Etüden und Schulen für Fortgeschrittene

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Onkel D, 14.Juni.2025 um 09:15 Uhr.

  1. Frau Buescher

    Frau Buescher Ist fast schon zuhause hier

    @Onkel D Stell doch mal eine Hörprobe ein wenn Du die erste Fishmanetude geübt hast.
     
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  2. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man sich gar nicht so stark an "Etüdenschreibern" orientieren sollte. Man spielt schließlich später mal das, was man früher geübt hat und all diejenigen, die Etüden schreiben, haben bestenfalls mal von den Großen des Saxophonspiels gelernt, schlimmstenfalls aber kauen sie auch auf Etüden herum, die sie selber aus irgendwelchen Heftchen einstudiert haben.

    In der Folge ist das ein Prinzip des Wiederkäuens, ein Nachäffen, aber kein Erlernen der eigenen Sprache auch dem Saxophon. Auch das Nachspielen von ausnotierten Soli ist natürlich ein Wiederkäuen, hierbei lernt man aber immerhin, logische Sätze zu bilden, Phrasen, die in ihrer Abfolge einen Sinn ergeben, lernt man die Architektur von Soli in ihrem gesamten Aufbau. Das fällt bei den ganzen Etüden doch völlig flach (man korrigiere mich, wenn dem nicht so ist).

    Es wird so viel Bohei um den eigenen, unverkennbaren Sound gemacht, aber um den Ausdruck, den man auf seinem Horn hat, kümmert sich kein Mensch. Damit meine ich die Aussage, die man tätigt, das Fragen, das Wiederholen, das Pausieren, das Wüten, Schreien oder Schweigen, Streicheln, das aufeinander Eingehen, das auf sich selbst Eingehen, Infragestellen, Fehlermachen, das Verblüffen, die Akrobatik, die auch mal dabei sein darf, aber nicht das bestimmende Element sein darf.

    Was will der Musiker da auf der Bühne mir sagen. Die Double-Time-Ketten, die nicht enden wollenden, aneinandergeklebten Licks sagen mir persönlich nichts. Und dass es nicht falsch verstanden wird: Licks zu verinnerlichen, ist nichts Schlimmes. Sie sind sogar essenziell für die Improvisation. Sie sind nicht die Silben oder die Wörter, sondern die Sätze, mit denen wir sprechen, die musikalische Grammatik.

    Aber es sollten unsere Sätze sein, Sätze, die uns eigen sind und die wir entdeckt oder gar erfunden haben. Und die stehen in keinem der Hefte drin.
     
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  3. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Ich empfinde das Gleiche zu meinem Buch von John O'Neil "Die Jazzmethode für Saxophon ". Ich vermute stark, dass dieses Buch für das Alto geschrieben worden war und später für das Tenor nur durch andere Playalongs angepasst. Ich habe immer das Innere Bedürfnis, die Etüden anders zu phrasieren und die Tonart zu wechseln. Je weiter umso mehr.
    Wenn ich jetzt die gleichen Etüden zu Alto höre, an denen ich momentan mit dem Tenor arbeite, ist die Welt wieder in Ordnung.
     
  4. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @ppue
    Ja schon, aber ...

    In meinem Verständnis geht's auch nur darum, irgendetwas zu üben. :D
    Was soll ich denn sonst machen ?

    Zur Verfügung stehen mir:

    #1 Melodien von komponierten Liedern, egal welcher Art.
    #2 alle möglichen TL's in "gradere" Form
    #3 alle möglichen TL's in "gebrochener" Form, gebrochen im Rhythmus und Tonfolge.

    Sind im Endeffekt Etüden und notierte Soli nicht alles "nur"
    musikalische Dinge aus Abteilung #3 ?

    Der oft erwähnte Dreiklang von Hirn, Hand, Ohr will gefüttert sein.

    Da setze ich persönlich doch lieber auf Fertiges und Bewährtes von Profis,
    als dass ich mir selbst was konstruiere.

    Musikalisch interessant wird der ganze -Kram- sowieso erst,
    wenn er 100% Teil meiner Fähigkeiten geworden ist.

    Wenn ich's später intuitiv "raushaue".

    VG
     
  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Das macht meinen Tag.

    Nein, ganz und gar nicht.
     
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  6. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier

    @ppue Ich gebe dir recht insoweit, daß Etuden nicht das Erlernen der eigenen Sprache fördern, sondern im Gegenteil eine Art Jazz-Standard-Vokabular. Aber Etuden fördern ein paar eher technische Fähigkeiten, die ich nicht als minderwertige Sekundärtugenden abtun würde: Geschwindigkeit und Präzision in Kombination. Spielen langer Ketten, Organisation des Atmens. Interessante Linien über Harmoniefolgen, auf die man von alleine vielleicht nicht kommen würde. Rhythmisch vielfältiges und unabhängiges Spielen über Takt- und Harmoniegrenzen hinweg, wegkommen von der "1". usw usw.
    Ich würde nicht auf die Idee kommen, ständig nur Etuden zu spielen - aber ebenso wenig auf die Idee, sie in Bausch und Bogen abzulehnen.
     
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  7. Till098

    Till098 Kann einfach nicht wegbleiben

    Ich finde die Diskussion interessant aber ich habe kein Bedürfnis mir ein Etüdenbuch zu kaufen, vielleicht kommt das erst noch.

    Meine "alte Welt" war Musikverein, so zu spielen wie es irgendwo steht. Hat seine Berechtigung.
    Heute will ich frei spielen und mich ausdrücken, oder es wenigstens versuchen. Dabei gehe ich eher den Weg übers hören und nachspielen und dann zu verinnerlichen. Und von Projekt zu Projekt dann auf andere Tonarten zu übertragen.
    Ich spiele gewiss nicht gut, ohne Lehrer, ich habe aber das Gefühl ich komme langsam etwas voran. Daher gefiel mir der Beitrag von @ppue auch wenn ich sonst wenig beitragen kann.

    "Hip Licks" von Greg Fishman erwäge ich dennoch zu kaufen. Mit dem Erkennen "Was ist ein Lick" und welche sind "Basic" tue ich mich noch schwer.
     
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  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Das habe ich auch nicht getan. Aber der Thread beschäftigt sich mit Etüden als Grundlage von Improvisation und das ist der Hintergrund meines Beitrags.

    Ich habe nichts gegen Etüden, um die Technik zu erlernen oder auch, um sich inspirieren zu lassen, was so geht. Für alles, was du oben beschreibst, sind Etüden gut.

    Was ich ausdrücken will, ist, dass das Finden der eigenen Sprache beim Improvisieren viel zu wenig Beachtung findet. Dass eben nicht erst die Technik stehen muss, damit hinterher dann Musik dabei herauskommt.
     
  9. altoSaxo

    altoSaxo Strebt nach Höherem

    Ich hatte es eigentlich so verstanden, dass der TE als Ergänzung zum Unterricht Etüden sucht, die nicht primär Grundlage für Improvisation sein sollen, sondern für "Geläufigkeit, Altissimo, Klangbildung und als stilistische Übung". Stattdessen ist Impro ein oder der Schwerpunkt seines Unterrichts.

    Im Parallelfaden von giuseppe geht es aber genau um Etüden als Grundlage für Impro.

    Ich kann aber auch beide Fäden nur noch schwer auseinanderhalten. :)
     
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  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Ah, siehste, da habe ich die Frettchen auch verwechselt, hehe. Du hast vollkommen recht.

    Ist aber auch egal, ich denke, jeder versteht, was gemeint ist und die Dinge durchdringen sich ja auch sehr.
     
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  11. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @ppue
    Einspruch euer Ehren.

    Ich halte diese Trennung für grundfalsch:

    "Hier die Technik, da die Musik."

    Das gehört zusammen wie "ying und yang" oder wie diese putzigen Bärchen heißen.:D

    Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass Einsteiger sagen:

    "Was soll ich mich mit dieser C-Dur TL rumschlagen, ich will doch nur Musik machen"

    Was ich richtig und wichtig finde ist, sich zu fragen:

    "Wozu das alles, wo will ich hin ?"

    Da sollte jemand, der im Blasorchester spielen möchte,
    sicher andere Dinge üben (z,B. zu 200 % sicher und schnell werden im Erfassen von Noten)

    als ich,
    der ich der "weltbeste Solist im Proberaum" bin und bleiben möchte.:D

    VG
     
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Das wollte ich eigentlich ausdrücken, hehe. Scheint mir aber misslungen zu sein.
     
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  13. Onkel D

    Onkel D Kann einfach nicht wegbleiben

    Also... mir ging es bei der Frage tatsächlich um die Verbesserung meiner Spieltechnik vor einem grundsätzlich jazzmäßigen Hintergrund.

    Ich habe auch keine Sorge, zum schnellspielenden Phrasendrescher zu werden. Ich spiele seit Jahrzehnten Folk auf der Fiddle und vermute mal, dass wird schon durchscheinen.

    Aber grundsätzlich gebe ich @ppue auf jeden fall Recht, dass es bei der Improvisation darum geht, auf dem Instrument Geschichten zu erzählen und nicht darum, möglichst viele passende Töne pro Zeit zu spielen.
     
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  14. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Konzentration bitte! :)

    In diesem Faden geht es um Etüdenempfehlungen.

    Im anderen Faden ging es allgemein um die Frage, wie verschiedene Spieler Etüden einsetzen und im speziellen, zu welchem Zweck sie es machen, so wie sie es machen. :)
    Das Ziel der Impro ist mein übergeordnetes hier aber nur eins von vielen.
    Die Idee, ich würde Etüden üben UM improvisieren zu lernen ist von hinten aufgezäumt und stimmt so nur teilweise.
     
