Absteigendes Kulturgut?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Blofeld, 12.März.2023.

  1. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Vielleicht ist es auch gerade das Herangeführt werden durch Eltern, dass die Sache weniger interessant macht.
    Die meisten Leute, die ich (oberflächlich) aus der Bigband der Schule kenne, haben einfach kein Interesse daran, selbst irgendeine Musikrichtung zu spielen oder gar eine Band zu gründen, weil für sie Musik eben diese Sache ist, die man macht, weil Eltern und Lehrer es wollen, wie Zimmeraufräumen.
    Der kreative Ausdruck wird dann im programmieren von Computerspielen, Schreiben von Raptexten usw. gesucht.

    Ich denke wirklich, dass da die Popmusik, die im Radio so läuft ein Problem ist. Ich kann sie zu 90% nicht hören, weil sie nicht nach Menschen klingt, sondern nach Computern.
    Ich denke, wenn unsere Hörgewohnheiten mehr auf echte Menschen eingestellt wären, wir auch mehr Instrumentalmusik hörten, gäbe es auch mehr Kinder, die sich musikalisch betätigen wollten.
    Die allermeisten die ich kenne, können keinerlei Unterschiede im Sound oder in der Spielweise unterschiedlicher Instrumentalisten ausmachen.
    Und viele Musikschullehrer vermitteln die Einstellung, es gäbe so etwas wie richtige und falsche Musik (natürlich gibt es Dinge, die man drauf haben sollte).

    Da würde ich auch keine Musik machen wollen, wenn ich dächte, eine musikalische Darbietung wäre etwas, was man ganz trocken nach Schema F abspulen lernt, und alles, was ein Saxophon hat, klinge nach "Zigaretten, einer Bar und Hüten", alles was eine Violine hat klinge wie "Schloss Neuschwanstein, Hochzeit oder Rotwein".

    Es fehlt jegliches Verständnis, was es alles bedeutet, Musik zu machen und wie viel persönlicher Ausdruck dabei möglich ist.
    Deswegen wäre ich persönlich wirklich dafür, die Leute in der Schule nicht mit Sonatenhauptsatzform zu quälen, wenn sie sowieso keine Noten lesen können, sondern früh und verpflichtend anstelle des Musikunterrichts Instrumentalunterricht zu geben.
    Die Pflicht macht das ganze erst einmal auch weniger attraktiv, aber davon hätten wir am Ende etwas, meine ich.
     
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  2. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Nicht böse, aber halt anders unterwegs und an aktiver Musikkultur desinteressiert. Es dominiert immer mehr die (nicht)erziehende Eltern-Generation 'Smartphone', die jetzt auch an den weiterführenden Schulen angekommen ist.:cool:
     
  3. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Lasst euch nicht von mir ärgern mit den Uniformen. Dennoch, it’s all about getting laid in einem gewissen Alter. Wenn du es schaffst, die “Coolen” zu begeistern, wird der Rest in Schwärmen folgen. Wenn die “Coolen” aber drüber lachen, hast du verloren. Wer es nicht glaubt installiere Instagram auf seinem Device und versuche nicht rot zu werden bei der Menge und der Plumpheit von Posts von Heranwachsenden, die nur um Präsentation der eigenen jugendlichen Sexiness gehen.

    In erster Linie ging es mir mit dem post aber um das:
    Und die Antwort ist weiterhin: Wie kannst du dann erklären dass in der 2b in Buxtehude nur 4 Schüler Blockflöte spielen?

    Ich weiß nicht, ob in D im Verlauf der letzten Jahre mehr oder weniger Schüler musizieren. Wenn der Trend bei Jugend musiziert steil nach oben geht, ist anzunehmen dass die Zahl der musizierenden Kinder nicht drastisch zurückgeht. Niemand geht direkt zu Jugend musiziert. Ich vermute, übrigens von Beginn an, das manche Formate besonders an Attraktivität eingebüßt haben. Und regionale strukturelle Ursachen darf man nicht vergessen.
    Aber um einen allgemeinen Trend abzuleiten bräuchte man belastbare Daten, die jetzt erst mal in die Gegenrichtung zeigen.
     
  4. Sohn der Alpen

    Sohn der Alpen Ist fast schon zuhause hier

    Zu den steigenden Teilnehmerzahlen bei Jugend Musiziert gilt es zu bedenken, dass auch die Kategorien immer wieder erweitert werden. Siehe dazu Wikipedia: "Die „klassischen“ Orchesterinstrumente bildeten von Anbeginn das Fundament von „Jugend musiziert“. 1970 kam das Klavier hinzu, später Schlagzeug, Zupfinstrumente und Vokal-Kategorien. 2009 wurde die Solo-Kategorie „Bass (Pop)“ eingeführt, gefolgt von „Gitarre (Pop)“ und „Gesang (Pop)“. Jüngste Erweiterung war 2015 die Solo-Kategorie „Besondere Instrument“, mit Hackbrett und Baglamas. Sie wird 2016 erstmals als Ensemble-Kategorie angeboten."

    Von einer steigenden Teilnehmerzahl bei Jugend Musiziert auf eine allgemein steigende Zahl an Laienmusikern zu schließen ist deshalb nicht ohne weiteres möglich.
     
    Zuletzt bearbeitet: 25.März.2023
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  5. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Woher kamen die ganzen Musiker, die heute in Musikvereinen spielen, denn früher?
    Ich habe 1970 Abitur am Hermann Hesse Gymnasium in Calw gemacht. Es war das einzige Gymnasium in weitem Umkreis. Meine Mitschüler hatten teilweise Anfahrtswege mit dem Schulbus von über einer Stunde.
    Es gab an diesem Gymnasium kein Orchester oder Chor oder Ähnliches. Lediglich drögen Musikunterricht. Die Band, die sich aus aktiven und ehemaligen Schülern in den 60er Jahren bildete (in der ich auch mitspielte) ging auf private Initiativen zurück.
    Es gab auch in der Realschule, Volksschule und Hilfsschule keine entsprechenden Angebote.

    Es gibt lediglich die Musikschulen. Das Bläserklassenmodell für die Grundschulklassen 3 und 4 gab es zu meiner Zeit noch nicht.
    https://www.musikschule-calw.de/start.html

    Spannend in dem Zusammenhang finde ich, dass ausgerechnet die Stadtkapelle Calw die älteste Stadt- und Jugendkapelle in Baden-Württemberg ist. https://www.calw.de/kultur/musik/stadtkapelle Gegründet 1665!

    Irgendetwas machen die Calwer wohl richtiger als viele Andere. Trotz oder wegen der einheitlichen Tracht.
     
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  6. rbur

    rbur Mod

    Die Thematik hatten wir ja oben schon. Alternative wäre es, einen Lehrer dazu zu verdonnern, der das weder kann noch will. Auch nicht gut.
     
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  7. rbur

    rbur Mod

    Sehe ich ähnlich. Ich habe mich immer gefragt, warum aktives Sporteln Pflicht ist, aktives Musizieren aber nicht.
    Ich muss aber auch zugeben, dass mir die zwei Stunden Sport in der Woche weder Fitness noch Motivation gebracht haben und ich denke, dass es vielen beim Zwangsmusikunterricht ähnlich gehen wird. Aber auch wenn man nach der Schule wieder aufhört hat zumindest jeder mal Musik gemacht.
     
  8. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Genauso viel oder wenig, wie 'Jugend forscht' den normalen deutschen Schüler repräsentiert - i.d.R. nämlich auch weder quantitativ noch qualitativ. Trotzdem sind diese Wettbewerbe wichtig, um einen Teilbeitrag zur individuellen Förderung derer zu leisten, bei denen schon früh absehbar ist, in welche Richtung es später mal gehen könnte. Und wo man einfach mal was machen will oder sollte, was über den normalen Unterricht hinausgeht. Ich habe übrigens an beiden Wettbewerben teilgenommen und es hat mich jeweils weitergebracht, wenn auch auf ganz verschiedene Weise.

    Nur so am Rande: man kann aber auch keinen gesamtgesellschaftlichen Mainstream mit einem Wettbewerb abdecken, der ausschließlich für Kinder und Jugendliche offensteht. Wobei man daran schon ein bisschen was ablesen kann.

    Um ein bisschen auf den Ursprung des Threads zurückzukommen mal eine These:
    Könnte es sein, dass ein Überangebot nicht nur an fertiger Musik per Stream, sondern auch an z.B. youtubern, die einem zeigen, wie man selber was machen kann, zu Lasten der Initiative geht, dann auch wirklich selbst was zu machen?
    Wenn ich mich jederzeit und fast kostenlos beschallen lassen kann und dabei in den Weiten des Netzes genau das finde, was mir am besten gefällt, warum dann noch selbst aktiv werden? Nicht, dass das Musizieren ausschließlich aus Notwehr gegenüber einem Angebotsmangel passiert. Aber ein Antrieb für den Einstieg könnte das ja durchaus sein.
    Dazu noch die Komponente, sich zu präsentieren und dabei vielleicht sogar anderen eine Freude zu machen - geht heute alles mit 'nem Handy von zu Hause aus.
     
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  9. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das ist absolut richtig, genauso wie das für die gegenteilige Annahme eben auch nicht geht.

    Würde ich die Musikschule, mit der ich groß geworden bin und in der ich später als Beirat aktiv war als Maßstab nehmen, müsste ich schlussfolgern, dass immer mehr Kinder musizieren, denn der Laden wächst. Tu ich aber nicht.
     
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  10. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Der Sportunterricht ist wirklich unsinnig...Ich habe in der Oberstufe immer schön gelesen und fleißig vieren kassiert, aber die Möglichkeit hat natürlich nicht jeder (gewissens- und notenabhängig).
    Ich finde es an sich gut, dass vor allem Schwimmen, was teuer ist, über den Sportunterricht in Grundschule und Mittelstufe auch Kindern aus weniger privilegierten Verhältnissen beigebracht wird.
    Man muss aber sehen, dass die Kinder trotz des Sportunterrichts immer dicker werden (die Erwachsenen ja auch).

    Wirklich aktiv Sport machen die Leute in meinem und jüngerem Alter in der Regel, weil sie ihn mit ihren Freunden treiben und dabei gleichzeitig die Einbindung in die peer group, Privatgespräche über ihre Interessen usw. haben.
    Oder weil sie notgeil sind und sechs Mal die Woche ins Fitnessstudio gehen, in die Richtung hatte @guiseppe ja schon gewiesen. Beides in Kombination ist natürlich auch möglich.
    Dass die Lebensmittelbranche so wenig reguliert wird, wie es der Fall ist (vor allem hinsichtlich Zucker), ist das nächste (und größere) Problem...

    Mir als dickes Kind damals hat der Sportunterricht jedenfalls nichts gebracht. Vor allem in der Oberstufe, wo de facto fast alle privilegiert sind und Lehrer, Ärzte, Anwälte usw. als Eltern haben, verstehe ich nicht, warum man die Leute nicht mit ihren eigenen finanziellen Mitteln den Sport treiben lässt, den sie mögen.

    Aber das führt jetzt wohl alles etwas zu weit.
    :topic:
     
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  11. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Das Problem ist mir wohlbekannt. Es gibt verschiedene gute und schlechte Gründe, warum in den Schulen Sportunterricht stattfindet. Einerseits preußisch-militärische Tradition, dann will man noch dem Gedanken "mens sana in corpore sano" Rechnung tragen und zu guter Letzt soll das wohl ein Ausgleich für das viele Sitzen in der Schule sein so ähnlich wie Arbeitsschutz bei sitzenden Tätigkeiten.
     
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  12. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Ist das heute so? Meine Frau war Flüchtlingskind und Tochter einfacher Arbeitereltern, ich war Flüchtlingskind, mein Vater war einfacher Arbeiter, meine Mutter steuerte mit Heimarbeit (Arbeit, kein Homeoffice :) ) etwas zum Familieneinkommen hinzu, 2 gleichaltrige Kinder aus meinem Dorf waren auch Kinder einfacher Arbeiter und wir machten alle 1970 Abitur. Wenn ich so zurückdenke, komme ich auf gut 1/3 Mitschüler, die nicht Kinder von Ärzten, Weinhändlern, selbstständigen Handwerkern oder Ladenbesitzern waren.
     
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  13. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    https://www.bpb.de/themen/bildung/d...spruch-und-wirklichkeit/#node-content-title-4


    https://www.thalia.de/shop/home/art...Lt_1K4jbZNU51rdOAtfvhoSGJfl2hILkaAuZoEALw_wcB

    https://www.deutschlandfunk.de/oecd-studie-zur-bildung-in-deutschland-sozial-schwache-100.html

    Du kannst der OECD deine empirischen Daten gerne zukommen lassen. Evtl nehmen sie dann alles zurück ;-)
     
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  14. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Ich vermute, dass die OECD mit den Daten aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht viel anfangen kann.
     
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  15. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Gegenbeispiel. Die gleiche Herkunft bei mir, aber wir waren im Gymasium in Varel (ab 1960) nur zwei, bei denen der Schämbegriff "Hilfsarbeiter" im Klassenbuch unter "Beruf des Vaters" stand. Alle anderen waren sog. Mittelstand oder eben solche, deren Kinder nach den Weihnachtsferien braungebrannt zwei Tage zu spät in den Unterricht kamen.
     
  16. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Wenn ich so zurückdenke (12 Jahre) bin ich aber der Meinung, dass das bei mir im Abiturjahrgang durchmischter war was die Berufe der Eltern anging. Von dem was man so mitgekriegt hat.
     
  17. Badener

    Badener Strebt nach Höherem

    Vor allem, wenn vom Geräteturnen im Winter und der Leichtathletik und diversen Ballspielen eine Gesamtnote gebildet wurde (war damals so).
    So kam ich als Leichtathlet mit DLV Jahresbestennadel und Klassenbester im Sprint und Weitsprung wegen des Geräteturnens im Winter u einem "Befriedigend" in der Gesamtnote - die einzige Note im Abi, über die ich mich geärgert habe. Andere schlechtere Noten waren verdient...Später konnte man dann auswählen.
    Bei der Wahl des Musikinstrumentes war man dagegen frei und hatte einen "Bonus" für die Musknote.
     
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  18. rbur

    rbur Mod

    Das hat mich ja ganz besonders geärgert. Ich durfte nicht im Schulorchester mitspielen weil "Dieses Jahr spielen wir nichts von Mozart"
    Mit dem Ergebnis, dass eine Mitschülerin, die weniger Theorieahnung hatte als ich, aber dafür ganz gut Geige spielte, in Musik eine bessere Note gekriegt hat.
    Naja, in einem anderen Jahr hab ich dafür eine bessere Note gekriegt weil der Musiklehrer im gleichen Ort gewohnt hat wie ich.

    Ich hab dann in der Oberstufe Musik abgewählt und bin zu einem anerkannt schlechten Lehrer in den Kunst-Grundkurs gegangen, nur um dieser doofen Lehrerin zu entgehen.

    Ich träume manchmal davon was musikalisch aus mir geworden wäre wenn ich den gleichen super Lehrer gehabt hätte wie meine Kinder.
     
  19. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Wer ein Instrument spielte, konnte seine Musiknote durch Vorspiel verbessern. Da ich ja klassischen Gitarreunterricht genossen hatte, hatte ich aus dieser Zeit auch ein Notenheft zu Hause. Mehrere Jahre hintereinander spielte ich aus diesem Heft vor und kompensierte damit meine ansonsten bescheidenen Leistungen aus dem Musikunterricht.
     
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  20. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Habe jetzt nichts zur Sekundarstufe II gefunden.

    Aber 48% der Studenten kommen aus Nichtakademikerhaushalten.
    (Quelle „Deutsches Studierendenwerk 2016)

    CzG

    Dreas
     
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