Wie sinnvoll sind Licks beim Improvisieren?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von ufosax, 25.September.2025.

  1. ufosax

    ufosax Ist fast schon zuhause hier

  2. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier

    Tja, wenn man unendlich viele Licks draufhat, merkt irgendwann niemand mehr, dass es Licks sind. Auch ne Methode.
     
  3. Tom.66

    Tom.66 Ist fast schon zuhause hier

    Mal ganz ehrlich:
    Wenn man sich verschiedene namhafte international berühmte Saxophonisten anhört, erkennt man bei vielen, dass gewisse „Figuren“ immer wieder mal vorkommen. ob man das jetzt Vokabeln, licks oder sonst wie nennt.
    Bei Ben Webster hört man immer wieder mal einen Lauf mit einer Art Pralltriller auf jeden Ton, wer Ray Charles (die Sax Soli) hört, erkennt auch da öfter die gleiche Art Tonfolge. Das sind nur mal zwei Beispiele, könnte beliebig erweitert werden. Das haben mir auch schon zwei Saxlehrer gesagt,: Licks üben und dann, frei nach Jamie Aebersold „practice in all keys“.
    Wenn es nur drei licks sind, wird es halt schnell langweilig, aber da haben Profis ein großes Repertoire. Daher halte ich diese Aussage nicht für verwerflich, sondern für gängige Praxis.
     
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  4. Silver

    Silver Gehört zum Inventar

    Über den großen Dexter Gordon, der vorgeblich unerschöpflich Zitate eingeflochten hat, hatte ich mal eine (wissenschaftliche?) Arbeit, die seine „Sprache“ auf etwa ein Dutzend Phrasen oder Licks zurückführte. Die ist mir irgendwie abhanden gekommen…

    Das tat Dexter in meinen Ohren keinen Abbruch, weil er dieses Dutzend äußerst kreativ kombiniert hat.

    Eine umfangreiche Sammlung von Licks in allen 12 Tonarten einfach abzufeuern, wäre für mich nicht das Gleiche.
    Natürlich wünschte ich, ich könnte alleine das…
     
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  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Ein Improvisieren ohne Licks ist unmöglich. Es sei denn, man vermeidet es tunlichst, diatonische Reihen zu spielen, sprich irgendwelche Tonleitern zu benutzen. Auch sollten dann Akkordbrechungen und eingeübte chromatische Überleitungen vermieden werden. Am besten übt man so etwas gar nicht erst, dann kommt man auch nicht in Versuchung, sie in der Impro zu benutzen (-;
     
  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Man ist, was man isst und man spielt, was man sich vorher draufgeschafft hat.
     
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  7. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier

    Dem stelle ich mal ein Zitat von Lee Konitz entgegen:

    "As soon as I hear myself playing a familiar melody I take the saxophone out of my mouth. I let some measures go by. Improvising means coming in with a completely clean slate from the first note. The process is what I'm interested in. You can turn the most familiar standard into something totally fresh. The most important thing is to get away from fixed functions."

    Diese Einstellung, ein für unsereins zugegebenermaßen schwer zu erreichendes Ideal, sagt mir mehr zu.
     
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  8. ilikebrecker

    ilikebrecker Ist fast schon zuhause hier

    Ich kenne auch Lehrer, die Licks und Patterns als den "Tod jedes Solos und jeglicher Improvisation" empfinden und das auch so lehren.
    Eine Improvisation kann meinem Dafürhalten abgespeicherte Phrasen enthalten, diese sollten aber nur unterbewusst eingesetzt werden. Ich für meinen Teil lege bei einer Improvisation meine Gedanken und Gefühle, die ich gerade im Moment des Spielens habe, dem Zuhörer offen. Ob sich diese mit abgespeicherten Phrasen decken, sei dahingestellt. Man muss halt die Ohren aufmachen und hören, was die anderen (bzw. das Playalong) so spielen.
    Ich bin da auch bei Lee Konitz.

    Ich meine, wenn man viel spielt und auch viel Musik hört schleifen sich Phrasen in das eigene Spiel ein, die man gut findet und auch harmonisch an die jeweiligen Stellen passen. Ist aber ein langer Weg dahin.
     
  9. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Ich sehe die unterschiedlichen Herangehensweisen und bin überzeugt, dass es für die Aussagekraft unserer Improvisation einen Unterschied macht, ob wir gerade Spielen, was uns aus unserer Stimmung heraus in den Sinn kommt oder unser Hirn nur konzentriert rattert weil wir gezielt eingeübte Licks in die Changes setzen. Ich bin mir aber nicht sicher ob wir das als Menschen wirklich bewusst in der Hand haben, was tonal am besten rauskommt. Ich improvisiere auf meinem Stümperniveau eigentlich nur nach Gehör und versuche das Hirn da eher auszuschalten (beim üben eher andersrum). Wenn ich denn mal ein altes Handyvideo von nem Gig zu sehen bekomme, fällt mir schon auf, dass ich viel repetitives Vokabular gespielt habe, ohne es zu merken.
    Warum sollte das bei einem Meister anders sein, nur dass dessen Wortschatz 100 mal größer ist?
    Jerry Cokers „Elements of the Jazz Language for the Developing Improvisor“ legt ebenfalls nahe, dass Wiederholung unvermeidlich ist.

    Wenn ich Lee Konitz’ Zitat auf die Sprache übertrage und frei umformuliere als würde er über das Halten von Reden sprechen, kommt in etwa folgendes heraus:

    Sobald ich mich selbst eine vertraute Redewendung sagen höre, halte ich inne. Ich lasse ein paar Selukden verstreichen.
    Freie Reden halten bedeutet, von der ersten Silbe an mit einem völlig leeren Blatt zu beginnen. Mich interessiert der Prozess. Man kann den vertrautesten Anlass und Inhalt in etwas völlig Neues verwandeln. Das Wichtigste ist, sich von festen Phrasen zu lösen.

    Für mich wird dabei noch klarer (obwohl er es schon sagt), dass es ihm da um den Erschaffensprozess geht, weniger darum, ob der Satz am Ende mit vielen gesagte Sätzen vergleichbar ist. Es geht um die mentale Einstellung beim Improvisieren, so macht es nämlich auch mehr Spaß. Das heißt für mich nicht, dass man im Proberaum nicht Vokabeln üben soll.
     
  10. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Ich eigentlich nicht.
    Licks sind die "Essenz" von Stilen.
    Der schwierige Teil ist nicht das Draufschaffen von Licks, sondern die Verarbeitung in der Improvisation. Da muss man schon eine Weile dahingehend geübt haben.
     
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  11. Silver

    Silver Gehört zum Inventar

    Für mich liegt die „Wahrheit“ dazwischen.

    Wenn ich keine typischen Stilelemente zur Verfügung habe - um mal was zu sagen: Dom7 Arpeggio ab der 3 aufwärts, Scale mit der verminderten 5 abwärts = Bebop - kann ich sie auch nicht in einer Improvisation „bringen“. Weil das auf Dauer langweilig wird, schaue ich mir an, wie man das Material irgendwie abwandeln kann, ohne einen anderen Stil draus zu machen. Das muss niemand selbst neu erfinden, das haben die Meister längst getan. Das ist der kognitive Prozess des Lernens und Übens. Ein paar Wendungen gefallen mir dann besonders gut (oder liegen einfach besonders gut in bestimmten Tonarten unter den Fingern) und bleiben stärker hängen als andere.

    „Auf‘m Platz“ ist dann das allerletzte, was ich brauchen kann, ein Großhirn, das versucht, mir vorgelernte Licks in eine Akkordfolge zu platzieren. Da bin ich schlagartig raus. Ich kann das nicht und wenn ich ehrlich bin, will ich das auch nicht können.
    Ich bin kein Lick-in-D-Flat-Minor-Abruf-Automat.

    Aber das hat schon lange nichts mehr mit einem 3D-gedruckten „Florida mit Stufe“ Mundstück für fast 600€ zu tun.
     
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  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Die Beiträge bisher habe ich aus einam anderen Thread in diesen kopiert. Der Tubenfilm von @ufosax hat sich da irgendwie als Themenersteller hineingeschummelt, aber vielleicht passt der ja gerade zum Thema.
     
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  13. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Schon zB. eine Durtonleiter ist ein Pattern. Weiss man noch nicht wo deren Töne liegen, tut man sich sehr schwer, das rauszufinden. Insofern ist das Draufschaffen von Tonleitern hilfreich zum Musizieren, tatsächlich fast unerlässlich.
    Muß man eine komplette Tonleiter wörtlich reproduzieren? Nein, tatsächlich kommt das sehr selten vor. Kann man die Tonleitertöne also auch anders einsetzen? Natürlich, aber Vorbedingung ist eben die Kenntniss der Tonleiter. Entsprechendes gilt für alle Patterns. Beschäftigt man sich mit bestimmten musikalischen Material, taucht das erfahrungsgemäß irgendwann in seinem Spiel auf, in mancherlei Variationen. Will sagen, Patterns zu üben ist so hilfreich, das sie quasi unerlässlich sind.

