Spielen nach Gehör.

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Alex_Usarov, 25.Mai.2025.

  1. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Die Hoffnung besteht, dass bei hinreichendem Interesse durch Beschäftigung dies halt kein uneingängiges Gedudel ist.
    Ein Durtonleiter, eine II-V-I, eine Tritonussbstition, das sind Dinge, die wir durch Hören erlernt haben, das ist m.W. nicht in der DNA codiert.

    Grüße
    Roland
     
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  2. tehjay

    tehjay Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hi Roland,
    absolut! Was Du beschreibst sind ja universelle mathematische Ableitungen von Frequenzen, die man mit dem Kopf durchdringen oder im Optimalfall "fühlen" kann. Bei manchen Interpreten steckt da aber halt so viel Kopf, Ego und Leistungsbewusstsein drin, dass mir da die Emotionen und somit die Eingänglichkeit fehlt (->Music is what you not play!). Das war mit Gedudel gemeint und dieses wird naturgemäß eher schwierig nach Gehör nachzuspielen sein.

    Grüße
    Thomas
     
  3. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Si tacuisses, philosophus mansisses (Philosophy is what you not say)
    Übrigens, wie @Roland angedeutet hat, wäre grade mathematisches "Gedudel" am leichtesten zu analysieren und nachzuspielen.
     
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  4. Silver

    Silver Gehört zum Inventar

    Mir wurde vor zwei Wochen eine Transkription eines Parker-Solos über I‘ll Remember April zuteil.

    Erst „Gedudel“ im Originaltempo vom Livemitschnitt, dann durch den großartigen Alan Barnes in kleine Häppchen zerlegt und einige davon durch die Teilnehmer nachgespielt - inklusive Phrasing, Time, Inflections usw.
    Alles Permutationen gängiger Bebop-Phrasen und mit ein klein wenig Hintergrunderläuterung leicht zu verdauen und nachzuspielen und eigentlich wunderschöne, eingängige Linien (jedoch nix, um mit dem nach Gehör spielen anzufangen).

    Ganz zum Schluss gab es die Transkription ausgedruckt zum Nachlesen :eek: Leck-Oh-Fett!!

    Will sagen: Gedudel, das man nicht versteht, kann man auch nicht nachspielen. Es gibt Notenschweine, die können das, was da notiert ist, vom Blatt spielen, haben aber meist keine Ahnung, was sie das spielen (ich mache sowas, auf meinem Niveau, mit BigBand Parts, bei denen ich aushelfe).


    Music is what YOU play.
     
  5. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Den Eindruck darfst Du gerne haben. Ich maße mir nicht an zu beschreiebn oder bewerten, was in anderer Leute Köpfe vorgeht.

    Wie gesagt: Ich habe genug Momente erlebt, bei dem jemand etwas als unverständliches Gedudel bezeichnet hat, was für mich halt total verständlich und nachvollziehbar war, auch emotional. YMMV.


    Ohne erkanntes Muster keine Mustererkennung, die greift.

    Grüße
    Roland
     
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  6. tehjay

    tehjay Nicht zu schüchtern zum Reden

    ...auch dafür darf es eine Bubble geben: Gebildete Hörer, die Attraktionen in elitären Phrasen finden, die sich anderen nicht erschliesst:-D:duck:
     
  7. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Jeder wie er mag.
     
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  8. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    'Attraktionen in elitären Phrasen', was fürn Blödsinn. Musik muss einen emotional packen. Wenn mich eine Musik emotional packt, die bei dir Unverständnis auslöst, kein Problem. Aber warum das noch ins Lächerliche ziehen? Was kann ich dafür!? Ich muss keinem was beweisen, ich höre nicht Musik, damit andere Leute mitbekommen, was ich für Musik höre.

    Ich verstehe dich einfach nicht. Egal, ich muss ja nicht jeden verstehen. :)

    Liebe Grüße
    Roland
     
  9. Silver

    Silver Gehört zum Inventar

    Du musst ja auch nicht über jedes Stöckchen springen, das Dir ein Troll hinhält… :)
     
    cwegy gefällt das.
  10. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Eben, so was erkenne ich halt nicht gut (Autismus-Trait).

    Und Leute die sowas (Stöcken hinhalten) witzig finden:
    Das wahre Elend der Menschen erkennt man ihren Vergügungen.

    Ich unterhalte mich einfach nicht mehr ihm, Kommunikation ist für mich nicht möglich.

    Grüße
    Roland
     
  11. tehjay

    tehjay Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hi Roland,

    ich glaube in der Tat wir sprechen aneinander vorbei und sind uns dabei gedanklich näher als es scheint. Nix für ungut, lassen wir das.....
     
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  12. Weltenbummler

    Weltenbummler Ist fast schon zuhause hier

    Tehjay: Mit den hier von mir zitierten Sätzen von dir sprichst du mir aus der Seele.

    Als freier Journalist Feuilleton durfte ich Jazzkonzerte, Festivals und Solokonzerte besuchen, rezensieren und Musiker interviewen. Meine persönliche Krönung waren Bob Berg und Bill Evans mit Mike Stern (Edenkoben, Köln Pfandhaus).

    Gesprächen mit Musikern konnte ich entnehmen, dass einige in ihrem Spiel ein "story telling" anwenden (wobei niemand die "story" kannte, manchmal aus den Booklets). Mike Stern hat (mir) unumwunden eingestanden, dass er "somekinda stuff" weder versteht, noch einordnen kann, bzw. will.

    Ein mMn wunderbarer "story teller" war Joe Henderson, den ich in Hofheim erleben durfte. Durch starken Schneefall begann das Konzert erst nach Mitternacht, es ging bis 2.30h! ...mit anschließendem Umtrunk. Ich packte all meinen Mut zusammen und fragte ihn (für meinen Artikel), ob er mir etwas zur Entstehung seiner Spielweise sagen könne. Sinngemäß antwortete er: 'Ich höre ein Motiv in mir und sehe, was ich daraus mache... aber immer so, dass die Leute noch folgen können, ich muss schließlich für die Band sorgen.' (finanziell). Er war quasi der Gegenentwurf von Bertrand Taverniers Filmheld Dale Turner, gespielt von Dexter Gordon).

    Als ich um 4h morgens Zuhause ankam, setzte ich mich an die Schreibmaschine und tippte meinen Artikel, der um 8h in der Redaktion zu sein hatte (Chef kam meist so gegen 11)! [wenn ich das schaffte, erhöhte sich die Chance, dass sein Vertreter den Artikel schon in den Satz gab, so war mir das Zeilengeld sicher, nicht ganz unwichtig als Student]. Ich folgte ihm noch nach Karlsruhe, und dort hatte ich wieder die Gelegenheit: Er sang ein Motiv und variierte dann das Thema. Er konnte das, singend! Die anderen Bandmitglieder begleiteten ihn vokal - ich habe sowas vorher und nachher nie wieder erlebt, Wahnsinn! Er wollte, dass man seine Melodien (nach/mit)singen kann. Und er war wirklich jemand, dessen Songs (zB "Beatrice", "Flamenco Sketches") singbar SIND. Ich gehe noch heute IMMER mit einem Motiv durch den Tag, wenn ich ein Stück von ihm höre!!

    Ich habe interessiert mitgehört, wenn Albert Mangelsdorf (Posaune) oder Michael Sagmeister "verrückte Sachen" gespielt haben, aber mir war immer klar, dass ich da nie hinkäme. Ich brauche es schon 'a weng melodisch'!
     
    Zuletzt bearbeitet: 3.September.2025
  13. Weltenbummler

    Weltenbummler Ist fast schon zuhause hier


    Toll geschrieben, schöne Bildsprache, gefällt mir!!!
     
  14. tehjay

    tehjay Nicht zu schüchtern zum Reden

    ...ein Paradestück eines komplex, eingängigen Stücks, zum spielen nach Gehör begleitet mich melodisch in die Nacht;)

     
    EKL und Jaysax gefällt das.
  15. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Und Du denkst wirklich, dass er das Ernst gemeint hat?
    Glaubst Du er hätte überlegt, wie ein Ton, eine Phrase beim Publikum ankommt, bevor er gespielt hat?
     
    Silver gefällt das.
  16. Onkel D

    Onkel D Ist fast schon zuhause hier

    Ich denke schon, dass man auf dem Niveau von Henderson bewusst eher motivisch oder eher abstrakt, eher inside und eher outside spielen kann und zwischen abgefahren und nachvollziehbar bewusst hin- und hergehen kann. Und ich glaube auch, dass die meisten Performing Artists sich Gedanken machen, wie ihr Zeug beim Publikum ankommt und ob die das noch nachvollziehen können. Meinst Du nicht?

    Es gibt bestimmt auch die reinen Künstler, die nur ihrem eigenen Gespür und dem Ruf der Kunst folgen, aber die meisten heutigen, kommerziell halbwegs erfolgreichen Bühnenprofis dürften sich doch auch ein Stück weit als Entertainer verstehen, oder?
     
    Zuletzt bearbeitet: 4.September.2025 um 08:15 Uhr
  17. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Definitiv nein.
    Und die Frage an sich ist völlig absurd meiner
    Meinung nach und stellt sich auch nicht.

    Nicht zum Zeitpunkt des Spielens.. Die Sozialisation findet vorher statt.

    Woher sollte bitteschön die Zeit zum Nachdenken kommen?
    Oder geht vorher ein Fragebogen durch Publikum?
     
    Zuletzt bearbeitet: 4.September.2025 um 08:30 Uhr
    bthebob gefällt das.
  18. Onkel D

    Onkel D Ist fast schon zuhause hier

    OK, ich sehe Deinen Punkt. Ich würde das nicht unbedingt als eine bewusste Split-Second-Entscheidung vor jeder Note oder jedem Motiv sehen, sondern eher als ein Anlegen des Solos vorab und ein grobes Steuern des Solos während der Performance. Selbst ich auf meinem nicht vorhandenen Niveau soliere über das gleiche Stück unterschiedlich, wenn ich im evangelischen Gemeindehaus vor älteren Damen und Herren spiele, als wenn ich auf einer Jam Session bin oder vor alten Jugendfreunden abfetze. (Alles im Rahmen der Fehler, Unzulänglichkeiten und Zufälle, denen mein Spiel ausgesetzt ist.) Und ich merke ja auch, ob das Publikum gerade gebannt folgt, oder ob die eher irritiert sind und sich freuen, wenn mal wieder ein Stück der Melodie zu erkennen ist.

    So ähnlich hätte ich Henderson‘s Aussage interpretiert. Er bringt seine Ideen und sein Können natürlich voll ein, versucht aber gleichzeitig seine Performance so anzulegen, dass der geneigte Hörer und die geneigte Hörerin auch noch Freude daran haben, ihm zuzuhören.
     
    Zuletzt bearbeitet: 4.September.2025 um 08:47 Uhr
  19. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Bei ner impro eher nicht. Dem einen gefällt es, dem nachbarn u.U. nicht. In Summe gibt das ein diffuses Feedback. Spannend auch, wenn man Musiker mal bei der "Arbeit" betrachtet. Viele haben entweder die Augen zu oder scheinen ganz woanders.
    Im Zusammenhang "spielen nach Gehör" sehe ich eigentlich nur zwei hauptlinien:
    1. Ich höre ein stück und versuche es nachzuspielen. Das sind eher selten ausgeklügelte Soli sondern eher melodien oder phrasen, die gefallen
    2. Ich höre eine harmoniefolge und erhöre mir Noten, die ich für eine impro nutzen kann, und die zur harmoniefolge passen.
    Eine dritte Linie könnte ev das auswendig spielen sein. Das führt aber m.E. zu 1. zurück.
     
  20. Onkel D

    Onkel D Ist fast schon zuhause hier

    Das „Ich“ in meiner Aussage war ganz konkret gemeint. Ich merke das. Nicht immer und natürlich durch den Diffusfilter, den Du beschreibst, aber ganz klar habe ich eine Bindung zum Publikum. Mal stärker und konkreter, mal weniger. Und klar empfindet jeder Zuhörer anders, aber das ist für mich, wie wenn ich in einem Hörsaal stehe: ein paar gehen mit, viele schweigen. Also verlässt man sich auf die, die mitgehen. Wenn keiner mitgeht, ist‘s schlecht.

    Und die Augen habe ich auch oft geschlossen. Ist ja intellektuelle, emotionale und handwerkliche Filigranarbeit, die man da leistet und manchmal muss man das Publikum da einfach ausblenden. Trotzdem bekommt man viel mit. Spätestens am Ende vom Solo und daraus zieht man dann Schlüsse für‘s nächste.
     
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