Das Hirn auf Improvisation

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Mugger, 8.November.2015.

  1. Mugger

    Mugger Guest

    Passt schon Dreas, ich will Dich nicht kritisieren.
    Ich finde die Einstellung halt - nun - ein wenig romantisch.
    Für mich würde es besser passen, wenn man lieben durch respektvoll behandeln ersetzt. Auch respektvoll behandeln, wenn der Respekt nicht erwidert wird.

    Cheers, Guenne
     
  2. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Einverstanden....so meine ich das auch.....mit "lieben" wollte ich es plakativ auf den Punkt bringen.

    Lieben tue ich meine Freundin....:D

    CzG

    Dreas
     
  3. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Und wenn es überrascht werden will? Paradoxe Situation ...

    Grüße
    Roland
     
  4. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    Na ja, Publikum ist ja nichts anderes als die Öffentlichkeit, und die hat Erwartungen, vor allem wenn sie für Brot und Spiele gezahlt hat. Nein, der Musiker muss nicht den Löwen vorgeworfen werden, obwohl sich das manchmal anbieten würde. Öffentlichkeit kommt aber etymologisch auch von "offen", und offen sein ist bestimmt kein schlechter Ansatz für die fragile Beziehung zwischen Publikum und Musiker, und zwar für beide Parteien.
    Überraschung ist nur ein Erwartungshorizont für beide. Ich erinnere an eine Szene aus "Blues Brothers", wo man sich wundert, warum da ein Netz zwischen Publikum und Bühne ist. Später weiss man es es dann....
    Im Idealfall nimmt der Musiker den Zuhörer bzw. Zuschauer mit auf die Reise, oft bleibt letzterer aber auch mit unbeantworteten Fragen auf dem Bahnsteig stehen und hat nicht einmal ein weißes Taschentuch zum Winken, sei es zum Ausdruck der Kapitulation oder dem wehmütigen Abschied vom Verständnis. Manchmal verpasst der Musiker den Anschluss und damit den Zug, und dann stehen beide, Zuschauer und Musiker, ratlos auf dem Bahnsteig und auf dem Schlauch.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 12.November.2015
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  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Eine schöne Missmatchingstory:

    Wir waren mit Goethe nach St. Louis eingeladen. Das Ganze wurde von New York aus organisiert und leider schlecht kommuniziert. Wir waren unterwegs mit einem skurrilen Musikkabarettprogramm und der Englischprofessor, der uns in St. Louis betreuen sollte, hatte wohl gedacht, es kämen drei alte Herren, die Dixielandjazz spielen. Und da wir Deutsche waren, dachte er, wir könnten doch gut im Vereinsheim der Donauschwaben spielen. Das ist ein volkstümelnder Verein mit einem Durchschnittsalter von 85 Jahren.
    Na, was blieb uns, wir bauten auf und spielten vor vollem Saal unser Programm. Das Publikum zeigte nicht eine einzige Reaktion: null, niente, nada, nichts. Noch nicht einmal einen Applaus, nachdem wir fertig waren.
    Der vorher recht aufgeschlossene Englischprofessor fuhr uns anschließend stumm zurück ins Hotel. Noch nicht einaml eine Verabschiedung kam ihm über die Lippen.
    Das war der merkwürdigste Auftritt meines Lebens.
     
  6. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    @ppue

    WAS????? Ihr spielt morgen KEIN Dixxie????....:eek::eek::confused::confused:

    Und wir haben schon Karten......:oops::(

    CzG

    Dreas
     
  7. Mugger

    Mugger Guest

    Hey,

    ist doch auch eine Art Erwartungshaltung :)
     
  8. Mugger

    Mugger Guest

    Ok,

    mein Scherzchen oben ging in's Leere...

    Mismatch
     
  9. GelöschtesMitglied1589

    GelöschtesMitglied1589 Guest

    @Mugger: nein, die ging nicht ins Leere, aber bestimmt in der Hektik des Alltags an einigen vorbei....

    @Juju: ich habe den Hamburg Termin einem Bekannten in HH wärmsten empfohlen und ihn gebeten, die Werbetrommel zu rühren. Für mich war's einfach zu weit weg, vielleicht ein andermal. Dave's Ärger kann ich nachvollziehen, aber er mag sich trösten: was in amerikanischen Clubs angeht, ist definitiv nicht besser.