    Zuletzt bearbeitet: 15.Juni.2025 um 16:43 Uhr
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  15. Onkel D

    Onkel D Kann einfach nicht wegbleiben

    No pressure, please. :duck:

    Mal sehen...:)
     
  16. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Ich bin da ganz Deiner Meinung. Ein schönes Solo ist viel stärker - in vier Takten Ko-Ko steckt mehr, als in einem ganzen Heft Niehaus. Naja, bildlich gesprochen, zumindest.

    Aber für die noch nicht nachts um zwei auf dem Heimweg vom Bebop erleuchteten können Etüdenhefte schon helfen. Können, nicht müssen.

    Für genau diesen Fall hatte ich meine bescheidene Meinungsäußerung gedacht, nicht einfach nur die … warte mal … fünf Niehaus und das Jazz Improvisation for Saxophone von ihm durchzuackern. Oder alle Snidero, alle Mintzer, alle Fishman usw.


    Das „anders phrasieren“ kann recht gefährlich sein - da gewöhnt man sich schnell viel Unsinn an.

    Eine andere Tonart liegt manchmal einfach nur besser. Über kurz oder lang sollte man so viel wie möglich in allen 12 Tonarten spielen können.
    Ich meine da schon was anderes, was tiefer liegt, als die Tonart.


    Ich freue mich, dass ich nicht der einzige bin… :rolleyes:
     
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  17. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Ach - noch zum Niehaus - so schlecht ist der gar nicht und auch keinesfalls anspruchslos.
    Ich habe z.B. noch kein YT-Video gefunden, wo jemand nicht nur unfallfrei durchkommt sondern auch korrekt phrasiert und mit einem guten Swing oder Groove spielt. (Nicht, dass mir das allenthalben gelingen würde)

    Das Gleiche gilt für den Snidero, wobei der ja Tonbeispiele von absoluten Großmeistern gleich mitliefert.
    Was der Eric Alexander aus der „Basic Conception“ macht …
     
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  18. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Für die Niehaus-Dinger gibt es auch Play-Alongs/Demos, nur damit das nicht untergeht.

    Die Sachen von Greg sind Solos, halt nur (wie seine Diktion ist) 1st, 2nd, maximal 3rd gear playing, d.h. da fehlt auf ein "echtes" Solo halt noch ein wenig was. Wenn man seinen Worten Glauben schenken darf kostete ihm das "Schreiben" so einer Jazz-Etüde etwa 5 Minuten seinen Lebens.

    Es soll halt einfach ein Bild sein, wie ein Könner Stimmführung und Rhythmik sowie (im Rahmen) Inflections einsetzt.
    Man muss sich das Zeug halt auch mal genau anhören (wie auch Snidero), bevor man es beurteilt.

    Es gibt da noch einige Hefte wo auch genau analysiert wird, was da rhythmisch und harmonisch abgeht.
    Als Beispiel (ich habe zig Hefte davon) sei nur mal das Zeug von Jeff Jarvis (Effective Etudes for Jazz) erwähnt. Da steht über den Linien (mit Abkürzungen) drüber, was passiert.
    Wenn`s hiilft....

    Die sind nicht soo schwer..
    Und man kann sie so oder so (als Etüde oder ernsthaft :)) spielen, wie man hier hört.





     
    Zuletzt bearbeitet: 16.Juni.2025 um 07:34 Uhr
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  19. Blofeld

    Blofeld Ist fast schon zuhause hier

    Haha! 3rd gear playing bei 264 Sachen!
     
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  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ja, man kann z.B. auch Niehaus anhören, um seine gerne missverstandenen Notationen der Phrasierung nicht falsch zu verstehen. Der wusste schon wie es geht, auch wenn es natürlich stilistisch noch viel mehr und auch ganz anderes gibt.

    Ich sehe gute Etüden auch als Beispielsoli von Jazzern, die im besten Fall sehr nützlich sein können, weil sie eben technisch leichter sind als der Kram, den die Improvisierenden Autoren sonst so spielen.

    Die Betonung auf die eigene Kreativität als Kontrapunkt zu den Etüden hier ist schon richtig und wichtig, man darf es aber nicht falsch verstehen oder übertreiben. Wenn ich immer nur frei spiele, was mir in den Sinn kommt, beschränkt sich mein Wortschatz auf wenige Phrasen, die mir in den Fingern liegen. Dass es anderen genauso geht, kann man häufig hören.

    Es ist wie mit dem lesen und sprechen. Wenn jemand viel gelesen hat, kann er variantenreicher sprechen. Man sollte halt beim üben vor allem das „konsumieren“, was man auch gerne assimilieren oder übernehmen möchte.
     
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