Brief an Fred - Probleme Erwachsener beim Lernen

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Claus, 26.Januar.2011.

  1. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Liebe Mitforisten,

    ich wollte Euch einen Brief zur Kenntnis geben, den Greg Fishman an einen skeptischen erwachsenen Interessenten für Saxophonunterrichtet geschrieben hat. Dieser war mittlerweile etwas frustriert mit seinen bescheidenen Fortschritten bei vorherigen Lehrern.

    Leider habe ich im Moment nicht die Zeit, das zu übersetzen, aber ich hoffe, es ist für die meisten auch so verständlich:

    Ich erkenne mich durchaus bei einigen Punkten wieder. Mittlerweile hat Greg in einigen Diskussionen, die dazu stattgefunden haben, noch einen elften Punkt ergänzt:

    Erwachsene üben einfach nicht genug! Sie kaufen sich immer neue Bücher, Notenhefte etc. im Überfluss, aber sie stecken einfach nicht die nötigen Stunden in den Erwerb grundlegender Fähigkeiten.
     
  2. Hot_Dog

    Hot_Dog Ist fast schon zuhause hier

    Ach wie schön, dass ich nur völljährig und nicht erwachsen bin :) Dein einzigen Punkt, den ich bei mir unterschreiben kann, ist der mit der "Ungeduld" - aber ja, viele Punkte kenne ich von meinen wenigen Schülern und natürlich Mitspielern in irgendwelchen musikalischen Gruppierungen :)
     
  3. cara

    cara Strebt nach Höherem

    Irgendwie tut er mir leid, der Herr Fishman :roll:
    Es gibt Lehrgänge, wo vermutlich auch Musiklehrer lernen können, in der Erwachsenenbildung zu arbeiten. :)

    Gruß Cara
     
  4. edosaxt

    edosaxt Strebt nach Höherem

    @Cara
    Sehr gute Antwort!!!
    Lg
    edo
     
  5. Reedirect

    Reedirect Ist fast schon zuhause hier

    Fishman's Analysen kann man ganz überwiegend folgen. Allerdings ist er als langjähriger "Professional" auch nicht ganz frei von Arroganz, bzw. suboptimalen Einfühlungsvermögen.

    In seinen Sax-Duetts, die er ja für den fortgeschrittenden Lernenden geschrieben hat, sind etliche Nummern im Up-Tempo bei oder jenseits 200 bpm notiert und im Playalong auch so eingespielt. DAS überfordert den Amateur, auch den motivierten und enthusiastischen.

    Gruß
    Jo
     
  6. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Da stimme ich Dir zu! Die Einstufungen ("Beginner"/"Intermediate"/"Advanced") sind teilweise mit Vorsicht zu genießen. Da ich mittlerweile häufiger mit ihm gemailt habe, kann ich allerdings Arroganz als Wesenszug definitiv ausschließen. Er ist ein überaus freundlicher Zeitgenosse.
     
  7. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Ich glaube, dazu besteht wenig Grund. Wenn ich die Diskussion dieses Briefs auf Facebook richtig mitbekommen habe, nimmt Fred jetzt Unterricht bei ihm und kommt auch ganz gut damit klar. ;-)
     
  8. Gast

    Gast Guest

    Ich kenne Fishman nicht, auch nicht seine Unterrichtsmethoden oder seine musikalischen/pädagogischen Fähigkeiten. Was ich aber in seinem -sehr emphatisch geschriebenen- Brief wiederfinde, sind meine jahrzehntelangen Erfahrungen und Erlebnisse als Dozent in der Erwachsenenbildung. Was er schreibt, trifft nicht nur auf das Saxophonspielen zu, sondern auf viele Bereiche des "Erwachsenen-Lernens"; und auch hinsichtlich der Bildungsarbeit mit Senioren kann ich hier viel wiederfinden.
    Ausserdem hat das Lesen mal wieder die eingerosteten Englisch-Gehirnwindungen aktiviert.... :)
    Danke für den Beitrag, Claus!

    Bluesige Grüße
    Bluesgerd47

    "The oldest fiddles play the sweetest tunes" (Dr. Feelgood)
     
  9. astipasti

    astipasti Ist fast schon zuhause hier

    Also ehrlich gesagt bis auf in Punkt 10 erkenne ich mich in allen Punkten mindestens zum Teil wenn nicht sogar ganz wieder. Unrecht hat der Mann also nicht.
     
  10. bernd_rossini

    bernd_rossini Ist fast schon zuhause hier

    Ohh Mann, gleiches erlebe ich jeden Tag in meiner Arbeit mit Erwachsenen Patienten. Sie können es einfach nicht glauben, das sich eine scheinbar einfache Bewegung doch sehr komplex zusammensetzt und Mann/Frau sie 10000mal gaaanz langsam wiederholen müssen bis es wirklich sauber funzt!

    Ich sage oft: Mein Musiklehrer sagt mir immer, wenn ich schnell spielen will, muss ich gaaanz laaaaangsam üben...

    Noch heftiger wirds bei Schlaganfallpatienten und dergleichen. Denen fehlt immer Körpergefühl, meist Konzentration und teilweise sogar Krankheitseinsicht.
    Sehr schwierig da geduldig zu bleiben.

    Der Brief ist echt klasse, aber unsere Muster sitzen einfach zu tief, als das man sie mit theoretischen Wissen allein unterbinden/verändern könnte.

    Die Frage muss doch heißen:
    -Warum bin ich denn (in verschiedenen Lebensbereichen) so ungeduldig?
    -Wieso fühle ich mich klein, wenn ich Fehler mache oder scheitere?
    -Warum kann ich mich nicht auf eine Sache konzentrieren?
    -Warum fällt es mir schwer kreativ zu sein?

    Wer diese Probleme nur in Bezug auf das Saxspielen oder eine sonstige Tätigkeiten bezieht, kratzt nur an der Oberfläche, wird sich zudem mit allem möglichen Beschäftigen oder versuchen. An die Ursachen trauen wir uns selten ran.

    Warum?
    Es geht dann viel mehr um das "wie fühlt sich das für mich an". Und das macht uns große Angst.
    Drum hat meist der rationale Verstand die Oberhand, weil sich damit unsere Gefühle negieren, runterdrücken, in Schach halten lassen.

    Es ist wohl ein menschliches Thema, welches uns alle mehr oder weniger betrifft. Allerdings macht uns ein ungleichgewicht aus Körper , Geist und Seele auf dauer krank.

    hui, jetzt war ich aber im Schreibeschwall. macht nix.

    alle einen schönen Abend

    bernd
     
  11. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Hallo!

    Ja, das liegt an unserer Gesellschft, Erziehung usw. Über ales wird die Ratio drübergestülpt. Man trifft eine Entscheidung nach Gefühl, und anschliessend wird eine rationale Begründung konstruiert. Anschliessend, weil das Gefühl oft einfach schneller ist als der Verstand.

    Grüße
    Roland
     
  12. Gast

    Gast Guest

    @reedirect:

    Der Begriff Fortgeschrittener ist halt eben auch dehnbar.

    Ich sehe mich als Fortgeschrittener an und für mich sind prinzipiell 200 BPM je nach Stück (ich gehe mal von bestimmten Eigenschaften des Stückes aus, was so typisch wäre) möglich. Jemand anders spielt vielleicht nur den Bruchteil an Jahren wie ich und sieht sich auch als Fortgeschrittener. Für ihn mag es evtl nicht möglich sein, die Etüden in absehbarer Zeit zu spielen.

    Ich finde soetwas wie Arroganz an soetwas festzumachen ein bisschen gewagt. Der einzige Fehler, den ich hier erkenne es überhaupt zu versuchen soetwas zu kategorisiern. Jeder hat halt durch sein Umfeld und seine eigenen Fähigkeiten andere Definition von "gut" und "schlecht". Z.b. habe ich durch mittlerweile jahrelanger Verwöhnung durch ein exzellenten Schlagzeuger nach dem Anderen ganz schnell ein Problem, wenn Jemand da nicht so spielen kann wie ich es "gewöhnt" bin. Auch wenn diese Schlagzeuger dann für Jemand anders "gut" sind.
    Ich finde das kann man auch nicht negativ an einer Person werten, wie er Andere bewertet. Nur wie er damit umgeht ist wichtig.
     
  13. Reedirect

    Reedirect Ist fast schon zuhause hier

    Hi Wiesenleger,

    da hast Du völlig recht. "Gut, weniger gut, Anfänger, Fortgeschrittener, Profi, Amateur, Amateur mit Vorkenntnissen, Amateur mit Vorkenntnissen und bestandenem kleinen Seepferdchen"...das ist alles relativ.

    Stan Getz soll nach so ziemlich jeder Einspielung rumgenörgelt haben, er hätte "shit" gespielt, das sei alles nix, er hätte die changes versaut, er könne es nicht.... ;-) Soso!

    Gruß
    Jo
     
  14. Gast

    Gast Guest

    Und die "zertifizierten Späteinsteiger" nicht zu vergessen :-D

    Gruß,

    Joe
     
  15. fruitbat

    fruitbat Ist fast schon zuhause hier

    Der Beitrag hat mir wirklich gefallen, danke Claus! Das tat ganz gut, mal über das eignene Konzept des Lernens nachzudenken und korrekturwürdige Verhaltensweisen zu beleuchten.

    Wer findet nun einen Beitrag über falsche Erwartungen von Lehrern ihren Schülern gegenüber?
     
  16. Gast

    Gast Guest

    Ich finde Fishmens Brief auch sehr plausibel.

    Und ich denke, der Inhalt deckt sich mit vielem, was auch Peter Wespi immer beschreibt.

    Gruß,

    Joe
     
  17. Raggae

    Raggae Ist fast schon zuhause hier

    Also, ich finde es ziemlich gut, was er da schreibt. Nur in einem Punkt nicht:

    Wenn man schon mehrere (weniger gute) Lehrer hatte und ein verbranntes Kind ist, finde ich es völlig natürlich, dass man etwas mehr als "normal" fragt, warum man etwas tun soll.

    Ein guter Lehrer sollte darauf möglichst plausible Antworten haben UND es zugeben können, wenn er selbst etwas nicht weiß. Ich würde sogar sagen: Ein guter Lehrer zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er Fragen und damit das Entdecken und die Neugierde fördert. Und ein guter Lehrer ist selbst noch neugierig.

    Es ist ja so eine Art Grundfrage: Woran merke ich, dass ein Lehrer gut ist?

    Meiner Erfahrung nach ist das sauschwer!

    Just my 2ct ...
     
  18. Gast

    Gast Guest

    @Raggea: Das was du sagst widerspricht sich ja nicht unbedingt mit dem was da geschrieben steht. Ich denke mal das Jemand wie Greg Fishman seine Unterrichtsmethoden verteidigen kann.
    Es geht ja auch nicht im Prinzip ums fragen. Es geht doch ums Vertrauen (und damit ums Fragen nur wenns notwendig ist), dass die Methoden einfach funktionieren, was viele nicht aufbringen können. Wenn Jemand oft etwas hinterfragt mag das im Politikunterricht durchaus sinnvoll sein, aber ich denke das im Saxophonunterricht dann zuviel Zeit kostet - letztendlich zu Lasten des Schülers. Denn ob etwas funktioniert oder nicht findet man beim Musik machen oft *nur* durch trial and error raus.
     
  19. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Jetzt bezahle ich schon so viel Geld für den Saxophonunterricht.........und nun soll ich auch noch üben :lol:

    Irgendwie auch schön, dass man sich Begeisterung, Spielfreude, Engagement, Ausdauer und Geduld nicht kaufen kann.
     
  20. Thomas

    Thomas Strebt nach Höherem

    wenn ich auf der Suche nach einem Lehrer wäre, der mit hilft, ein guter Jazzer zu werden, wäre der Brief für mich eine absolute Werbung und ich würde natürlich da hingehen ( wenn er sowas wie mich nehmen würde).
    Warum?
    Erstmal unterstelle ich, dass jemand von der Kragenweite eines Fishman schon weiss, von was er redet. In dem Brief demonstriert er ja, dass er nicht nur sagen kann, was alles nicht geht, sondern auch eine Stufe weiterblicken kann und stapelweise Erklärungen, Muster erfahren hat, warum es nicht klappt. UNd genau das ist doch die allerbeste Voraussetzung, dass der Lehrer aufgrund der Leistungen und Handlungsmuster des Schülers nicht nur die Fehler registrieren kann sondern ein ganzes Bündel von Alternativen in der HInterhand hat basiered auf den von ihm erkannten Ursachen, um mir dabei zu helfen, weiterzukommen auf dem Weg zum Jazzmusiker. Das will man doch oder? Was nützt mir der Lehrer, der mir jedesmal sagt, dass Brecker ein Sch... gegen mich war, weil ich so toll am Blues in F rumdilletiere? Oder dass er hundertmal merkt, dass etwas nicht klappt, aber mangels Erfahrung zuwenig Anleitungen aus der Misere anzubieten hat? Ich will natürlich schon, dass mir der Lehrer sagt, wenn etwas nix taugt, oder wenn ich zuwenig übe, woher soll ich es denn sonst wissen? Ich rede jetzt nicht von den technischen Aspekten, da denke ich, dass man auch als ambitionierter Amateur ohne Lehrerbeistand in der Lage ist, mal bei Tempo 200 ein Stück sich reinzuhämmmern. Aber was hat man da gewonnen? Aus meiner Sicht nix: Man kann das Ding herunterknattern, das wars dann aber auch schon.

    Ja, und nicht nur wegen der Kompetenz sondern auch wegen dem Brief würde ich Fishman als Lehrer voll vertrauen: Er würde mir sicher sagen, wenn ich zu wenig übe und er würde mir sicher nicht verheimlichen, wenn er irgendwann der Meinung ist, dass ich das nicht ernsthaft erlernen will oder dass das Ganze verlorene Mühe wäre...

    LG
    Thomas
     
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