Das Hirn auf Improvisation

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Mugger, 8.November.2015.

  1. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Dass mir also mein eigenes Spiel (und dessen Fortschritt) am wichtigsten ist, disqualifiziert mich als Musiker? Ich mache Musik wegen der Musik, nicht wegen der Leute. Wertschätzung nehme ich gerne entgegen, aber nur von denen, die auch das mitkriegen können, was ich anzubieten versuche. Vielleicht liest du noch den nächsten Abschnitt:

    @giuseppe
    Teilweise hast du es schon erfasst, der Vergleich mit dem Schachspieler ist gar nicht mal so schlecht.
    DIe "Jazzpolizei" wird ja auch schonmal der genannt, der mal auf ein paar grundlegende Dinge hinweist. Der Begriff kommt meistens aus der Ecke eingeschnappter Anfänger, die nicht wahrhaben wollen, dass bei Ihnen noch einiges im Argen liegt. Solche Spinner wie der Typ der gegen Wayne Shorter gelästert hat (Video in anderen Thread) sind eigentlich das, was man auch zurecht so abfällig nennen könnte. Von daher passt der Begriff hier eher nicht.

    Ich habe es doch selbst über die Jahre gemerkt: je länger ich spiele (auch verschiedene Instrumente) und Aufnahmen höre, umso mehr nehme ich Feinheiten war, die dem ungeübten Ohr verborgen bleiben oder nicht als etwas Besonderes erkannt werden. Meistens sind es aber genau diese Feinheiten und bewusste Abweichungen von der Norm, die den entscheidenden Unterschied machen können, worin sich dann ein z.B. ein Profi mit jahrelanger Übung von einem ambitionierten Amateur unterscheidet.
    Mein vorrangiges Ziel ist es, immer besser spielen zu können. Dafür brauche ich aber ein kritisches Publikum, was empfängliche Antennen für meine Ansprüche hat. Im Umkehrschluss hat man aber von einer guten Darbietung auch mehr, wenn man sie versteht. Man geht ja auch nicht deshalb in die Oper, weil die Darsteller so schöne Kostüme tragen, sondern weil man die schauspielerische Leistung und Interpretation des Werkes sehen will. Dass das Publikum dann zumindest der dort gesprochenen Sprache mächtig ist, würde mir als Schauspieler nicht ausreichen.
    Wenn du wüsstest, was ich schon für Beleidigungen durch das Verhalten von Laienpublikum hinnehmen musste, dann würdest du verstehen, warum ich keinen Nerv mehr dafür habe. Mir bringt es dann einfach nichts und dem Publikum dann auch nicht in dem Maße, wie ich es beabsichtige.
     
  2. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Das ist legitim. Dann ist aber auch klar, das Du Dir Auftritte schenken kannst. Das "Fachpublikum", wer auch immer das sein soll, sind ja auch Leute.

    Hast Du keinen Lehrer?

    Das ist natürlich ärgerlich, wenn der ungebildete Pöbel das Genie nicht würdigt....dann ist es wohl wirklich besser, wenn Du Auftritte meidest, bei denen Du nicht bestimmen kannst, wer kommt.

    Also unterm Strich sehe ich es so, dass Du nur eine Person brauchst die Deine Fortschritte sachgerecht beurteilen kann. Wenn Dich das glücklich macht, auch gut.

    Viel Erfolg!
     
  3. guemat

    guemat Ist fast schon zuhause hier

    Was ist bitte ein beleidigendes Verhalten des Publikums?
    Wenn ich mich auf die Bühne stelle muss ich auch damit rechnen ausgebuht zu werden.

    lg

    gue
     
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  4. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @guemat
    Wenn nach einem guten Solo nicht geklatscht wird, weil keiner weiß, dass das so üblich ist, kann ich noch damit leben. Dass dann aber der Trompeter Beifall für den nachfolgenden A-Teil vom Thema bekommt (woraufhin dieser mich total verwundert ansieht), zeigt mir einfach, dass da beim Publikum was schiefläuft. Entweder gar keine Ahnung oder einfach nicht zugehört.
    Noch schlimmer sind die Leute, die ungefragt Halbe oder ganz böse auf alle Zählzeiten mitklatschen. Ich weiß, wo die Time ist, und wenn ich offbeat spiele, hat das seinen Sinn. Ich finde das dann ungemein lästig, mit Vierteltriolen oder andersartigen -olen dagegen halten zu müssen, bis wieder Ruhe ist. Rhythmus ist ein wichtiges Element einer gelungenen Improvisation. Dieses richtig einzusetzen bedarf Talent und Übung. Keine Ahnung, warum Leute das kaputt machen wollen. Ich weiß auch gar nicht, wie man Feinheiten raushören will, wenn man selbst so einen Krach macht.
     
