Mit dem Saxofon Gefühle ausdrücken

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von ppue, 26.September.2022.

  1. jimi

    jimi Ist fast schon zuhause hier

    denkende Worte beim Saxophonspielen. Das Letzte, was ich hören möchte, wenn ich Coltranes Central Park West spiele.:)

    PS. Perhaps a little when playing.When i fall in Love. it will be forever.;)
     
    ppue und Rick gefällt das.
  2. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Schwieriges Feld.
    Ich bin in meinem Denken da immer noch von Lennie Tristano geprägt. Dieser unterschied zwischen (engl.) Emotion und Feeling. Emotion hatte seiner Ansicht in der Musik nichts verloren, mit "Feeling" zu spielen war enorm wichtig. Als Nichtmuttersprachler würde ich in diesem Kontext "Emotion" mit Gefühle (mit e), Leidenschaften übersetzen und "Feeling" mit Gefühl (ohne "e"), Empfindsamkeit übersetzen. Also, nichts Aufgesetztes oder Schauspielerndes sondern empfindsames Spiel das vl auch aus der Zurückhaltung eine eigene Kraft entwickelt.
     
  3. gefiko

    gefiko Strebt nach Höherem

    Bei Improvisation kann man in unterschiedlichen Richtungen gehen. Wenn ich ein Schlaf- oder Kinderlied singe oder spiele, würde ich kein „Dies Irae“ oder „Alabama“ draus machen (wollen).
     
    ppue gefällt das.
  4. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Ein ehemaliger Bekannter aus dem Nachbarort, gut 10 Jahre jünger....musste plötzlich nach kurzer und heftiger Krank viel zu früh über die Regenbogen-Brücke gehen.

    Spielte neben der Gitarre auch Sax, überließ mir zum Schnäppchenpreis sein damaliges Weltklang-Tenor, da er sich ein Conn 16M besorgt hatte, dass ich ihm dann auch gut spielfähig richtete.

    Man trat dann an mich heran, ob ich zur Trauerfeier eines seiner Lieblings-Songs von Sinatra spiele würde.

    Da zu diesem Zeitpunkt selbst gesundheitlich ziemlich angeschlagen, habe ich das nicht live gemacht, aber dafür speziell eine Aufnahme mit seinem ehemaligen Weltklang.

    Denke ein wenig Tiefgang der Gefühle müssten erkennbar sein:



    Gr Wuffy
     
    Lagoona, Katzenmusiker, BobSax und 6 anderen gefällt das.
  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, eine tolle Bandbreite verschiedener Gefühle. Hier würde ich nicht Feeling sagen, sondern doch lieber Emotions. Was sagt @The Z?
     
    Rick gefällt das.
  6. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Weiß ich nicht. Jedefalls kann es umso leichter kontakariert werden, je mehr es geplant ist :)



    Für mich wäre das furchtbar, müsste ich bei solch einer traurigen Geschichte dieses Lied bei dem Begräbnis spielen, natürlich würde ich es tun, würden es die Angehörigen wünschen.
    Dieses Lied - oder eine Interpretation, egal von wem - würde dieser Tragik in keinem Falle gerecht.
    Da würde ich mir wünschen, einfach das Maul halten und still trauern zu dürfen.
    Oder etwas zu spielen, wo sich die Anwesenden die Emotionen mit sich selbst ausmachen können.

    Wir singen das immer in uns rein, wenn es endlich halb 5 Uhr morgens ist - ist die letzte Nummer.

    And now - the end is near - I need a beer...
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 27.September.2022
    Sax a`la carte, ppue und gaga gefällt das.
  7. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Da bin ich Spezialistin. Nicht so gut in Technik, aber wahnsinnig gut in Gefühl. :cool: Was ich mache, ist einfach, dass ich mir vorstelle, wie ich die Sachen singen würde. Und dann versuche ich, das aufs Saxophon zu übertragen. Das funktioniert meistens ziemlich gut.
     
    Gerrie, jimi, ppue und einer weiteren Person gefällt das.
  8. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ich habe mal den Begriff "Programmmusik" gelernt (typisch: Bilder einer Ausstellung, Orkney Wedding), wo vom Komponisten geplant Bilder und auch Gefühle transportiert werden. Auch Musik auf einer Beerdigung ist immer Programmmusik, d.h. sie steht nicht für sich selbst, sondern ist dazu da, Gefühle zu transportieren.

