Das Geheimnis der Gehörbildung

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 13399, 23.August.2022.

  1. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Jau. Beides stichhaltige Argumente!
     
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  2. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Ich hatte 20 Jahre lang einen Kollegen in der Tanzband, der beim Abhören eines neuen Titels für die Probe ganz einfach und ohne Instrument die Akkorde mitschrieb (ohne Musikstudium). Er lag immer richtig. Manchmal musste er den Song für eine knifflige Stelle ein zweites Mal hören. Das war sehr praktisch, zeigte mir aber auch wie unvollkommen meine eigenen Fähigkeiten waren.
     
  3. ppue

    ppue Mod Experte

    Die Vernetzungen im Gehirn, bzw. im gesamten Nervensystem sind total komplex. Um etwas hören, es zu erkennen und zu behalten, braucht es sicher hunderte von Synapsenverbindungen. Und diese sind bei allen Menschen noch ganz anders verknüpft.

    Wenn ich einen Akkord höre (und einen Referenzton habe (habe kein absolutes Gehör)), dann kann ich ihn blind und ohne Instrument fingern und weiß dann sofort, welcher Akkord das ist. Das ist nur eine Methode, die ich gebrauche. Eine andere ist vielleicht, dass ich einen Skalenwechsel sofort höre, z.B. die dritte Stufe in Dur, was dann wieder eng verknüpft ist mit meinem Fingergedächtnis auf dem Klavier und auch die Optik der Tatsenkombinationen. Ich könnte das gar nicht alles aufdröseln, was bei mir dazu führt, etwas zu erkennen.
    Am meisten sicherlich die kontinuierliche Beschäftigung mit der Materie und auch das Zusammenspiel mit anderen Musikern.

    Es gibt nicht den goldenen Weg zu besser und schneller. Es gibt auch nicht die Methode, die zum Ziel führt.

    Das Gehirn kann etwas desto besser erkennen oder behalten, je mehr Synapsenverbindungen zu einem Ding gehören. Und diese Verbindungen könne alles Mögliche sein, auch Gerüche oder andere Gefühle.

    So kann man bestimmte Klänge, z.B. Akkorde, sich auch mittels Farben merken. Farben selbst haben schon einen recht komplexen "Schlüssel" im Hirn und sind so fest verankert, dass man sich dieses starke Assoziationsfeld für Akkorde zu nutzen machen kann. Ich mache das nicht so, dennoch ist die Major Sieben für mich immer Pastell.

    Hast du ein solches assoziatives Verhältnis geschaffen und vertieft, dann kannst du Akkorde sehen, z.B. einen m6, braun, mit etwas Lemonenzeste.
     
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  4. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Tatsächlich ist für mich die II7 ein gelbliches hellgrün, wie bei einem unreifen Boskop. Ein verminderter Vierklang ist ein sehr dunkles Grün, Fichte vielleicht.
    Andere Assoziationen habe ich aber leider keine.
     
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  5. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Was bedeutet denn Akkorde fühlen?
     
  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Moll - mollig, weich, rund
    Dur - hart, strahlend

    Schon die Tongeschlechter sind mit Gefühlen verknüpft. Auch wenn das nicht bei jedem die gleichen sind.
    Ich glaube dennoch, dass sie benannt werden müssen, um gleiche Akkorde dingfest machen zu können.

    Man stelle sich vor, es gäbe keine Automarken. Dann würde man trotzdem irgendwann erkennen, dass sich verschiedene Autos gleichen. Unter Garantie hat man dann ein oder mehrere Erkennungszeichen für diese Modelle. Und wenn man die hat, dann hat man auch einen Begriff von den Autos, z.B. der Stufenheckige mit den breiten Blinkern.

    Ohne solche Zeichen gibt es kein Erkennen von Gleichheit. Und die Zeichen sind Begriffe. Man muss nicht X b9 b5 als Begriff benutzen, das ist richtig, aber irgendetwas musst du halt doch benutzen: "spannender Plattfisch" oder was auch immer. X b9 b5 eignet sich deshalb besonders gut, weil der Begriff viel mehr Infos beinhaltet und du die damit auch mit anderen Musikern verständigen kannst.
     
  7. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Hat Paul so bezeichnet.
    Ich interpretiere es so:

    Ich höre/fühle einen Klang (Akkord) und "fühle", was ich dazu spielen kann.

    Im Gegensatz zu: Ich weiß(!), dass ist jetzt derundder Akord und weiß(!), welche Skala dazu passt.

    Cheerio
    tmb
     
  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Das macht im Grunde jeder so. Die Theorie ist nicht dazu da, über die passende Skala während der Improvisation nachzudenken. Sie ist zur Analyse des Stückes wichtig und um ein Stück vorzubereiten.

    Wenn du einen halbtaktigen Wechsel von Akkorden in schnellem Tempo hast, wirst du die Akkordbezeichnungen gar nicht so schnell aussprechen können, wie sie auftauchen, geschweige denn, noch die Leiter dazu bestimmen können.

    Skalen herauszufinden, ist wichtig bei der Vorbereitung. Auch, wo das tonale Zentrum sich ändert, wo Ausnahmen sind, wo chromatische Übergänge und Tritonussubstitutionen sind. Das alles sind besondere Marken in einem Stück, wo derjenige, der nur nach Gehör spielt, schnell daneben greift.

    Ich kann dir an tausend Aufnahmen genau den technischen Stand derer, die rein aus dem Bauch heraus spielen, aufzeigen und im Grunde vorhersagen, dass sie die Zwischendominante in Dur nicht bedienen werden.
     
  9. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    …oder nicht müssen und trotzdem gut klingen, WEIL sie das Gehör soweit trägt.
    „Einen Akkord zu bedienen“ ist eine unwillkürlich ausgesprochene Phrase, die aber viel über einen Weg aussagt (den ich mit dir gar nicht assoziiere), wie Improvisation angegangen werden kann. Wer dient wem? Eine andere Ausdrucksweise wäre es, Möglichkeiten der Zwischendominante zu nutzen, oder auch nicht, vs. sie gar nicht zu erkennen. Ich will gar nicht vom Thema ablenken, die Formulierung ist nur so voller Denkweise…
     
  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Sag ich ja. Sie zu erkennen oder nicht, ist ein Maßstab für mich und auch für meine Denke. Ich kenne Keinen im ambitionierten Amateurbereich oder unter den Profis, der an solch einer Stelle die Eigenart der harmonischen Verbindung ignoriert, es sei denn, dass er sie bewusst überspielt. Letzteres geht auch, aber da brauchst du gute Argumente für deinen Starrsinn.

    Das Gehör trägt dich so weit, wie es kann. Da, wo es scheitert, musst du anfangen, das besser vorzubereiten. Ich kann sehr gut gewollte Spannungen von ungewollten unterscheiden. Es ist das Handwerkzeug des Musikers, zu bedienen oder dem bewusst zu widerstehen.

    Es ist weniger zufällig, als man vielleicht denkt.
     
  11. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Ich merke, dass ich ungewollte Spannung manchmal intuitiv sequenziere. Wenn ich z.B. über einen Durakkord erst die Vier und dann die Drei spiele, weiß ich genau, dass mir das gleiche ein paar Takte später( z.B. bei der Subdominante wieder passieren wird. Schon interessant, was das Hirn manchmal so macht
     
    ppue gefällt das.
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Ist dann motivische Arbeit (-:
     
  13. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Muss(!) man das?
    Und wenn man muss, muss man das "wissentlich" tun.....oder reuchtda nicht auch "gefühlt" ohne(!) Wissen?]
     
  14. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Das Geheimnis der Gehörbildung?
    Das wär ein bischen viel. Aber ein guter Tip, auch von Pat Metheny, über die gleichen Stücke in verschiedenen Tonarten spielen.
     
  15. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Ich bezweifel, daß Jemand, der sich mit Zwischendominanten nicht beschäftigt hat, diese nur aus Gefühl heraus bedienen wird. Wenn Du dich damit beschäftigt hast, kannst du es vielleicht ohne denken nutzen oder sogar welche einbauen wo von den Akkorden keine vorgesehen sind, weil du es so hörst im Kopf und so spürst aber sonst ist es so als wenn du Tiramisu machen willst, ohne zu wissen was Tiramisu ist und das gelingt dann auch nicht aus Gefühl oder aus dem Bauch raus, wenn du es aber mal gelernt hast, kannst du zig Varianten selber dir ausdenken und das Grundrezept verändern und variieren und du erkennst sofort, wenn dir Jemand Tiramisu serviert.
     
    Sax a`la carte, Rick und ppue gefällt das.
  16. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @taubeohren
    Mein Tipp ist sicher "unterstes Level" und betrifft eher
    "Gehörbildung für Einsteiger " ....

    Aber da ich selbst seit Jahren sehr gute Erfahrung damit mache,
    .... und ich komme von "Vorkenntnisse Null"

    Benutzen Sie ein Klavier !!

    Es dauert leider seine Zeit (Jahre) bis die Finger
    die völlig unbekannten Befehle ausführen.

    Dann aber ....
    TL's spielen.
    Dur Akkorde, Moll Akkorde ..... als Einzeltöne, als Dreiklang / Vierklang usw.

    Vor und zurück und rundherum um den Quintenzirkel.

    Ich bin immer wieder erstaunt, wie mein Ohr inzwischen sofort
    einen unpassenden/abweichenden Ton bemerkt.
    Schneller als mein Verstand.

    Ich wollte nicht schreiben "falschen Ton" ....

    Falsche Töne gibt's nach meinem Dafürhalten
    nur in Bezug auf ein zuvor "definiertes" Muster.

    Ich denke, das diese -Schulung der Ohren- positive Folgen für's Sax-Spielen hat,
    versteht sich von selbst.

    VG
     
    ppue gefällt das.
  17. ppue

    ppue Mod Experte

    Bezweifle ich auch. Die Beschäftigung mit einem Stück bringt dich erheblich näher an die Materie heran.

    Ähnlich wie die Museumspädagogin, die dir die Augen dafür öffnen kann, was auf einem Gemälde wirklich zu sehen ist. Da bin ich immer fasziniert von. Sie muss gar nicht sagen, wie sie das Gesehene interpretiert, sondern nur erklären, was sie sieht. Ungeheuer spannend, weil ich in dem Genre weniger Erfahrung mitbringe.

    Das Gefühl für eine Zwischendominante bekommst du z.B. in "Georgia". Ja, ein sehr eingängiger Standard. Aber was passiert dort im zweiten Takt und was für ein Gefühl vermittelt das? Für mich geht da die Sonne auf, wenn auch die Melodie auf die melancholische kl. Septime fällt.

    Und wenn du das Prinzip dann in "Nobody knows you, when your down and out" wiederfindest und sagst, das sei doch der gleiche Wechsel wie in "Georgia", dann hast du den Akkordwechsel "begriffen". Da steckt das Wort Begriff drin und den hast du dann davon und kannst gefühlvoll damit umgehen, weil du weißt, welches Tönchen für das Gefühl verantwortlich ist.
     
  18. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Für mich gar nicht.
    Für mich ist es ein starker Kontrast zum Akkord im ersten Takt, und eher wehmütig (-7b5, 7b9).
     
    Rick und Gelöschtes Mitglied 13399 gefällt das.
  19. The Z

    The Z Ist fast schon zuhause hier

    Ich halte es für mehr als möglich dass ein Spieler eines Melodieinstruments mit sehr gutem Gehör Zwischendominanten bzw Changes ausspielt ohne einen Begriff dafür zu haben. Dies wahrscheinlich sogar melodischer und schlüssiger als jemand der die Changes im Kopf mitlaufen hat und sie nur "bedient".

    Ich bin übrigens sehr dafür Begriffe für gehörtes zu haben.
     
  20. ppue

    ppue Mod Experte

    Sorry, die 7. Stufe habe ich glatt geschlabbert und bin gleich auf die III in Dur.
     
    GelöschtesMitglied11524 gefällt das.
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