Musikalität und Depression ?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von saxfax, 8.Februar.2023.

  1. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Komme ich nicht drum herum, es sind Kollegen, Bekannte, Freunde.
    Meine Familie ist tatsächlich diskreter :-D
     
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  2. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Sind das dann 'Freunde'?:cool:
     
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  3. Rick

    Rick Experte

    Ganz bestimmt! Aber das gilt nicht nur für Musiker - das "Alltags-Doping" ist in der Gesellschaft weit verbreitet, und nicht erst seit heute.

    Es kommt immer auch auf die Verfügbarkeit von solchen "Dopingmitteln" an. In der Musikszene waren vor Jahrzehnten, als ich dort auftauchte, vor allem "Chiller" wie Alkohol und andere Substanzen üblich, die einen nach den Auftritten wieder "runterbringen" sollten.
    Aber es gab gleichzeitig auch die Aufputschmittel, die einen vor dem Auftritt "in Stimmung" bringen.
    Das bekamst Du zum Einstieg gratis angeboten, bei höherem Bedarf wurde dann untereinander gedealt.

    In der heutigen Jugend sind Partydrogen wie "Extasy" üblich, wie ich von jungen Leuten in meiner Umgebung weiß, außerdem "Wachmacher" wie Amphetamine, um beim Lernen, beim Arbeiten und natürlich auch beim Feiern länger durchhalten zu können...

    Aber das sind alles nur Variationen von dem, was breite Teile der Gesellschaft schon immer betreiben, vom Aufwach-Kaffee bis zum Feierabend-Bierchen.
    Alltags-Doping, wie erwähnt.
     
  4. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Das konnten schon deren Vorgänger und Vorvorgänger gut… mit dem gleichen Ergebnis: Gesundheit futsch, Musik kein bisschen besser, als ohne.

    Charlie Parker, der nie von der Nadel loskam, hat seine Zeitgenossen regelmäßig vor Drogen und ihren Auswirkungen auf die Musikalität gewarnt. Geholfen hat es nichts… ich lese gerade die Sonny Rollins Biographie und man kann froh sein, dass es diese Musik TROTZ der fatalen Drogenabhängigkeit fast aller Jazzmusiker gibt.

    Die Ursachen für das Entstehen der Musik und ihrer heute erstaunlichen Ansammlung von Ikonen auf engem Raum während einer sehr kurzen Zeit liegen, genau wie der Beginn fast aller dort gestarteten Drogenkarrieren an einer sozialen Situation, die jeden von uns heutigen, weißen Europäern in ihrer Ungerechtigkeit und Aussichtslosigkeit ziemlich sofort depressiv werden ließe.

    Um den unterkomplex pauschalen Rückschluss, Musiker = Drogen —> Depression aufzugreifen:
    Bei Drogenkonsum wie bei Depressionen ist der Anteil von Nicht-Musikern / Künstlern genau identisch zum Anteil der Individuen an der betrachteten Gesellschaft.
    Wir Menschen haben nur eben eine Begabung, in einem Schwarm zuerst den einen Vogel zu sehen, der anders fliegt, als die anderen.
    Leider maßen wir uns ein Urteil darüber an ohne zu verstehen, dass das keiner der Stare sondern der jagende Habicht sein könnte.
     
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  5. Rick

    Rick Experte

    Sagt man so, ist aber in meinen Augen eher eine Ausrede oder einfach eine Legende.
    Saufen, Kiffen, sogar das Drücken waren einfach in der Partyszene üblich, die meisten dürften einfach mitgemacht haben.

    Aber es kommt auch auf die jeweilige Droge an - Psychedelika bieten einen direkten Weg ins Unterbewusstsein, das kann durchaus bei der Kreativität helfen. Allerdings mehr in der Probe oder beim Komponieren, nicht direkt auf der Bühne...

    Diese Substanzen MACHEN aber nichts mit dir, sie decken nur auf, was sowieso in dir schlummert.
    Wenn du eigentlich in einer belastenden Situation steckst, es aber normalerweise nicht merkst, dann bekommst du das nun ungeschminkt gezeigt.
    Das sind alte schamanische Mittel und keine "Wohlfühl-Drogen", die muss man gezielt einsetzen und sollte vor dem Gebrauch den Effekt bereits ansatzweise kennen.
    Dazu gehört ehrliche Aufklärung und Enttabuisierung, um sich objektiv damit beschäftigen zu können.
    Gerade so eine direkte Reise ins Unterbewusstsein kann erschreckend wirken, auf jeden Fall werden unterdrückte Gefühle freigelegt.
    Im therapeutischen Rahmen sehr hilfreich, doch bei völlig unbedarftem Konsum gefährlich!

    Ich kenne übrigens sehr viele Menschen, die seit mittlerweile Jahrzehnten "kiffen" und davon für ihre Psycho-Hygiene profitieren.
    Diejenigen in meinem Bekanntenkreis, die mit sich und der Welt Probleme hatten, dauerhafte Psychosen bekamen und dann teilweise leider auch Suizid begangen, konsumierten überwiegend EINE Droge:
    Schnaps.
     
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  6. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    Wegen Kreativität und Depressionen ....

    Ich würde mal eine These in den Raum werfen wollen
    ohne belastbare Belege zu haben.

    Menschen, die wir allgemein als -Kreative- bezeichnen,
    verspüren meist früh im Leben den Wunsch, sich mit "dem Leiden an der Welt"
    und mit Fragen zum "Menschsein" auseinander setzen zu wollen.

    Mit solch einer Disposition landet man unweigerlich bei "Kunst und Kreativität"
    egal in welcher Spielart, .... Wort, Bild oder Ton.

    Meine These also:

    Von einem wagen Gefühl vom -Fremdsein- in der Welt
    ist der Weg über Traurigkeit-Verzweiflung-Ausgebrannt sein
    zu einer klinischen Depression nicht weit.

    Nicht bei jedem.

    Aber denjenigen, die von sich selbst sagen,
    das kreative Schaffen Tag für Tag ist mein Leben und nicht nur
    ein netter Zeitvertreib .... haben sicher gute Karten. ;)

    VG
     
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  7. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Dann werfe ich mal die Gegenthese mit genauso wenig Belegen in den Ring:

    Menschen, die „an der Welt leiden“ verspüren meist früh im Leben den Wunsch, nicht auf die anstrengende Pflicht und Vernunft (schon wieder Kant - entschuldigt, bitte) sondern auf den vermeintlich „leichteren“ jedenfalls aber weniger konkreten oder sogar messbaren Pfad der Kreativität einzuschwenken.
    Ich hoffe, ich habe das jetzt hinreichend diplomatisch formuliert…

    Die Auseinandersetzung mit dem „Menschsein“ erfordert, wenn man es ernst meint, das genaue Gegenteil von Kreativität.
    Von Plato, Descartes, Kant und vielen anderen ist nicht bekannt, dass sie besonders kreativ gewesen wären.
    Dennoch sind unsere heutigen Maßstäbe des „Menschseins“ von diesen Partypoopern überhaupt erst geschaffen worden.


    Dieses gar nicht so vage Gefühl haben „nicht-Kreative“ genauso häufig wie Kreative. (Ich hab’s jeden Tag, wenn die Nachrichten lese…)
    Sie haben nur weder Bühne noch Publikum, das in großen Gesten, Werken, Tönen vorzubringen.
    Weshalb ich persönlich zwar diese zweite These durchaus stütze, den Bogen zur ach-so-sensiblen Künstlerseele aber auf keinen Fall kaufe.
    Dazu kenne ich zu viele, die sich genau damit einen schlanken Fuß machen.
    Wenn es um ihren Vorteil geht aber alles können und - vor allem - von anderen wollen.
     
  8. Rick

    Rick Experte

    Warum sind so viele Kreative mit melancholischer, pessimistischer Kunst besonders erfolgreich?
    Weil sie damit offenbar viele Rezipienten ansprechen, die sich dadurch "verstanden" fühlen. :cool:
     
  9. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Heißt das, die sind erfolgreicher als die mit freudvoller, optimistischen Kunst?

    Wage ich zu bezweifeln.

    Aber was sicher stimmt ist, dass Künstler, die eine freudvolle, optimistische Kunst machen dennoch depressiv sein können.

    CzG

    Dreas
     
  10. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    Wenn das so einfach wäre ....

    Heut' scheint die Sonne, heute mache ich mal "optimistische Kunst".
    Und nächste Woche dann die pessimistische.

    So entsteht in meinen Augen Kunsthandwerk, was ja ok ist.

    Aber die Künstler, die ich kenne, ob real oder indirekt über ihr Werk
    und ihre Äußerungen,

    die haben gar keine andere Wahl !

    Da ist es immer ein Versuch, die eigene "Befindlichkeit" zu formulieren,
    und nach Außen zu tragen.

    Nicht immer, nicht ausschließlich und sicher nicht immer gelungen.

    Das ist ihnen aber auch egal.
    An wem sollen sie sich denn orientieren ?

    An zukünftige Käufer, an ihr Publikum ?

    Unmöglich, ..... d a s Publikum als homogene Gruppe existiert nicht.

    VG
     
  11. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Verstehe nicht was Du sagen willst und wo da ein Widerspruch zu meiner Aussage sein sollte.

    Einfach ist das alles sicher nicht. Behauptet doch auch niemand.

    CzG

    Dreas
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 8.November.2023
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  12. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @Dreas
    Nee, nee ... bezieht sich nicht auf deinen Betrag.

    War nur allgemein als Einwurf gedacht.

    "Wieso, weshalb, warum" ....
    die Sache mit der Kunst und der Kreativität.

    Ich geh' jetzt kochen .... auch ein Genie muss mal was essen.:D

    VG
     
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  13. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ich auch…..:D

    CzG

    Dreas
     
  14. Rick

    Rick Experte

    In manchen Kreisen durchaus.
    Fröhlich gilt als oberflächliche Unterhaltung, Melancholisch hingegen als seriöse, "richtige" Kunst.

    Habe ich schon sehr oft so beobachtet: Musik, Literatur, Theater, Film...
     
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  15. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Wer beurteilt das? Wer hat da die „Lufthoheit“?

    M. E. völliger Quark.

    Wenn Musik Menschen erreicht, berührt, sie anspricht hat sie ALLES erreicht was sie erreichen kann.

    Diese blasierte Differenzierung nach, was ist seriöse Kunst, was ist „oberflächlich“ finde ICH zum…:drool:

    CzG

    Dreas
     
  16. Lagoona

    Lagoona Ist fast schon zuhause hier

    Die Depression wurde nicht von den Kreativen gepachtet.
    Es ist so unglaublich häufig, auch bei gaaaaaanz normalen Menschen.
    Und leider auch immer häufiger bei jungen Menschen zu beobachten.

    Ich, auch ohne mich wissenschaftlich abzusichern, schiebe es auf Stress und Belastung im Alltag.
    Wenn man schaut, was Parker und Co für ein Programm gespielt haben, dann ist es kein Wunder, dass
    Drogen und Depression Einzug gehalten haben.

    Schlafmangel, Dauerbelastung und mangelnde Anerkennung bzw, Erniedrigung spielen eine Rolle.
    Wenn man heute einen Therapieplatz in der Kinder-und Jugendpsychatrie sucht, dann wartet man 3 Jahre auf einen Therapieplatz.

    Vielleicht sind 900 social-media Nachrichten pro Wochenende dann halt auch zuviel.
     
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  17. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Wenn ihr von Kreativen sprecht, dann geht es euch im Wesentlichen um Künstler und Kunsthandwerker? ("Soziale Konstrukte all inclusive)
     
  18. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    "So untersuchen sie gerade, wie sich sogenannte Flow-Erfahrungen – also das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit wie dem Spielen eines Instruments – auf die Psyche auswirken. Erste Ergebnisse deuteten auf einen positiven Effekt hin."

    Ach was....
     
  19. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Ist das tatsächlich so oder wird es nur mehr dokumentiert?

    Und der soll heute größer sein? Als der unserer Grosseltern mit Diktatur und Krieg?

    Glaub‘ ich nicht. Wir sind nur mehr „Mimmies“ geworden und finden durch die modernen Medien auch noch überall Gehör.

    (Wenn ich ich so aus erster Hand höre was mein Schwiegervater erleben musste - 93 Jahre alt - ist das doch alles Pieselpampel was aktuell so beklagt wird.)

    CzG

    Dreas
     
  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich würde den Gedanken noch weiter spinnen wollen. Unsere moderne gesellschaftliche Vorstellung von grenzenloser Freiheit und grenzenlosem Individualismus steht am Ende der Straße. Der Haken ist nämlich, dass die Kehrseite von Recht die Pflicht ist und die Kehrseite der Freiheit die Unsicherheit. Wer das unterschlägt, sagt nicht die volle Wahrheit und verprellt die, die sich für gesellschaftliche (und nicht individuelle) Belange einsetzen. Auch die Vorstellung, dass unser böses nicht-überwundenes Über-Ich für unser ganzes Unglück verantwortlich ist, erscheint mir da weniger niedlich als toxisch, wenn man sich die allgemeine Bereitschaft ansieht, essentielle Probleme kollektiv zu lösen.

    Was hat das alles mit Depression zu tun? Weiß ich selbst nicht so genau. Zumindest wenig genug um festzustellen, dass es eine Form von Depression gibt, die zu allen Zeiten und in allen politischen und wirtschaftlichen Situationen zu finden ist und war.

    Mit anderen Worten finde ich zwar genug aktuelle Gründe für Depressionen und meine auch ungünstige Verhaltensweisen zu sehen, die vordergründig der Seelenhygiene dienen sollen, das aber nicht tun - am Ende sind das für intrinsische Depressionen wohl alles keine relevanten Faktoren und es ist auch nicht nützlich, die Ursachen jeden Übels im Zentrum unsere aktuellen individuellen Gesellschaftskritik zu suchen.
     
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