Die Kehle und Mund beim Spielen und der Einfluß auf den Ton

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Alex_Usarov, 5.Mai.2025.

  1. ilikebrecker

    ilikebrecker Ist fast schon zuhause hier

    Ich habe in einem früheren Leben Blockflöten (Sopranino - Bass), Bass-Krummhorn, Schalmei, Sopran-Traversflöte und Tenor-Pommer (in G) gespielt.
    Ein Rankett (liebevoll Donnerbüchse genannt), was ich auf einem Workshop angespielt habe, ist echt gewöhnungsbedürftig, sowohl vom Sound als auch von der Intonation her.
    Am liebsten habe ich das Krummhorn gespielt, weil das als Windkapselinstrument recht gut händelbar war. Auch hier gab es die Plaste-Holz-Rohrblatt-Diskussion, wobei die Holzrohrblätter einen deutlich besseren und auch wesentlich lauteren Sound hatten.
     
  2. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das fasst wohl die Lehrmeinung gut zusammen, ich glaube aber, dass das ein bisschen ein pädagogisch begründetes und gewolltes Missverstehen ist und nicht ganz dem entspricht, was wirklich mit den Muskeln passiert. Oder vielleicht sollte ich sagen, es entspricht nicht dem, wie es bei mir ist und nicht dem, wie ich Saxophon und Klarinette gelernt habe.

    Was er sagt ist, dass der Kiefer nach unten drückt während die Lippenmuskulatur das Blatt dicht hält und somit auch die Lippe oben hält. Das spannt dann laut ihm letztlich das Kinn. Das Gefühl des Kiefer-Senkens ist aber ein pädagogischer Kniff, der vermeidet, dass man unkontrolliert nach oben drückt. Denn man macht den Kiefer etwas auf und spannt die Lippe dagegen, dann hält man aber die Position des Kiefers! Würde der Kiefer wirklich nach unten drücken und die Ringmuskulatur des Mundes dagegenhalten, hätte die Lippe keine Chance, der Mund ginge auf. Ein kleines bisschen ist diese Spannung da, aber das dient dem Fine Tuning der Unterlippe. Der Kiefer bleibt letztlich von selber stabil leicht geöffnet und zieht nicht nach unten, er hält die Position. Er soll halt nicht nach oben drücken.

    Das ganze sollte aber nicht die Tatsache verschleiern, dass die Kraft, die das Blatt hält, bei dieser klassischen Form des Ansatzes vom Kiefer kommt. Der alte Joe Allard hat es in dem etwas unseligen Video klar formuliert, der Kiefer hält das Blatt, die Lippe ist das Kissen. Viele andere tun sich da aus pädagogischen Gründen sehr viel schwerer, dass zu akzeptieren, denn dann wären wir ja fast beim Beißen.

    Dass die Lippe beim Ansatz mit flachem Kinn kaum etwas zur Haltefunktion beiträgt kann jeder selber probieren: Die Lippe muss nur komplett von den Zähnen runter nach vorne, als gerade so “lip out”. Kein Fältchen darf auf den Zähnen liegen. Wenn ich so vor dem Spiegel Sax spiele, stelle ich fest, dass es unmöglich ist, das Blatt mit flachem Kinn so hoch zu halten, dass es nicht die Zähne berührt. Mit der Himbeere hingegen geht das schon. Es sind zwei unterschiedliche Konzepte. Soll die Lippe ernsthaft tragen, was einen anderen Sound erzeugt, geht das (bei mir) nur mit Himbeere und Schrumpelkinn. Ich empfehle einen Bart. ;)

    Entscheidend ist auch für mich der Winkel. Bei der Klarinette oder auch noch dem Sopran drückt die Unterlippe mehr gegen die voderseite der Schneidezähne. Das ist absolut unproblematisch und sehr stabil. Beim Alt geht das auch noch recht gut. Wird der Winkel flacher, bekommt die Unterlippe zunehmend die Schneide der Zähne ab. Auch beim Bari geht es trotzdem ganz gut, weil die Fläche größer wird und der Druck abnimmt.
    Lediglich beim Tenor ist das für mich nicht ideal. Mein Tenor kommt mit dem flachsten Winkel in den Mund und klingt bei mir auch mit verschiedenen Mundstücken deutlich besser, wenn ich den nötigen Ansatzdruck von unten mit möglichst viel Lippe und weniger Kiefer mache. Drum hat sich bei mir auf dem Tenor eine Himbeere etabliert, während ich auf den anderen Baugrößen eher flach bin…
     
