Amateurmusik nicht von öffentlichem Interesse

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Mini, 14.März.2021.

  1. scenarnick

    scenarnick Administrator

    DAS ist nicht nur für die Amateur-Ensembles eine große Herausforderung. Auch viele kleine Tanzschulen, wie die Steppschule, in der ich tanze, sind davon betroffen. Kundenakquise ist in 2020 komplett ausgefallen und Abgänge konnten nicht ersetzt werden. Auch, wenn es uns jetzt noch gelingt, die kleineren Firmen (auch Musikschulen) am Leben zu halten werden sie noch einiges an Zeit brauchen um wieder an alte Umsätze anzuknüpfen, wenn das überhaupt gelingt. Ich rechne da mit einer ziemlichen Ausdünnung in nächster Zeit.
     
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  2. SabineSe

    SabineSe Schaut nur mal vorbei

    "Musikschulen haben auf, also kann Ihre Lage nicht mit Corona zusammenhängen. Hobbymusiker sind keine Musiker" - diese Antwort bekam unser Holzblasinstrumentebauer/reprateur/shop auf die Anfrage, warum keine Novemberhilfe kam.
     
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  3. scenarnick

    scenarnick Administrator

    Bei solchen Äußerungen rollen sich einem die Fußnägel hoch. Genauso bei der Äußerung, die zu dem Thread hier geführt hat.

    Ich muss allerdings sagen, ich schwanke zwischen Verachtung und Kritik an den Äußernden und Verständnis für die Lage, in der sich diese Leute befinden, die solche Aussagen treffen. Denn auch diejenigen, die in den entsprechenden Verwaltungen sitzen, sind hoffnungslos überfordert und ihnen wird keine qualifizierte Hilfe an die Hand gegeben. Sie schaffen Präzedenzfälle - und sind dafür nicht ausgebildet. (Ob sie ohne Corona genug für ihren Job gerüstet wären oder ob auch da Anleitung / Schulung fehlt sei dahingestellt).

    Ich glaube wir können da nur auf Karma hoffen ;) (möglichst "Instant Karma")
     
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  4. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Ich habe ja auch Verständnis für alle Aktionen, die die Pandemie eindämmen können.

    Aber diese amtliche Feststellung
    ist doch ein Schlag ins Gesicht für jegliches Ehrenamt.
     
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  5. kalleguzzi

    kalleguzzi Ist fast schon zuhause hier

    https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=aerosole+definition:
    Physik:
    feinste Verteilung schwebender fester oder flüssiger Stoffe in Gasen, besonders in der Luft
     
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  6. altoSaxo

    altoSaxo Ist fast schon zuhause hier

    Der Titel des Threads stimmt inhaltlich nicht mit dem Zitat überein, wo nicht von Amateur-Musik als solcher gesprochen wird, sondern von Chorproben und Orchesterproben. Die Aussage ist wohl unglücklich gewählt und interpretationsfähig. Gemeint sein könnte auch, dass aktuell pandemiebedingt bei vielen der Mitglieder kein Interesse besteht, dass Proben stattfinden bzw. an diesen teilzunehmen. Das nehme ich überwiegend so wahr und das kann man meiner Meinung nach auch in die Aussage, dass an entsprechenden Proben (nicht Musik, die auch Konzerte und Zuhörer mit einbezieht) kein öffentliches Interesse besteht, hinein interpretieren. So macht es für mich in dem Zusammenhang auch mehr Sinn. Jedenfalls macht es für mich inhaltlich einen großen Unterschied in der Aussage, wenn hier das Wort „Probe“ durch „Musik“ ersetzt wird.
     
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  7. SaxPistol

    SaxPistol Strebt nach Höherem

    Naja, irgendwie vergisst man ja auch, dass Amateurchöre, -orchester, -ensembles oft von Profis innerhalb ihrer freiberuflichen Tätigkeit geleitet werden.
    Denen bricht dann direkt Umsatz weg.
     
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  8. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    . . . ich hatte mich die ganze Zeit darüber gewundert, das Singen gefährlicher als Sprechen sein soll, obwohl die reine Tonhöhenproduktion (also ohne Text) praktisch keine Luftbewegung verursacht. (Kann man ausprobieren, indem man einen Vocal singt, auch laut, und sich die Hand vor den Mund oder einen Finger in den Mund hält, es gibt so gut wie keine Luftbewegung. Spricht man dagegen zB. das Wort "Pause", auch leise, gibt es eine starke Luftbewegung, beim "plosiv-Laut" P.) Damit schien mir der Text bzw. Sprechen der eigentliche Gefahrenfaktor (beim Singen) zu sein, was letzten Endes bedeuten würde, dass Singen und Sprechen von der Gefährlichkeit her gleich zu bewerten wären. Die nachfolgende Studie beschreibt das noch etwas differenzierter, netterweise relativiert sie auch die Gefährlichkeit des Singens.
    https://www.spiegel.de/gesundheit/d...rechen-a-e0e54d87-775a-4647-913e-a4815056a048
     
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  9. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

  10. SaxPistol

    SaxPistol Strebt nach Höherem

    Ohne deinen Link (die Studie) jetzt gelesen zu haben würde ich jetzt mal sagen:
    Jein. Es gibt m. E. noch einige Faktoren, die das Singen infektionsfreudiger machen.
    - die Stärke der Artikulation (Unser Chorleiter fordert uns z.B. des öfteren auf, bestimmte Textpassagen stärker zu artikulieren. Da kommen dann die Plosivlaute schon mal etwas schärfer und die Tröpfchen/Aerosole können weiter fliegen.)
    - Chöre stehen in der Regel sehr kompakt und in mehreren Reihen hintereinander, um sich gegenseitig gut hören zu können, bzw. damit der Leiter alle gut im Blick hat. Auch das forciert die Infektion.
    - Singen mit Mundschutz ist zwar möglich, ist aber atmungstechnisch recht anstrengend und der Gesang klingt etwas genuschelt.
     
  11. ppue

    ppue Experte

    Und: In der Regel singt man lauter als man spricht. Deshalb bleibt das Singen ansteckender.
     
  12. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    @Elly, es war auch gar nicht speziell auf deinen Post Bezug nehmend.
    Ich wollte nur damit sagen, dass ich - obwohl selber den Großteil meines bisherigen Lebens in größeren Amateur-Ensembles aktiv - die Beamten, die diese Regeln aktuell aufgestellt haben, ganz gut verstehen kann:

    Wenn 10% der Bevölkerung gerne in einem großen Ensemble Musik machen, ohne dass die Mehrzahl der Teilnehmer damit ihren Lebensunterhalt verdienen muss, andererseits vom Musizieren in dieser Form derzeit ein hohes Risiko für die Allgemeinheit ausgeht (Superspreader-Events betreffen nicht nur die Anwesenden), dann ist es halt mal so, dass kein (ausreichendes) öffentliches Interesse besteht. Wären wir eine Nation der Chorsänger, wäre es vielleicht eher von öffentlichem Interesse, aber selbst dann ist das in der aktuellen Situation nicht gesagt.

    Auch wenn es sich vielleicht wie eine Ohrfeige anfühlt, es entspricht einfach der Sachlage. Solange wir nicht in der Lage sind, die allgemeine Schulpflicht zur Ausbildung künftiger Generationen in vollem Umfang "auszuüben" und jedem Erwachsenen die Möglichkeit geben können, wieder seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, brauchen wir doch nicht über Hobby-Ensembles reden. Der Profi am Kopfende ist aus Sicht der Gesundheitsbehörde besser im Einzelunterricht oder der Kleingruppe aufgehoben - gleiche Verdienstmöglichkeit, weniger Gefahr für die Allgemeinheit, zumindest in der Theorie.

    Wenn es bei einer Kritik daran also am Ende doch nur um eine Korrektur von Formulierungen gehen soll, dann wünsche ich mir eigentlich, dass unsere Beamten in ihrer Arbeitszeit andere Probleme priorisieren.
    Vielleicht erinnern wir uns am hoffentlich baldigen Ende der Pandemie über unsere Empörung und unterstützen den Musikverein unserer Wahl mit einer Spende, sofern wir dazu nach der Pandemie in der Lage sind...
     
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  13. Zappalein R.I.P.

    Zappalein R.I.P. Guest

    @ppue das mit der alphornlänge und das dann am becher nix gefährliches mehr rauskommt, glaube ich dir. aber meinst du nicht auch, dass gerade am mundstück, auch bei sax-mpcs, allerhand aerosole durch die luft fliegen, je nach (feuchter) spielweise?
    das beste beispiel dürfte archie shepp bei den saxophonisten sein und michel goddard auf der tuba.
     
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  14. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Zumindest theoretisch sind bei den Reeds die Tonlöcher problematisch. Wenn man sagt, dass nach den ersten Metern Röhre ein Großteil der Aerosole im Kondensat klebt, dann bleibt die S-Bogen-Oktavklappe eine biologische Waffe. Gibt's da Untersuchungen?
     
  15. Rick

    Rick Experte

    Also nach meiner Beobachtung liegt die Gefährlichkeit solcher Proben weniger in der ausgeübten Tätigkeit, sondern mehr am Beisammensein an sich: man kommt sich nahe, spätestens vor der Tür, viele umarmen sich dann doch unwillkürlich, man hält nicht andauernd Abstand, man lüftet nicht ausreichend...
     
  16. ppue

    ppue Experte

    Ja, gibt es. Habe ich aber gerade nicht zur Hand.
     
  17. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Da sag ich einmal ganz kalt: dann kanns ihnen nicht so wichtig gewesen sein.
    Wenn den Menschen die Musik wichtig ist, wird wieder was neues entstehen. Warum auch nicht?

    Die Formulierung ist sicher nicht sonderlich durchdacht, aber es geht nicht um jegliches Ehrenamt, sondern um Ansammlung einer größeren Zahl an Menschen auf relativ kleinem Raum. Wenn man das nicht vermeiden will - was dann?

    Uiuiui - und damit die ihren bissl Umsatz aus Chorproben lukrieren, riskieren wir mutwillig Menschenleben? Tschuldigung, aber...

    Theoretisch. Praktisch reden wir von Hobbychören. Und die singen nicht nur "A-A-A", sondern eben Text.
     
  18. sachsin

    sachsin Strebt nach Höherem

    ....man begrüßt sich, steht bei einander und singt ein / zwei Stunden zusammen ;)

    Gesang ist ansteckender als Sprechen, insbesondere da viele Menschen in einem Ensemble gleichzeitig Töne, wie beim Chorgesang, produzieren.
    Lass es mal 20 und mehr Sänger sein, die ihren Liedtext beim Gesang stark artikulieren. Das ergibt bestimmt eine gewaltige Wolke von
    Aerosolen, die sich während der gesamten Probe verteilen und immer wieder stetig erneuert.
     
    Zuletzt bearbeitet: 15.März.2021
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  19. murofnohp

    murofnohp Ist fast schon zuhause hier

    Gesang/Chorproben mit Individualsport (im Freien) gleichzusetzen ist m.E. unter dem Aspekt der Infektionsgefahr einfach nicht realistisch, da würde ich den Verfassern widersprechen. Gesellschaftlich gesehen mag das ganz anders zu bewerten sein.
     
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  20. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Es ist eben eine außergewöhnliche Situation. Eine, der wir so noch nie ausgesetzt waren und für die uns die Muster fehlen. Also ist das viel Versuch und Irrtum. Aber der gesunde Menschenverstand sagt einem glaube ich schon, dass nichts, was mit Geld zu tun hat, ein Menschenleben aufwiegen kann. Kein Ehrenamt und kein Job und kein Hobby kann so wichtig sein, dass ich mich oder andere der Ansteckung aussetze. Wie schlimm auch immer es ist, aber es wird vorbeigehen, und dann müssen wir sehen, wie wir weitermachen.
    Ich finde, besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Und das ist das, was ich an anderer Stelle schon sagte: Es ist oft so, dass aus Negativem Positives erwächst. Auch wenn man das im Moment nicht so sehen kann. Wir sind oft viel zu festgefahren. Sind nicht mutig genug, etwas Neues zu versuchen, unsere Routine zu verändern, einen Job aufzugeben, der uns zwar Sicherheit, aber keine Befriedigung gibt, Beziehungen zu überdenken, die uns schon lange nichts mehr gegeben haben (beruflich und privat, auch in Musikvereinen u.Ä.) oder eben auch zu entdecken, dass uns etwas so wichtig ist, dass wir es vermissen und dass wir uns vielleicht sogar mehr engagieren, wenn das dann wieder möglich ist. Das Durchbrechen einer einstudierten Routine ist oft eine Chance auf Veränderung, die zum Besseren führen kann. Zu etwas, das wir uns vorher einfach nicht vorstellen konnten, weil unser Leben zu bequem war, zu immer wieder dasselbe, zu sehr Gewohnheit und zu wenig Neugier und Aufregung, zu wenig neue Entscheidungen, den eigenen Weg auch einmal zu verlassen oder in eine andere Richtung zu gehen.

    Jetzt sind wir teilweise dazu gezwungen, und das tut uns gut. Es tut einer verknöcherten Gesellschaft gut, die sich schon sehr gut in ihrer Langeweile und Regulierungswut für alles und jedes eingerichtet hatte. Hier in Afrika ist das Leben jeden Tag gefährlich. Sicherheit gibt es nicht wirklich. Die Menschen hier sind das gewöhnt, und deshalb macht ihnen so etwas wie Corona wesentlich weniger aus als beispielsweise vielen Europäern. Das merke ich jedes Mal wieder, wenn ich mit Europäern oder Afrikanern spreche. Die Afrikaner verstehen oft gar nicht, worüber Europäer sich aufregen. Take it easy ist hier die Devise. Und "Kommst du heute nicht, kommst du morgen." Das hat auch mich hier viel ruhiger werden lassen, als ich es jemals in Europa war. Es ist ein gutes Vorbild für ein Leben, das sich nach dem Leben selbst richtet, das alles so nimmt, wie es kommt und sich keine großen Gedanken darüber macht, dass es vielleicht auch anders sein könnte. Es ist so, wie es ist, und wenn es anders kommt, als man sich das gedacht hat, stellt man sich eben darauf ein. Eine andere Wahl hat man sowieso nicht und sich darüber aufzuregen bringt nichts.

    Aber sich Gedanken dazu zu machen, wie man sein Leben besser gestalten könnte, wenn das alles hier vorbei ist, wie man vielleicht nicht wieder in die alte Routine verfallen könnte, wie man zu neuen Ufern aufbrechen könnte, neue Wege gehen könnte, andere Wege als die, die man bisher gegangen ist, das ist einen große Chance, die man nutzen kann. Wenn man will.
     
    Zappalein R.I.P. und Rick gefällt das.
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