  5. Mugger

    Mugger Guest

    @JazzPlayer

    Irgendwie redest Du Dich da in was sehr Seltsames rein...

    Ein Schauspieler hat mal gesagt:

    "Man braucht zu seinem Publikum nicht herabzusteigen, man muss es zu sich hinaufheben".

    Cheers, Guenne
     
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  6. quax

    quax Gehört zum Inventar

    <Wenn du wüsstest, was ich schon für Beleidigungen durch das Verhalten von Laienpublikum hinnehmen musste, <dann würdest du verstehen, warum ich keinen Nerv mehr dafür habe. Mir bringt es dann einfach nichts und dem <Publikum dann auch nicht in dem Maße, wie ich es beabsichtige.

    Das soll schon mal vorkommen, wenn der Künstler an sich mit der realen Welt kollidiert. Das braucht dann ein gerüttelt Maß an Selbstbewußtsein.
    .
    .
    .
    Vor meinem geistigen Auge erscheint gerade Troubardix......
    Bitte nicht schlagen.
    quax
     
  7. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @JazzPlayer

    Du bist einfach nicht zum Spielen vor Publikum gemacht...

    CzG

    Dreas
     
  8. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @Dreas
    Ich hatte schon genügend Auftritte, solo wie auch mit Jazzcombo. Wenn aber Publikum und/oder Mitmusiker meinen nur leicht gehobenen Ansprüchen nicht genügen, macht's mir einfach keinen Spaß. Ist das so schlimm, dass man von einem Auftritt auch für sich selbst was mitnehmen will? Wäre es besser sich mit einer "scheißegal"-Attitüde da hinzustellen und einfach runterzududeln?
     
  9. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich finds völlig abgefahren, dass der Musiker ein Anspruch an das Publikum hat, und nicht umgekehrt. Wer kriegt Gage und wer zahlt Eintritt? Manchmal muss man die Welt auf dem Kopf betrachten, um neue Aspekte zu sehen. Ich melde mich vielleicht nochmal, wenn ich mir das ausreichend lang durch den Kopf gehen lassen habe.
     
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  10. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Als Hobbymusiker habe ich bisher keine Gage erhalten. Es gab höchstens mal einen heimlichen Unkostenbeitrag vom Veranstalter für die Bandkasse, aber Eintritt wurde da jeweils auch nicht gezahlt.
     
  11. bluefrog

    bluefrog Strebt nach Höherem

    @JazzPlayer
    Was Du beschreibst, ist ärgerlich, aber doch nicht beleidigend. Oder glaubst Du ernsthaft, dass Dir jemand mit dem Klatschen absichtlich den Rhythmus kaputt machen will?

    LG Helmut
     
  12. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @JazzPlayer

    Wenn ich zu einem Konzert gehe mache ich mich vorher schlau, ob mir die Musik auch gefallen wird.

    Wenn ich dann da bin, dafür gezahlt habe (selbst wenn der Preis nur meine investierte Freizeit ist), erwarte ich von dem Musiker/den Musikern, dass sie ihr Bestes geben um mich, um das Publikum zu begeistern....dafür stehen sie auf der Bühne, nicht um für sich selbst zu spielen...

    CzG

    Dreas
     
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  13. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    @bluefrog:
    Nein, mit Absicht wohl nicht. Aber auch unwissentlich schadet man damit der Darbietung und dem eigenen Hörvermögen, also gibt es keinen Grund, der dafür spräche. Ich werde nicht gerne beim Spielen sabotiert. Auf sowas kann ich dann gut verzichten.

    @Dreas: siehe letzter Beitrag. Wäre es denn vertretbar, wenn man schon nichts Monetäres bekommt, wenigstens ein paar andere Dinge zu verlangen? Mein Bestes gebe ich immer.