    @ppue: Habt ihr Goethe die Reisespesen erstattet? :) Wenn es sich um "Ars Vitalis" handelt (wovon ich ausgehe), dann ist die Dixieland-Erwartung des Publikums mit eurem Dadaland aber so derartig aufeinander geprallt, dass heute noch Staubwolken über St. Louis hängen dürften. Nur für alle hier, die "Ars Vitalis" nicht kannten, eine kleine Kostprobe:



    Ob die Donauschwaben wohl immer noch verstört sind?

    P.S. Für halbwegs Eingeweihte und als Frage an ppue: Habt ihr dem Rainer Pause für seine Einwürfe im Intro anschließend die Ehrenmitgliedschaft entzogen?
     
  10. Rick

    Rick Experte

    Hallo Guenne,

    ich muss zugeben, dass ich diese Haltung nicht teilen würde.
    Leistung bringen, Publikum egal - gut, es kommt auf die Veranstaltung an; ich habe mich auch schon über (nicht) zuhörende Leute geärgert, Respektlosigkeit, Ignoranz, das aber meistens bei Dienstleistungsveranstaltungen, sprich Hintergrundmusik.

    Von MEINEM Publikum rede ich, wenn die Leute ein Konzert besuchen, etwa in einem Jazzclub, also wirklich zu MIR (bzw. meinem Ensemble) kommen. Die sitzen dann da in gespannter Erwartung des Kommenden, sie haben Eintritt bezahlt und WOLLEN nun etwas von uns hören.

    Aber geht es denn nur ums Hören?
    Man muss sich diese Situation mal ganz objektiv anschauen: Einander großteils fremde Menschen in einem Raum, die nun einige Zeit miteinander verbringen werden, da geht es auch ums Kennenlernen, um das Knüpfen einer menschlichen Verbindung, um Kommunikation und Interaktion.
    Es ist gerade nicht öffentlich, sondern umgekehrt sogar ein Stück weit intim, man ist ja in einem gemeinsamen Zimmer (anders bei Open Airs oder in großen Hallen), es WIRD etwas passieren, aber was?

    Dazu gehört meiner Ansicht nach Fähigkeit zur Empathie, eine grundsätzliche Sympathie.
    Wenn mir das Publikum in dieser Situation egal ist, dann kann kein Funke überspringen, kann keine Begeisterung entfacht werden, das führt meiner Ansicht nach eher zu Ablehnung, wenn nicht sogar zur Feindseligkeit, eben "mismatch".
    Da finde ich das alte Motto schöner: "Let's have some fun together!"

    Das kann man im Extremfall schon als "Liebe bezeichnen - wenn auch nur für eine Nacht... ;)


    Schönen Gruß,
    Rick
     
  11. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Ich habe manchmal bei Hintergrundmuggen erlebt, das wenig oder gar nicht geklatscht wurde, die Gäste anscheinend überhaupt nicht zuhörten, laut redeten, ob man spielte oder nicht. Aber nach der Veranstaltung kamen mehrere und bedankten sich für die schöne Musik, und der Veranstalter erzählt auch von guter Resonanz auf die Band im Publikum. Nachdem dies öfter passiert ist, glaube ich das den Leuten mittlerweile. Eine gute live Hintergrundbeschallung schafft eine angenehme Atmosphäre, die gewünscht, wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Ohne die würde was fehlen. Es gibt eben doch Momente, wo man mal nicht quatscht, und kurz zuhört.

    Ich spiele Hintergrundjazz ganz gerne. Ich kann völlig entspannt spielen was ich will, solange es einigermaßen smooth bleibt. Und, wenn es die Band bei Hintergrundmucken schafft, mal oder mehrfach Applaus zu kriegen, dann ist er echt, nicht der Konvention geschuldet.




    http://www.swing-jazz-berlin.de/
     
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  12. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Wenn Du Dir über jede für Dich unangenehme Reaktion im Publikum den Kopf zerbrichst, wird das nichts. Jeder Gig ist anders. Was heute super gelaufen ist, kann morgen in die Hosen gehen. Wichtig ist, dass Du DEIN Ding machst (das muss weder ich noch sonst jemand für gut befinden). Du musst halt wie jeder Künstler mit dem Risiko leben, dass Du mit der Treue zu Dir sehr einsam werden kannst.

    Es gibt nicht DAS Publikum und Du kannst es Dir nicht aussuchen. Klar ist die Wahrscheinlichkeit, dass Du Gehör findest im Jazzclub größer als im Bierzelt. Trotzdem kann es passieren, dass ein Clubgig floppt.

    Sorry, falls ich Dich wegen eines Missverständnisses kritisiert habe. Aber ganz ehrlich, was Du über Deine Vorstellungen formuliert hast, kam für mich einerseits arrogant, andererseits etwas naiv rüber. So als müsstest Du nur alles "intellektuell richtig machen", dann würde es schon gefallen..... außer die Zuhörer sind nicht intelligent genug. Da musst Du echt aufpassen, dass Du nicht ins Aus läufst.

    In einer Live-Situation entscheiden so viele Dinge darüber, wie Du als Musiker wahrgenommen wirst. Was Du sagst und wie. Wie Du Dich auf der Bühne verhältst usw. Wenn Du mit Technik spielst und der Sound nicht passt, bist Du es, der zu laut, schrill oder unangenehm klingt.
    Ein paar NoGos haben sich auch noch nicht ganz herumgesprochen. Ich war auf einem Konzert bei einer Band. An diesem Abend war der Saal nur halb gefüllt und die Stimmung nicht wahnsinnig euphorisch. Die Band hat das zum Anlass genommen zu betonen, dass sie gewohnt sei vor vollem Haus zu spielen, aber dass sie auch bei uns ihr Bestes gäbe. Ja gut. Danke für's Gespräch.

    Echt? Seit wann? Seit es Lehrstühle dafür gibt? Jazz war die Musik der Gosse, gespielt von 90% Drogenabhängigen, die die Welt nur ertragen konnten, indem sie auf der Bühne durchdrehen durften.....sicher meinst Du den anderen Jazz....:D
     
  13. ppue

    ppue Mod Experte

    Im Prinzip hat sich Jazz in den 40er Jahren mit dem Bebop zu einer Kunstform entwickelt.
     
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  14. Rick

    Rick Experte

    Hallo Werner!

    Das kann ich für mich bestätigen, kenne ich ebenso.

    Mit ärgerlicher Respektlosigkeit und Ignoranz war nicht gemeint, dass die Leute (scheinbar) nicht zuhören, sondern dass sie sich beispielsweise DIREKT neben einen stellen und dann ganz laut mit dem Gesprächspartner reden, sodass ich alles höre, was sie sagen - bloß mich selbst kaum noch (muss ja leise spielen).
    Befremdlich ist es auch, wenn jemand plötzlich eine laute Ansage über die Musik hinweg macht - man kann doch mal kurz zu einem gehen und darum bitten, das Stück abzukürzen und eine kleine Pause für eine Ansage einzulegen, das ist jedenfalls üblich.

    Rücksichtslosigkeit, schon Gedankenlosigkeit ist für mich auf jeden Fall grenzwertig, schließlich lasse ich nicht einfach ein paar Musikdateien laufen, sondern konzentriere mich und erbringe eine künstlerische Leistung! :mad:

    Genau so ist es! :)

    Schönen Gruß nach Berlin,
    Rick
     
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  15. Rick

    Rick Experte

    Aus europäischer Sicht durchaus, doch in den USA blieb er noch lange Unterhaltungsmusik, wenn auch zunehmend mit gehobenem Anspruch.
    Erst mit dem Siegeszug der Rockmusik schlüpfte er komplett in die "Kunst"-Nische, dies ebenfalls vorwiegend in Europa - deshalb kamen ja auch so viele Jazzer gerne hierher, um zu bleiben. ;)

    In den USA würde ich sagen, dass das Lincoln Center seit den 1990er Jahren einen maßgebliche Rolle bei der Etablierung des Jazz als Kunstform spielt.

    Schönen Gruß,
    Rick
     
  16. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich sehe da nicht so sehr die Trennung der europäischen und der amerikanischen Sicht. Natürlich war und ist Jazz immer parallel Unterhaltungsmusik geblieben. Die moderneren Formen des Jazz ab dem Bebop, ob Cool, Hard Bop oder Free Jazz, würde ich auch aus amerikanischer Sicht zur Kunstmusik zählen.
    Von den Musikern des West Coast Jazz z.B. arbeiteten viele kommerziell in den Filmstudios Hollywoods und "privat" eher in fast kammermusikalisch orientierten Jazzgruppen. Und das durchaus mit künstlerischem Anspruch.
     
  17. Rick

    Rick Experte

    Hallo Peter,

    das ist richtig. Den künstlerischen Anspruch hatten schon euro-amerikanische Swing-Musiker wie Benny Goodman in den 1930er Jahren.
    Afro-amerikanische Modernisten waren anfangs noch zwiegespalten: Dizzy Gillespie betonte lange die "Tanzbarkeit" des Bebop, Charlie Parker suchte die Anerkennung als seriöser Musiker u. a. mit Begleitung in klassischer Kammermusik-Besetzung. Dieser Zwiespalt zog sich bis in die 1950er Jahre hin, wo sich die junge afro-amerikanische Popkultur in groovigen Rhythm'n Blues und anspruchsvollen Hard Bop teilte.

    Aber in der breiten amerikanischen Öffentlichkeit brach sich, im Gegensatz zu Europa, die Anerkennung des Jazz als tatsächliche Kunstform nur langsam Bahn.
    Viele Jazzer wie Duke Ellington, Charlie Parker oder Miles Davis wurden in Europa schon In den 1940ern als Musik-Genies verehrt, wovon sie in den USA nicht zu träumen wagten. Gerade Frankreich spielte da in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle, auch in Form von Musik-Journalismus und ersten musikwissenschaftlichen Betrachtungen.


    Schöne Grüße,
    Rick
     
  18. chrisdos

    chrisdos Strebt nach Höherem

    Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.
     
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  19. Gast_13

    Gast_13 Guest

    Was mir an dieser Dienstleistungsmugge immer entsetzlich auf den Keks geht, sind diese Prolls die dich als Musiker dann immer so völlig herablassend als Domestiken behandeln. Sind meist irgendwelche Emporkömmlinge, die durch Erbe oder Gaunereinen zu Geld gekommen sind und jetzt einen auf dicke Hose machen. Leider trifft man immer ein paar solcher Typen bei so Dinner Jazz oder Hintergrundmusik Events.
    Wir haben letztes Jahr bei so einer Veranstaltung gespielt. Lustigerweise war das ein erlaucht elitärer Kreis von Geschäftsleuten, in dem einer unserer Mitmusiker schon seit langen Jahren Mitglied ist.
    Die Reaktionen des Publikums war interessant - schon lange bevor der Gig los ging. Die Herrschaften tafelten im großen Saal und obwohl besprochen war, dass wir da auch eine Tisch bekommen und speisen können, saßen wir dann alle zusammen, auch unser Kollege in Doppelfunktion am Katzentisch im Foyer und bekamen ein lieblos zusammengekochtes Tellergericht.
    Den ganzen Abend über war der Umgang mit uns von einigen der "Logenbrüdern" herablassend bis ignorant, was vor allem unserem Sänger (erfolgreicher Geschäftsmann aus einer sehr wohlhabenden Familie in der Stadt) sichtlich zu schaffen machte.
    Mit unserem Mitmusiker und Mitglied dieses erlauchten Kreises konnten viele überhaupt nicht mehr umgehen, einige waren absolut irritiert, wie einer der ihren sich freiwillig in die Niederungen der Musikdienstleistung begeben kann.
    Da ich dieses Verhalten des Publikums von früher her kenne, hat es mich allenfalls amüsiert, aber zu so einem Anlass werden wir wohl erst wieder spielen, wenn die Gage mindestens verfünffacht wird!

    ;-)
     
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  20. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Das nur mit "Gefällt mir" zu markieren, ist zu wenig.
    Aber ich habe tatsächlich schon häufig genau das gleiche erlebt.
    Es gab aber auch hin und wieder Positives, wo wir z.B. mit dem Vorstand am Tisch speisen durften. Das war dann interessant und fast immer angenehm, weil man merkte, dass auch die (Wirtschafts-)Elite häufig nur mit Wasser kocht.
    In zwei Fällen sprang sogar ein schöner Folge-Gig heraus (tolle Gartenfeste!). So etwas ist aber leider selten.

    Lg
    Mike
     
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