    Rick und ppue gefällt das.
  3. ppue

    ppue Mod Experte

    Das Krummhorn hat im Vergleich zum Saxophon ein recht weiches, flexibles Doppelblatt. Es schnarrt von sich aus, wenn man Luft hindurch bläst. Moderne Krummhörner können in die Duodezime überblasen, historische Instrument wurden nur in einem Register gespielt.

    Das Blatt eines Basskrummhorns

    upload_2025-5-14_9-15-51.png

    ... und das Blatt eines Altkrummhorns

    upload_2025-5-14_9-16-51.png

    Irgendwie logisch, dass die verschieden groß sind.

    Sollten wir ein Doppelrohrblatt fürs Tenorkrummhorn basteln, wäre sicher jedem klar, wie das aussehen sollte. Es läge in seiner Länge zwischen den abgebildeten Baugrößen, denn diese ist auf die Schnelligkeit der Eigenschwingung ausgelegt.

    Am besten wäre es also für einen sauberen Ton, wenn es für einen jeden genau die richtige Länge gäbe, also ein Blatt, dass sich mit steigender Tonhöhe verkürzt. Und genau das können wir am Saxophon machen und tun es auch.

    Der Anfänger macht es intuitiv, bekommt die tiefen Töne nur, wenn er extrem locker spielt und quetscht sich einen ab, um überhaupt an die höheren Töne heranzukommen. Da meckert der erfahrene Lehrer, denn er weiß, dass all das Drücken bei den hohen Tönen keinen schönen Ton ergibt, ja, im Grunde gar nicht nötig ist. Und da hat er gut reden, denn sein Ansatz hat sich in all den Jahren optimiert, schafft dem Blatt beste Schwingungsvoraussetzungen, ganz abgesehen davon, dass er ganz andere Blätter und auf anderen Öffnungen bläst.
    So sagt er dem Schüler: Du musst gar nichts verändern, hör zu, es geht auch so. Na ja, und so geht der Schüler nach Hause und kaspert weiter vor sich hin, bis er eines Tages dann auch alles durchgemacht hat und sich sein Ansatz verbessert hat. Der Lehrer war im Grunde nur dazu nötig, den Schüler am Üben zu halten, denn die Theorie hat dem Schüler letztendlich nicht geholfen, nur sein weiteres Herumprobieren und Dranbleiben.

    Ich möchte den Schüler sehen, der ein tiefes C bläst und der mit dem gleichen Ansatz ein C3 herausbekommt. Das schafft auch der Profi nicht und wenn, dann kommuniziert die Länge des Blattes nicht optimal zur stehenden Welle im Instrument. Dann spielst du am Limit.

    Am gleichen Limit, dass ein Krummhorn in seinem Tonumfang hat, denn dessen Blattlänge wird (übertragen) auf ein mittleres G optimiert sein.

    Noch etwas. Ein Krumhorndoppelblatt ist leicht zu erregen. Wenn ich mein Mundstück vollständig in den Mund nehme, muss ich bei meiner Bahnöffnung und Blattstärke mit aller Wucht Luft hineinstoßen, auf dass es gerade mal eine Art Knall von sich gibt, denn dann ist meine Luft alle. Es braucht enormen Druck, dass da überhaupt etwas angeregt wird. Das Krummhorn indes schnarrt vor sich hin, hat eine Dynamik, vergleichbar mit dem Cembalo (-; stirbt bei zu wenig Luft ab und verstimmt sich, wenn zu viel Luft kommt. Die hohen und tiefen Töne sind (aus den oben genannten Gründen) nicht die schönsten, einfach durch die fehlende Abstimmung.