    Wie dem auch sei, ich bin mal ne Weile weg, muss noch fleißig üben. Morgen ist wieder Unterricht.
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich finde das alles legitim, was JazzPlayer schreibt, denn es ist allein seine Sache, vor wem er spielen möchte oder nicht. Natürlich macht man meist Musik für ein Publikum.
    Beim Einen geht das soweit, dass er sich musikalisch auf eine Ebene begibt, die er selbst gar nicht gerne hören wöllte, weil sie seinen Ansprüchen nicht gereicht.
    Zum anderen gibt es Künstler, die eine komplexe kunstvolle Sprache sprechen, die ein nicht vorgebildetes Publikum nicht erreichen kann. Aber auch die sind wichtig, denn sonst gäbe es kein Fortkommen und keine Innovationen in der Musik.

    Das ist in anderen Kunstsparten nicht anders. Auch wenn 98% der Bevölkerung Beuys nicht wirklich begreifen, halte ich ihn für enorm wichtig.

    Ich denke, es muss beide Formen von Künstlern geben, und natürlich alle anderen zwischen den Extremen. Musik nur für sich zu machen, weil einem die Auftritte nicht gefallen, ist absolut in Ordnung.
     
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  15. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Ja, als Koglmann in der Kölner Philharmonie spielte, damals, Neujahrskonzert 2008.
    Titel: 'An Affair with Strauss'.
    Ich kannte Koglmann und es war für mich ein tolles Konzert.
    Die Hälfte der Leute kam nach der Pause nicht wieder, einige gingen schon während des dritten Stücks.
    Hätte man das Programmheft gelesen, hätte man wissen können, dass es keine Walzerseligkeit im Stile von Rieu geben wird.
    Alleine das Zucken in den Körpern nach den ersten Tönen, die Verwunderung, was geboten wird .... herrlisch!

    Wer lesen kann, ist eindeutig im Vorteil!

    Grüße
    Roland
     
  16. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Wenn Neues entstehen soll, finde ich es nicht hilfreich, es unter dem Aspekt zu kreieren, ob es dem Publikum gefallen wird.
    Wenn ich an meine Jugendzeit in den 60ern zurückdenke... :cool2:
    Da ist mit Beatles, Rolling Stones, The Who etc. so viel Neues entstanden, wie ich es in der Folgezeit in dieser Fülle und Qualität nicht mehr erlebt habe.
    Die Jungs haben sich zu Anfang sicher nicht überlegt, wie sie ein möglichst großes Publikum erreichen können. Ich bin überzeugt, dass sie einfach "Ihr Ding" gemacht haben und damit den Nerv der Zeit getroffen haben.

    LG Bernd
     
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  17. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Es gibt (unter anderem) zwei Automatismen beim Klatschen, die ich nicht nachvollziehen kann: nach dem Landen des Flugzeugs und dem Ende eines Solos im Jazz. Damit wir uns nicht falsch verstehen: die von Herzen kommende Bestätigung darf immer beklatscht werden, das reine "Bestätigungsklatschen" ist eine Farce und fällt auf das Publikum zurück: man hat je allenfalls realisiert, dass ein Solo beendet wurde. Für die Flieger-Klatscher-Fraktion: demnächst auch im Linienbus oder Taxi vor dem Aussteigen konsequenterweise klatschen, ach, was sage ich, auch beim Aufwachen nach der OP, der Zahn-Extraktion und vor dem Richter nach der Scheidung, nein, das letzte nehme ich zurück. Aber insgesamt applaudieren wir wirklich zu wenig :)
     
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  18. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Als Grund für das Klatschen nach der Landung gibt es mehrere Theorien. Eine davon ist: Erleichterung, dass der Kelch des Todes noch einmal an einem vorbeigegangen ist.
    Ich hoffe, das Klatschen nach Ende eines Solos erfolgt aus anderen Motiven.... :duck:
     
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  19. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @henblower

    Geklatscht wird ja nur in den Ferienfliegern. Das "Fschpublikum" in den Linienmaschinen klatscht nicht....

    CzG

    Dreas
     
  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Die haben sich vielleicht manchmal überlegt, wie sie die blonde aus der ersten Reihe mit ins Hotel bekommen. Eine sehr mächtige Motivation in der Musik übrigens - sicher auch im Jazz.
     
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