(Big)Band mit und ohne Dirigenten

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Claus, 20.November.2015.

  1. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Der Leiter unserer Bigband ist zugleich unser Schlagzeuger. Das bedeutet, dass wir bei Auftritten ohne Dirigenten spielen. Hinsichtlich des Timings der Band klappt das auch ganz gut, weil wir eine sehr gute und stabile Rhythmusgruppe haben und wir lernen, darauf zu hören. Was ich als schwieriger empfinde ist das Fehlen von Anweisungen zur Dynamik. Keine Bühne ist akustisch so wie unser Probenraum, so dass manchmal die relative Lautstärke der einzelnen Bandteile nicht optimal ist. Man versucht natürlich, aufeinander zu hören, aber "mittendrin" täuscht die eigene Wahrnehmung oft.

    Auch "vergißt" man in der Aufregung des Auftritts manchmal die eine oder andere Dynamikanweisung oder macht einfach zu wenig, so dass es beim Zuhörer nicht als großer Unterschied ankommt. Da kann ein Dirigent manchmal schon hilfreich sein, wie ich bei anderen Bands beobachtet habe.

    Wie sind Eure Erfahrungen?
     
  2. saxhornet

    saxhornet Experte

    Es hängt stark von der Qualität und der Erfahrung der Musiker ab und was gespielt wird.
    Gibt es viele Tempiwechsel ist ein Dirigent hilfreich. Dynamik wird bei den Proben geklärt und sollte dann so gut geprobt sein, daß es live klappt.
    Auch ein Leiter vor der Big Band stehen hört nur begrenzt wie es klingt (zu nah dran) , beim Publikum klingt es eh meist doch noch anders.

    Ich habe in Bands mit und ohne gespielt und ohne klappt gut, wenn die Musiker gut genug sind. Fehlt die Erfahrung wird der Leiter wichtig und dann ist es eine grosse Hilfe für die Musiker.

    LG Saxhornet
     
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  3. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    Wir spielen auch ohne Dirigent. Die Rhythmusgruppe ist sehr gut.

    Dynamik wird natürlich bei den Proben festgelegt, das Problem beim Auftritt ist nur, dass auf der Bühne ganz andere akustische Verhältnisse herrschen, also man evtl. gar nicht hört, wie laut man spielt. Da wird ein sorgfältiger Soundcheck besonders wichtig.

    LG Helmut
     
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  4. jb_foto

    jb_foto Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,
    habe früher in einer Band gespielt wo wir einen musikalischen Leiter hatten, dieser hat nur gelegentlich zum Flügelhorn gegriffen (von der Dirigentenposition aus)
    Bei den Proben empfand ich das immer sehr vorteilhaft denn er sorgte für die nötige Abstimmung der ges. Gruppe und passte die Arrangements an das Orchester an.
    Aktuell spiele ich in einer Gruppe die keinen Dirigenten hat, hier fehlt dann bei den Proben das ständige Korrektiv und damit der Feinschliff

    Ansonsten stimme ich Saxhornet zu

    LG
    Jürgen
     
  5. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ich habe eine große Jazzcombo (z.Z. 6 Bläser) und spiele selber mit. Der Vorteil: meine Phrasierung wird 1:1 übernommen. Ich spiele halt bei neuen Stücken zuerst lauter, bis Alto oder tp meinen Stil intus haben und ziehe mich dann auf meine Position im Satz zurück (ts) und achte auf Ausgewogenheit. Wenn im Kreis geprobt wird, kann man leicht die Lauschposition wechseln oder mal aussetzen oder mal die anderen Stimmen mitspielen. Es gibt allgemeine Dynamikregeln: Melodieträger oder Solist müssen zu hören sein bzw sich Gehör verschaffen. Der Solist steht auf und spielt laut, die begleitenden Bläser auf passende Weise leise. Die wichtigste Regel: zuhören statt zählen! Der Trommler kriegt ein definiertes Tempo und zählt an. Alle Extras wie Schlussfermaten oder Rubatostellen funktionieren wunderbar über z.T. minimale Körpersprache. Ständiges Winken vor einer Big Band halte ich für extrem schädlich. Wenn sich der Schlagzeuger tatsächlich nach der Winkerei eines Dirigenten richten würde, wäre jeder Swing dahin.