    Ich habe ja auch eine Oktave mit gleichem Ansatz spielen können. Die Untere sogar noch besser geklungen, wenn ich auf ein G intoniert hätte. Ich hatte aber beim tiefen C angefangen.

    Schon vorgestern habe ich versucht, eine Art Krummhorn aus meinem Altsax zu machen, denn das Experiment liegt ja in der Luft, weshalb du auch auf das Krummhorn kommst, @Otfried. Ich habe also mit einem Gummiband meinen Lippendruck versucht, nachzubilden, das Mundstück ganz, also bis zur Blattschraube in den Mund genommen und versucht, einen Ton herauszubekommen. Ist mir bis jetzt nicht geglückt und ich werde es heute noch einmal probieren. Müsste doch irgendwie gehen. Ich glaube, der Andruckpunkt durch die Gummis stimmt nicht und die Blätter wölben sich. Na ja, ich werde sehen und berichten, ob es geht, den wirklich konstanten Ansatz zu imitieren.

    So, Kaffee aus, Duschen, Hunderunden, Kochen, was ein Rentier halt so machen muss ...

    Biss Peter
     
    Rick und altblase gefällt das.
  4. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Ich meinte definitiv nicht das Krummhorn, sondern ein konische gebautes oktavierendes Instrument, aber mit Windkapsel. Und damit waren mindestens zwei Oktaven möglich. Ja, ein ziemliches Geschnarre, und nicht umsonst spielt man Saxophon anders.

    Gruß,
    Otfried
     
    Rick und ppue gefällt das.
  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Die Rauschpfeife ist konisch, hat aber auch nur den Tonumfang einer None.
     
  6. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Rauschpfeife ist richtig, None steht bei Wikipedia. Die Dinger, die ich damals gespielt habe, konnten 2 Oktaven plus, ähnlich der Blockflöte. Kann ich aber jetzt nicht mehr beweisen.

    Gruß,
    Otfried
     
    Rick gefällt das.
  7. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Jetzt habe ich mal den gleichen Praxisversuch gestartet, wie @ppue.
    Damit ich den Ansatz wirklich möglichst nicht verändere, habe ich mit dem mir maximalen möglichen Druck gegen das Blatt gespielt und meine Schnute nicht bewegt. Das klingt jetzt nicht wirklich schön, aber ich bin mir so ziemlich sicher, dass ich nicht manipuliert habe. Gleichwohl ist das natürlich kein Nachweis, solange Druck und Position am Blatt nicht messtechnisch erfasst sind.



    Gruß,
    Otfried
     
    Rick gefällt das.
  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Beide tiefen Cs kippen in die Oktave! Und klingen tut das, wie du auch schreibst, alles nicht.
     
  9. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Die kippen in die Oktave, weil ich am Limit des Drucks spiele, klar. Und aus dem gleichen Grund klingt es bescheiden. Ich kann das auch mit weniger Druck, für mich ändere ich da auch nix am Ansatz, wollte aber möglichst sicher gehen, dass ich nicht unwillkürlich doch was ändere.
     
    Rick gefällt das.
  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Am Limit der Töne drückst du, aber nicht am Limit des Andrucks. Du drückst so stark, dass die Töne gerade so eben noch kommen. Kein Garant dafür, dass du nicht nachkorrigierst.

    Ich hole jetzt mal Kabelbinder und versuche es nochmal mit dem konstanten Ansatz (-:
     
    Otfried gefällt das.
  11. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Ich könnte nicht fester drücken, vor allem bei dem Lauf von oben nach unten, bin ich mir sicher, dass ich das C3 so fest abgedrückt habe wie ich kann.
    Aber mach mal mit Kabelbinder, ich bin gespannt
     
    Rick gefällt das.
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Es ist sehr schwer, einen einigermaßen guten Ansatz mit Gummiband und Pappe nachzuahmen. Die Pappe hat es jetzt aber gebracht, das Blatt musste in der Mitte weiter dran.
    Es zeigt schon, wie unglaublich sensibel unsere Unterlippe die Sache behandelt. Das hätte ich nicht gedacht. Hier die Versuchsanordnung, geblasen ohne jeden Druck von C3 zu C1 und zurück.

    konstanterAndruck.jpg

    So klingt es:



    Ab F1 abwärts ist endgültig Ende.
     
    Anna, Rick, Otfried und einer weiteren Person gefällt das.
  13. Ralf Rock

    Ralf Rock Ist fast schon zuhause hier

    voicing. meine Übung geht ...tief Bb/ EB anspielen ..gleicher Ansatz, gleicher Druck auf das Blättchen beibehalten ....das ganze Register ist spielbar durch Voicing....einfach so tun, als ob ihr den Ton singen wollt....dann von jedem aufsteigenden Ton immer wieder zurück zum tiefen Bb oder Eb.... F/ Bb. Fis / Bb G/ Bb usw ..
    Wird im Video am WE mal gezeigt....
    LG Ralf
     
  14. Ralf Rock

    Ralf Rock Ist fast schon zuhause hier

    Hi, wer kommt denn aus Düsseldorf oder Umgebung ???
    Da lade ich herzlich ein,einmal in mein kleines Studio zu kommen....um dann diese Übungen mal vorzuführen, da ja unter anderem behauptet wird ...geht nicht......n Kaffee , oder n Bierchen steht eh immer parat...lG Ralf
     
  15. cwegy

    cwegy Ist fast schon zuhause hier

    @Ralf Rock der Jedidiah hat ja einen tollen Sound und ein super Feeling. Klasse!

    Leider ist D-Dorf zu weit weg für mal eben, schade.
     
    Ralf Rock gefällt das.
  16. Ralf Rock

    Ralf Rock Ist fast schon zuhause hier

    @cwegy na dann mach n WE draus ..Gästebett ( Zimmer) ist da..dann könnten wir auch jammen....lG Ralf
     
  17. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    @ppue geht doch schon ganz ordentlich, und immerhin 1 1/2 Oktaven, wenn ich das richtig höre
     
  18. Calymne

    Calymne Kann einfach nicht wegbleiben

    poh dieser Thread ist ja explodiert... ich lese die letzten 5 Seiten nach, wenn ich Zeit hab.

    Trotzdem hat mich dieses Kiefer nach vorn schieben mal animiert, meinen Ansatz zu ändern.
    Auch wenn ich den Ton einiger Schreiber nicht so doll fand - mein Ton beim Spielen gefiel mir ja noch viel weniger :D und nur der ist (mir) wichtig.
    Also drüber weggelesen und einfach mal probiert.
    Mit Lippen unter den Zähnen ließ sich mein Kiefer nicht wirklich gut vorschieben, also hab ich die Lippen mal rausgenommen und siehe da - wow.
    Gibt deutlich mehr Output. Natürlich ist die Luft aktuell viel schneller weg als vorher, das lässt sich aber ja wieder einregeln.
    Jedenfalls kam der aktuelle Sound meiner Vorstellung wie ich klingen möchte schon sehr viel näher. Und der Kiefer ist nur noch n kleines Stück weiter vorn, mehr ist gar nicht nötig.

    Also danke @Ralf Rock für die Beschreibungen, das war sehr hilfreich.
     
    Ralf Rock gefällt das.
  19. Ralf Rock

    Ralf Rock Ist fast schon zuhause hier

    @Calymne ...gerrrne. Und
    Yes....ist ja wirklich nur n Hauch nach vorne und schwupps.....da ist was ...da ich ja modernen Ansatz , ganz am Anfang geschrieben hatte , es ist viel einfacher damit ..natürlich bedarf es eine Zeit Übung...und zum Thema Luft....mit der Bauchmuskulatur stützen....da bläst man viel weniger raus und der Ton ist stabil und länger spielbar...lG Ralf
     
    Sax a`la carte gefällt das.
  20. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, immerhin, haha, aber auch mit großen Einschränkungen im Sound. Ich hoffe, die These vom immer gleichen Ansatz ist damit für immer Geschichte und als rein pädagogisches Hilfsmittel enttarnt.
     
    rbur und Rick gefällt das.
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden