bist, darfst Du Deine Stimme suchen und finden. Ob das nun hauchig, rotzig, oder was auch immer ist, muss zum Stück und zu Dir passen, sofern Du Solist bist. Auch Variationen im Timing (von Laid back bis sehr frei) sind gewünscht.

    Der Weg von der Klassik zum Jazz ist nicht gerade einfach, denn Du musst lernen, loszulassen, wenn Dich die Klassik das Gegenteil lehrt. Aber die Klassik hat Dir eine solide Grundlage gegeben. Ich glaube, dass der Weg in die andere Richtung noch schwerer ist, weil man weniger "Unterordnung" von Anfang an gelernt hat. Aber egal wie, die sichere Beherrschung der Technik ist in beiden Fällen unabdingbar.
     
    Zuletzt bearbeitet: 13.Mai.2022
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  8. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das deckt sich 1:1 mit den Anforderungen in einer Big Band. Dazu kommen noch ein paar andere Aspekte, die es in der Klassik so nicht gibt, so wie Subtone, Ghosten, Falls, Shakes etc., die dann auch aufeinander abgestimmt sein sollten.
    Ich weiß schon, was du meinst, und gebe dir recht, dass im Jazz gerade im Solobereich sehr viel mehr expressiver und intonatonstechnischer Freiraum besteht. In der Ensemble-Arbeit ist das aber nicht unbedingt so.
    Da ist der "Dialekt" nur ein anderer, wenn man so will.
     
  9. Supersol

    Supersol Ist fast schon zuhause hier

    :lol:.... wie g... ist das denn bitte .... ich musst so lachen .... "good luck in the real world".... nääää :-D
    Ja - ich sollte auch das erste Selmer Mundstück mal ausprobieren, als das mit den Classic Etüden anfing - da ist mir der Unterschied so richtig bewusst geworden. Die Mundstücke unterstützen doch eben auch sehr die Musikart, wenn man so sagen will.
    Da bin ich dann einfach mit der Blattstärke bissl hoch und dann passte das super.
    Mit dem Selmer gingen die Jazz Etüden ganz mies und umgekehrt. Sehr spannende Erfahrung.
    Ich fand das am Anfang auch sehr schwer mit den sauberen Tönen, habe aber mittlerweile doch ganz schön Gefallen dran gefunden. Ich spiele die Etüden tatsächlich sehr gerne mittlerweile. Am Anfang fand ich auch den Monolog Nr. 4 von Erland von Koch grausam (den 1. Teil) - grässlich und viel Arbeit, aber jetzt finde ich den super. Schon interessant.

    ja neee - da haste recht :-D.... irgendwie braucht man für jedes Genre das richtige Feel glaub ich

    ich denke zum größten Teil ja - ich hatte das Thema mit meiner Sax Lehrerin vor kurzem (interpretatorischer Freiraum in der Klassik) - sie sagte, bei den Soli ist da schon auch Raum z. B. wie weit oder ausgeprägt geht oder ist die Dynamik usw.
    Aber natürlich kein Vergleich zum Jazz - klar.

    laid back ist, wenn der Ton einen Tacken nach kommt, stimmt das?

    ja - das stimmt wohl. Ich denke für die musikalische Entwicklung ist beides wichtig. Man darf sich immer mit neuen Schwierigkeiten beschäftigen :-D... aber das schult ja auch

    ah ja - da sind mal Techniken erwähnt - um die ging es mir ja auch :smile2:
    Was bitte genau ist Subtone?
    Was ist ghosten?
    Falls sind glissandi?
    Shakes sind ...?:smile2:
     
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  10. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Ich finde es immer wieder amüsant, wenn der intonationstechnische Freiraum im Jazz erwähnt wird.

    Fragt man einen Jazzer nach einem anderen, so wird sehr häufig als erstes dessen gute oder weniger gute Intonation angesprochen.

    Gruß,
    Otfried
     
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  11. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Na, das ist eine eigene Technik, die man lernen kann.
     
  12. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ich glaube, dass mit diesem Freiraum meistens die Möglichkeit des bewussten Spielens mit der Intonation gemeint ist. Also nicht nur Bending, sondern auch die vielfältigen und sehr persönlichen Möglichkeiten, Blue Notes zu intonieren.

    Blue Notes übrigens im weiteren Sinne. Wenn ich z.B. eine 4 als betonten Vorhalt vor der 3 spiele, ist sie häufig flat - soll sie auch. (Natürlich nur beim Solieren)
     
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  13. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Hier ein Beispiel von Scott Hamilton, gleich zu Beginn:



    CzG

    Dreas
     
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  14. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Für mich ist der Unterschied im Grunde der Freiheitsgrad.

    In der Klassik bin ich gefordert das exakt so zu spielen, wie es notiert ist.

    Im Jazz kann ich spielen, was gefällt.

    Die Noten aus den Realbooks sind Anregungen, rudimentäre Melodien. Wenn man die spielt, wie sie da stehen, klingt es öde.

    Erst mit der eigenen Interpretation wird daraus Musik. Hinzu kommt dann noch die Freiheit der Improvisation.

    Das heißt aber nicht, dass man das exakte Spielen nicht können muss.

    Jazzetüden z. B. sollte ich exakt spielen, um mir ein Vokabular zuzulegen, auf das ich später zurückgreifen kann.

    Intonation muss ich beherrschen, um bewußt „out of tune“ einzusetzen.
    Rhythmik und Time muss ich beherrschen, um bewußt die Grenzen ausloten zu können.

    Insofern ist Klassik auch eine gute Schule, um im Jazz besser zu werden (Habe mal einige Monate mit einer klassischen Flötistin/Lehrerin gespielt und in der Zeit viel gelernt, auch über mich)

    Was ich halt immer wieder beobachtet habe ist, dass sich Klassiker sehr schwer tun loszulassen, frei zu Musizieren. Sind die Noten weg, steht Panik im Gesicht.

    Umgekehrt genauso. Wenn jemand noch nie richtig gelernt hat, exakt nach Noten zu spielen, wird‘s genauso schwer.

    CzG

    Dreas
     
  15. scenarnick

    scenarnick Administrator

    Ertappt :)
     
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  16. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ja, in etwa das war gedacht.
    Ich meine da schon erhebliche Unterschiede in den Anforderungen zu sehen.
    Immerhin baut Selmer in ihre vorwiegend klassisch ausgerichteten Altos (Serie III und Supreme) Korrekturmechaniken fürs C# und was weiß ich alles ein, damit vor allem die Intonation ein Selbstläufer wird. Das ist schon toll, was die da hinbekommen. Andererseits sind die Hörner dann ziemlich vollgepackt. Die Jazzer die mir so in den Sinn kommen sind diesen Hörnern mit den üppigen Mechaniken sehr skeptisch gegenüber und priorisieren andere Qualitäten bei einem Saxophon.
     
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  17. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Subtone ist eine Technik, bei der man das Blatt nicht voll schwingen lässt, in dem man weniger Mundstück nimmt, mehr mit der Lippe dämpft, weniger Kieferdruck benutzt (oder nur manches davon). Der Ton ist weich, etwas dumpf, wenig brilliant, eventuell luftig. Viele Saxophonisten kommen im Laufe des Lernens nach der Tröt-Phase und der Anschleifphase in eine Subtone-Phase, in der sie jeden Ton so spielen, weil es ihnen ermöglicht leise zu spielen. Das "Lehr"-Ziel ist eher, dies nicht überdosiert einzusetzen. In manchen Bigband-Charts wird dies gezielt für einzelne Passagen gefordert.

    Ghosten ist eine Technik, bei der man Töne so spielt, als würde man sie fast nicht spielen und doch hören, bzw. fast verschlucken. Die beste Technik ist wohl, das Blatt mit der Zunge ganz zart abzudämpfen, ohne den Ton zu unterbrechen. Beim nächsten nicht geghosteten Ton lässt man die Zunge wieder weg, was den Ton dann irgendwie akzentuiert erscheinen lässt, ohne dass er gestoßen wurde. Notiert wird das mit einem Kreuz statt Notenkopf oder Notenkopf in Klammern. Eher fortgeschritten, das gut und flüssig zu machen. Erfordert viel Übung, kommt meines Erachtens in der Klassik nicht vor.

    Falls sind Glissandi nach unten mit abruptem Decrescendo, gegriffen oder gelipped oder beides.

    Shakes sind eine Blechbläsertechnik, bei der das Instrument am Mund geschüttelt (shake) wird, und dadurch ein sehr breites Vibrato entsteht, häufig so, dass es zum nächsten Oberton springt. Dann meist zwischen Sekunde und Quarte, häufig eine kleine Terz. Die Saxophone können eigentlich nicht Shaken außer auf manchen Multiphonics. Wenn im Satz notiert entscheidet der Bandleader in meiner Erfahrung, ob übertrieben mit dem Mund vibriert oder eine Sekunde/kleine Terz oder sonst was getrillert werden soll.
     
  18. Super20Fan

    Super20Fan Kann einfach nicht wegbleiben

    Ich persönlich finde, dass alle Klassiker technisch sehr gut sind. Und sie sind sehr gut im Notenlesen! Das ist durchaus eine beachtenswerte Fähigkeit.

    Im Jazz werden aber ganz andere Fähigkeiten abgerufen. Ich habe sehr oft Klassikern gehört, dass sie sich mit Akkordzeichen schwertun. Naja, mein eigenes harmonisches Verständnis hat eher Grundschuldniveau...

    Zum Ton in Klassik und Jazz:

    Ich würde den Ton in der Klassik als eher schlank beschreiben. Erinnert mich immer ein wenig an den Ton von Lester Young (Der war aber JazzsaxophonistI).

    Klassisches Tenorsaxophon:


    Lester Young über Lester Leaps In:


    Im Jazz wird teilweise mit einem sehr breiten Ton gespielt, bestes Beispiel hier Illinois Jacquet über Flying Home (Solo ab 6:49):


    VG
     
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  19. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Ich glaub dass ein großer Unterschied im Voicing liegt - Jazz tiefer als Klassik - und dass das Blatt daher dann auch unterschiedliche Dinge machen darf.
    Darüber gibt es ja auch die berühmte Arbeit:

    Hasbrook Thesis

    Zwischen diesen beiden Aufnahmen liegen ca. 5mm am Kork. Ich meine - es bleibt ein "Link" von @Gaivota, und ein "Jazzblatt", das recht hell ist, aber man hört schon einen rechten Unterschied, auch wenn es natürlich irritierend ist, dass es diese Tonguestops in der Klassik eher nicht gibt, und die Töne meist ein anderes Decay als im Jazz haben. Also am Ende rund in der Klassik, eckig im Jazz.




    Gute Übung - und auch lehrreich für mich BTW!
     
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  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Man kann den Mouthpiece Pitch bei dir an der Höhe der Augenbrauen ablesen. Das nenne ich multimodales Teaching! :rolleyes:

    Sorry, couldn't resist. Die Beispiele sind sehr anschaulich, und ich finde es faszinierend wie gut du beide intonierst. Wie spielst du normal?
     
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