    Wenn ich dagegen im Jazzclub mit der Combo Jazznummern spiele, lege ich keine geplanten und evtl durch den Titel oder Text implizierten Gefühle in jeden Titel. Und die Kollegen tun das auch nicht. Wir spielen einfach und überlassen es den Zuhörern, Konnotationen und Gefühle für sich daraus zu ziehen oder auch nicht.
     
    Bereckis und Blofeld gefällt das.
  9. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Es ist aber tatsächlich ein Unterschied. Z.B. die Duette, die ich jetzt mit meiner Saxophonkollegin bzw. mit der Band spiele. Da muss ich mich an die gedruckten Noten halten, sonst passt das nicht mit ihr und den anderen zusammen. Wenn ich das allein singen oder spielen würde, würde ich das ganz anders spielen, weil ich da mehr Freiheiten hätte, auch spontanen Einfällen folgen könnte. Das kann ich im Zusammenspiel mit anderen nur begrenzt. Denn wenn das jeder machen würde, wäre jedes Orchester schnell ein tonales Chaos.
     
    jimi und ppue gefällt das.
  10. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Jeder Jazztitel hat ja aber auch einen Text. Wer war das mal, der das sagte? Ben Webster? Er sagte, wenn er den Text des Liedes nicht kennt, kann er es auch nicht spielen. Vor allem auch keine Impro. Ich denke, das macht schon viel aus. Der Text gibt ja etwas vor. "Body and Soul" z.B. ist ein Liebeslied. Also würde man das wohl kaum hart und erbarmungslos spielen. Oder solche Gefühle selbst haben oder in den Zuhörern erzeugen wollen.

    Wenn man Bebop spielt, denkt man wahrscheinlich kaum an positive oder romantische Gefühle, an Liebe oder einen Sonnenuntergang. Das rast so, dass man da nur hektische Gefühle haben kann. Insofern wird sich wohl niemand in einem Bebop-Konzert verlieben. In einem Konzert, in dem "Body and Soul" gespielt wird, vielleicht schon. Man kann also schon Einfluss ausüben.
     
    SaxFrange gefällt das.
  11. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Nein.

    Dein Klischeebild von Bebob finde ich haarsträubend.
     
    jimi, ppue und giuseppe gefällt das.
  12. Rick

    Rick Experte

    Darum ging es mir: Man spielt etwas auf eine bestimmte Weise, um Emotionen auszulösen.
    Ein trauriges Stück interpretiert man anders als ein fröhliches, das ist doch eine Binsenweisheit. Oder man ist - und hier würde ich diesen Ausdruck akzeptieren - "unmusikalisch". Denn Musik weckt nun mal Emotionen beim Menschen, das passiert automatisch, selbst wenn man sehr schlecht spielt, denn dann wird zumindest der Fluchtreflex ausgelöst.
    Sich der Wirkung bewusst zu werden und das "Handwerkszeug" dafür kennen zu lernen ist daher der Schauspielerei vergleichbar, schließlich gehört Musik wie diese zur "Darstellenden Kunst".
     
    jabosax, Bereckis, Loppi und 2 anderen gefällt das.
  13. Rick

    Rick Experte

    Man kann aber eine bestimmte Wirkung erzeugen, indem man eine Melodie konträr zur vom Komponisten beabsichtigten Emotion interpretiert.
    Ein Liebeslied aggressiv zu spielen kann Ärger und Wut nach einer enttäuschten Liebe spiegeln (die muss ich nicht mal selbst empfinden, aber ich kann sie damit ausdrücken).

    Das ist Deine persönliche Empfindung, was deutlich macht, dass nicht immer alles so beim Empfänger ankommt, wie es vom Sender beabsichtigt ist (solche dysfunktionale Kommunikation erlebt man eigentlich jeden Tag - in der Familie, bei der Arbeit...).
    Ich selbst erlebe Bebop, mal allgemein ausgedrückt, als temperamentvoll, witzig, geistreich, gelegentlich euphorisch - und von historischen Berichten weiß man, dass das damalige (vorwiegend junge) Publikum das ähnlich empfand.
    Da gibt es natürlich wütende Aufnahmen, wie etwa "Things To Come" von Dizzy
    Gillespie, das das Entsetzen nach Hiroshima und Nagasaki 1945 versuchte auszudrücken, aber auch sehr zarte, berührende Musik, wie Dizzys Interpretation von "I Can't Get Started".


    Aber bleiben wir doch beim Thema Kommunikation, da würde mich sehr interessieren, wie Ihr die hier vorgestellten Hörbeispiele emotional auffasst, und warum. Das wäre für diejenigen, die "musikalisch schauspielern", eine wichtige Rückmeldung! :)
     
    Gelöschtes Mitglied 13399, jimi und ppue gefällt das.
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    @Ton Scott schrieb: upload_2022-9-27_14-29-45.png

    Zitat Ende


    Konterkarierung ist auch ein, hier absolut geplantes, Mittel, um ein Gefühl der Desorientierung oder des Widerspruchs zu erzeugen. Humor und Protest sind emotionale Angelegenheiten, die durchaus intellektuell vorsätzlich und geplant erreicht werden können.

    Wenn ich "Strange Fruit" höre, ist das sorgsam auf emotionalen Ausdruck komponiert worden und wird auch durchweg so interpretiert. Ich habe noch keinen Interpreten gehört, der das konterkariert hat.
     
    Rick und jimi gefällt das.
  15. Badener

    Badener Strebt nach Höherem

    Habe neulich bei einer Vernissage einen Saxophonspieler erlebt, der wirklich zwei Gemälde spielte - den Eindruck hat er nicht nur mir, sondern vielen Besuchern vermittelt.
     
  16. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Ohne Bilder dazu nicht, aber entsprechende Stimmungen könnten damit unterstützt werden, finde ich.

    Gruß,
    Otfried
     
    ppue gefällt das.
  17. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Naja, was Wunder.
    Der Shitstorm wäre enorm (gewesen). Die Frage ist schon mal was es in jemand auslöst, der keine Ahnung davon hat, was als "Strange Fruit" vom Baum runterhing.
    Ob es dem auch so kalt den Buckel runterläuft.
     
    Blofeld, Silver und ppue gefällt das.
  18. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Das ist das, was ich "Programmmusik" nenne, ein Stück, das zu einem speziellen Anlass oder Situation komponiert wurde, und das in diesem Falle ein besonders sensibles Thema betrifft (sonst auch Hiroshima, Vietnam, Holocaust...), was im Falle von Konterkarierung ausschließlich Empörung hervorrufen würde.

    Andere Themen aus der Jazzgeschichte sind nicht so bekannt, aber auch relativ selten. "God Bless The Child" von Billie ist z.B. ein solches "privates" Stück, das wegen des Titels mit Gottesbezug leider immer wieder missinterpretiert wird. Auch das passiert - trotz des Liedtextes.
     
  19. SaxFrange

    SaxFrange Ist fast schon zuhause hier

    Das Gefühl ist ein wunderbares Instrument, das Saxophon kann dazu beitragen ;)
    Ob mit Farben oder Tönen, es ergänzt sich.
    https://www.dropbox.com/s/mdfzutohqd6xdd5/BL. manuell what a.WAV?dl=0
    20220920_010432.jpg
     
    Rick und ppue gefällt das.
  20. Silver

    Silver Gehört zum Inventar

    Im Allgemeinen folge ich der mehrfach geäußerten Auffassung, der Titel (und seine Lyrics) würden die Stimmung bzw. die Emotion vorgeben. Alleine schon durch die Harmonien. Aber dann kommen mir Titel in den Sinn, die eine recht große Bandbreite zulassen.

    Als Beispiel: Lover Man
    Da wird natürlich kein karibischer Happysong draus. Aber von tiefster Einsamkeit und Verzehrung nach Nähe bis zu einem „Tongue in Cheek“ Schmachten nach der nächsten Liebschaft oder sogar der gespielten Mitleidsnummer beim Aufriss ist da genug Raum.

    Gegenbeispiel: Strange Fruit, wie von @ppue erwähnt, ist nicht nur dystopisch düster sondern hat auch einen so ernsten Hintergrund, dass jedes „Konterkarieren“ sofort als rassistische Unverschämtheit interpretiert werden müsste.

    Drittes Beispiel, auch schon genannt: Autumn Leaves
    Das ist so zum „Jazz-Allgemeingut“ geworden, dass die melancholische Ballade nur noch selten durchscheint und eher die 200-Sachen uptempo-Postbop-Dekonstruktion für „ernstzunehmende“ Jazzer in Frage kommt.

    Inwieweit einem Musiker vorgegebene Emotionen in der Musik vom Publikum als aufgesetzt empfunden werden hängt auch von der Erwartungshaltung ab. Es gibt ja im Schauspielbereich durchaus erfolgreiche (Selbst-)Darsteller, vor allem im deutschen Fernsehen, die beim besten Willen nicht über das schauspielerische Niveau der Theater-AG Mittelstufe hinauskommen.
     
    slowjoe, Rick und ppue gefällt das.
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden