Das fragile Ego und negative Gedanken beim Spielen

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 11378, 27.Februar.2016.

  1. Gelöschtes Mitglied 11378

    Gelöschtes Mitglied 11378 Guest

    Hallo Alle beisammen,

    ich bin ein ziemlich übler Aufmerksamkeitssüchtiger. Ständig fische ich nach Komplimenten und gehe anderen Leuten mit meiner fanatischen Selbstobsession auf den Sack. Hand in Hand damit gehen, dass glaube ich jedenfalls, negative Gedankengänge beim Spielen von wegen das wäre scheiße gewesen und da musst du eigentlich etwas Anderes spielen aber dass kannst du ja nicht.

    Natürlich versuche ich das zu verbessern und es ist auch wesentlich besser geworden, aber immer noch sehr bemerkbar. Eigentlich bereitet mir die Musik riesengroße Freude und ich möchte sie nicht zu einem Kriegsschauplatz gegen mich selbst machen.

    Frage: Kennt ihr solche Gedanken? Wie geht ihr damit um? Gibt es hier welche, die das überwunden haben und wie habt ihr das angestellt?

    Ich freue mich auf eure Antworten,
    Kristina.
     
  2. mato

    mato Strebt nach Höherem

    Beides sind typische Triebfedern eines Musikers und können neben einer furchtbaren auch eine fruchtbare Seite haben. Ich habe bisher noch keinen guten Musiker kennengelernt, der voll in seiner Mitte stand. Und je kaputter die Typen, desto interessanter meist das, was sie gemacht haben.
    Es ist gut wenn man reflektiert, aber was darauf folgen sollte ist erstmal das annehmen der Erkenntnisse. ;-)
     
  3. coolie

    coolie Strebt nach Höherem

    Und ob ich solche Gedanken kenne! Bei mir ist es allerdings zum Glück so, dass ich nach dem Spielen meine Selbstkritik immer recht schnell wieder unter den Teppich kehre - nach dem Motto "morgen wird es besser". Dies ist wohl ein Schutzmechanismus, der mich davor bewahrt, den Schritt vom Selbszweifel zum Aufgeben zu machen. Ich neige wohl auch dazu, mich ständig leicht zu überfordern. Von Zeit zu Zeit sage ich mir dann: OK - jetzt konzentrier dich mal nur auf einen schönen Ton, d.h. ich beschäftige mich dann nur mit den elementaren Aspekten des Saxens: Atmung, Ansatz, Intonation...
     
  4. Reference54

    Reference54 Ist fast schon zuhause hier

    Ja, das kennen wohl die meisten zu einem gewissen Grad. Ich versuch alles möglichst realistisch zu sehen, weder zu optimistisch, noch zu pessimistisch; sich klar machen, was man schon alles kann, was man schon alles erreicht hat ... Und darauf darf man ruhig stolz sein, man muss es ja nicht jedem ins Gesicht reiben :)

    Nebenbei hab ich auch oft den Eindruck, dass dieses Thema für guten Unterricht eine wichtige Rolle spielt. Klingt aufs erste Lesen offensichtlich, aber es ist oft gar nicht so einfach, solche Gedanken und Einstellungen von Schülern zu (er)kennen und demnach Kritik und Lob zu formulieren. Der Fokus liegt eben meistens auf dem "work in progress", das bringt einen weiter. Unsichere Menschen sehen dann nur noch, was noch nicht klappt und nicht mehr das, was schon da ist.
     
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  5. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Also während ich spiele denke ich eher A#7b9alteriert
     
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  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Das fragile Ego wird ein fragiles bleiben. Mit der Musik hat das wenig zu tun. Ich habe in einer Woche Vorpremiere und bin jetzt schon recht angespannt.

    Das erste Mal das neue Programm der Öffentlichkeit vorzustellen, war immer eine große Herausforderung. Kaum auszuhalten, speziell die Stunden vor dem Auftritt. Ich dachte immer, mit der Routine und dem Alter würde sich das schon legen; man hat doch irgend wann genug Erfahrung!
    Aber nein, weit gefehlt: Es wird nicht besser, dabei gehe auf die Sechzig.

    Es ist ein Irrglaube, dass man immer besser Saxophon spielen kann und sich damit ein größeres Selbstbewusstsein einstellt. Meine Erfahrung zeigt, dass man sich immer gleich sieht:
    Du bist begabt, aber faul, wirst an die Großen der Zunft nie heran reichen aber es gefällt dennoch allen, was du machst. Ein bisschen mehr Lob wäre allerdings schön.

    So etwa ist meine Sichtweise auf mich. Sie war immer so und wird es auch bleiben. Das liegt im Charakter und ist sicher auch in allen anderen Bereichen, in denen ich mich umtue, erkennbar. Meine Umwelt erkennt allerdings davon absolut nichts.

    Egal, wo man beim Saxophonspiel steht: Je besser man wird, desto höher werden die Erwartungen an die nächsten Ziele. Desto mehr versteht man von Musik, dem Instrument, sich selbst und desto mehr hört man, wo man dann doch nicht perfekt ist und noch große Baustellen hat.

    So weit der subjektive Eindruck. Das, was man denn doch letztendlich erreicht, sind mehr oder weniger große Ziele, die dem Verstand sagen: Schau, im Vergleich zu vor fünf Jahren ist das doch eine große Leistung. Das verankert sich leider aber nicht im Gefühl.

    Das klingt erst einmal negativ. Aber: Problem erkannt, Gefahr gebannt. Man kann sich, so glaube ich, nicht wirklich ändern. Aber man kann zu seinen Macken stehen. Und das tust du. Das ist super und mehr ist da gar nicht drin. Du hast einen Außenblick auf dich. Er wird das Problem nicht lösen, aber dir zeigen, damit gut umzugehen.

    PS.: Ich habe z.B. dieses Helfersyndrom. Fühle mich gut dabei, wenn ich anderen helfen kann und schreibe sicher auch aus diesem Grund hier viel. Die Ursachen kenne ich inzwischen, aber die Macke bleibt. Das Bewusstsein über die Macke lässt mich gut mit ihr leben und ich hoffe nebenbei natürlich inständig, dass ich anderen damit auch helfen kann. Man wird seinen Charakter zum Teufel nicht los. Man kann aber mit ihm schön spielen, wenn man ihn ernst nimmt und ihn ab und zu etwas neckt.
     
  7. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Optimal wäre es wohl, wenn man beim Spielen (vor allem bei wichtigen Auftritten) jegliche Gedanken abschalten / unterdrücken könnte, und voll in der Musik aufgehen. Das ist das Prinzip des Flow-Zustands, oder jeder Art von Meditation. Die Male, wo ich das geschafft habe, habe ich wahrscheinlich am besten gespielt. Alle "aktiven" Gedanken, die dreinfunken, reduzieren das volle Ausschöpfen des Potentials.

    Einmal war das mit dem Flow wirklich genial. Wir spielten mit Mikros und das Monitoring war sehr gut, sodass ich mich aus dem Lautsprecher sehr gut hörte. So, als ob jemand anderer spielen würde. Da konnte ich wirklich in den Zustand kommen, einfach nur aufzumachen und zuzuhören, was da an Musik rauskam.

    Sobald man dann wieder "bewusst" spielt und anfängt nachzudenken (erst recht kritisch / negativ), wird es viel schlechter. Verhaltener, gehemmter, aber auch vollkommen absurde und unnötige Fehler schleichen sich ein. Das kann dann so ein Teufelskreis warden, dass gar nichts mehr geht.

    Das ist natürlich keine Hexerei. Man muss die Sachen auch sehr gut geübt haben und können. Aber sich dann auch einfach darauf verlassen.

    Es gibt eine Menge Literatur dazu, z.B. The Inner Game of Music oder Effortless Mastery.
     
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  8. Gelöschtes Mitglied 11378

    Gelöschtes Mitglied 11378 Guest

    Kenne ich, aber nur selten so und hin und wieder betrunken.
     
  9. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Huiii, mich erschreckt, was ich hier lese.

    Nicht, dass ich gerade in dieser Not wäre. Ich habe keinerlei professionellen Anspruch, und ich stehe noch relativ am Anfang. Ich habe kein Problem mit meinen Fehlern, weil ich ja noch nicht "soweit bin". Und ich lerne rein zum Spaß.

    Nicht, dass ich nicht gerne Komplimente höre(n würde).
    Nicht, dass ich nicht vieles noch zu lernen hätte und vieles noch nicht gut geht.
    Aber da steh ich halt, ich Amateur.

    Ich erinnere mich an eine Probe für irgendeine Messe, wo ein ziemlich talentiertes Mädchen ihr Cello ausgepackt hat, mal die Stimmung kurz überprüft hat und für "ausreichend" befunden hat, mit einer Selbstverständlichkeit, wie ich sie für sie nicht angemessen hielt. Aber es rückt die Maßstäbe in ein anderes Licht: was braucht es denn zu sein? Dem Rahmen bzw. Publikum angemessen. Ein gut-österreichisches "passt scho", das übersetzt heißt "wir wissen alle, dass das jetzt eigentlich noch viel besser ginge, und selbst für 'ordentlich' noch zuwenig gut ist, aber es wird für den gegebenen Zweck ausreichen".

    Freilich wollen wir alle immer besser werden, und das ist gut so.
    Freilich brauchen wir Anerkennung - ist angeblich nach dem Überlebenstrieb der zweitstärkste Trieb.
    Aber wie wichtig nehmen wir uns selbst? Man kann es auch übertreiben, und sich selbst weniger wichtig nehmen ist auch entspannend.
    Wenn ich mich allerdings von der Anerkennung abhängig mache, mit dem Sax-Können irgendwas zu beweisen versuche, oder ähnliches, dann würde ich in Betracht ziehen, einmal irgendein Coaching oder eine Persönlichkeitsberatung in Anspruch zu nehmen. Da mag es Dinge aufzuarbeiten geben. Und es ist gut, Dinge aufzuarbeiten. Je früher, desto besser.
     
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  10. Isachar

    Isachar Guest

    kristina

    du schreibst, du möchtest die musik nicht zu einem kriegsschauplatz gegen dich selbst machen.

    vielleicht ist die musik aber ja genau das medium, welches du brauchst, um dich selbst auszuloten und zu erfahren !
    du bist abiturientin, also noch eher jung - und ich kenne nicht allzuviele junge menschen, die sich über sowas schon gedanken machen und solche selbstreflektionen haben !

    was du so schilderst, das kenne ich aus dem gleichen alter bei mir in sachen malen und zeichnen.
    da habe ich eigene ausstellungen gehabt - noch in der schule schon - und immer war ich am zweifeln : Ist das auch gut genug ? nun LOBT mich doch endlich mal und sagt, wie toll ihr meine bilder findet ! dann war ich verzweifelt, weil man zwar bilder von mir geklaut hatte, sie aber anscheinend nicht kaufen wollte ! zum klauen reichten sie also - aber für ein wenig bares waren sie nicht gut genug oder wie ? was für ein lob war DAS denn ? Und haben die meine bilder geklaut, weil sie doch so gut waren - oder weil ich ihnen damit auf den senkel gegangen bin, und sie mir einfach einen auswischen wollten ? ZWEIFEL ÜBER ZWEIFEL und sogar kreativitätssperre im kopf dadrüber !

    etwas später habe ich dann kapiert, daß das ganze fishing for compliments in meiner kunst und auch der bremsende frust darüber am ende nur ein aufarbeiten meiner eigenen komplexe war und daher ein prozess, den ich durchmachen mußte. OB ICH WOLLTE ODER NICHT !
    nachdem ich gelernt hatte, daß ich weniger auf das lob oder die zustimmung von anderen angewiesen bin, sondern viel mehr auf mein eigenes selbstbewußtsein, ist das zwar nicht gewachsen, aber doch aktiviert worden.
    mein eigener characker hat sich vielleicht nur marginal geändert, aber mein umgang mit mir selbst eine ganze menge ! AHA ! plötzlich höre ich das lob der anderen, oder habe überhaupt gelernt, es wahrzunehmen und nicht 10 lobe gegen 1 kritik zu verrechnen, da kommt man nämlich auf keinen grünen zweig ! aber das muß man eben auch erst lernen im leben !

    malen und zeichnen tue ich seit dem kaum noch - außer in meinem beruf - dafür habe ich die musik verstärkt betrieben und war auf diesem gebiet dann auch eher frisch und unvorbelastet.
    vielleicht braucht man ja in gewissen entwicklungsstadien im leben auch mal einen kriegsschauplatz, um die ganzen überschüssigen minen und die munition im kopf zu verballern, die einem nur im wege stehen !
    ich bin froh, daß es bei mir die malerei war, die danach auch den bach runtergegangen ist, nachdem sie bei mir ihren psychojob erledigt hatte und nicht die musik. die hatte ich zu der zeit aber auch weniger im fokus - da habe ich meine keys geklimpert und ansonsten gemalt, gemalt, gemalt.

    wer weiß, wie es bei dir so weitergeht - aber wie du siehst, kennen hier einige solche gedanken und flowstörungen sehr gut - ich auf meine art eben genauso.

    mit sowas stehst du wirklich nicht alleine da !

    grüßle

    isach
     
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  11. Isachar

    Isachar Guest

    PS

    kristina,
    ein schönes beispiel möchte ich dir noch nennen, welches ich hier im forum schon öfter genannt habe :
    ich kenne ja sehr gut einen musiker, der rund 30 jahre lang sax gespielt hat, zwischendurch kam noch die querflöte dazu - und der gute konnte alles aus dem FF und spielte wunderbar !
    der ist überall auf der welt einfach auf die bühne draufgehopst und hat klasse mitgespielt.

    die leute haben ihn gelobt und applaudiert, ihn zu weiteren auftritten eingeladen, ja sogar in afrika wollten sie ihn gleich dabehalten - aber das war ihm nie genug ! er war immer von den gleichen selbstzweifeln zerfressen wie du - einerseits der große bringer, andererseits aber voller zweifel, ob das wohl wirklich was taugte, was er da macht ?
    ich KONNTE es bald echt nicht mehr hören ! JA - der ist mir mit seinem übermaß an UNbedeutung seiner selbst echt auf den senkel gegangen !

    bei dem hat die entwicklung allerdings fast 30 jahre gedauert ! jetzt spielt er ein völlig anderes instrument und erfreut sich zu recht seiner wunderbaren fortschritte und auch des lobes, welches er dafür bekommt. ist halt ein extremer fall - aber ich kenne ihn gut und sowas gibt es halt auch !

    man sollte bei allen dingen im leben das goldene mittelmaß wählen - wenn man merkt, daß einen eine sache ZU sehr anfixt und man komisch dabei draufkommt und eben auch negativ. dann sollte man mal eine kreative pause machen !
    die meisten künstler sind SEHR sensibel - und das will erstmal ausgelotet und eingerahmt werden.

    wir haben hier im forum ja auch charaktere, die sind über alles erhaben, haben evtl musik studiert - und wissen über alles bescheid. DIE scheinen solche probleme weniger zu kennen - das sind in meinen augen dann aber auch eher ausgebildete techniker und nicht UNBEDINGT künstler.
    du wirst aber in vielen threads auch die wankelmütigkeit und launigkeit der einzelnen forumsmitglieder erkennen - meine wenigkeit eingeschlossen - und da kannst du doch schon erkennen,
    daß da in vielen köpfen ein kleiner krieg herrscht - und fishing for compliments sowieso !
    der titel des threads : critizise me ! könnte genausogut heißen : nun lobe mich doch mal jemand !
    die suche nach anerkennung und rangstand liegt im ureigenen verhalten der menschen, als wir noch sammelnde und jagende rudeltiere waren. da war lob nämlich = erlegtes mammut also futter für 2 wochen ! ODER: nichterlegtes mammut = hunger für 2 wochen.
    was ist ein vergeigtes solo dagegen, nur weil man sich selbst grämt und dafür geißelt und das publikum es noch nicht mal merkt ?
    mammut oder nicht mammut - und die eigene wichtigkeit dazu, DAS ist hier die frage !?!

    das muß jeder für sich selbst ausloten !
    aber mal im ernst - mir sind menschen mit selbstzweifeln um ein vielfaches lieber, als solche die eh auf alles und jedes ne antwort wissen, wie ein programmierter roboter und die sowieso durch nix mehr zu beeindrucken sind, weil sie ja ach so sehr eh schon alles wissen !
    glaube mir - das sind oft die armseligsten von allen - und die unglücklichsten obendrein !



    grüßle

    isach
     
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  12. Mugger

    Mugger Guest

    Dass negative Gedanken damit Hand in Hand gehen kann ich nachvollziehen, vielleicht muss das aber nicht so sein.
    Da gibt es Bessere als uns, denen geht es genau so.
    Kannst Du die Komplimente akzeptieren? Schön, ich kann es weniger gut. Ich denke mir dann immer "Hau ab, was verstehst Du schon..."
    Ich kenne das auch gut aus dem Kollegenkreis.
    Von wegen Scheiße: Du beurteilst, was Du gespielt hast, aus Deiner Sicht.
    Lies mal, was mein Lehrer drüber schreibt (es geht zwar eigentlich um "Sound, ein paar Gedanken, die ich aus dem Blog kopiert hab sind aber trotzdem relevant und hilfreich):

    • Learn to discern-Instead of immediately judging (as in good or bad) your sound, aim towards being able to identify and describe more objective data, such as pitch, overtones (can you hear the partials?), volume and balance of color. Recording yourself regularly (on good equipment, of course) can help tremendously with this. Learn to hear yourself in a more detached way, as if you’re simply observing something with no personal agenda.
    • Seek out goodness-Even when I’m playing on a bad reed, in less than ideal acoustic settings, I’m actively listening for what is good (what I like!) about my sound. I can always find something that pleases me, as I reconnect to what makes my sound mine. In fact, sometimes I intentionally practice tone exercises with these challenging conditions just to give myself a chance to put this into practice.
    • Be grateful-To play music is such a huge blessing. Most people who’ve never played and instrument envy even the mediocre musician’s ability of musical self expression. Sometimes in the quest for improvement, it’s easy to lose sight of what you already have. Let yourself enjoy and fully embrace where you’re at with your musical development right now.

    Muss ja nicht sein. Ist wie erwähnt eine wichtige Triebfeder.

    Ja.
    Oft nicht gut.
    Kann ich nicht mitreden.
    Hab ich für mich akzeptiert.
    Work in progress.

    Alles Gute,
    Guenne
     
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  13. bhimpel

    bhimpel Ist fast schon zuhause hier

    Gute Frage. Wobei die zwei "Probleme" meiner Ansicht nach getrennt betrachtet werden können.

    Ich kenne das mit den negativen Gedanken auch, nicht nur von Konzerten her, habe aber noch nie so darüber nachgedacht. Einen Trick, um beim Spielen negative Gedanken nicht aufkommen zu lassen, kenne ich nicht. Vielleicht Meditation, damit habe ich aber keine Erfahrung. Mich hat es glücklicherweise nicht zu häufig beim Spielen erwischt. Ich ärgere mich vielleicht bei irgendwas, kann es dann auch wieder wegschieben und konzentriere mich auf das was noch kommt.

    Das Problem der negativen Gedanken beim Spielen kann man meiner Ansicht nach nur durch gute Vorbereitung auf ein Konzert in den Griff kriegen. Wenn Du Dir sicher bist, dass Du prinzipiell alles drauf hast, was Du Dir vorgenommen hast, dann fällt es Dir leichter, Dich immer nur auf das zu konzentrieren, was noch vor Dir liegt.

    Nach einem Konzert über das Gespielte zu reflektieren, ist aber natürlich sinnvoll. Es ist auch vollkommen okay, Freunden und Verwandten Deine Selbstkritik mitzuteilen, um zu sehen, ob Zuhörer das auch hören. Dieser Drang verfliegt dann im Laufe Deiner musikalischen Entwicklung, wenn Du merkst, dass nur wenige das hören, was Du an Dir selbst kritisiert. Am wichtigsten ist mir daher die Meinung von denen, die nicht nur loben, sondern auch kritisieren: z.B. mein extrem kritischer Bruder (professioneller klassischer Klarinettist), der mich zwar auch lobt, aber mich vor allem auch auf klangliche Defizite hinweist, oder einige wenige andere, die mir offen ihre Meinung sagen und eben auch konstruktive Kritik geben können. Nach ehrlichem Feedback zu fragen ist meiner Ansicht nach vollkommen normal und notwendig, damit Du an Dir arbeiten kannst.

    Was genau meinst Du damit, dass Du nach Komplimenten fischst?

    Viele Grüße,
    Benjamin
     
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  14. Jazzica

    Jazzica Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Kristina,

    ich kenne die Unzufriedenheit mit der eigenen Performance und dieses "sich-nie-gut-genug-fühlen" auch, nicht nur im Bereich der Musik. Es ist bei mir besser geworden, als ich (ähnlich wie Isachar weiter oben schreibt) erkannte, dass meine eigenen Erwartungen an mich selbst (sozusagen meine innere Messlatte) viel härter sind als die Erwartungen der anderen, und als ich entdeckte, dass es mir wichtiger ist, mich in der Musik selbst auszudrücken als anderen zu gefallen.

    Die Frage ist, wie sehr helfen Dir denn die Komplimente von anderen? Du hast ja z.B. hier im Forum ein paar sehr schöne Einspielungen eingestellt, für die Du gelobt worden bist, und Du machst Straßenmusik und bekommst Geld dafür. Du bekommst also Komplimente - so schlecht kann Dein Saxophonspiel gar nicht sein. Aber machen sie Dich zufriedener mit Deinem Saxophonspielen? Oder grummelst Du trotz der Komplimente weiter gegen Dich und denkst "Mist, ich war wieder nicht gut genug"?

    Wenn letzteres der Fall ist, dann ist Deine eigene innere Messlatte sehr hoch und Lob / Komplimente von anderen werden Dir nicht helfen. Dann wird es eher so sein wie Mugger schreibt: Egal was andere sagen, man fühlt sich immer noch unzulänglich.

    Da würde ich dann als nächstes schauen, wo will ich denn hin mit meiner Musik? Habe ich ein Vorbild und will so spielen wie diese Person? Oder geht es mir eher darum, mich selbst in der Musik auszudrücken? Was auch immer Dein Ziel ist, Du wirst es nicht in den 5 Jahren, die Du jetzt Saxophon spielst, erreichen können. Unsere Vorbilder sind ja oft Profi-Musiker, die schon viel länger spielen als wir und sich viel intensiver mit dem Instrument beschäftigt haben - wenn wir uns mit so jemandem vergleichen, wird das immer schlecht für uns ausgehen.

    Will man dagegen sich sellbst in der Musik ausdrücken, muss man sich selbst erst mal verstanden haben, und dazu helfen oft einige Jahre mehr Lebenserfahrung und einige Jahre mehr musikalische Praxis. Auch in Sachen musikalischer Selbstausdruck wird man vielleicht nie richtig zufrieden sein, aber es gelingt immer besser. Ein bisschen Unzufriedenheit mit der eigenen Performance darf ruhig bleiben, denn wie andere schon schrieben, das ist eine wichtige Triebfeder für weitere Verbesserung.

    Viele Grüße von

    Jazzica
     
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  15. Saxfreundin

    Saxfreundin Strebt nach Höherem

    Unter allen Macken, die man so haben kann, gefällt mir an Deiner, dass sie

    1. nicht nervt :cool:
    2. äußerst nützlich für uns hier im Forum ist :sneaky:

    Was mich gleich daran erinnert:

    Ein guter Zeitpunkt, um mal ganz herzlich

    D A N K E , Peter!

    zu sagen! :smile:
     
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  16. Saxfreundin

    Saxfreundin Strebt nach Höherem

    Liebe @Kristina,

    ich denke, die Erklärung steckt bereits in Deinen eigenen ersten beiden Sätzen :)

    Und ich denke: Das ist ganz NORMAL!

    Nichts macht uns Menschen innerlich ruhiger und zufriedener, als das Gefühl, respektiert und gemocht zu werden.

    Ein Lob, ein Applaus, ein positives Feedback ...
    haben eine ähnliche Wirkung, wie wenn uns jemand in den Arm nimmt und liebevoll über den Rücken streichelt.

    So ein menschliches Grundbedürfnis hat den positiven Nebeneffekt, dass wir unsere Sache sehr gut machen wollen. Dass wir ehrgeizig sind und uns laufend verbessern wollen.

    Meine kleinen Weisheiten dazu:

    Schließe Frieden mit Dir selbst.
    Akzeptiere, dass Du ein "ganz normaler" Mensch bist.
    Freu Dich an Deinem Ehrgeiz und inneren Antrieb:
    Sie sind Motivation, immer besser zu werden.

    Und noch etwas, was ein ganzes Leben dauern kann:
    Lerne, Dich selbst zu lieben - mit allem, was Dich ausmacht :)

    Herzlich grüßt
    die Saxfreundin
     
    Zuletzt bearbeitet: 28.Februar.2016
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  17. GelöschtesMitglied4288

    GelöschtesMitglied4288 Guest

    Ich kenne das von früher auch gut, aber das hat mich vorangebracht. Ich war NIE zufrieden. Ich hörte mein klägliches Spiel bei meinem Lehrer oder auf Sessions und dachte dabei immer, dass ich doch mehr könne. Heute muss ich mir eingestehen, dass ich nicht mehr konnte. Wir alle spielen in unseren 4 Wänden meistens besser, aber das dann nach draußen zu tragen und dort auch gut zu spielen, gehört meines Erachtens zu dem gesamten Prozess dazu. Dafür braucht man einfach ein Menge Spielerfahrung. Aber hätte ich mich darauf ausgeruht, dann hätte ich mich wahrscheinlich auch nie aus dieser Situation gekämpft. Die Unzufriedenheit war Teil der Produktivität.
    Hinzu kommt, dass man sich als Frau wohl noch eher behaupten muss. Ich hatte immer das Gefühl, dass die männlichen (vornehmlich spanischen) Zuhörer dachten: "für eine Frau spielt sie ganz gut." Aber auch das hat mich schlussendlich angespornt, selbstbewusster auf dem Instrument zu werden. Dieses Gefühl hatte ich mit den Mitmusikern zum Glück nie. Ich hatte schon früh das Glück und das Pech, mit guten Musikern spielen zu dürfen. Gut, weil ich viel von ihnen lernen konnte. Pech, weil ich mich damit ständig unter Druck setzte. Aber auch das hat mich vorangebracht.
    Es hängt dann sehr von deiner Persönlichkeit ab, deiner Lebenserfahrung und wie du dich als Mensch und als SpielerIn entwickelst, wie selbstbewusst du bist oder nicht und wie hoch du deine Ziele und Erwartungen steckst.
    Durch eine OP wurde ich ziemlich ausgebremst. Noch heute kann ich nur geschätzte 60-70 Prozent spielen. Und gleichzeitig tut es mir gut. Der Druck ist weg. Ich spiele und übe gezielter und unterrichte mit großer Freude. Negative Gedanken kenn ich kaum noch. Tage an denen ich schlechter spiele gehören dazu. Auch die finde ich spannend. Ich empfinde es als ausgesprochenes Glück, Musik machen zu können. Eine Portion Stolz gehört mittlerweile im übrigen auch dazu.
    @Kristina der Weg ist das Ziel. Mach ihn nicht schwerer, als er ist. Nimm ihn einfach an und lass dich überraschen, wohin die Reise geht.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 28.Februar.2016
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  18. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    :grossdu:

    Wanze
     
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  19. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Wieder ein "frischer Wind Thread" von Kristina, wie schön. Auch ich kenne dein Leid aus rund 50 Jahren aktiver Musik, lange auf der Gitarre, erst in den letzten Jahren auf dem Tenor. Dabei entdecke ich bei mir die Tendenz, dass die Meinung anderer mir mit wachsendem Alter nicht so sehr am Herzen liegt wie meine Selbsteinschätzung, das ist für dich eine gute Aussicht.
    Ich stehe im Moment nicht mehr aktiv auf Bühnen und muss mich nicht mehr mit Aufregung und Lampenfieber quälen, aber solche Sachen verlieren sich nie, und sollte ich meinen Wunsch für 2016 verwirklichen und ein Sextett oder Septett irgendwo zwischen Jazz, Fado, Blues und Weltmusik finden oder gründen, das auch öffentlich spielt, kommen die alten Gefühle wieder, da bin ich sicher.
    Die "Aufmerksamkeitssüchtigkeit" kannte ich in deinem Alter auch sehr gut. Meine damalige Gitarre, eine Gibson Les Paul Goldtop, reiste IMMER mit mir in meinem alten Käfer herum, egal wohin, egal zu welchem Anlass, und ich bin mit Sicherheit vielen Leuten lästig geworden. Die Musik war Kompensation für anderes, ganz klar, und ich bin sicher, das geht vielen Musikern so. Entscheidung ist dabei, dass das "Digging in the Dirt" ein künstlerisches Samenkorn in den Dreck der ungeklärten Persönlichkeit steckt, aus dem mit Üben und Spielen irgendwann eine kleine, wunderschön frische grüne Pflanze erwächst, die den Dreck hinter sich lässt, sich nach oben zum Licht durchkämpft, gepflegt, gegossen und vom Unkraut befreit werden möchte, und die irgendwann dann auch noch reiche Frucht trägt, die wie die Pflanze selbst, ohne den "Treibstoff" aus dem Dreck, nicht denkbar wäre.
    "Nur das quietschende Rat wird geölt", und deshalb muss und darf man sich Aufmerksamkeit und Zuwendung erarbeiten und abholen. Geschenkt gibt es da aber nix, und wer zum x-ten Mal für eine rudimentäre und schlampige Version von irgendeiner bekannten Nummer Beifall und Anerkennung erhofft, wird allenfalls ein negatives Feedback abholen. Auch soziale Kontakte können leiden. Eine junge Dame, die damals ein Auge auf mich geworfen hatte vor rund 50 Jahren, aber gegen die Musik nicht ankam, die war mir nämlich wichtiger, meinte, als ich mir im Fond des Käfers damals den Kopf an dem aus dem typischen Käfer-Kasten hinter dem Rücksitz ragenden Gibson-Koffer stieß: "Du wirst dir an der Gitarre noch einmal den Hals brechen." Gott sei Dank hat sich ihre Vorhersage nicht bewahrheitet.

    Hau rein, Kristina, sei hungrig nach Musik und Bestätigung, gehört alles dazu. Schade, dass du doch weit weg von mir wohnst. Ich würde ansonsten gerne bei vielen Tassen Tee oder Kaffee das Generationengespräch mit dir suchen.
    Denke aber stets an die drei größten Lügen unter Musikern:

    1. "Geil gespielt, Alter."
    2. "Geld ist unterwegs."
    3. "Ich ruf' dich an."
     
  20. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Nun gibt es erstmal verschiedene Charaktertypen...

    Ich bin in der Musik und früher auch im Beruf auch eher extrovertiert und die Suche nach Anerkennung ist tendenziell eher groß.

    Mit den Jahren habe ich gelernt hiermit besser umzugehen und kann falsche und echte Anerkennung gut unterscheiden. Am meisten habe ich hier durch meine Partnerschaften gelernt.

    Heute freue ich mich, wenn ich Menschen mit meiner Musik begeistern kann, aber die echten Feedbacks bekomme ich von mir selbst ausgesuchten Kritikern, die mir am Ende hiermit weiterhelfen.

    Das kenne ich eher nicht; denn ich akzeptiere im Auftritt, dass was ich kann bzw. abrufen kann. Nach dem Auftritt analysiere ich, wo ich optimieren kann.

    Ich habe für schlecht-gelungene Soli schon sehr viel Applaus bekommen und für sehr gut gelungene fast kein Applaus. Das Publikum hört nicht, was du hörst bzw. hören möchtest. Die Wahrnehmung des Publikums ist daher für mich kein Gradmesser.

    Gib dir Zeit! Du bist erst 18 Jahre alt!

    Wichtig ist, dass du ein realistisches Bild deiner persönlichen musikalischen Fähigkeiten entwickelst, dann kannst du an dich arbeiten.

    Aus der heutigen Sicht ist für mich die soziale Kompetenz fast noch wichtiger.

    Die beste Musik habe ich immer dann gemacht, wenn ich mein Ego zurückstellte und der Band diente.
     
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