    Gerrit
     
  6. jb_foto

    jb_foto Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,
    ich sagte und glaube auch nicht dass der Dirigent vorne die ganze Zeit den Hampelmann machen muss sondern ich würde eher sagen dass die Arbeit bei den Proben viel wichtiger ist.
    Wir waren seinerzeit 28 Musiker plus 4 Sänger und musikalischer Leiter - da kann man nicht mehr so einfach im Kreis sitzen und die Position wechseln.
     
  7. Jazzica

    Jazzica Ist fast schon zuhause hier

    Ich spiele in einer Big Band, die mit Amateuren besetzt ist. Die Band spielt schon lange zusammen und die einzelnen Mitglieder beherrschen ihre Instrumente gut bis sehr gut (im Rahmen der Hobbymusik).
    Wir haben einen musikalischen Leiter, der dirigiert, und davon profitiert die Truppe wirklich enorm, obwohl es sich um erfahrene Instrumentalisten handelt, die in dieser Formation schon lange zusammen spielen. Ich glaube gerne, dass der Dirigent die Band anders hört als das Publikum bei den Auftritten, dennoch hilft es sehr viel, wenn bei den Proben einer "von außen" mithört und uns auf Fehler hinweist, Tipps zur Dynamik gibt, auch mal einen Einsatz gibt oder auch tatsächlich "winkt" bzw. "psst" macht, wenn wir lauter oder leiser spielen sollen.
    Die Band kann auch ohne Dirigenten spielen, ohne dass es "schlimm" klingt, das hatten wir neulich beim Stadtmarathon, wo Bass und Schlagzeug den Einsatz gaben. Ich war zwar mitten in der Truppe drin und kann daher nicht beurteilen, wie es für das Publikum geklungen hat, aber es sah nicht so aus, als sei es ganz schrecklich gewesen.
    Dennoch profitieren wir von unserem Bandleader sehr und ich persönlich möchte ihn nicht missen ;)
     
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  8. Rick

    Rick Experte

    Bei uns (Big-Band von @bluefrog) funktioniert die Dynamik durch Routine bzw. dass man immer wieder explizit daran erinnert.
    Die Mitspieler sind angehalten, sich alle wichtigen Punkte, die bei der Probe gemeinsam erarbeitet wurden, in den Stimmen zu notieren, bei guter Disziplin klappt es dann auch, beim Auftritt nichts zu vergessen.
    Bei neueren Nummern sage ich beim Gig gelegentlich noch kurz vorm Einzählen "Und im A-Teil anfangs leise, ihr wisst schon" oder so, doch in letzter Zeit war das nicht mehr notwendig.

    Früher habe ich immer vorne gestanden (etwa 15 Jahre lang), doch das hat mich auf Dauer gelangweilt, schließlich ist ja meistens nicht soooo viel zu regeln und das Rumwedeln fand ich bei Big-Bands schon immer völlig überflüssig bis störend.
    Ab und zu habe ich ein wenig auf der Bühne getanzt, war ja auch nett (und zumindest in meinen schlankeren Jahren auch noch optisch erträglich), aber insgesamt fühle ich mich als Mitspieler im Satz einfach wohler (war auch ein Anliegen in der Band nach dem Motto, es sei Ressourcenverschwendung, wenn ich nur zuhöre).

    Und beim Soundcheck vorm Auftritt stelle ich mich prinzipiell in den Publikumsraum und höre von verschiedenen Positionen aus, wie's klingt, gebe Hinweise wie "Trompeten bitte grundsätzlich lauter, man hört euch kaum" oder "Bassverstärker leiser, hier kommt nur noch Gebrummel an", damit die Musiker wissen, wie die Tendenzen in diesem Raum sind.
    Das kann ich natürlich jetzt besser machen, wo ich "nur noch" 1. Tenor spiele, früher am 1. Alto musste ich mir mich immer "dazu denken"; als Schlagzeuger hätte ich überhaupt keine Chance, denn das Drumset ist ja einer der Haupteinflussfaktoren für den Bandsound.

    Und weiterhin wichtig sind die Aussagen unserer Sänger, die nicht bei jedem Titel auf der Bühne stehen und deshalb immer mal wertvolle Rückmeldungen geben können: "Die Saxofone hört man hier gar nicht, spielt ihr überhaupt oder macht ihr bloß Pantomime?"


    Schöne Grüße,
    Rick
     
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  9. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Einfache Sachen (allen gut vertraut, gleichmäßig durchlaufendes Tempo) spielen wir auch ohne Dirigenten, wenn es sein muss. Das funktioniert umso besser, je eingespielter die Truppe ist.

    Die Dynamik sollte dann idealerweise so zustandekommen, dass die jeweiligen Satzführer sie gut kennen und die anderen auf sie achten und sich danach richten. Leichter gesagt als getan ...

    Wo es ohne Dirigenten schwierig wird: notierte Tempoänderungen, Agogik, Ausdruck, Fermaten ... Nicht alles kann ein Schlagzeuger von hinten vorgeben.

    Was wir in der letzten Zeit leider immer öfter merken: besser ohne Dirigent als mit einem, der wegen verschiedenster Probleme drumherum (wenn er nämlich meint, gleichzeitig Veranstalter, Manager, Toningenieur und Moderator sein zu müssen) gestresst, hektisch und unkonzentriert ist. Kann das ganze Orchester durcheinanderbringen.
     
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  10. last

    last Guest

    Ein kleines bisschen off topic...

    Ist jetzt nicht grad ne BigBand, aber ihn hier finde ich richtig klasse!



    der "erlebt" die Musik förmlich...



    LG
    lv
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 20.November.2015
  11. Rick

    Rick Experte

    Hallo Peter!

    Ja, diesbezüglich staune ich aber, wie gut das mittlerweile bei uns klappt - ohne vorne stehenden Dirigenten müssen alle genauer aufeinander hören, man "fühlt" gemeinsam, wie es im Tempo weitergehen soll, ein faszinierendes Phänomen!

    Und Fermaten winke ich freilich ab, wichtige Cues gebe ich ebenfalls, dabei ist es hilfreich, als Saxer immer in der ersten Reihe zu sitzen. ;)

    O ja, diesen Stress durch Mehrfachbelastung kenne ich auch allzu gut, der kann einem den ganzen Spaß nehmen, sodass man irgendwann die Big-Band nur noch als unangenehme Plage wahrnimmt... :roll:

    Nach mehreren "Bandleader-Krisen" (zu manchen Zeiten wollte ich bis zu dreimal im Jahr "hinschmeißen") habe ich gelernt, dass man auch abgeben muss:
    Delegieren statt Dirigieren!

    Um die Veranstaltungen kümmert sich der Vereinsvorsitzende, für Management-Fragen haben wir einen sehr engagierten Mitspieler, die Tontechnik teilen sich mehrere Leute, bei den Moderationen auf der Bühne werfe ich mir mit dem Sänger "die Bälle zu".

    Natürlich achte ich darauf, den Überblick zu haben, und behalte mir eine gewisse "Richtlinienkompetenz" vor, damit es nicht zu viele Diskussionen um Details gibt, aber insgesamt läuft alles ganz gut so und ich kann mich auch ein wenig zurückziehen, ohne dass alles den Bach runter geht.
    Sehr angenehm und entspannend! :)


    Schöne Grüße,
    Rick
     
    Zuletzt bearbeitet: 20.November.2015
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  12. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Man ihr spielt alle in Big Bands und ich wär froh ich täte ein Swing Big Band finden
     
  13. rbur

    rbur Mod

    Made my day!!!!
     