    Eine völlig andere Frage ist, ob man Patterns in seine Improvisation einbauen will. Ich persönlich mag das nicht. Aber wenn jemand das abwechslungsreich hinbekommt und Patterns gut miteinander verschmilzt, so das die Impro wie aus einem Guss erscheint, warum nicht. Bekommt jemand das allerdings nicht gut hin, kann es ziemlich nerven. Die Frage ist auch, ob man einen bestimmten Stil spielen will, und dazu typische Wendungen braucht (was mich persönlich weniger interessiert).
     
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  14. altoSaxo

    altoSaxo Strebt nach Höherem

    Die Frage ist dann auch, ob und wie man neben Licks/Pattern konkret die Improvisationen übt, bzw. ob und inwieweit man dabei Pattern bewusst einsetzt und variiert oder die Impros beim Üben nur spontan nach dem inneren Ohr gestaltet.
     
  15. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @indieRunde
    Mal praktisch gefragt.

    Gibt es jemanden unter uns, der ganz bewusst das Üben von Patterns / Licks ablehnt ?
    Theoretische Debatten zur Begriffs-Definition mal außen vor.

    Was an Material übt man dann ?

    VG
     
  16. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Bis zu welcher Geschwindigkeit kann man eine Improvisation in Echtzeit ohne Pattern bewältigen?
     
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  17. giuseppe

    giuseppe Gehört zum Inventar

    Kommt auf die Notenwerte an.
     
  18. ilikebrecker

    ilikebrecker Ist fast schon zuhause hier

    Naja, wenn man ein sehr schnelles Stück wie Impressions spiele und darüber improvisiere, gehe ich das eher frei an und würde nicht auf die Idee kommen, Licks aus dem Ärmel zu ziehen. Ich denke, hier ist Energie wichtiger als die (modalen) Akkorde zu bedienen.
     
  19. Bb7

    Bb7 Ist fast schon zuhause hier

    Also ich lehne licks/patterns nicht völlig ab, gar nicht, aber ich habe sie nie, bzw. nur sehr selten gespielt und wenn, dann fand ich es immer schnell total langweilig .
    Ich will das auch gar nicht mehr probieren, höchstens ein ganz bisschen, wenn mir mal nix Besseres einfällt.
    Für meine Impros habe ich auf sehr bescheidenem level genügend Zustimmung bekommen und Harmonielehre begreife ich eh nicht so richtig. Würde am liebsten das spielen können, was ich singen kann.........aber das ist natürlich viel leichter gesagt als getan.
    Ich kann Noten ganz gut lesen und so ein bisschen die Akkorde bei einer impro verfolgen, aber nur ein bisschen, mehr nicht.
    Ich habe aber viele Jazzmusiker kennengelernt, die strikt nach Pattern und Akkorden soli gespielt haben und ich fand es gar nicht gut.
    Bei einer Lehrer/Schüler Jazz band, wo ich eigentlich nur für einen Gig eingesprungen bin, hat mich dieses spielen nach Akkorden,licks von den anderen Jungs so genervt, dass ich bei allen solos immer demonstrativ den Notenständer, den ich für das Thema schon brauchte, einfach hinter mich gestellt habe:) und dann ziemlich frei von allem war.....also frei im gemässigten Rahmen. Tonleiter und entsprechend verwandte Abweichung musste ich schon im Kopf haben. Schwierigster Punkt war dann für mich immer, dass ich checke, wo ich mich eigentlich denn gerade bewege und wann Schluss ist, das ich habe ich oft nicht gepeilt und war auch nicht gut.
    Der Lehrer hat mir Wochen später gesagt, dass er zumindest etwas dadurch gelernt hat......: man muss sich nicht unbedingt an Patterns und Akkorden festhalten, es geht auch anders. Ob es besser ist, lasse ich mal dahin gestellt, wahrscheinlich sogar eher nicht, aber ich selbst kann halt nicht anders, leider. Das ist wohl auch der Punkt: Ich kann es einfach nicht und habe keine Lust, mich damit zu beschäftigen. Das ist bestimmt nicht unbedingt gut für das Zusammenspiel mit anderen.
    Ich spiele gerade eh viel mehr Gitarre und hoffe, dass ich Sax und Querflöte bald mal wieder etwas ernster nehme.
    VG Horst
     
    Zuletzt bearbeitet: 16.Oktober.2025 um 18:35 Uhr
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  20. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Mit wievielen bpm findet das dann statt.
    Also Achtel oder Sechzehntel.
    Für mich ist die Frage, ab wann es eigentlich zu schnell wird, um sich komplett
    Individuelles aus dem Ärmel zu schütteln und der Kopf auf Gelerntes zurückgreift.
    Und ja, ich rechne mit individuellen Unterschieden.
     
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