  14. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ich glaube, wir müssen unerscheiden, ob Jazzband oder nicht. Eine Big Band hat regulär 17 Musiker, mit Sänger, Percussion u.ä. evtl bis 20 und braucht einen Probenleiter, keinen Taktgeber, das ist immer der Schlagzeuger mit Bass und evtl Gitarre.

    Mit "Position wechseln" meinte ich, dass ich als Probenleiter mit meiner Hupe mal hier und da mit am Pult stehe, um auf die Sprünge zu helfen.

    Gerrit
     
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  15. Rick

    Rick Experte

    Ja, möchte man kaum glauben, aber unser aktueller Satz ist von der Lautstärke her recht moderat.

    In den 90ern hatten wir hingegen richtige "Kraftmeier" am kurzen Blech und unserem bisher längstjährigen Leadtrompeter (1996 bis 2006) habe ich immer nachgesagt, dass er im Zweifelsfall 3 Kollegen auf einmal ersetzt.
    Tatsächlich hatten wir mal einen Gig nur mit ihm und einem weiteren Trompeter (zu sehen/hören auf Video bei YouTube), wo man praktisch nicht wahrnimmt, dass sie nur zu zweit waren.

    Vorteil der heutigen Situation: Man hat nach den Proben keine Ohrenschmerzen mehr. :)
     
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  16. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Wir sind ja nur zu sechst....unser Pianist koordiniert die Soli, ruft das Thema wieder auf, etc.

    Der Sänger gibt Hinweise zur Dynamik.

    Funktioniert prima....

    CzG

    Dreas
     
  17. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Bei der Attica Blues Band von Archie Shepp hat ab und zu der Bariton Saxophonist oder der Tenorsaxophonist die Band dirigiert - und einmal einer der Trompeter. Aber immer nur an Stellen, wo die Band im Satz gespielt hat. Meistens war keiner am fuchteln.
     
    Rick gefällt das.
  18. Jogi

    Jogi Ist fast schon zuhause hier

    In unserer kleinen Garagenrockband steh ich als Bassist neben dem Schlagzeuger (Der hat Tinitus) und schau ihm auf die 1.
    Der von uns erzeugte Lärm synchronisiert den Gitarristen und das Saxophon...
    Die Sängerin phrasiert dazu gekonnt und macht ihr eigen Ding. :D
    Wie unser Keyboarder (halbtauber Konzertpianist) das macht, ist mir schleierhaft - Zumindest reagiert er auf Kopfnicken (hoch = lauter, runter = leiser)...
    Im Freien stöpseln wir uns in die PA (am Mischer steht einer, der weiß was wir als Ergebnis wollen) und stellen mehrere Monitorboxen für uns auf.

    Wie man das in 'ner Bigband hinkrigt, ist mir schleierhaft.
    Speziell, wenn man sich bei dem allgemeinen Lärm selbst kaum hört...
    Wie kann man da Kontrabass, Cello, Geige oder Saxophon überhaupt noch richtig intonieren?
     
  19. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Es geht ja gerade darum, KEINEN Lärm zu machen. Big Band ist erstmal unplugged - nur Bass, Gitarre und E-Piano haben bei uns Verstärker. Es ist unglaublich lehrreich, z.B. ein unverstärktes Trompetensolo mit Harmon (das ist der Piepsdämpfer von Miles D.) so zu begleiten, dass jeder in der Band die tp noch hört.

    Gerrit
     
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  20. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Ja, so ähnlich haben wir es im sinfon. Blasorchester. Der Vorsitzende organisiert die Auftritte, Moderation machen ein oder zwei aus dem Orchester, Tontechnik brauchen wir nicht. Der Dirigent kann sich ganz aufs Dirigieren konzentrieren. Phantastisch. Allerdings ist der auch ziemlich anspruchsvoll und pingelig ...
     
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